Der Theologe Nr. 96, aktualisiert am 20.10.2022
Plötzlich waren sie wieder da im Jahr 2016 – Die Pokemon (wörtlich: "Pocket-Monster"), mit denen es
eigentlich schon ab dem Jahr 2001 allmählich zu Ende ging, damals dann in der
Variante "Pokémon Go" ab dem 14.7.2016 auch in Deutschland. Das
Magazin Focus und die
Boulevard-Zeitung Bild hatten zum Start sogar eigens einen
"Liveticker" eingerichtet. Im Zusammenhang der Wiedererweckung der
kleinen Comic-Monster für Smartphones bzw. Handys nach einer knappen
Generation lesen Sie hier unsere damaligen Studien aus dem Jahr 2000.
Die
Analysen von damals haben von ihren Kernaussagen her und der Aufdeckung von
Hintergründen zum "Pokemon-Fieber" (wenn der Zeitvertreib zur Spielsucht
wird) nichts von ihrer Aktualität verloren, auch wenn es dann bald wieder
ruhig um sie wurde und es mittlerweile [2023] wieder kein gesellschaftliches
Thema mehr ist. Doch die dahinter wirkenden Mechanismen sind auf andere
Weise weiterhin tätig, vor allem das Abdrängen der Kinder in Richtung einer
virtuellen Scheinwelt, was auch durch verschiedene Maßnahmen gegen die
Pandemie 2020 massiv gefördert wird, z. B. kein Training mehr in
Sportvereinen, keine Spiele und Wettkämpfe in der nichtdigitalen Welt. Bei Pokemon
geht es darum, im virtuellen Kampf mithilfe von Comic-Monstern der "Beste"
zu sein. Neu war 2016: Die Pokemon-Welt – früher eine reine virtuelle Welt im Gameboy – war nun per spezieller Smartphone-"App" und Satellit in die irdische Außenwelt eingewoben. Das bedeutete: Der
Spieler begab sich mit seinem Smartphone an bestimmte äußere Orte, z. B.
einen zentralen Platz in einer Stadt, wo er bestimmte Monster bzw. Aspekte des
Spiels aktivieren konnte. Durch die jeweilige GPS-Standort-Ortung der Handys
für öffentliche Plätze und Einrichtungen können dort auch andere Spieler hingeführt werden und z. B. nur dort
bestimmte Kämpfe durchführen oder Spielvorgänge, die sie – auf das
Spiel bezogen – "stärker" machen.
Auf diese Weise greifen die virtuelle und
die materielle Welt bei Pokémon-Go ineinander, und selbst die
Holocaust-Gedenkstätte im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau
in Polen ist bereits in das Fadenkreuz von Pokemon-Spielern
geraten. Ca. 40 Jugendliche haben dort nach Zeugenaussagen um die Pokemon-Oberhoheit
gekämpft. Die Spieler
entscheiden nämlich selbst, an welchen äußeren Orten sie Herausforderer
anlocken bzw. Kämpfe gewinnen wollen. Während sich die Spieler
in der materiellen Welt bewegen, läuft parallel eine dazu
maßgeschneiderte virtuelle Welt auf ihren Handys ab. Doch was steckt hinter all´
dem und seiner Weiterentwicklung.
In Japan und den USA waren sie schon lange Thema Nr. 1 bei den Kindern, in Deutschland gibt es sie erst seit 1999 – die Pokemon, Abkürzung für "Pocketmonster". Es handelte sich um Zeichentrick-Figuren, die im Computerspiel, im Gameboy oder auf Sammelkarten in Aktion gebracht werden. Seit September 1999 gab es sie auch täglich im Fernsehen (RTL 2) und im Mai 2000 mit Erfolg auch im Kino. Was sich hinter dem erfolgreichsten Computerspiel aller Zeiten verbirgt, ist nicht ganz so harmlos, wie es vielleicht scheint.
Die Handlung der Erfolgsserie ist schnell erzählt: Der 10-jährige Ash konkurriert mit anderen Kindern um die Meisterschaft der Pokemon-Trainer. Pokemon sind tierähnliche Wesen, die von den Menschen aus Spielkugeln "herausgezaubert" werden und die jeweils im Duell gegeneinander kämpfen, bis einer k.o. gegangen ist. Wie Ash kann auch jedes Kind im Gameboy, am Computer oder mit seinen Spielkarten ein anderes Kind zum Pokemon-Kampf herausfordern. Jedes der derzeit 151 Pokemon hat andere Kampfeigenschaften. Und vielfältige Spielregeln und Spielvariationen (Energiekarten, Trainer-Karten, Evolutionskarten, durch die sich die Monster weiterentwickeln usw.) halten die Kinder ständig auf Trab.
"Ich will der Beste sein"
Das Pokemon-Spiel nützt den Wunsch der Kinder aus,
beim Spielen gewinnen zu wollen und treibt ihn auf die Spitze: Die
Botschaft lautet ganz einfach: "Ich will der Beste sein". Oder: "Ich
will der beste Pokemon-Trainer sein" oder einfach: "Ich will besser sein
als du." Ein großer Haken an der Sache. Das Spiel findet kein Ende. Und
es soll auch keines nehmen.
Das Gehirn "zugeballert", das Gefühl blockiert
Der
neue Kult hat auch seine Helden: Millionen von Kindern, aber auch
Eltern, wie die zwischenzeitlich zur "PokeMOM" gekürte Diane Bergquist
aus Bellingham/Washington. Sie erzählt mit Begeisterung, wie Pokemon zu
einem
"großen Teil" ihres familiären
Alltags wurde. Doch nicht alle Eltern reagieren positiv, im Gegenteil.
Sowohl in Japan als auch in den USA haben sich
Anti-Pokemon-Elterninitiativen gebildet. "Sie fühlen sich überrollt", so
die Die Zeit (23.3.2000), von der Marketing-Strategie der
Hersteller, "die mit den drei Geschützen Fernsehen-Gameboy-Kartenspiel
ihren Kindern das Gehirn
mit grotesken kleinen Ungeheuern zugeballert
hat", was auf lange Sicht auch die Gefühlsebene und das Gewissen
überlagern kann. Auch in Deutschland sind die ersten negativen
Auswirkungen zu spüren. Hilflose Schulleiter haben Pokemon in ihren
Schulen bereits verboten, weil sich viele Schüler wegen der
Monsterspiele nicht mehr auf den Unterricht konzentrieren konnten. In
einer fränkischen Grundschule werden am Eingang zum Klassenzimmer die
Taschen der Schüler kontrolliert und aufgespürte Pokemon-Karten unter
lautstarkem Protest der Schüler beschlagnahmt und einbehalten. Bild
brachte die Schlagzeile:
"Unsere
Kinder leben in einer anderen Welt – und wir verstehen sie nicht mehr"
(12.4.2000). Aus Großbritannien und den USA werden erste blutige
Kämpfe der Kinder gemeldet, z. T. mit Messerstechereien oder
Raubüberfällen auf Kinder, die sich gerade im Kiosk Pokemon-Karten
gekauft haben. Ein Grund dafür: Nicht jeder kann sich nämlich die teuren
Karten (Eine Tüte mit 11 Bildern kostet 8 DM) leisten. Und nicht jeder
hält sich auch an die Regeln.
Es beginnt z. B. damit, dass ältere
Kinder manchmal die Karten der Jüngeren wegnehmen, wenn die Jüngeren im
Kampf gewonnen haben. Man kann sich fragen: Was sind unerwünschte
Nebenwirkungen? Und was ist womöglich Teil einer Strategie?
Satoshi Tajiri
Der 32-jährige Japaner Satoshi Tajiri hat
Karriere gemacht, obwohl es zunächst ganz anders aussah. Tajiri
war als Jugendlicher videospielsüchtig. Mit Augenringen vom
stundenlangen Videospiel kam er heim zu seiner verzweifelten
Mutter. Es kam noch schlimmer. Tajiri war nicht
mehr fähig, in die Schule zu gehen. Mit 16 Jahren gab er
deshalb die Schule auf und widmete sein Leben nur noch dem
Videospiel.
Tag und Nacht saß er vor dem Video und dem Computer. Er lernte
programmieren, entwickelte neue Ideen für Computerspiele und
gewann erstmals einen Wettbewerb. Sein erster Coup: Die
Kombination von zwei Gameboys und ein Spiel, bei dem die beiden
Gameboy-Besitzer gegeneinander kämpfen. Der Japaner brütete
weitere Jahre vor seinen Geräten. Das Geld für seinen
Lebensunterhalt bekam er von seinem Vater, der als Autoverkäufer
arbeitete. Und Tajiri schuf die Pokemon. Der Konzern Nintendo
griff sein Produkt auf und machte ihn zum erfolgreichsten und
wohl reichsten Computerspiel-Schöpfer aller Zeiten.
Neue Medien – verbieten zwecklos
Gehören Sie auch zu den Eltern, deren Kinder
mehr mit dem Gameboy vertraut sind als mit dem Familienleben?
Haben Sie Angst, dass die Kinder süchtig werden?
"Verbieten ist zwecklos", so ein Vater zu unserer Redaktion.
"Dann macht man sie erst richtig scharf". Dürfen also Kinder
ihre Erfahrungen machen und bin ich ihr erwachsener Freund, mit
dem man vernünftig reden kann? Über Computerspiele, über Gott
und die Welt? Es wirkt vor allem das Vorbild und die Zeit, die
man sich für die Kinder nimmt. Was mache ich z. B. als
Elternteil in meiner Freizeit? Ist sie sinnvoll ausgefüllt? Habe
ich eine klare Linie für mein Leben? Und habe ich gelernt, Gott
zu vertrauen und weiß, dass Er mich und die Kinder führen
möchte? Und wenn die Kinder eigene Wege gehen – bin ich trotzdem
bereit, als großer Bruder oder große Schwester für sie da zu
sein, wenn sie mich brauchen?
In der Natur sind viele für das menschliche Auge unsichtbare Helfer aktiv, die Naturwesen oder Elementarwesen, die für die Tiere und Pflanzen der Erde sorgen. (Näheres in dem Kinderbuch Liobani, Band 2, Ich berate – nimmst du an? – Wer anstrebt, Teil der großen Einheit allen Lebens zu werden, dem dienen die Naturkräfte und auch die Tiere mehr und mehr. Diese Sehnsucht liegt letztlich in jedem Menschen. Vergleichbar diesem Idealbild gibt es in der Kinderliteratur oftmals "Helden", die ein Ideal des Guten, Edlen und Schönen verkörpern. Dies spricht die positiven Aspekte in der Seele der Kinder an und weckt in ihnen die Sehnsucht nach dem Vollkommenen, das in allen Seelen angelegt ist.