Aktualisiert am 5.8.2024
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Die tote
Kirche
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5)
(Eine Erzählung von Holger Ziehaus, ohne Jahresangabe)
Am Morgen des Feiertages wachte der
reichlich begüterte Kirchenbevollmächtigte Gustav Masla mit einem Strick um den Hals auf. Er konnte sich nicht denken, wer ihm,
offenbar während er schlief, den Strick angelegt haben könnte.
Gustav Masla ging zum reichlich gedeckten Frühstückstisch, wo seine Frau Gunda Masla, geborene Ramla, und deren beider Kinder Hanna und Gustav, genannt Masla
junior, bereits warteten.
Welche Marmelade oder etwas Kaviarpastete noch von gestern? fragte Gunda Masla,
nachdem oberflächliche Guten-Morgen-Grüße ausgetauscht wurden. "War jemand von
euch das?" sagte Gustav Masla befremdet und merkte, dass anscheinend keiner im
Raum von seinem Strick Notiz nahm.
Hanna und Junior, die Kinder, spielten gelangweilt an der Stereoanlage neben dem
Wohnzimmertisch herum. "Sie müssen es sehen", dachte Gustav Masla und
trank seinen Kaffee. "Großmutter wird staunen", bemerkte Gunda Masla. "Ja", antwortete
Gustav Masla. "Wann beginnt der Gottesdienst in der Kirche?" fragte
Gunda Masla.
"Wie immer", antwortete Gustav Masla, erhob sich und kehrte kurz
darauf im grauen Sonntagsanzug zurück.
"Ach Gustav, zieh´ doch bitte die Kombination an!" klang es in Gustav Maslas
Ohren, doch ging er nicht sogleich zum Kleiderschrank zurück.
"Und das Schmuckstück um meinen Hals?" fragte er in die Runde, in der Hoffnung,
dass sich das mit dem Strick nun wohl klären würde. "Du machst dir doch nichts
aus Schmuck, ist doch egal dann, ob mit oder ohne", so Hanna Masla, das jüngere
der beiden Kinder. "Ja, klar", antwortete Gustav Masla verlegen.
"Was gibt es heute zu Mittag?" so fragte er stotternd. "Lamm", sagte
Gunda Masla, "für uns extra
geschlachtet, wie auch sonst jedes Jahr am Feiertag, das wisst ihr doch, die Vorbereitungen sind schon alle
getroffen". Und das ältere der beiden Kinder, Gustav junior, sagte: "Und
heute ist ja wieder der Feiertag." "Gut, also, fertigmachen für den Kirchgang", versuchte Gustav Masla seine behutsam dirigierende Rolle als Familienvater wahrzunehmen, und er
zog immer wieder am Strick um seinen Hals und ergänzte: "Ich kann ja so auch
noch nicht gehen, nicht wahr, ich gehe also noch einmal mal ins Bad".
Ihm, der noch immer mit dem unliebsamen Gefühl eines Strickes um den Hals die
morgendlichen Stunden des Feiertages verlebte, gelang es, nun alleine im Bad,
abermals nicht, diesen unheimlichen Strang zu entfernen. "Wo bleibst du,
Gustav?", dröhnte es von außen. Es war die Stimme von Gunda Masla, geborene Ramla.
Gustav Masla sah sich im Spiegel, verstört, mit einem Strick und dem Hals.
Und er sagte daraufhin schüchtern, aber mit selbstverständlichem Ton: "Ich mach´
nur noch schnell den Strick weg." Keine Antwort, und Gustav Masla holte den
Mantel mit dem großen festen Kragen aus dem Schrank, krempelte den Kragen zum
Stehkragen hoch, damit man den Strick nicht sieht.
"Was soll denn der Stehkragen?" mockierte seine Frau und krempelte ihn wieder
herunter. "Was werden die Leute in der Kirche sagen?" murmelte Gustav Masla.
"Wozu?" fragte ein Kind, und das andere: "Wir haben das Auto gestern nicht mehr
waschen können." "Ich mach mir nicht viel aus dem Gerede der Leute", sagte
Gunda Masla. "Bald haben wir ja auch den neuen Wagen", fügte sie noch hin zu. "Ja,
bald", sagte Gustav Masla, und: "Heute ist ja Feiertag".
Gustav Masla fasste sich ständig um den Hals, in der Hoffnung, den Knoten des
Strickes lösen zu können, was ihm zum wiederholten Male nicht gelang. Auf der
Straße vor der Garage angekommen, grüßten die Nachbarn die Familie Masla wie
üblich. Der Mann tauschte mit ihm, Gustav Masla, wie meistens am Sonntagmorgen,
einige Worte über das gestrige Fußballspiel aus, ohne sich vom Strick am Hals
seines Gesprächspartners irritieren zu lassen.
"Jetzt ist es zu spät", flüsterte Gustav Masla vor sich hin, als er vor dem
Kirchengebäude aus dem Auto stieg und die Eingangsschwelle zum Kirchengebäude
überschritt.
Familie Masla saß wie meistens in der zweiten Reihe links, näher an der Kanzel
als die rechte zweite Reihe. Mit verklemmter Genugtuung
vernahm Gustav Masla die Abkündigung des Pfarrers, dass ein Gemeindeglied, das
hier nicht genannt werden solle, anlässlich seines runden Geburtstages 500 Mark
für die Renovierung der Kirchenmauer gespendet hat. Das Kirchenblatt mit dem
originellen Namen "Um den Altar herum" hatte dem 50. Geburtstag Gustav Maslas
eine halbe Seite gewidmet. Mit Respekt nickten einige Kirchgänger unauffällig in
Richtung Gustav Masla, was dem strickumwundenen Kirchenbevollmächtigten dennoch auffiel
und ihn wegen des Stricks in einen Zustand zunehmender Unsicherheit versetzte. "500 Mark, die
Leute wissen das zu schätzen", flüstere ihm Gunda Masla ins Ohr.
Gustav Masla reagierte nicht, schubste stattdessen den vor ihm in der ersten
Reihe sitzenden Kirchendiener und zog bei sich am Strick, als dieser sich
umdrehte. "Was ist?" fragte jener. "Sieht er dann auch nichts?"
sinnierte Gustav Masla vor sich hin und antwortete daraufhin leicht
resignierend: "Ach, ist schon in Ordnung, schauen wir
mal nach dem Gottesdienst". Und der Kirchenbevollmächtigte
begann nun, wie alle anderen auch, der Predigt zu lauschen. Und so hörte er
folgende Worte:
"Es kam ein Mann zu Jesus gelaufen und fragte ´Meister, was muss ich tun, um das
ewige Leben zu bekommen?` ´Du kennst doch die Gebote`, antwortete Jesus. ´Die
Gebote habe ich von Jugend an befolgt`, erwiderte der Mann. ´Dann verkaufe
alles, was du hast und gib das Geld den Armen, so wirst du einen Schatz im
Himmel haben, und dann komm und folge mir`, so Jesus. Und er lehrte seine Jünger:
´Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel
komme`."
Gustav Masla wurde beim Hören dieser Worte unruhig, rutschte mit seinem
Hinterteil auf der harten Kirchenbank vor und zurück und stand schließlich
langsam und leicht errötet auf, noch während der Pfarrer predigte. Der
Kirchenbevollmächtigte erhob nun stehend seine Hand, als ob er etwas sagen wollte, doch
seine darüber entsetzte Frau zog ihn sofort zurück und drückte mit ihren Händen auf
seine Schultern, damit er sitzen bleibt. "Was ist los mir dir, Gustav?"
flüsterte sie ihm erregt ins Ohr, während der Pfarrer auf der Kanzel einfach weiter sprach. "Siehst du an mir nichts?" flüsterte Gustav Masla, während der Pfarrer
über den Glauben redete, doch der Kirchenbevollmächtigte begann auch, sich
wieder zu beruhigen. "Nichts besonderes", flüsterte Gunda Masla zurück. "Alle
Leute sehen heute so feierlich aus wie du. Es ist doch Feiertag", sagte sie, die
geborene Ramla, um dann wieder mit zunehmender Verkrampfung nach oben auf die
Kanzel zu blicken und auf die Worte des
Pfarrers zu lauschen.
Der Pfarrer beschloss die Predigt mit den Worten: "Man darf diese Worte
nicht für bare Münze nehmen. Diese Geschichte ist nur eine Veranschaulichung
früherer Zeiten. Jesus wurde ermordet. Das bedeutete: Die Bedingungen
wurden geändert. Nicht das Halten der Gebote bringt euch seither ins Himmelreich oder
die Hilfen für die Armen. Sondern allein der Glaube an das Heil dank seiner
Ermordung
und an die weiteren Lehren der Kirche. Seine
qualvolle Hinrichtung war die entscheidende Verbesserung zu unseren Gunsten. Deshalb
verkünden wir an diesem Feiertag freudig seinen Tod und
wie er dort tot hängt an seinem Kreuz. Denn nun, liebe Gemeinde, geht das Kamel
durchs Nadelöhr und wir stehen auf ins Himmelreich. Denn für Gott ist nichts unmöglich. Halleluja."
Die Gemeinde betete sogleich die Worte des Pfarrers nach und sprach im Chor: "Man darf die Worte
nicht für bare Münze nehmen. Es ist nur eine Veranschaulichung früherer Zeiten.
Doch die Bedingungen haben sich geändert zu unseren Gunsten. Wir müssen nur noch
bekennen, dass wir glauben, was wir hiermit tun ´Wir glauben, Halleluja`", ehe
das abschließende Amen gesprochen wurde. Dieses Wort war wie immer das Zeichen
für den schwerhörigen Organisten, mit allen seinen Fingern die Tasten der Orgel
fest nach unten zu drücken, so dass vom einen auf den anderen Augenblick ein akustisch
dröhnender Schwall
aus den Orgelpfeifen die Kirche bis in ihre letzten Winkel ausfüllte und jeder
Besucher wusste, dass damit jetzt die letzten Minuten dieser Morgenversammlung
eingeleitet sind.
"Es ist nur eine Veranschaulichung, eine Veranschaulichung früherer Zeiten", sprach Gustav Masla vor sich hin, als er
noch grübelnd auf der harten Bank ausharrte, während die anderen Kirchenbesucher
allmählich das Gebäude verlassen und auch der schwerhörige Organist nirgends
mehr zu sehen war.
Der Kirchendiener war es, der die Leiche Gustav Maslas eine Stunde später als erster
entdeckte. Gustav Masla hing tot an einem Strick, der an einem Haken in der
Kirchendecke über dem großen
Altarbild eines bedeutenden Künstlers festgebunden war, das zu einem der großen Werke
der Kirchenmalerei zählt. Und von weitem sah es jetzt so aus, als sei Gustav Maslas dort
hängender Körper nun ein Teil des Gemäldes.
Die Zeitung schrieb zwei Tage später: "Am Feiertag in der Kirche erhängt! Mord
oder Selbstmord des Kirchenmannes?"
"Nein", sagte jemand. "Es war ein Unfall, ein verhängnisvoller Irrtum. Der
Strick war echt."
Anmerkung des Redaktion: Was hat Jesus von Nazareth gesagt? Und wie ist es
bis heute gemeint? Es ist erklärt durch Prophetenwort in dem Werk Das ist Mein
Wort, wo das Leben nach den Geboten Gottes auch als der Weg der Seele
zurück in die ewige Heimat beschrieben wird. Und in Kapitel 43 wird erklärt, dass der Mann,
der auf Jesus zugegangen war, "große Güter" hatte, "mehr
als er benötigte", und es heißt dort u. a. weiter: "Wer nach irdischen Gütern
trachtet und wer die Taler, die er besitzt, als sein Eigentum ansieht und diese
einzig für sein materielles Wohl vermehrt, der ist schon von der Welt entlohnt
und kann im Himmel keinen Lohn mehr empfangen. Er kann auch Mir, dem Christus,
nicht nachfolgen." In der Ausgabe Nr. 58
von Der Theologe wird weiter dargelegt, dass die Kreuzigung von Jesus
nicht notwendig für die Erlösung war und nicht der Wille Gottes, sondern der
Wille der Gegner von Jesus von Nazareth.
Lesen Sie mehr zu den Hintergründen der Kirche
in der
Informationsschrift Nr. 1 der Freien Christen
– Gott
wohnt nicht in Kirchen aus Stein.
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