Der Theologe Nr. 39, aktualisiert am 30.6.2022
Spätestens seit die Kriegs-Organisation
Islamischer Staat (IS) 2014 ankündigte, ihr Ziel sei der Angriff auf den
Vatikan, und seit deren Anhänger eine Bildmontage von einer schwarzen Fahne des "Kalifats" auf
dem Petersplatz zeigten, ist man dort in allerhöchster Alarmbereitschaft; erst
recht, seitdem Menschen aus dem Nahen Osten verstärkt als Flüchtlinge oder
Migranten in Europa ankommen. Hintergrund sind unter anderem die
Kreuzzüge, womit die Papstkirche ab dem 11.
Jahrhundert grausame Kriege in den Nahen Osten trug, was bis heute nicht
gesühnt ist.
Der Vatikan hatte bereits im ersten
Jahrzehnt des neuen Jahrtausends erste Vorkehrungen getroffen. Zur Erinnerung: "Seit Monaten mehren sich die Drohungen gegen den Vatikan", so die deutsche
Zeitung Bild am 6.12.2008. Und Andreas Englisch, der damalige Korrespondent
der Zeitung im Vatikanstaat, schrieb: "Der Papst musste handeln. Die Gendarmerie
erhielt eine moderne, neue Uniform und dazu Waffen. Jetzt müssen die
Gendarmen des Papstes wieder Schießtraining absolvieren ... Keiner spricht
gern darüber, aber nach dem Bombenanschlag in Bombay ist es noch deutlicher
zu spüren: Die Angst geht um im Vatikan." So weit der Korrespondentenbericht
aus dem Vatikan aus dem Jahr 2008. In Bombay (= Mumbai) wurden bei mehreren Terroranschlägen
radikaler Islamisten am 26.11.2008 insgesamt 174 Menschen ermordet.
Eine Handfeuerwaffe, wie sie schon vor 2008 im Vatikan im Einsatz war. Foto: Atirator, CC BY-SA 3.0 Lizenz
Waffen und Schießtraining – davon bekommt die
Gläubigen, die im Vatikan die räumliche Nähe des Papstes erleben wollen, normalerweise nichts mit.
Wir haben jedoch die Meldung von der "Angst im Vatikan" einmal zum Anlass
genommen, genauer hin zu sehen. In der Meldung heißt es, die Gendarmerie des
Vatikan erhielt Waffen. Was heißt das genau? Und wie war es denn bis dahin
gewesen?
Weitere Brisanz gewann das Thema in Deutschland 2009 anlässlich des
Kinofilms Illuminati nach einem Roman von Dan Brown: Ein Papst wird
in der Filmhandlung von seinem eigenen Kammerdiener ermordet, und auch die Chefs von Gendarmerie
und Schweizergarde werden im Laufe des Films erschossen.
Tatsächlich wurde Kommandeur Alois Estermann im Jahr 1998 nur 10 Stunden (!)
nach seiner Ernennung zusammen mit seiner Frau im Vatikan erschossen,
angeblich von einem unzufriedenen Schweizergardisten, der anschließend
Selbstmord begangen haben soll, was bis heute als wenig
glaubwürdig gilt. Es
wird stattdessen ein Kampf um die Macht im Vatikan hinter den Kulissen
vermutet.
Am Heiligabend 2009 sprang dann die 25jährige Susanna Maiolo aus der
Schweiz über eine Absperrung im Petersdom, um den Papst zu umarmen. Dieser
ging dabei zu Boden, was bei den "Sicherheitskräfte"
des Vatikan die Frage aufwarf, wie sie ihn noch besser beschützen
können.
Im Dezember 2014 schließlich wurde die Entlassung des Schweizergardisten-Kommandanten Oberst
Daniel Anrig angekündigt, nachdem er Presseberichten zufolge wegen seines
Führungs- und Lebensstils in Ungnade gefallen war. "Papst feuert Kommandeur
der Garde", hieß es in Presseberichten (ntv.de, 3.12.2014). Nachfolger
wurde im Februar 2015 – kurz nach den Anschlägen auf die französische Zeitung Charlie Hebdo
–
ein Schweizer Militärs namens Christoph
Graf.
Nachfolgende Studie ist in wesentlichen
Teilen die Mitschrift eines
Gesprächs von Freien Christen aus dem Jahr 2008. Das Thema wurde
vor allem durch Drohungen des Islamischen Staates im Jahr 2015 noch
aktueller. Zum Abschluss ist noch eine Studie
und eine Buchbesprechung zum Mord an Kommandeur Alois Estermann angefügt.
Zwei Truppen: Gendarmerie und
Schweizergarde
Würde Jesus einer "hohen Feuerdichte" im
Nahkampf vertrauen?
Karate, Judo und gute Kontakte zur
Leibwache des US-Präsidenten
Wurde der geistige Schutzengel des Papstes degradiert?
Für den Papst: Allerhöchste
Sicherheitsvorkehrungen, die diese Welt bieten kann
Scharfschützen auf den Dächern bei der Wiederkunft von Christus?
Erfahrungen des Kommandanten der
Schweizergarde
Woher kommt die Angst im Vatikan?
Hinter jedem Soldaten im Krieg stand ein
Priester, der ihn segnete
Notfalls das Leben zu lassen – welche
"totalitäre Sekte" verlangt das?
Die
Hilfe des "heiligen" Damasus
"Blutlügen" und verwischte Spuren – Wer ermordete Kommandant Estermann?
"Wir haben deine Lehre verbessert"
Drei Leichen und der vierte Mann
"Jünger der Wahrheit" enthüllen: Morde im
Vatikan – Was steckt dahinter?
Mutter widerspricht Vatikan
"Untersuchung" oder
Verschleierung?
Die andere Version
Neue Waffen und neue Uniformen für die
Gendarmen im Vatikan – es war 2008 aktuell von professionellen Pistolen vom Typ Glock die
Rede
(eine zerlegte "Glock 19" siehe Foto: Shotgun,
Wikimedia Commons Lizenz), die viele Militärs und Polizeieinheiten weltweit verwenden und die
seither auch die Gendarmen im Vatikan an ihrem Gürtel tragen. Zuvor hieß
es, sie tragen Pistolen der Marke Beretta automatica vom Kaliber 7,65, so z.
B. der katholische Nachrichtendienst zenit.org. Grundsätzlich heißt das: Die Gendarmen sind nicht erst seit kurzem, sondern schon seit
vielen Jahren bewaffnet, genauso wie die Schweizergarde, die bekannte
Leibwache des Papstes.
Die Gendarmerie ist die langjährige päpstliche
Armee des Kirchenstaates, im Negativen bekannt geworden etwa durch die Ermordung des
französischen Generals Duphot 1797 oder berüchtigt auch durch das
Niederbrennen des Dorfes Sonnino im Jahr 1819. Die Schweizergarde wurde 1506
von Papst Julius II. gegründet. Am 22.1.1506 zogen die ersten 150
Schweizergardisten aus dem Schweizerischen Kanton Uri in den Vatikan ein. Weil der Papst
keine Hemmungen hatte, Menschen zu töten bzw. töten zu lassen, nannte ihn
Martin Luther in seiner erstmals 1517 publizierten Schrift An den
christlichen Adel deutscher Nation einen "Blutsäufer".
Entsprechend groß war deshalb auch das äußere Sicherheitsbedürfnis des
damaligen so genannten "Heiligen Vaters".
Die Gendarmerie einerseits und die Schweizergarde andererseits, das sind
also zwei
unterschiedliche Truppen. Die heute ca. 110 Schweizergardisten haben die Funktion
einer Art Armee im Vatikan, die ca. 150 Gendarmen die Funktion der Polizei.
Bis nach dem 2. Vatikanischen Konzil im 20. Jahrhundert gab es zudem noch
die adlige Palatinergarde und eine 500 Mann starke "Bürgermiliz" im Vatikan,
also insgesamt vier bewaffnete Organisationen im Vatikan. Papst Paul VI.
hatte nach dem 2. Vatikanischen Konzil dann die beiden letztgenannten Milizen aufgelöst, und
die Gendarmen und Schweizergardisten sollten ihre Feuerwaffen abgeben. Ob
dies dann wirklich geschah, sei dahin gestellt. Auf jeden Fall
bekannte man sich nach dem Attentat auf Papst Johannes Paul II. im Jahr 1981
wieder zu Waffen. Und spätestens seit dem 11. September 2001 ist eine
deutliche weitere Aufrüstung im Vatikan spürbar, die 2008 noch einmal
verstärkt wurde.
Dazu eine Frage zum Vergleich: Hatte Jesus von Nazareth
damals Seine Anhänger aufrüsten
lassen, als sich die Pharisäer und Schriftgelehrten zunehmend gegen Ihn
stellten? Jesus hat in der Bergpredigt, wie sie im Matthäusevangelium
nachzulesen ist, gesagt: "Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden
das Land erben." Da wäre es ein Widerspruch gewesen, wenn er Seine Jünger
bewaffnet hätte.
Und ist nicht eine Bewaffnung auch eine Vorstufe von Gewalt? Also hat das
doch mit Jesus nichts zu tun, was wir aus dem Vatikan von "verstärkter
Bewaffnung" hören. "Die Angst geht
um im Vatikan", so ist zu lesen. Ist dies nicht auch eine Folge der
Angst, die der Vatikan durch seine Kreuzfahrerheere oder die Inquisition
Jahrhunderte lang selbst verbreiten ließ?
Schauen wir zunächst in der Gegenwart näher hin: Was zeigt sich, wenn wir das
Umfeld des Papstes betrachten? Was ist hier vor allem im 21. Jahrhundert
genau passiert?
Gegenüber den Feuerwaffen im Vatikan sind die altertümlichen
Lanzen und bunten Uniformen der Schweizergarde nur die Folklore,
die man nach außen zeigt. Die verborgene Seite der Wirklichkeit beschreibt
der Redakteur Andreas Englisch so: "Die Schweizergardisten trainieren
regelmäßig mit der Schweizer Armee und sind mit Pistolen vom Schweizer
Hersteller SIG Sauer und mit Sturmgewehren ausgerüstet" (Bild, 6.12.2008).
Und zum Stichwort "Sturmgewehr" kann man im Internet-Lexikon
Wikipedia lesen: "Nach taktischen Gesichtspunkten ist das ´Sturmgewehr`
eine Handfeuerwaffe, welche die Einsatzbereiche des Gewehrs, gegebenenfalls
sogar eines Scharfschützengewehrs, und einer Maschinenpistole gleichermaßen
abdecken soll." Ein Sturmgewehr zeichnet sich zudem aus durch "zielgenaues,
durchschlagskräftiges Einzelfeuer im Fernkampf" und "hohe Feuerdichte im
Nahkampf". (Stand: 18.2.2009)
Stellt man sich hierzu den Kreuzweg des Jesus von Nazareth vor
und ahnt, wie Er gelitten hat: Nicht vorstellbar, dass Jesus von Nazareth, wenn
dies damals schon möglich gewesen wäre, auf "durchschlagskräftiges
Einzelfeuer im Fernkampf" oder auf "hohe Feuerdichte im Nahkampf" gebaut
hätte, z. B. bei Seiner Festnahme im Garten Gethsemane.
Jesus und der Papst haben ja auch sonst nicht viel miteinander
zu tun, obwohl letzterer zu Unrecht behauptet, Stellvertreter des ersteren
zu sein. Jesus wurde von den Obrigkeiten verlacht,
dem Papst liegen die Regierungschefs mehr oder weniger zu Füßen.
Und entsprechend geht es dort auch zu. Im Osservatore Romano, der
Vatikan-Zeitung, heißt es in der Ausgabe Nr. 48/2008: "Dass der
Vatikanstaat mit seinem Gendarmeriekorps über eine professionelle
internationale Polizei verfügt, bestätigte vor einigen Wochen Robert S.
Muller, der Direktor der US-amerikanischen Bundespolizei FBI bei einem
Besuch im Vatikan." Und wenn schon die Gendarmen so professionell sind, dann
erheben natürlich die Schweizergardisten auch diesen Anspruch. Zwischen
diesen beiden Vatikan-Truppen soll es vielfach eine Konkurrenz geben, wer
denn den Papst und den Vatikan effektiver schützt.
Im Jahr 2006 feierte diese Schweizergarde ihr 500-jähriges Jubiläum.
Hierzu schreibt die Süddeutsche Zeitung vom 21.1.2006: "Die
Vatikan-Zugänge, den Apostolischen Palast und den Papst müssen sie schützen;
und das tun sie nicht mit ihren Hellebarden, Lanzen und Schwertern, sondern
mit modernstem Gerät – und Feuerwaffen. ´Wir sind genauso fit wie andere
Sicherheitsdienste`, sagt der Kommandant. Seine Personenschützer werden in
der Schweiz trainiert. Zudem pflegt die Garde gute Kontakte zur Leibwache
des amerikanischen Präsidenten. In Rom üben die Schutzengel des Heiligen
Vaters Karate und Judo, manchmal schießen sie im Keller des Vatikan."
Ähnliches gilt dann natürlich für die Gendarmen. Denn wie gesagt: Keine der
beiden Truppen möchte gegenüber der anderen ins Hintertreffen geraten. Und
hier konnte man im Jahr 2008 eine enorme Aufrüstung bzw.
Aufwertung der Gendarmen beobachten. So ist die vatikanische Gendarmerie seit
Oktober 2008 Mitglied von Interpol, der internationalen Polizeieinheit. Und
etwa im selben Zeitraum wurde im Vatikan eine Anti-Terroreinheit, die Unita Antisabotaggio, aufgebaut und auch eine schwer bewaffnete
"Schnelle
Eingreiftruppe", die Intervento Rapido – die Begriffe wurden aus dem
Sprachgebrauch der NATO bzw. der US-Armee entlehnt.
Und bereits unmittelbar nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New
York 2001 wurde die Zentrale der Gendarmerie im Vatikan ja auch zu einer
hochmodernen Überwachungszentrale umgebaut. Auf über 50 Monitoren kann die
Vatikan-Polizei seither fast jeden Winkel des Kirchenstaates beobachten.
Antiterroreinheit? Schnelle-Eingreif-Truppe? Und dann die Aussage: Die
Schutzengel des so genannten Heiligen Vaters führen im Keller des Vatikan
Schießübungen durch. Und sonst trainieren sie mit der Schweizer Armee und
sind mit Sturmgewehren ausgerüstet. Heißt das vielleicht: Der Schutzengel,
den der Papst wie jeder Mensch aus der geistigen Welt für sein
Erdenleben mitbekommen hat, wurde demgegenüber degradiert? Der Papst vertraue
womöglich weniger seinem
Schutzengel, sondern eher seinen bewaffneten Einheiten?
Es ist bekannt, dass Jesus die
Menschen selig gepriesen hat, die keine Gewalt anwenden. Aber wie ist das
denn, wenn man angegriffen wird? Hat Jesus nicht vielleicht doch wenigstens
eine bewaffnete Verteidigung befürwortet?
Nein, Er trug keinen Dolch im Gewand, um sich z. B. bei
Seiner Festnahme zu
verteidigen. Was man hierzu aus dem Vatikan hört, ist deshalb etwas völlig
anderes als das, was man von Jesus von Nazareth weiß. Einer Seiner Jünger,
Petrus, trug zwar auch noch ein Schwert. Und einmal heißt es in den
Bibeln, die zwölf Jünger hätten insgesamt zwei Schwerter bei sich. Der Grund:
Wohl, um
mögliche Straßenräuber fernzuhalten. Doch als Petrus das eine der beiden Schwerter zur
Verteidigung einmal tatsächlich einsetzen wollte, hat ihm Jesus deutlich widersprochen. Im
Matthäusevangelium in der Bibel, Kapitel 25, heißt es ab Vers
26: "Da sprach Jesus zu ihm: ´Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn
wer das Schwert nimmt, der wird durchs Schwert umkommen. Oder meinst du, ich
könnte meinen Vater nicht bitten, dass er mir sogleich mehr als zwölf
Legionen Engel schickte?`"
Und es gibt noch mehr Überlieferungen dieser Art. Jesus hat sich also in
keiner Weise auf eine Waffe verlassen. Ganz anders Sein selbsternannter
Stellvertreter.
Und passt es nicht dazu, was der Versucher von Jesus wollte? Er versprach
Ihm alle
Reiche der Welt, wenn Er, Jesus, den Versucher, den Satan anbetet. Und die
Reiche der Welt werden nun mal mit Waffen zusammen gehalten, so die
jeweilige Politik. Jesus, der
Christus, sagte jedoch, und das kann man im Johannesevangelium der Bibel
nachlesen: "Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt
wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich nicht ausgeliefert würde." Wie
ist es jedoch beim Papst? Bei Papstbesuchen wird der Papst mit den
allerhöchsten militärischen und polizeilichen Sicherheitsvorkehrungen
bewacht, die überhaupt denkbar sind, vergleichbar dem Präsidenten der
USA und noch darüber hinaus.
Im Jahr 2007 war Papst
Joseph Ratzinger beispielsweise in Deutschland. Auf den Dächern der Städte
waren damals Scharfschützen postiert. Der gesperrte Luftraum wurde von
AWACS-Aufklärungsflugzeugen der Bundeswehr überwacht. Sogar
Luftabwehrraketen wurden in Stellung gebracht. Der Papst und die Seinen
wurden auf dem Flughafen mit militärischen Mitteln und so genannten
militärischen "Ehren" empfangen und begrüßt. Jeweils 5000
Polizisten waren in München und Regensburg für die persönliche "Sicherheit"
von Joseph Ratzinger im Einsatz und zusätzlich spezielle Bodyguards des
Landeskriminalamts Bayern. Allein in München kam es zu einer Viertelmillion
Überstunden für die Polizei, die aus der Staatskasse beglichen werden
mussten. Hinzu kamen mehrere Tausend Feuerwehrleute. Die Autobahn A 3 bei
Regensburg wurde gesperrt, der Güternah- und Fernverkehr eingestellt, der
Personenverkehr sowieso. Zudem wurde eine eigene Autobahnabfahrt für Joseph
Ratzinger gebaut. Und der Staat hatte allerschärfste Sicherheitsvorkehrungen
nicht nur in der Luft, sondern auch am Boden angeordnet. Das bedeutete:
Jeder einzelne Meter der Fahrt- und Flugrouten mit Hubschraubern und
Autokonvois stand unter besonderer Überwachung. Entlang der Routen des
Papstes waren alle Gullys versiegelt. Alle Pflanzentröge und
Vitrinen wurden abmontiert, alle Mülleimer entfernt. Polizei mit
Hundestaffeln durchkämmten zuvor die einzelnen Häuser. Jedes Fahrrad
stellte in München in der Stadtmitte ein Sicherheitsrisiko für den Papst dar
und musste für den Schutz von Joseph Ratzinger entfernt werden, auch
Kinderfahrräder. Und während der
Papst am Marienplatz ein Gebet an Gott ablas, wurde jedes einzelne Fenster
der umliegenden Häuser von bewaffneten Sicherheitskräften bewacht. Auch
Hotel- und Pensionsgäste wurden in ihren Zimmern von der Polizei beobachtet.
Der Einzelhandel vor Ort brach zusammen, die Schulen waren geschlossen, und
fast alle Betriebe mussten dicht machen. In Regensburg wurden sogar die
Hochspannungsmasten abgebaut und die Starkstromleitungen unterirdisch
verlegt, ein gigantisches Unterfangen – doch für die optimale Sicht der
Katholiken auf den Altar des Papstes hatte der deutsche Staat dies gratis durchgeführt.
Was im Vatikan und beim Papst üblich ist und
zuletzt weiter
verschärft wurde, gibt es ja im Ansatz bei allen Reichen und Mächtigen dieser
Welt: Strenge oder gar strengste Sicherheitsmaßnahmen bis zu Scharfschützen.
Doch bei den Papstbesuchen wurde vieles noch einmal auf die Spitze getrieben. Und der
Vatikan nennt sich "christlich". Und so müsste er sich schon die Frage
gefallen lassen: Würde Jesus, der Christus, befürworten, dass bei
öffentlichen Terminen Seiner Nachfolger Luftabwehrraketen oder Scharfschützen in Position gebracht
werden?
Man stelle sich das einmal vor. Christen und auch Kirchenmitglieder glauben ja, das Jesus, der Christus wiederkommt. Wie
würde das dann sein? Wohl so, dass für Christus kein einziger Gully versiegelt
wird, kein Kinderfahrrad entfernt wird, keine Hundestaffeln die Städte und
Dörfer durchkämmen, keine eigene Autobahnabfahrt gebaut wird und keine Schafschützen auf den Dächern postiert sind –
bereit zum Schuss, wenn jemand Jesus, dem Christus z. B. gefährlich nahe zu
kommen droht. Und Er braucht auch keinen Altar und auch keine Kanzel wie die
Päpste und Priester, und es muss wegen ihm kein einziger Hochspannungsmast
abgebaut werden, um eine bessere Sicht auf Ihn zu ermöglichen. Und Er trägt auch keine besonderen Gewänder und Mützen
wie die Päpste und Bischöfe, um deretwillen man sie schon von Ferne als
diejenigen erkennt, die sie sind.
Das ist eben der Widerspruch. Das eine ist katholisch. Das andere ist
christlich. Das eine ist der Papst, das andere ist Christus.
Es war auch zu lesen, dass die Schweizergarde des Papstes
seit 2008
einen neuen Kommandanten hatte. Und auch hier schien der Vatikan die Zügel
anzuziehen. Denn der neue Kommandant, Daniel Anrig, genoss zuvor einen
zweifelhaften Ruf als Polizeichef des Kantons Glarus. So wurde aufgrund
eines Polizeieinsatzes von Amnesty International gegen ihn Strafanzeige
gestellt. Hierzu ein Bericht aus der Hannoverschen
Allgemeinen Zeitung vom 2.12.2008:
"Geführt hat Anrig im Juli 2003 auch eine Spezialeinheit seiner
Kantonspolizei. Diese drang auf der Suche nach Drogen in zwei
Asylbewerberheime ein. Sie fesselte die Menschen dort an Händen und Füßen,
entkleidete und fotografierte sie und zog ihnen einen Stoffsack über den
Kopf. Ein 16-jähriger Afrikaner stürzte sich vor Schreck aus einem Fenster
des dritten Stocks und trug bleibende Verletzungen davon. Andere wurden
sechs Stunden lang gefesselt festgehalten. Einem Asylbewerber wurde der Mund
mit Klebeband zugeklebt. So beschreibt es der Zürcher ´Tages-Anzeiger`. Der
Richter damals sah die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des
Amtsmissbrauchs und der Freiheitsberaubung erfüllt. Weil aber seitens der
Polizei kein Vorsatz bestanden habe, den Asylbewerbern einen Nachteil
zuzufügen, kam Anrig mit der Bezahlung der Verfahrenskosten davon. Bezüglich
der ´entwürdigenden Behandlung` der Asylbewerber, beschied der Richter dem
damaligen Chef der Glarner Kriminalpolizei, es bestehe in der Ausbildung der
Polizeibeamten ein erheblicher Nachholbedarf."
So weit der Artikel. Und der
neue Kommandant der Schweizergarde sagte zu diesem hier beschriebenen Einsatz selbst: Es
"war für mich eine bereichernde Erfahrung – gerade auch im Blick auf mein
neues Amt in Rom".
Welche weiteren Erfahrungen würde Kommandant Anrig im Vatikan machen? Der Vatikan-Korrespondent
Andreas Englisch beschrieb die Stimmung so: "Die Angst geht um im
Vatikan". Ist es also die Angst, die den Vatikan dazu bringt, sich immer
mehr zu bewaffnen und auch Leute zu holen, die einschlägige praktische
Erfahrungen mit dem Einsatz von Gewalt haben? So ist es ja hier geschehen.
Nach über sechs Jahren wurde der Kommandeur dann entlassen bzw. musste
zurücktreten. So wurde ihm beispielsweise vorgehalten, "er habe lang
gediente Schweizergardisten entlassen, langwierige Arbeiten an einer großen
Wohnung vornehmen lassen und Galauniformen für Offiziere eingeführt".
(ntv.de, 3.12.2014)
Doch was ist mit der "Angst im Vatikan"? Und
warum verstärkte man die Bewaffnung? Woher kommt die Angst und mit welchem
Konzept würde Anrigs Nachfolger Christoph Graf darauf reagieren?
Könnte es nicht
sein, dass man Angst hat, dass einen das eigene unbereinigte Schicksal
einholt? Jahrhunderte lang hat man zu Kriegen aufgerufen und die Waffen
gesegnet, und die Täter von einst gelten heute in der Kirche oft als "Heilige" oder
"Selige".
Das ist der Gegensatz zu dem Mann aus Nazareth, der lehrte: "Wer das Schwert
nimmt, der wird durch das Schwert umkommen." Und die Schwerter und Lanzen
von damals sind natürlich heute auch die Pistolen und Sturmgewehre. Und die
Angst steht wohl auch damit in Verbindung, dass man z. B. weltweit so genannte Militärseelsorge
betreibt, um die Soldaten in ihren Kriegen zu stärken. Irgendwann schlägt
der Kriegsgegner zurück. Und was ist, wenn jemand dann auch auf denjenigen
trifft, der
den gegnerischen Soldaten mit seinen Segnungen immer wieder ein gutes Gewissen
verschaffte?
Das erleben wir ja immer wieder, wie die katholischen oder auch
evangelischen Militärseelsorger die Soldaten segnen. Aber ist es nicht sogar
so, dass die Päpste früher auch selbst Kriege geführt haben?
Wenn man also im Kirchenstaat Angst hat, dass einen vielleicht
das eigene unbereinigte Schicksal einholen könnte, so scheint diese Angst
berechtigt. Hierzu ist interessant, was der bekannte Historiker Karlheinz Deschner in einem Interview zu diesem Thema sagte:
"Nein, Kriege, Kriege in eigener Regie, führt der Papst inzwischen keine
mehr, nicht mehr gegen Heiden und nicht mehr gegen Christen, weil man ihm
alles, womit er Jahrhunderte lang Kriege geführt, weggenommen hat – Truppen,
Generäle, Schlachtschiffe, Kanonen, Festungen, Waffenfabriken. Doch gibt es
Möglichkeiten, die Menschheit auf andere Weise, gleichsam friedlicher, zu
bekämpfen. Ideologisch, durch dogmatischen Wahnsinn, der sich ja nie mit dem
bloßen Glauben begnügt, der ´missionieren`, ausgreifen will; durch
Unterstützung einer desaströsen Gesellschaftsmoral, die die Armen zugunsten
der Reichen betrügt; durch eine desaströse Sexualmoral, die im Mutterschoß
schützt, was sie preisgibt im Krieg ... im übrigen ist das Papsttum, seine
ganze Geschichte beweist es, intolerant durch und durch, ist tolerant nur,
wenn es die Opportunität erheischt, wenn es zweckdienlich ist, wenn es
einfach nicht mehr anders geht, aber nur dann!"
(Main-Post, 1.10.2008)
Kriege, Aufforderung zu Kriegen: Hier ist auch
an die Kreuzzüge zu denken und
die Segnungen von Soldaten in nahezu allen Kriegen. Und ist die Verbindung von Kreuzen und
Gewehren nicht sogar sprichwörtlich? Jahrhunderte lang hat die Kirche Waffen
gesegnet und hinter jedem Soldaten im Krieg stand ein Priester oder Pfarrer,
der ihm Kraft und Segen zusprach. Und jetzt ist es so weit, dass man selbst
offenbar immer mehr von den einst "gesegneten" Waffen braucht. So wird
auch der Widerspruch zu Jesus von Nazareth noch deutlicher.
Denn Jesus hat weder das Tragen von Waffen angeordnet noch hat
Er jemals Waffen
gesegnet. In Seiner Bergpredigt
sagte Er: "Liebt eure Feinde, tut wohl denen, die euch hassen; segnet, die
euch fluchen; bittet für die, die euch beleidigen." Und: "Selig die Frieden
stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden."
Manche behaupten allerdings, die Bewaffnung diene doch nur dem Frieden.
Doch so hat man schon immer geredet. Man könnte auch sagen, über Jahrhunderte
waren Kreuz und Schwert beim kirchlichen Tun untrennbar verbunden. Und auch
die Vorläufer der heutigen Gendarmerie im Vatikan hatten keinen guten Ruf.
"Schon im Mittelalter gab es in Rom eine eigene schlagkräftige
Polizeitruppe," schreibt die katholische Nachrichtendienst zenit.org.
Bekannt wurden die so genannten "Sbirri". "Ihr Vorgehen", so heißt es
weiter, "zeichnete sich durch Härte und Entschiedenheit aus ... Nach der
Französischen Revolution wurden sie verstärkt zur Bekämpfung revolutionärer
und anarchischer Bewegungen im päpstlichen Herrschaftsgebiet eingesetzt."
Bekannt wurde die vatikanische Polizei auch durch die Oper "Tosca" von Giacomo
Puccini, die im Jahr 1900 erstmals aufgeführt wurde. Puccini besang sie dort
als "gewissenlose Büttel einer absoluten Monarchie".
Heute wird mitgeteilt, es hätte sich manches gebessert. Doch das Papsttum
ist nach wie vor eine Art absolute Monarchie. Denn es heißt ja in den
angeblich unfehlbaren Lehrsätzen der Kirche – und wir zitieren dazu die
Lehrbuchsammlung von Neuner-Roos,
Der Glaube der Kirche, Lehrsatz Nr. 430: "Dem römischen
Papst sich zu unterwerfen, ist für alle Menschen unbedingt zum Heile
notwendig. Das erklären, behaupten, bestimmen und verkünden Wir." Und die Angehörigen der
Schweizergarde müssen zudem den Eid leisten, notfalls ihr Leben für den
Papst zu lassen. Dazu heißt es im Amtseid des Gardisten:
"Ich schwöre,
treue, redlich und ehrenhaft zu dienen dem regierenden Papst N.N.
und seinen rechtmäßigen Nachfolgern, und mich mit ganzer Kraft für sie
einzusetzen, bereit, wenn es erheischt sein sollte, selbst mein Leben für
sie hinzugeben ... Ich verspreche überdies dem Herrn Kommandanten und meinen
übrigen Vorgesetzten Achtung, Treue und Gehorsam ... Ich schwöre, alles das,
was mir soeben vorgelesen wurde, gewissenhaft und treu zu halten, so wahr
mir Gott und seine Heiligen helfen."
Man stelle sich vor, in irgendeiner anderen Glaubensgemeinschaft gäbe es
einen Sicherheitsdienst, und man ließe dort die Bediensteten schwören, ihr
Leben notfalls für den Hauptverantwortlichen hinzugeben, wie dies im Vatikan üblich ist.
Die Kirche wäre die erste, die diese "totalitäre Sekte" brandmarken und vom
Staat ihr Verbot fordern würde.
Die Kirche würde also wohl andere kritisieren oder gar verleumden, wenn sie das tun
würden, was in der Kirche selbst gang und gäbe ist.
Interessant ist auch, wo die Vereidigung der Schweizergardisten erfolgt.
Anlässlich des 500jährigen Jubiläums war dies der Petersplatz, doch in der
Regel werden die Gardisten auf dem Damasushof vereidigt, der nach
Papst Damasus I. benannt ist, einem "Heiligen" der römisch-katholischen
Kirche. Die Schweizergardisten leisten dort bekanntlich unter anderem folgenden Eid: "Ich schwöre, alles das, was mir soeben vorgelesen wurde,
gewissenhaft und treu zu halten, so wahr mir Gott und seine Heiligen
helfen."
Und da ist natürlich die Frage:
Was liegt näher, als im Damasushof natürlich besonders um die Hilfe des
"heiligen" Damasus zu bitten.
Und wie soll das gehen? Wie soll Damasus helfen?
Dazu sollte man einiges aus seinem Leben wissen. Damasus, so heißt es, habe
sich im 4. Jahrhundert bei der Entstehung der Bibel verdient gemacht
(siehe dazu Der Theologe Nr. 14), doch
er hatte auch erhebliche militärische Erfahrung. Damasus hatte sich den
Papstthron mit Gewalt gegenüber seinem Konkurrenten Ursinus erobert. Doch
Ursinus gab nicht so schnell auf. Schließlich führte am 26. Oktober 366
eine von Papst Damasus I. bezahlte Söldnerarmee in der berühmten
Papstbasilika Santa Maria Maggiore ein Blutbad durch.
In dem Buch Geschichte der Spätantike
von Alexander Demandt heißt es dazu auf Seite 98:
"Die Leute des
Papstes Damasus stürmten eine Kirche und brachten 137 Anhänger seines
Gegners Ursinus um. Unfähig den Streit [der Kirchenführer] zu beenden, verließ der praefectus
urbi [der Bürgermeister Roms] die Stadt. [Der Geschichtsschreiber] Ammian
meinte, dass der Kampf um den römischen Bischofsthron lohne angesichts des
fürstlichen Luxus, der seinen Inhaber erwarte. Der Kaiser ließ den Fall
untersuchen und bestätigte Damasus im Amt."
(Alexander Demandt, Geschichte der Spätantike, S. 89,
C.H.Beck-Verlag München 1998)
Hierzu stellt sich also noch einmal die Frage: Wie könnte der "heilige" Damasus mit
seiner Erfahrung den Schweizergardisten heute helfen?
Das ist doch alles ein Hohn auf Christus, was hier im Vatikan geschah
und geschieht. Und auch ein Hohn auf die Zehn Gebote des Alten Testaments.
Eines davon heißt schlicht: "Du sollst nicht töten". Und Jesus sagte
dazu in der Bergpredigt: "Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt
worden ist: ´Du sollst nicht töten; wer aber jemand tötet, der soll dem
Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch
nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein". Und: "Wenn du deine Opfergabe
zum Altar bringst und dir dabei einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich
hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich
zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe. Schließ ohne
Zögern Friede mit deinem Gegner, solange du mit ihm noch auf dem Weg zum
Gericht bist."
So also Jesus von Nazareth. Was jedoch ordnete der Heilige Damasus an, nach dem der Damasushof benannt ist, in dem wiederum die
päpstliche Schweizergarde
ihren Eid ablegt: "Bringt die Anhänger meines Gegners um, bis sie alle tot
sind." Mit welchen Gedanken würde also ein Schweizergardist inspiriert, der schwört,
Gott und die Heiligen um Hilfe zu bitten, wenn er die Hilfe des Damasus erhält?
Es sage niemand, solches sei vielleicht etwas weit hergeholt.
Dazu erinnern wir
an den Mord an dem Kommandanten der Schweizergarde Alois Estermann, der am
4. Mai 1998 nur zehn Tage nach seiner Ernennung zusammen mit seiner Frau im
Vatikan erschossen wurde. Es hieß, der Schweizergardist Cedric Tornay hätte es getan
und sich anschließend selbst umgebracht. Doch die Hintergründe der Tat sind
bis heute unaufgeklärt, und es sind mittlerweile Bücher erschienen wie z. B.
eines mit dem Titel Blutlügen im Vatikan. Dort geht
es um verwischte Spuren, und man geht von einem Machtkampf in der Armee des
Vatikan aus, der durchaus an frühere Machtkämpfe erinnern könnte wie dem
zwischen Damasus und Ursinus im 4. Jahrhundert. (siehe Drei Leichen und
der vierte Mann)
Und wiederum kann man fragen: Wie hätte die Kirche wohl reagiert, wenn die
Morde nicht in ihrem eigenen Machtzentrum passiert wären, sondern bei einer
Gemeinschaft, die ihr ein Dorn im Auge ist? Und bei alledem behauptet man im
Vatikan, hier würde der Stellvertreter Christi wohnen und alles, was man
dort militärisch und polizeilich tut, diene seinem Schutz und dem Schutz
seiner Untergebenen.
Die Kirche sollte wenigstens aufhören, sich auf Christus
zu berufen. Denn das ist
Täuschung des Volkes. Was dort geschieht, ist sicher katholisch. Und die
Mächtigen der Kirche können das ja tun. Dann sollen sie aber auch so ehrlich
sein und sagen, dass das nichts mit der Lehre von Christus zu tun hat.
Dazu sei auch an den Großinquisitor in der bekannten Erzählung des
russischen Schriftstellers Dostojewski erinnert. Der Großinquisitor sagt zum
wieder gekommen Christus: "Wir haben deine Lehre verbessert" – indem die Kirche z. B. das Gebot "Du sollst nicht töten" aufgehoben bzw.
relativiert hat und gesagt hat, die Bergpredigt von Jesus sei in Politik und
Gesellschaft nicht anwendbar. Doch Jesus selbst sagte einst: "Wer nun eines
von diesen kleinsten Geboten auflöst und lehrt die Leute so, der wird der
Kleinste heißen im Himmelreich; wer es aber tut und lehrt, der wird groß
heißen im Himmelreich. Denn ich sage euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht
besser ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht
in das Himmelreich kommen."
Und ist die Gerechtigkeit des Papstes und des
Vatikan wirklich besser als die der damaligen Theologen und Schriftgelehrten?
Abschließend noch ein Artikel über den Mord im Vatikan an dem ehemaligen
Kommandanten der Schweizergarde Alois Estermann und an seiner Frau und über den
behaupteten Selbstmord des als Mörder beschuldigten Schweizergardisten
Cedric Tornay sowie eine Buchbesprechung zum
Thema:
Schüsse fallen im Vatikan: Hauptmann Alois Estermann, seine Ehefrau Cladys Meza Romero und der Corporal Cédric Tornay liegen tot am Boden. Erst zehn Stunden vor der Bluttat war Alois Estermann vom Papst zum neuen Kommandanten der Schweizer Garde ernannt worden.
Der Tathergang nach Angabe des Vatikans: Tornay hat in einem Wahnanfall seinen Chef erschossen – und dessen Frau gleich mit –, weil dieser ihn jahrelang nicht ausgezeichnet und befördert habe. In einem Brief hatte sich Tornay beklagt, dass er "drei Jahre, sechs Monate und sechs Tage" keinen Orden erhalten habe. Nach dem Doppelmord habe der so Zurückgesetzte sich selbst getötet.
Die Fragwürdigkeit des angeblichen Motivs, die Eile des Vatikans und Unstimmigkeiten in Bezug auf den Tathergang ließen jedoch ganz andere Gedanken aufkommen. Einen Tag nach den Morden fragt Bild: "War der Korporal wirklich der Killer?" Oder waren es "doch sexuelle Motive?" Ein ehemaliges Mitglied der Schweizergarde sagte gegenüber einer Zeitung, dass unter den Gardisten "die Besessenheit der Homosexualität" herrsche. "Wahrscheinlich, dass das Ehepaar und Tornay sexuelle Beziehungen hatten," zitiert Bild die italienische Zeitung La Repubblica. Andere Blätter schreiben, dass Estermann Mitglied des Opus Dei war und mit seinem Tod der Einfluss dieser mächtigen Organisation im Vatikan zurückgedrängt worden sei. Dass der Mord nur 10 Stunden nach der Ernennung Estermanns durch Papst Johannes Paul II. erfolgt, legt schon den Verdacht nahe, dass hier die Entscheidung des Papstes vatikanintern "korrigiert" wurde.
Wieder eine andere Version brachte der Berliner Kurier: Der Schweizer Garde-Chef sei seit 1980 ein Stasiagent gewesen, ein Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit. Die Berliner Gauck-Behörde wollte sich dazu nicht äußern. Der Spiegel berichtete hingegen, der seinerzeit zuständige Offizier der Stasi habe bestritten, dass Estermann sein Agent gewesen sei.
Eine italienische Zeitung brachte folgende These: Es muss einen vierten Mann gegeben haben, weil der Tathergang sonst völlig unlogisch wäre. Ihre Vermutung: Der vierte Mann sagt zu Tornay, dass Estermann ein "Verräter" sei, ein ehemaliger Stasispitzel. Daraufhin fasst Tornay den Entschluss, Estermann zu töten, um den Papst zu schützen. Tornay geht hin und erschießt Estermann. Daraufhin kommt der vierte Mann und erschießt Tornay und die Zeugin, Estermanns Frau. In Tornays Brief, der anschließend vom Vatikan präsentiert wurde, sei jedenfalls keine Rede von einem geplanten Selbstmord gewesen.
Zur Erinnerung: Beim Attentat auf Papst Johannes Paul II. am 13. Mai 1981 durch den türkischen Staatsangehörigen Ali Agca hatte sich Alois Estermann schützend über den Verletzten geworfen. Die Hintergründe dieses Attentats liegen bis heute im Dunkeln. Östliche Geheimdienste wurden seinerzeit ins Spiel gebracht, ohne dass man fündig wurde.
Hauptmann Estermann ist auf jeden Fall nun tot, und seine Frau auch. Erschossen im Vatikan, im Zentrum der katholischen Institution. Der Tatort wurde so eilig aufgeräumt, dass manch einer auch von daher misstrauisch wurde. Doch der Vatikan unterliegt nicht weltlicher Gerichtsbarkeit. Er ist sein eigener Richter.
Wie hätten wohl die Berichte gelautet, wenn die Bluttat in einer der zahlreichen kleineren Glaubensgemeinschaften, die von den Großkirchen als "Sekten" diffamiert werden, geschehen wäre? Vielleicht so oder so ähnlich: "Blutige Morde im Machtzentrum einer totalitären Sekte. Was spielte sich hinter den meterdicken Mauern des Sektentempels ab? Entmündigt und gewissenlos folgten sie ihrem unfehlbaren Guru. Jetzt trieb religiöser Wahn drei führende Sektenmitglieder in den Tod."
Eines jedoch ist gewiss: Das Gesetz von Saat und Ernte wird auch kein
Vatikan außer Kraft setzen. Es bringt früher oder später alles an den Tag.
BUCHBESPRECHUNG – Am 4. Mai 1998 wurden im Vatikan drei Leichen gefunden. Alois Estermann, soeben zum Kommandanten der Schweizer Garde ernannt, war erschossen worden, ebenso seine Frau Gladys. Die dritte Leiche war diejenige des Gardisten Cédric Tornay, der nach offizieller Version des Vatikan das Ehepaar Estermann erschossen und danach Selbstmord begangen haben soll. Diese offizielle Version wurde seinerzeit schon sehr bezweifelt – aber eine schlüssige andere Version konnte sich auch nicht durchsetzen. Fast zwei Jahre später, im Jahr 2000, haben dann die "Jünger der Wahrheit", ein anonymes Autorenkollektiv, diese Lücke zu schließen versucht.
Blutlügen im Vatikan heißt ihr Buch, das bisher nur auf Italienisch erschienen ist und in der deutschen Presse so gut wie totgeschwiegen wurde, anders als das Buch Vom Winde verweht im Vatikan.
Der reißerische Begriff "Blutlügen" (ital. bugíe di sangue) stammt nicht von den Autoren, sondern von der Mutter des toten Schweizer Gardisten Tornay, die von Anfang an erhebliche Zweifel daran äußerte, dass ihr Sohn ein Mörder und Selbstmörder sein solle. Um diese These zu untermauern, malte der Vatikan nach der Bluttat ein äußerst negatives Bild des 23-jährigen Wallisers: drogensüchtig, undiszipliniert, verhaltensauffällig soll er gewesen sein – und rasend vor Wut, weil er eine sonst übliche Auszeichnung nicht erhalten habe. Dies seien falsche Anschuldigungen oder zumindest maßlose Übertreibungen, sagen Mutter und Bekannte. Aus ein paar jugendlichen Dummheiten in einem ansonsten durchaus normalen Schweizer Soldatenleben könne man kein solch düsteres Gesamtergebnis herleiten. Cedric Tornay habe die Garde ohnehin im darauf folgenden Sommer nach Ablauf seiner Dienstzeit verlassen wollen und sich schon einen Arbeitsplatz in der Schweiz gesucht.
Dies ist aber bei weitem nicht die einzige Ungereimtheit. Argwöhnisch macht die "Wahrheitsjünger" vor allem, dass keine professionellen kriminalistischen Untersuchungen vorgenommen wurden. Der Tatort wurde stundenlang nicht abgesichert, die römische Polizei wurde nicht angefordert, um die Spuren fachmännisch zu sichern; auch die veröffentlichten Ergebnisse der Obduktion entsprächen bei weitem nicht den Standards der Rechtsmedizin. Eine ein halbes Jahr später – auf Drängen der Mutter Tornays – veröffentlichte "Untersuchung" lasse ebenfalls viele Fragen zum Tathergang einfach offen und sei im Sinne der offiziellen Version tendenziös, so die Autoren, die all diese Dokumente wörtlich abdrucken und dann erst kommentieren.
Wahrscheinlicher als die "Story" von Vatikansprecher
Navarro-Valls scheint den anonymen Wahrheitssuchern eine andere
Möglichkeit zu sein: Dass Cédric Tornay zunächst in den Abendstunden mit
einer Schalldämpferpistole erschossen wurde. Mit seiner Dienstpistole
wurden dann Estermann und seine Frau umgebracht, ebenfalls mit
Schalldämpfer (Zeugenaussagen berichten von "dumpfen
Geräuschen"), und dann die Leiche Tornays in die Wohnung gebracht.
Doch was ist der Hintergrund? Fast noch spannender als der eigentliche
Tathergang mit seinen Rätseln ist die Vorgeschichte. Estermann habe, so
die Autoren, in der Schweizer Garde in sehr kurzer Zeit Karriere
gemacht, weil er dem katholischen Geheimbund Opus Dei nahe gestanden
habe. Das Opus habe demnach angestrebt, die Kontrolle über die Schweizergarde
zu erringen und diese zu einer umfangreichen Sicherheitsorganisation für
den gesamten Vatikan auszubauen. Dies hätte aber die Kontrolle des
Vatikan durch Opus Dei bedeutet. Widerstand gegen diese Pläne habe es
einerseits von der vatikanischen Gendarmerie gegeben, die zur Schweizergarde in Konkurrenz stehe
– den Gardisten sei es zeitweise sogar
verboten worden, mit den Gendarmen zu sprechen. Andererseits habe auch
die so genannte "Logenfraktion" des Vatikan um ihren Einfluss
gefürchtet. Dieser Machtkampf hinter den Kulissen sei auch der Grund
dafür gewesen, dass Estermann – in der Geschichte der Garde völlig
unüblich – erst nach einer Vakanz von mehreren Monaten zum neuen
Kommandanten ernannt wurde – um dann nur wenige Stunden nach der
Ernennung ermordet zu werden.
In der Vertuschung der eigentlichen Hintergründe seien sich dann wieder
alle Parteien einig gewesen, so sinngemäß die Thesen der "Jünger der
Wahrheit".
Schlüssige Beweise darf
man hier freilich nicht erwarten – der Vatikan trägt letztlich selbst
die Schuld, dass derartige Überlegungen verbreitet werden können, denn
die behördlichen Mängel im Umgang mit diesem Verbrechen sind wohl kaum
von der Hand zu weisen.
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