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Von Galen, Clemens August, Die "Pest des Laizismus" und ihre Erscheinungsformen, Verlag Aschendorff, Münster 1932
Der Theologe Nr. 27, aktualisiert am 29.8.2023
Im
Juni 2005 ereignet sich im Dom in Münster ein gespenstisches Szenario: Das
Grab des ehemaligen Münsteraner Bischofs von Galen (1878-1946) wird von
Mumien-Experten und medizinischen Sachverständigen geöffnet. Die
Leiche von Galens liegt dort seit 1946. Doch
warum die Unterbrechung der "Totenruhe"
nach über 59 Jahren?
Es geht um die für die Kirche bedeutsame Antwort auf die Frage: In welchem Zustand ist die Leiche?
Und die Qualität der Knochen von Kardinal Clemens August Graf von Galen sei
gut, so der Befund. So wurden Partikel einer
Hand bzw. eines Fußes der ehemaligen Exzellenz und Eminenz entfernt, um den
Gläubigen bald als neue Reliquien dargereicht werden zu können
(Netzeitung,
17.6.2005). Denn in Rom wurde bereits ein anderes Ereignis
vorbereitet, das dann ca. vier Monate später inszeniert wurde – die
Seligsprechung von Kardinal von Galen am
9.10.1945 durch Papst Johannes Paul II. Und noch im gleichen Jahr 2005 hatte der
Bischof von Münster, Reinhard Lettmann, einen Finger von Galens in eine Krypta nach
Cloppenburg verbracht. Und ein Leichenteil von Galens unbekannter Art ging
mit
Weihbischof Heinrich Jansen auf die Reise nach Rom – als Geschenk an den
Vatikan. Vermutlich hatte er einen Teil des Fußes im Gepäck (kbwn.de).
Nachfolgend einige Informationen
aus dem Leben des für die Kirche so bedeutsamen Mannes, dass selbst noch
sein Skelett religiösen Zwecken dient. *
Bischof von Galen hatte sich
deutlich gegen den Massenmord an Behinderten im Dritten Reich ausgesprochen und gegen die Beschlagnahmung einzelner katholischer Einrichtungen.
Er spricht in diesem Zusammenhang von der "Schreckensherrschaft der Gestapo"
und hat immerhin erreicht, dass das "Euthanasie-Programm" der
Nationalsozialisten teilweise unterbrochen wurde. Und damit ist er seinen
schweigenden Mit-Exzellenzen einen Schritt voraus (siehe
hier). Nach Aussage des
Historikers Hubert Wolf, Professor für katholische Kirchengeschichte in
Münster, hatte der Bischof allerdings "schwer und lang mit sich gerungen", ob er
hier tatsächlich auf Konfrontation zu den Nationalsozialisten gehen soll (Spiegel online, 7.10.2005).
Seine Entscheidung dafür brachte ihm später die "Seligsprechung".
Die Politik der Nationalsozialisten als Ganzes hatte Bischof von Galen
einst jedoch mit Begeisterung begrüßt. So dankt er
1933 in seinem Hirtenbrief nach der Machtergreifung Adolf Hitlers dem
katholischen "Gott" öffentlich mit den Worten: "Wir wollen Gott dem Herrn für
seine liebevolle Fügung dankbar sein, welche die höchsten Führer unseres Vaterlandes erleuchtet und gestärkt
hat, dass sie die furchtbare Gefahr, welche unserem geliebten Volke durch
die offene Propaganda für Gottlosigkeit und Unsittlichkeit drohte, erkannt
haben und sie auch mit starker Hand auszurotten suchen" (zit.
nach Karlheinz Deschner, Die Politik der Päpste im 20. Jahrhundert, Teil II,
S. 581).
Zwar
weicht diese anfängliche Begeisterung später mancher Ernüchterung und
Kritik, doch zieht Bischof Clemens August von Galen in wesentlichen Punkten weiter an einem Strang mit den
Nationalsozialisten.
So gießt er ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Judenvernichtung im Jahr 1940 in einem Hirtenwort zusätzlich Öl ins lodernde Feuer der
KZ-Krematorien, als er gegen das "entartete Judentum" polemisiert (Die
Zeit, 29.9.2005). Zudem ist er
begeistert vom 2. Weltkrieg, vor allem vom Krieg Deutschlands gegen Russland.
Und hier ist er einer der besten Agitatoren von Nazi-Deutschland.
Bereits unmittelbar nach dem Überfall
Deutschlands auf Polen schreibt Bischof Clemens August Graf von Galen im
Jahr 1939 an die
Priester seines Bistums, dass die deutschen Männer nun auf der Wacht seien,
"um das Vaterland zu schirmen und unter Einsatz des Lebens einen Frieden der
Freiheit und Gerechtigkeit für unser Volk zu erkämpfen". Und als
deutsche Truppen schließlich in Russland einmarschieren, jubelt der
"selige Clemens" im September 1941 sogar,
dass Gott den Soldaten an der Ostfront "ewige Herrlichkeit und Lohn zuteil
werden" lässt, "ganz ähnlich wie den heiligen Märtyrern".
(Spiegel online, 7.10.2005)
Damit setzt Bischof von Galen die Soldaten, die unter
dem Oberbefehl Adolf Hitlers gegen die kommunistisch regierte Sowjetunion
Krieg führen,
mit den Soldaten früherer katholischer Kreuzzugsheere gleich. Ihnen hatte
die Kirche für ihre Massaker ebenfalls die ewige Seligkeit
versprochen. Und im Jahr 1942 spricht Clemens August von Galen in
einem Hirtenbrief sogar
wortwörtlich von diesem "neuen Kreuzzug".
So schreibt Bischof von Galen über die bis dahin gefallenen Opfer auf deutscher Seite: "Sie wollen Blutspender sein, auf dass das an Altersschwäche und anderen Übeln erkrankte Volk wieder jugendlich gesunde und aufblühe. Sie wollen in einem neuen Kreuzzug mit dem Feldgeschrei ´Gott will es` den Bolschewismus niederringen, wie es vor wenigen Jahren der spanische Befreier Franco in einer Rede zu Sevilla mit christlicher Zielsetzung rühmte" (zit. nach Karlheinz Deschner, Die Politik der Päpste im 20. Jahrhundert, Teil II, S. 581). Und bis zuletzt war der als "Löwe von Münster" bekannt gewordene Bischof ein Einpeitscher für neue "Blutspender". Und so durfte er sich eigentlich nicht wundern, dass die englische Armee bei ihren Fliegerangriffen im Jahr 1943 auch den katholischen Dom in Münster ins Visier nehmen und zerstören ließ, worüber er sich in Briefen an Papst Pius XII. bitter beklagt. Doch das Leid, das durch deutsche Angriffe verursacht wurde, beklagt er in diesem Zusammenhang nicht. Der "selige Clemens" hatte ja vor Beginn des Weltkriegs auch das Töten "bis zum letzten Blutstropfen" gefordert (Karlheinz Deschner, Die Politik der Päpste im 20. Jahrhundert, Teil II, 1991, S. 77).
"Graf von Galen war kein Demokrat, er stand
rechts von der katholischen Zentrumspartei, und er begrüßte den Überfall auf
die Sowjetunion." |
Den Inhalt dieser bösartigen Bischofsworte hatten wohl sehr viele Deutsche gegen Ende des Krieges für sich verinnerlicht. Denn dies führte noch zu Hunderttausenden oder gar Millionen von sinnlosen Todesopfern in den letzten Kriegsjahren, Kriegsmonaten und Kriegswochen. Unzählige Soldaten auf allen Seiten werden in Stücke gerissen, Rentner und Kinder in Deutschland als letztes Aufgebot an "Blutspendern" in den grauenvollen Tod geschickt. Und in diesem Geist, den Bischof von Galen so eindringlich beschwört, kommt es auch noch wenige Tage vor Kriegsende durch Standgerichte zu furchtbaren Hinrichtungen von allmählich vernünftig werdenden Menschen, die sich den alliierten Truppen ergeben wollen, um zum Beispiel ein Dorf oder eine Stadt und ihre Bewohner zu schützen. So kann man auch einmal die Frage stellen, was diese wohl über den neuen "Seligen" und seine Forderung des bewaffneten Kampfes "bis zum letzten Blutstropfen" denken? (Ob sich die Seele des Bischofs heute in der Unterwelt vor der Rache vieler damals Getöteter verstecken muss ...?)
Der deutsche Propaganda-Minister Joseph Goebbels ist sich bewusst, was er an Bischof Clemens August von Galen als Kriegstreiber hat, weswegen er dessen Kritik an der Gestapo duldet und die Kritik des Bischofs an der Euthanasie bei seinen weiteren Planungen sogar berücksichtigt. Denn Joseph Goebbels weiß, dass er bei einer Verhaftung von Bischof von Galen "das katholische Münsterland und ganz Westfalen für den Rest des Krieges würde abschreiben müssen" (Die Zeit, 29.9.2005). So groß ist der Einfluss des katholischen Würdenträgers. Und die Historikerin Beth A. Griech-Polelle (Beth A. Griech-Polelle, Bishop von Galen, 2002) weist weiter darauf hin, dass von Galen ab dem Sommer 1941 "seine öffentlichen Proteste so gut wie einstellte. Sie vermutet eine Art Waffenstillstand mit der Gestapo". Auf den Schlachtfeldern geht von nun an aber das große Morden erst richtig los, und hier sind sich die Nazis und die Bischöfe ohnehin weitgehend einig. Das Blut muss fließen ...
Das "triefende Blut" war Bischof Clemens August von Galen übrigens auch schon vor dem 2. Weltkrieg vertraut. Schon als junger Mann, so die Zeitschrift Wild und Hund, ist er "ein begeisterter Jäger" (Nr. 21/2005) und bringt demnach mit Freude unschuldige Tiere in Wald und Flur um. Damit ist der "selige" Bischof auch ein Beispiel für die Wahrheit eines Satzes von Leo Tolstoi, der einmal sagte: "Vom Tiermord zum Menschenmord ist nur ein Schritt."
Als die Alliierten nach dem Krieg 1945 in Deutschland das Kommando übernommen hatten, betrachtet sie Bischof von Galen übrigens immer noch als "Feinde", wie sich ein US-amerikanischer Reporter erinnert (Spiegel online, 7.10.2005). Doch seiner kirchlichen und politischen Karriere schadet das nicht. Am 18.2.1946 wird Bischof von Galen in Rom von Papst Pius XII. für seine Verdienste in der Euthanasie-Diskussion zum Kardinal ernannt, und in seiner Heimatstadt Münster erhält er am 16.3.1946 die Ehrenbürgerwürde. Clemens August Kardinal von Galen ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt.
Von diesem Augenblick an hat er nicht einmal eine ganze Woche mehr zu leben. Sechs Tage später, am 22.3.1946, klagt der neue Kardinal und frischgebackene Ehrenbürger Münsters in seiner Heimatstadt plötzlich über starke Bauchschmerzen, die ständig schlimmer werden. Und bevor ihm geholfen werden kann, ist der Kardinal tot.
Sein Blinddarm ist durchgebrochen, und sein Schicksal hat ihn eingeholt.
Die Stadt
Münster ist stolz
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