Materialien zu Der Theologe Nr. 17:
Die verschwiegenen Leiden
von Organspender und Organempfänger
Aktualisiert am 30.6.2022
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Organtransplantation ]
Ausländischen Touristen oder
Geschäftsreisenden droht im Reiseland die Organentnahme, wenn sie dort tödlich
verunglücken. Die Gefahr droht vor allem deutschen Staatsangehörigen, die sich
aufgrund der deutschen Gesetzeslage in scheinbarer Sicherheit wähnen, auch wenn
sie in Deutschland einer späteren Organentnahme nicht ausdrücklich widersprochen
haben. Denn in Deutschland ist dafür eine Zustimmungserklärung des Betroffenen
oder später seiner Angehörigen notwendig. Doch in den meisten europäischen
Ländern gilt bei Organtransplantation die so genannte Widerspruchsregelung oder
Widerspruchslösung (man muss im Ernstfall einer Organentnahme zuvor
widersprochen haben), und es werden immer mehr Länder, die diese
Gesetzesverschärfung einführen, um die Anzahl der Organe zu steigern. Und
liegt nirgends ein Widerspruch vor, wird auch ein deutscher Urlauber ungefragt
zum Organspender. "In vielen Fällen hätten dann
nicht einmal mehr die Angehörigen ein Widerspruchsrecht".
Die Gefahr, gegen seinen Willen später "ausgenommen" zu werden droht zum Beispiel in Österreich, Italien, Frankreich, Spanien, Luxemburg, Schweden, Portugal, Slowenien, Tschechien und Ungarn. In Belgien, Finnland und Norwegen haben die Angehörigen wenigstens ein Einspruchsrecht.
Der ADAC empfiehlt deshalb, vor
Antritt einer Auslandsreise in einem Organspendeausweis
festzulegen, ob im Ernstfall die Organe freigegeben werden oder nicht. Solche
Ausweise, auf denen auch ein Widerspruch vermerkt werden kann, sind in der Regel
in Arztpraxen und Apotheken erhältlich. Die Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung versendet auf Anfrage einen Ausweis in neun Sprachen (dpa,
26.10.2005). Man kann eine solche Erklärung mit eindeutigem Inhalt auch
selbst anfertigen.
Aufsehen erregte vor einigen Jahren der Fall eines beim Skifahren in Österreich
tödlich verunglückten jungen Deutschen, dem sofort nach dem Unfall die Organe
heraus geschnitten wurden, ohne dass sich die Familienangehörigen dagegen wehren
konnten (idea-spektrum Nr. 12/2007). Er hatte noch keine
Widerspruchserklärung für Österreich ausgefüllt.
Sehr große Gefahr droht auch Urlaubern oder Geschäftsreisenden in Spanien
oder Frankreich. Dort gilt bereits der Herzstillstand als ausreichende
Todesfeststellung für die Organentnahme und nicht erst der so genannte Hirntod
wie in Deutschland (in Frankreich gilt diese Regelung für bestimmte Kliniken).
Denn man kommt so schneller an die begehrten Organe.
Wer zum Beispiel als Deutscher häufiger nach
Österreich fährt, für den ist es eine zusätzliche Sicherheit, in Österreich
direkt eine Widerspruchserklärung abzugeben. Dies dauert nur wenige Minuten. Das
einfach verständliche Formular dafür kann im Internet herunter geladen werden.
Die Erklärung kann dann gefaxt werden:
Zentrales Widerspruchsregister
für Organentnahme ÖBIG, Stubenring 6, 1010 WIEN. Dort wird man dann auch
als Deutscher als Nicht-Organspender
registriert. Sinnvoll ist es auch, wenn der nächste Verwandte auch hier eine
Kopie hat. Normalerweise würde auch eine einfache Widerspruchserklärung reichen,
die man im Portemonnaie mit sich führt. Doch ob diese dann rechtzeitig
gefunden wird und ob überhaupt jemand danach sucht, ist eben die Frage. Von
daher sollte in jedem Fall der nächste Angehörige darüber informiert sein, wenn
man keine Organentnahme wünscht. Obwohl dies in Österreich nichts nützt, wenn
keine persönliche Widerspruchserklärung für Österreich vorgenommen worden ist.
Die unkomplizierte Eintragung ins österreichische Widerspruchsregister erfolgt
unter
widerspruchsregister
Quelle:
u. a. Bundesministerium für Gesundheit und soziale
Sicherung
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
– Jeweils aktualisiert auf nachfolgender Seite:
europa-regelungen
Land Gesetzliche Regelung
Belgien Widerspruchsregelung mit Einspruchsrecht der Angehörigen (so genannte Erweiterte Widerspruchslösung)
Bulgarien Widerspruchsregelung
Dänemark Erweiterte Zustimmungsregelung
Deutschland
Erweiterte Zustimmungsregelung
Estland
Widerspruchsregelung mit Einspruchsrecht der Angehörigen
Finnland Widerspruchsregelung mit Einspruchsrecht der Angehörigen
Frankreich Widerspruchsregelung; Achtung! Organentnahmen in mehreren Kliniken bereits nach Herzstillstand
Griechenland Widerspruchsregelung mit Einspruchsrecht der Angehörigen (bis dahin erweiterte Zustimmungsregelung)
Großbritannien/Irland Erweiterte Zustimmungsregelung
Irland
Widerspruchsregelung
Italien Widerspruchsregelung
Kroatien
Widerspruchsregelung mit Einspruchsrecht der Angehörigen
Liechtenstein
Widerspruchsregelung
Litauen
Widerspruchsregelung mit Einspruchsrecht der Angehörigen
Lettland
Widerspruchsregelung
Luxemburg Widerspruchsregelung
Niederlande Widerspruchsregelung seit 2018 (zuvor erweiterte Zustimmungsregelung)
Norwegen Widerspruchsregelung mit
Einspruchsrecht der Angehörigen
Österreich Widerspruchsregelung
Polen
Widerspruchsregelung
Portugal Widerspruchsregelung
Russland
Widerspruchsregelung mit begrenztem Einspruchsrecht der Angehörigen, insofern
diese versichern, ein Einspruch wäre der Wille des Sterbenden
Schweden Widerspruchsregelung mit Information der Angehörigen, die nicht widersprechen können
Schweiz Erweiterte Zustimmungslösung
Slowakei
Widerspruchregelung
Slowenien Widerspruchsregelung
Spanien Widerspruchsregelung; Achtung! Organentnahmen bereits nach Herzstillstand (mehr dazu hier)
Tschechien Widerspruchsregelung
Türkei
Widerspruchsregelung mit Einspruchsrecht der Angehörigen
Ungarn Widerspruchsregelung
Zypern
Widerspruchsregelung
Achtung:
Diese Informationen sind ausdrücklich ohne Gewähr. Da die Gesetzgebung sich
häufig änderte und im Sinne von Organtransplantationen in vielen Ländern
verschärft wurde, wie z. B. 2018 zuletzt in den Niederlanden, empfiehlt es sich
im konkreten Fall – also zum Beispiel bei der Reise in ein bestimmtes Land –
sich noch einmal gesondert zu informieren bzw. zu vergewissern.
So wird empfohlen, die Möglichkeit heraus zu finden, wie man vorab im Reiseland
vorsorglich widersprechen kann.
Zustimmungsregelung oder Erweiterte Zustimmungsregelung
Der Verstorbene muss zu Lebzeiten, z. B. per
Organspendeausweis, einer Organentnahme zugestimmt haben. Liegt keine Zustimmung
vor, können die Angehörigen über eine Entnahme entscheiden.
Entscheidungsgrundlage ist der ihnen bekannte oder der mutmaßliche Wille des
Verstorbenen.
Widerspruchsregelung
Hat der Verstorbene einer Organentnahme zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen, z. B. in einem Widerspruchsregister, so können Organe zur Transplantation entnommen werden. In einigen Ländern (siehe oben) haben die Angehörigen ein Widerspruchsrecht.
Bei einer Widerspruchsregelung in
Verbindung mit einer Informationsregelung geht der Gesetzgeber ebenfalls grundsätzlich von einer
Bereitschaft zur Organspende bei fehlendem Widerspruch zu Lebzeiten aus.
Allerdings müssen die Angehörigen in jedem Fall über die geplante Entnahme
unterrichtet werden. Ein Einspruchsrecht steht ihnen jedoch nicht zu.
Besonders krass ist die Situation in Spanien, wo man bereits wenige Minuten nach
dem Tod oder vermeintlichen Tod mit dem Aufschneiden des Körpers zwecks
Organentnahme beginnen kann. Organentnahme in Spanien:
Gesetzliche Regelung – Kriterium Herzstillstand.
Ähnliches gilt teilweise in Frankreich:
spiegel.de
Vor dem EU-Beitritt Bulgariens 2007 galt dort: "In Bulgarien gibt es
noch nicht einmal ein Widerspruchsrecht. Es gilt dort stets die sog.
´Notstandsregelung`. Entnommen werden kann, was jeweils dringend benötigt wird!
Bulgarien kann man nur als eventueller Organspender-Aspirant besuchen". Nach dem
EU-Beitritt wurde das Gesetz jedoch in eine Widerspruchsregelung geändert.
Diese so genannte Notstandslösung oder Notstandsregelung gilt allerdings in der
kanadischen Provinz Quebec in Verbindung mit einer erweiterten
Zustimmungsregelung. Wer dort hinfährt, sollte sich genau erkundigen, was dort
gemacht werden darf. Und die CDU in Berlin wollte ein solches Gesetz 1973 und
1978 auch in Deutschland einführen. Der Gesetzentwurf, der allerdings einen
Widerspruch aufgrund einer bestimmten Religion zulassen wollte, scheiterte
jedoch.
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Lesen Sie auch den Grundsatzartikel:
Der Theologe Nr. 17 – Die
verschwiegenen Leiden von Organspender und Organempfänger
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