Der evangelische Landesbischof Hans Meiser, ein Antisemit
Dokumentation
Der Theologe Nr. 11, aktualisiert am 22.8.2022
Welche Verantwortung tragen die evangelische
Lehre und die evangelische Kirche für den Völkermord an den Juden?
DER THEOLOGE Nr. 4
veröffentlicht bisher wenig bekannte Dokumente und Hintergrund-Informationen und vergleicht sie mit einigen Fakten der Gegenwart.
In den Jahren 1933-1945 gibt es in der evangelischen Kirche zwei Flügel, die
"Deutschen Christen"
und die "Bekennende Kirche". In beiden Gruppen
wurde der Treue- und Gehorsams-Eid gegenüber Adolf
Hitler geschworen. Und Verantwortliche
und Anhänger beider Flügel fordern oder befürworten auch die Judendiskriminierung und
-verfolgung, von wenigen Ausnahmen abgesehen.
Der Holocaust wäre nicht möglich gewesen, wenn ihm nicht Jahrhunderte lang
durch den kirchlichen Antisemitismus der geistige Nährboden bereitet worden
wäre. Der spätere Landesbischof Meiser schrieb schon 1926 von der "Verjudung
unseres Volkes", gegen die man nicht "energisch genug ankämpfen" könne
(vollständiges Zitat siehe unten).
DER
THEOLOGE Nr. 11 ist in seinen
ersten Teilen ein Auszug der Ausgabe Nr. 4,
Die evangelische Kirche und der Holocaust. Er dokumentiert
die Fakten, die den antisemitischen ersten Landesbischof der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Hans Meiser, betreffen,
der dort bis heute in großen Ehren gehalten wird.
So hängen in vielen Amtszimmern von
leitenden Kirchenvertretern Porträts von Hans Meiser.
Doch nicht nur in der Kirche
wird der "Warner" vor den Juden verehrt.
Nach dem antisemitischen Landesbischof sind bis heute
[2024]
in Ansbach, Kulmbach, Pfaffenhofen an der Ilm, Pullach, Schwabach, Schwandorf und Weiden
öffentliche Straßen benannt.
In Nürnberg wurde die Bischof-Meiser-Straße im Januar 2007 allerdings in
Spitalgasse umbenannt, und auch in München entschied sich der Stadtrat
nach zähen Auseinandersetzungen 2008 für
eine Umbenennung in Katharina-von-Bora-Straße,
was dann allerdings erst 2010 umgesetzt wurde, da ein Enkel des ehemaligen
Landesbischofs gegen die Umbenennung geklagt hatte. Die Frau Martin
Luthers ist allerdings – den spärlichen
Informationen über sie zufolge – sogar eine fanatischere Antisemitin.
Und auch weil der Staat sich per Grundgesetz zur weltanschaulichen Neutralität
verpflichtet hat, ist es eine sinnvolle Überlegung, ob man öffentliche Straßen und Plätze
überhaupt noch nach
Vertretern einer Religion oder Kirche benennen möchte. Auf jeden Fall sollte man
genau hinschauen. Jeder große Krieg wurde von den Kirchen- und Religionsführern
inspiriert oder angefeuert und vor allem
Landesbischof Meiser tat sich
hierbei hervor.
Aktuell [2022] wurde in Bayreuth ein
Antrag zur Umbenennung der Hans-Meiser-Straße vom
Stadtrat mit knapper Mehrheit befürwortet. Wer den Bewohnern weiterer Meiser-Straßen als Namenspate zugemutet wird, lesen Sie in dieser
Ausgabe: Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern: Der Antisemit Hans Meiser als
erster Landesbischof.
INHALTSVERZEICHNIS
Einführung
Das Gutachten: Hans Meiser, Die evangelische Gemeinde und
die Judenfrage
Die Ereignisse im Zeitablauf: 1925 bis 1996
Anhang: Bekennende Kirche und Deutsche Christen
gemeinsam für die Judenverfolgung
Kommentar: Die evangelisch-lutherische
Zwei-Reiche-Lehre und ihre Bedeutung damals und heute
Quellen- und Literaturverzeichnis
Interview, Leserbrief und Nachrichten zu
Landesbischof Meiser und dem Konflikt zum die Meiserstraßen ab dem Jahr 2006
Zum Weiterlesen
1) Einführung
In einem von der Evangelischen Kirche in Deutschland in
Auftrag gegebenen Gutachten schreibt der damalige "Sektenbeauftragte",
der bayerische Pfarrer
Walter Künneth, im Jahr 1934: "Die Kirche hat sich dafür einzusetzen, dass die Ausschaltung
der Juden als Fremdkörper im Volksleben sich nicht in einer dem christlichen Ethos
widersprechenden Weise vollzieht" (LKA Stuttgart:116a IV, Altreg.; zit. nach
Juden-Christen-Deutsche 1,
a.a.O., S.
369-371). Und bereits 1926, sieben Jahre vor der Machtergreifung Hitlers, hatte
der damalige
Leiter der evangelischen Pfarrerausbildung in Bayern, Hans Meiser, ein Gutachten
zu diesem Thema verfasst. Darin macht der Kirchenführer bereits zu einer Zeit Stimmung
gegen diese religiöse Minderheit, als sie in Deutschland noch nicht verfolgt
wurde. Das Jahr 1933 bringt dann neben dem politischen Machtwechsel auch den Höhepunkt
von Meisers
Karriere. Er wird 1933 zum ersten Landesbischof seiner Kirche gewählt (bis dahin
stand ein Kirchenpräsident an der Spitze), und er bleibt auch nach Ende des Krieges bis 1955 in
Amt und Würden. Während die jüdischen Überlebenden erst allmählich die epochale Tragödie
aufzuarbeiten beginnen, entschuldigt sich Hans Meiser weder für das Gutachten gegen die jüdischen
Mitbürger und für seine Folgen,
noch nimmt er dieses zurück.
Nachfolgend unter 2) zunächst einige wesentliche
bzw. repräsentative Auszüge aus diesem Gutachten. Der
vollständige Text ist nachzulesen bei Eberhard Röhm / Jörg
Thierfelder, Juden-Christen-Deutsche; Bd. 1, Stuttgart 1990, S. 350-362. Unter
3)
dann chronologisch geordnet einige wesentliche Fakten über den ersten
evangelischen Bischof Bayerns. Es folgt unter
4)
eine kurze Information über Bekennende Kirche, Deutsche Christen und
Judenverfolgung und unter
5)
ein Aufsatz über die Staatslehre der
evangelisch-lutherischen Kirche, welche auch das mörderische Verhalten ihrer Bischöfe erklären
hilft.
2) Gutachten
Vorbemerkung:
In der nachfolgenden Auswahl wurden markante Stellen ausgewählt, sowohl
die massiv antisemitischen als auch diejenigen zugunsten der Juden. Meiser selbst erklärt sich
im Namen seiner Kirche einverstanden mit den "völkischen
Idealen", die aus "rassischen" Argumenten bestehen, und er
selbst denunziert Ehen zwischen deutschstämmigen Christen und Juden als
"rassisch unterwertige Mischlingsbildungen".
Die
"völkische Bewegung" wiederum sieht er in einer Front mit dem Antisemitismus
stehen und er erklärt sich "weithin einverstanden" mit
den "völkischen" Idealen.
Diese Aussage
wiegt insofern schwer, da der spätere Bischof in seinem Gutachten auch
unverhohlen das Ziel radikaler
Antisemiten benennt, nämlich die "Ausmerzung der Juden aus
dem Volkskörper". Als Alternative zum "Judenpogrom"
empfiehlt der Kirchenführer jedoch die "Judenmission" als Mittel
zur "Rassenveredelung" bzw. "Rassenerneuerung"
der Juden. Christen seien in diesem Zusammenhang sogar genötigt,
"sich schützend vor die Juden zu stellen". Meisers
Haltung erinnert auch an den jungen Martin Luther, der ebenfalls die "Mission"
der Juden zum kirchlichen Glauben forderte. Luther verlangte erst das Pogrom,
die Judenverfolgung, nachdem die "Mission", also ihre Bekehrung zu
seiner lutherischen Lehre, nicht "erfolgreich" war.
"Im Besitz der staatsbürgerlichen Gleichberechtigung haben die Juden ihren Einfluss nur um so ungehemmter geltend gemacht ..."
"... die Tatsache kann nicht bestritten werden, dass die Juden bis auf diesen Tag ein Sonderdasein unter den Völkern führen. Die letzten Ursachen ... können wir nur in religiösen Gründen finden ... Auf ein neues messianisches Reich, auf ein neues Jerusalem geht die Hoffnung."
"... sie haben eine Unmenge Sitten und Gebräuche bis zum eigenen Jargon; das alles wirkt als trennende Schranke zwischen ihnen und uns ... bei einer Gesamtwürdigung kann nicht in Frage kommen, was einzelne denken, es entscheidet die Haltung der typischen Vertreter."
"Mit einer meisterhaften Fähigkeit ausgestattet, überall den eigenen Vorteil wahrzunehmen, finden wir sie hauptsächlich in Berufen, die ein schnelles Vorwärtskommen ermöglichen ... Ohne Übertreibung kann man sagen, dass sie sich den Löwenanteil an unserem Volksvermögen gesichert haben."
"Wir könnten diese Tatsache [Anmerkung: Die hier von Meiser vorgetragenen "Tatsachen", auch hinsichtlich des "Volksvermögens", entsprechen nicht der Wahrheit; siehe unten] ruhigen Blutes feststellen und uns mit ihr abfinden, wenn der Einfluss, den sich die Juden erobert haben, für unser Volk nicht ein so bedenklicher und unheilvoller wäre."
"Das Wort von den ´Judenzinsen` ist keine bloße Verleumdung."
"Wie nun im menschlichen Körper unrichtige Fettbildung und Fettverteilung, etwa die Bildung eines Fettherzens oder einer Fettniere, zur Todesursache werden kann, so kann auch eine abnorme Verteilung des Nationalvermögens einem Volke unmöglich zuträglich sein."
"Es ist oft betont worden, dass der jüdische Verstand etwas Zerfressendes, Ätzendes, Auflösendes an sich hat. Er ist kritisch zersetzend, nicht kontemplativ, konstruierend, produktiv ... Was dieser Geist schon gesündigt hat an unserem Volk, welch furchtbares Unwesen er ... treibt, ist kaum auszusagen. Nur mit tiefen Schmerz können alle wahren Freunde unseres Volkes an alle diese Dinge denken."
"Eine Eindeutschung des Judentums ... erscheint als Widerspruch in sich selbst ... Radikal gesinnte Antisemiten empfehlen den entgegen gesetzten Weg. Nicht Assimilation des Judentums, sondern Bekämpfung des Judentums mit allen Mitteln, Zurückverweisung der Juden ins Ghetto, Ausmerzung der Juden aus dem Volkskörper – das ist der einzig mögliche Weg zur Lösung der Judenfrage. Vor allem sind es rassehygienische Gesichtspunkte, die stark in den Vordergrund gestellt werden. Von der antisemitischen Bewegung stark beeinflusst, sieht auch die völkische Bewegung in der Rassenfrage den Kernpunkt der Judenfrage und steht hier mit der antisemitischen Bewegung in einer Front."
"Es gilt hier der Grundsatz, dass die Treue gegen das eigene Volk eine ernsthafte Christenpflicht ist. Es liegt etwas durchaus Berechtigtes in der Forderung nach Reinhaltung des Blutes. So wenig wir Mischehen etwa mit naturalisierten Slaven gutheißen können, so wenig können wir Mischehen zwischen Deutsch-Stämmigen mit Juden billigen. Schon der religiöse Gegensatz sollte Christen die Eingehung einer solchen Ehe verbieten, wie denn auch unsere Kirche solche Ehen von der kirchlichen Trauung ausschließt."
"Gott hat jedem Volk seine völkische Eigenart
und seine rassischen Besonderheiten doch nicht dazu gegeben, damit es seine
völkische Prägung in rassisch unterwertige Mischlingsbildungen auflösen lässt
... Darum können wir uns mit den völkischen Idealen weithin einverstanden
erklären ..."
"Nun darf freilich die Betonung des Rassengegensatzes nicht in den
Rassenmaterialismus ausarten, der uns in der völkischen Bewegung weithin
begegnet und der nun alles und jedes rassisch bedingt sein lässt und sich
gebärdet, als komme es nur auf die rechte Paarung an, dann werde man lauter edle
und tüchtige Menschen erzeugen. Vor allem können wir denen keine Gefolgschaft
leisten, die die Juden bloß um ihrer Rasse willen von vornherein und ohne
Ausnahme als minderwertige Menschen ansehen. Es mag viele zweifelhafte
Existenzen unter den Juden geben, aber wer könnte nicht auch edle, sittlich
hochstehende und verehrungswürdige Menschen unter ihnen nennen? Und wer wollte
behaupten, dass die Zugehörigkeit zur arischen oder nordischen Rasse von selbst
vor all den üblen Eigenschaften bewahrt, die man den Juden zum Vorwurf macht. Wenn das
jüdische Volk so in Bausch und Bogen verurteilt wird, so vergessen gerade wir
Christen nicht, dass dieses Volk imstande gewesen ist, das Volk der Propheten,
das Volk Jesu, das Volk der Apostel zu sein. Auf keinen Fall lassen wir uns durch völkische Heißsporne unsere Wertschätzung
des Alten Testamentes, das auch die Bibel Jesu war, rauben ...
Und selbst wenn die
jüdische Rasse eine minderwertige Rasse wäre, wissen wir Christen denn nichts von
Rassenveredelung und Rassenerneuerung? Trauen wir es der Kraft des Geistes Gottes zu,
dass
er die Papuas und Hindus und Malayen neu machen kann, sollte er einen Juden nicht erneuern
können? ... Gerade wer von der Minderwertigkeit der jüdischen Rasse überzeugt ist,
dürfte, wenn er nicht ein blinder Fanatiker ist, mit dem nicht zu rechten ist, nicht das Judenpogrom
predigen, sondern müsste zur Judenmission aufrufen, weil in ihr die Kraft liegt,
die Juden auch rassisch zu veredeln."
"Wer sich an den Realismus der jüdischen Lebensauffassung erinnert, die alles unter den Gesichtspunkt des Geldverdienens rückt, der alles, selbst die zartesten und innerlichsten Dinge wie Heirat und Ehe, zum Geschäft wird, wer den alles nivellierenden, die sittlichen Grundlagen unseres Volkstums zersetzenden, bis zur Laszivität ausschweifenden jüdischen Geist kennt, wie er uns in ungezählten Presseerzeugnissen aus jüdischer Feder wie ein erstickender Brodem entgegenweht, der kann sich ein Bild davon machen, was unserem Volk drohte, wenn dieser Geist noch weiter als bisher schon um sich griffe und zum Gemeingut unseres Volkes würde ... Gegen diese Art der ´Verjudung` unseres Volkes können wir nicht energisch genug ankämpfen."
"Wenn es Recht und Pflicht ist, dass zwischen den beiden großen christlichen Konfessionen in unserem Lande ... bei der Bestellung der öffentlichen Stellen der Grundsatz der Parität gewahrt wird, dann kann es nicht unrecht sein, wenn den Juden unseres Landes gegenüber der gleiche Grundsatz gehandhabt wird und sie zu öffentlichen Ämtern nur im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl zugelassen werden ... Ganz entschieden wehren wir uns als Kinder christlicher Eltern dagegen, wenn unsere Kinder dem Einfluss jüdischer Erzieher unterstellt werden ... Natürlich billigen wir das gleiche Recht, das wir für uns fordern, auch den jüdischen Eltern zu und haben von uns aus nicht nur volles Verständnis für den Kampf der Juden um Erhaltung ihrer jüdischen Schulen, sondern können sie in diesem Kampf auch mit ehrlicher Überzeugung unterstützen ... Doch wäre es immerhin schon ein Gewinn, wenn der seinerzeitige Antrag Stöckers [des "Begründers" (Mensing, a.a.O., S. 276) des modernen kirchlichen Antisemitismus aus dem 19. Jdht.; vgl. Der Theologe Nr. 4, Zeitablauf: Um 1900] zum Gesetz gemacht würde und alle leitenden Artikel in den Zeitungen mit vollem Namen gekennzeichnet werden müssten. Unser Volk wüsste dann wenigstens, wer die Gewährsmänner sind ..."
"Mag die Moral vieler Juden nichts anderes sein als stinkende Unmoral, wer zwingt uns denn, ihre Grundsätze zu befolgen und es ihnen gleichzutun oder gar sie zu übertreffen? Selbsthilfe ist oft die beste Hilfe. Darum scheint mir diese sittliche Selbstschutzbewegung das Allernotwendigste zu sein, was wir in Bezug auf die Judenfrage zu tun haben."
"Ich möchte nur auch hier mit allem Nachdruck betonen, dass kein Kampf um sittliche Güter mit unchristlichen Mitteln geführt werden darf. Die widerliche Verhöhnung und niedrige Beschimpfung der Juden, wie sie uns vielfach in antisemitischen Hetzblättern begegnet, ist christlicher Kampfesweise unwürdig. Mögen sie vielen unter uns noch so unsympathisch sein, mögen es uns manche Juden noch so schwer machen, ihnen mit rechter christlicher Liebe zu begegnen, es gehört mit zu den größten Proben christlicher Liebe, sie auch denjenigen Israeliten zu erzeigen, die uns durch Eitelkeit, Frechheit und Anmaßung herausfordern und beleidigen ... Auch die gewisseste Überzeugung, dass unserem Volk von Juden schon viel Schaden geschehen ist und noch fort und fort geschieht, entbindet uns nicht von der Pflicht christlicher Nächstenliebe auch gegen unsere jüdischen Volksgenossen ... Der Kampf gegen das Judentum hat unter uns solche Formen angenommen, dass alle ernsten Christen förmlich genötigt sind, sich schützend vor die Juden zu stellen, damit nicht der christliche Name vor aller Welt verunglimpft werde. Für uns sind auch die Juden Menschen, die Gott für sein Reich sucht und die an der Erlösung durch Christus Anteil haben sollen. Sind sie noch ferne von Christus, so ist das kein Anlass, sie durch unsere Lieblosigkeit noch weiter von ihm wegzustoßen."
"Völlig beseitigen oder gar lösen werden wir die Judenfrage innerhalb dieses Geschichtsverlaufes nicht. Ihrer restlosen Lösung steht das dunkle, rätselhafte Schicksal entgegen, dem Gott dieses Volk unterworfen ... hat ... Der ewige Jude wird bleiben unter den Völkern bis ans Ende der Welt. Er stirbt nicht. Wir können ihn von seinem Fluch nicht befreien. Ruhelos und heimatlos zu bleiben ist sein Los. Aber er soll nicht sagen können, wenn er einst an das Ende seiner Wanderfahrt gekommen ist, er habe nichts davon gespürt, dass er auf seinem Weg auch durch christliche Völker gekommen sei. Wir wollen ihm so begegnen, dass er, wenn Gott dereinst den Fluch von ihm nimmt und er zur Ruhe eingehen darf, seine Heimat da sucht, wo er die findet, die ihn in seinen Erdentagen mit Freundlichkeit gegrüßt, mit Selbstverleugnung getragen, durch hoffende Geduld gestärkt, mit wahrer Liebe erquickt, durch anhaltende Fürbitte gerettet haben."
Anmerkung:
1) Insgesamt liegt der Anteil der Juden an der
Gesamtbevölkerung 1933 bei 0,76 %, davon hat ein Fünftel nicht die deutsche Staatsbürgerschaft,
sondern es handelt sich um Einwanderer aus Russland oder Polen. Der Anteil der jüdischen
Erwerbstätigen in Handel und Verkehr liegt bei 2,5 %, im Bank- und Versicherungswesen
bei 3 %, bei Richtern und Staatsanwälten bei 2,8 %. Meiser erwähnt nicht,
dass Juden bis 1918 bestimmte Berufe im öffentlichen Dienst verwehrt wurden. (Juden-Christen-Deutsche 1, S. 82 f.)
2) Das vollständige Gutachten im Original ist nachzulesen bei Eberhard Röhm /
Jörg Thierfelder, Juden-Christen-Deutsche 1, Stuttgart 1990,
S. 350-362.
3) Landesbischof Meiser bleibt auch nach Ende des Krieges als Landesbischof bis
1955 im Amt. Er entschuldigt sich weder für das Gutachten und für seine Folgen noch
nimmt er das Gutachten zurück.
1925/1926
Anmerkung: 1) Der Bischof spricht von "Verjudung", doch
der Anteil der Juden an der Gesamtbevölkerung liegt nur bei 0,76 % (1933).
Davon hat ein Fünftel nicht einmal die deutsche Staatsbürgerschaft, sondern
es sind Einwanderer aus Russland oder Polen.
1931
Januar 1931 – Oberkirchenrat Hans Meiser teilt mit, dass die Kirche an "dem
Ringen zwischen Deutschglauben und den bewusst kirchlichen Kräften innerhalb des
Nationalsozialismus"
"nicht achtlos vorübergehen könne".
Der Meiser-Biograf Siegfried Münchenbach schreibt dazu: "Der politischen
und gesellschaftlichen Ordnung der Weimarer Zeit ist Meiser mit Verachtung begegnet."
(zit. nach Björn Mensing, Pfarrer im
Nationalsozialismus, Göttingen 1998, S. 128)
25.3.1931 – Nach Absprache mit Oberkirchenrat Meiser lädt die Missionsanstalt Neuendettelsau als erste evangelische Einrichtung in Deutschland die Nazis zu einer "streng vertraulichen Aussprache" ein. Vor ca. 30 evangelischen Theologen hält Direktor Dr. Friedrich Eppelein die Begrüßung: "Wir erwarten uns von der NSDAP viel. Wir haben uns bis jetzt noch mit keiner Partei in ähnlicher Weise in Verbindung gesetzt und ausgesprochen." (zit. nach Mensing, a.a.O., S. 131 f.)
1933
1.5.1933 – Auf Anweisung des Landeskirchenrats der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern müssen die evangelischen Pfarrer Münchens mit Hakenkreuzbinde an der Nazi-Massenkundgebung auf der Theresienwiese teilnehmen. (Clemens Vollnhals, Evangelische Kirche und Entnazifizierung, München 1989, S. 126)
4.5.1933
– Hans Meiser wird in Bayreuth zum ersten bayerischen Landesbischof
gewählt, nachdem sein Vorgänger, Kirchenpräsident Friedrich Veit, am
11.4.1933 wegen seiner Vorbehalte gegenüber den Nationalsozialisten vom Landeskirchenrat
aus dem Amt gedrängt worden war. Veit scheint nicht der geeignete Mann, um den
Nazis das als notwendig erachtete Quantum kirchlicher Huldigung entgegen zu
bringen. Gleichzeitig wird in dem Gesetz über die Ermächtigung des
Landesbischofs zum Erlass von Kirchengesetzen das Führerprinzip in der Kirche
eingeführt – parallel zum staatlichen Ermächtigungsgesetz für Hitler. Damit
kopiert die Kirche mit Begeisterung die staatliche Entwicklung. Die
bayerische Landessynode entmachtet sich damit selbst zugunsten ihres "Führers" Hans Meiser.
"Geben wir dem Mann, der die Führung haben soll, nun wirklich den Führerstab in die
Hand." (Der Münchner Dekan Langenfaß über Meiser; zit. nach Erlanger
Nachrichten, 27.8.1993)
Anmerkung:
In Gedenken an den historischen Tag, an dem die evangelische Kirche die
innerkirchliche Demokratie abgeschafft hatte, wurde am 3.5. bzw. 4.5.2008 der
Gemeindesaal der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde in Obermenzing (Carolinenkirche)
in Hans-Meiser-Saal umbenannt.
18.5.1933 –
Das Evangelische Sonntagsblatt aus Bayern schreibt: "Mit
der Bekanntmachung vom 13.April d. Js. (Staatsanz. Nr. 88) hat das Staatsministerium des
Inneren auf Ersuchen des Staatsministeriums für Unterricht und Kultur die
Vereinigungen der ´Ernsten Bibelforscher` in Bayern aufgelöst und verboten.
Wir geben dies mit dem Hinweis darauf bekannt, dass die genannte Sekte seit einiger Zeit
sich auch des Namens ´Zeugen Jehovas` bedient und erwarten von unseren
Geistlichen, dass sie das Ihrige tun werden, um ein weiteres Auftreten der Sekte
in ihren Gemeinden zu unterbinden. München, den 11.Mai 1933 – Evang.-Luth.
Landeskirchenrat
– D. Meiser." (Amtsblatt Nr. 11 für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern
rechts des Rheins; vgl. Zeitablauf: 1932)
Anmerkung: Von den ca. 25.000 Zeugen Jehovas in Deutschland werden in den nächsten
Jahren 10.000 inhaftiert, 2000 davon kommen in die KZs. Dort kommen 1200
ums Leben, weitere 250 werden anderweitig "erhängt, erschossen oder
geköpft". (Frankenpost, 15.1.1999)
11.6.1933 – Amtseinführung von Landesbischof Meiser in Nürnberg
Männer des Staates, der Partei und der Stadt erweisen dem neuen Landesbischof die Ehre.
Viele uniformierte Männer sitzen im Gottesdienst. Anschließend lädt die Stadt Nürnberg
zu einem Staatsakt für Landesbischof Meiser und die Kirchenführer ein, umrahmt von SA,
SS, HJ und BDM.
13.6.1933 – Pfarrer Putz, Träger des goldenen Parteiabzeichens der NSDAP und aktiver
Werber für NSDAP-Mitgliedschaften unter Pfarrern, wird als Referent in den
Landeskirchenrat unter Vorsitz von Landesbischof Meiser nach München berufen. Seine Dienstanweisung beinhaltet die "Aufrechterhaltung
einer möglichst innigen Verbindung zur Reichsleitung der NSDAP und ihrer
verschiedenen Abteilungen, besonders auch zur SA und zur SS sowie zur Glaubensbewegung
Deutsche Christen." (zit. nach Mensing, a.a.O., S. 162)
Anmerkung: Pfarrer Putz vertritt die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern
auch im Reichsbruderrat der Bekennenden Kirche, der Synode der Bekennenden Kirche, und er
wird 1934 Mitglied der Vorläufigen Leitung der Bekennenden Kirche. Nach dem Krieg
rechtfertigt Putz seine NSDAP-Mitgliedschaft bis 1945 mit den Worten: "Wir haben
eine Seelsorgeverpflichtung gegenüber den in der Partei befindlichen Christen."
(zit. nach Vollnhals, a.a.O., S. 263)
23.6.1933 – Grußwort des
Herrn Landesbischofs an die evangelische Jugend:
"... Ich weiß und erkenne dankbar an, dass die einzelnen Verbände jeder in
seiner Art in den vergangenen Jahren der Kirche und darüber hinaus dem ganzen deutschen
Volke dadurch wertvolle Dienste erwiesen haben, dass sie treu im evangelischen Glauben
sich als Damm gegen die Volkszersetzung des Bolschewismus und des Freidenkertums
bewährt haben. Der Gottlosigkeit sind heute unter den neuen Verhältnissen manche Kanäle
abgegraben; ... So tue, evangelische Jugend, dein Werk und der Herr der Kirche wolle es in
Gnaden fördern! München, den 23. Juni 1933 – Der Landesbischof der Evang.-Luth.
Kirche in Bayern r. d. Rhs; D. Meiser." (zit. nach Amtsblatt der Evang.-Luth.
Kirche in Bayern Nr. 16 vom 29.6.1933)
Oktober 1933 – Das
Evangelische Sonntagsblatt aus Bayern druckt einen Artikel aus dem
evangelischen Kirchenboten für die Pfalz nach: Wir trieben Spott mit
den heiligen Gütern der deutschen Nation. Darin heißt es:
"Eines der wüstesten deutsch geschriebenen Hetzblätter in Rumänien ist die
jüdische ´Zernowitzer Allgemeine Zeitung.` Trotzdem veröffentlicht dieses Blatt soeben
– allerdings mit dem ausdrücklichen Hinweis, sich mit dem Verfasser nicht identifizieren
zu wollen – einen Artikel aus der Feder des bekannten Judenführers der Bukowina, Dr.
Manfred Reiser ... Es heißt in dem Aufsehen erregenden Aufsatz u. a.: ´... Wir spielten
mit den heiligen Gütern des deutschen Volkes und trieben zuweilen auch noch Spott mit
dem, was der Nation heilig ist. Wir spielten uns als die Sittenrichter des deutschen
Volkes auf und gossen aus vollen Schalen Satiren über das Haupt des deutschen Michel ... Das
entwurzelte Weltbürgertum, das Juden zu Vorkämpfern hat, glaubte die Kraft zu besitzen,
die Ideen Jesajas in die Gassen Germaniens verpflanzen zu können und mit Amos die
Walhalla zu stürmen ...`
Diese Eingeständnisse eines Juden kennzeichnen in treffender Weise das jüdische Treiben
in Deutschland und sind in ihrer Offenheit ein schlagender Beweis für die Richtigkeit und
Notwendigkeit der in Deutschland erfolgten Ausschaltung des jüdischen Einflusses auf die
Staatsführung. Dieser Artikel ist ebenso ein Schlag ins Gesicht der jüdischen Hetze
gegen das neue Deutschland, die in ihrer vollen Unverfrorenheit hier durch einen Juden
selbst bloßgestellt worden ist." (Jahrgang 1933, S. 600)
6.10.1933 – Verordnung von Landesbischof Meiser zur Pflege des Lutherliedes
"In konfessionell ungemischten Gemeinden wird es möglich sein, HJ und BDM zur
Unterstützung des Planes zu gewinnen." (In: Amtsblatt der Ev.-Luth. Kirche in
Bayern Nr. 29 vom 26.10.1933)
12.10.1933 –
Amtsblatt Nr. 28 der Ev.-Luth. Kirche in Bayern: Betreff: Luthertag 1933.
"Unsere Kirche feiert in diesem Jahre mit besonderer Dankbarkeit den Geburtstag
des Reformators Dr. Martin Luther. Sie weiß, dass sie Volk und Staat dann am besten
dient, wenn sie das Evangelium so verkündigt, wie sie von ihm gelehrt wurde.
Recht und Würde der Obrigkeit ist in der deutschen Geschichte von keinem
Staatsmann und von keinem Philosophen mit solcher Kraft und aus solch tiefer
Begründung erhoben worden, wie von Dr.
Martin Luther. Wenn er sagt: ´Wir sind nicht schuldig, der Obrigkeit um ihretwillen
gehorsam zu sein, sondern um Gottes willen, dessen Kinder wir sind`, rechtfertigt er die
Hoheit der weltlichen Gewalt, die das Schwert aus Gottes Hand empfangen hat ...
... In größeren Pfarreien ist die gesamte evangelische Jugend – kirchliche Verbände,
Hitlerjugend und nichtorganisierte Jugend – in besonders feierlichen Gottesdiensten zu
sammeln ..." München, den 10. Oktober 1933, Evangelisch-luth.-Landeskirchenrat;
J. V. Böhner
Herbst 1933 – Ein evangelischer Dekan aus
Oberfranken übernimmt die Führung der lokalen NSDAP-Ortsgruppe.
Dazu schreibt Clemens Vollnhals in seiner Doktorarbeit: "Die Wirkung solchen
Handelns lokaler Meinungsführer auf jene Bevölkerungskreise, die sich 1933/34 noch
abwartend verhielten, kann kaum unterschätzt werden."
Vollnhals weiter: "Die NSDAP war sich des politischen Nutzens der
Parteipfarrer für die Erhaltung der Massenloyalität durchaus bewusst."
Der Dekan wird später als Oberkirchenrat von Landesbischof Meiser in die Kirchenleitung befördert. Er
rechtfertigt sich nach 1945: "Ich sah, wie manche gute Kräfte 1933
aufgingen." (Vollnhals, a.a.O., S. 276.280)
Anmerkung: Bei dem Betroffenen handelt es sich offenbar um den "alten
Kämpfer" der NSDAP Friedrich Hanemann
(zit. nach Mensing, a.a.O.,
S. 210), 1932-1934 evangelisch-lutherischer Dekan von Kulmbach, am 1.12.1934 als
Oberkirchenrat in die Kirchenleitung berufen (siehe Zeitablauf). Siehe
auch die Anmerkung hier. Die Kirchenleitung
rechtfertigt nach 1945 das Verhalten aller NSDAP-Pfarrer.
(siehe Zeitablauf: 1945)
November 1933 – Die ausländische Kritik an der Behandlung der Juden in Deutschland und
an der militärischen Aufrüstung Deutschlands wächst, z. B. im Völkerbund. Die Nationalsozialisten
organisieren deswegen in Deutschland eine Volksabstimmung zum Austritt aus dem
Völkerbund.
Auch Landesbischof Meiser fordert in einer Predigt den Austritt Deutschlands aus dem
Völkerbund. "Meiser bekundete bei jeder Gelegenheit seine
uneingeschränkte Unterstützung für Hitlers Politik und rief sein Kirchenvolk dazu auf,
es ihm gleichzutun," "was dazu beitrug, dass bei der
Volksabstimmung etwa 95 % mit Ja stimmten, bei der ´Reichstagswahl` die einzig
zur Wahl stehende NSDAP etwa 87 % der Stimmen erhielt und damit Hitlers Stellung
unangreifbar wurde."
(Mensing,
a.a.O., S. 162)
Ab Dezember 1933 – Neue Serie im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern: "So
spricht Martin Luther"
1934
10.2.1934 – Landesbischof Meiser zur
Eingliederung des Evangelischen Jugendwerkes in die HJ bzw. in den BDM (= Bund Deutscher Mädel):
Einverständnis-Erklärung der Eltern: "Ich erkläre hiermit mein
Einverständnis, dass meine Tochter/ - Sohn ... Mitglied des ... Jungschar, Jungvolk im
Verband des ... die Doppelmitgliedschaft in der Hitlerjugend eingeht. Ich habe davon
Kenntnis genommen, dass er (sie) an den wöchentlichen Pflicht-Bibelabenden ...
teilzunehmen hat ..."
"Wir sind uns alle der Verantwortung bewusst, die wir an unserer Jugend vor Gott
haben. Viel treue Arbeit ist in all den Jahrzehnten zum Besten unserer evangelischen
Jugend geleistet worden. Das sei dankbar anerkannt. Wir wollen nun erst recht treu
arbeiten, mit Hingabe und Freudigkeit die neuen Aufgaben in Angriff nehmen ...
München, den 10. Februar 1934 – Der Landesbischof – D. Meiser."
(Amtsblatt der
Evang.-Luth. Kirche in Bayern Nr. 4 vom 12. Februar 1934)
Anmerkung: Auch einer der
Hauptverantwortlichen der Judenvernichtung, der Organisator der "Endlösung",
Adolf Eichmann, ist aus der Evangelischen Jugend, dem CVJM, hervorgegangen.
13.2.1934 – Bekanntmachung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zur Sicherung und Auswertung aller Kirchenbücher für rassekundliche Forschung (Amtsblatt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern Nr. 6 vom 19. Februar 1934) – Zu diesem Thema ist im Jahr 2008 ein Buch erschienen: Gailus, Manfred (Herausgeber), Kirchliche Amtshilfe. Die Kirche und die Judenverfolgung im Dritten Reich, Göttingen 2008. Die Süddeutsche Zeitung schreibt in ihrer Buchbesprechung: "In nur wenigen Fällen haben Pfarrer die Herausgabe brisanter Informationen verweigert. Selbst die Gemeinden der Bekennenden Kirche ... haben einem protestantischen ´Beamtenethos` folgend, korrekte Angaben gemacht. Erst durch diese Kenntlichmachung war es den Nazis schließlich möglich, über die etwa 500.000 ´Glaubensjuden` hinaus Arier von Nichtariern zu scheiden. Zu ihnen zählten Christen jüdischer Herkunft ebenso wie ´Mischlinge`. Zu Recht spricht der Herausgeber von einer ´Christenverfolgung innerhalb der Kirche`" (7.1.2009); siehe dazu auch hier
4.4.1934 – Anweisung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern über eine
Bekanntmachung des Kultusministeriums: "Der Lehrer tritt zu Beginn jeder
Unterrichtsstunde vor die stehende Klasse und grüßt als erster, indem er den rechten Arm
erhebt und dabei die Worte ´Heil Hitler` spricht. Die Klasse erwidert den
Gruß in der gleichen Weise. Am Schlusse der Schulstunde wiederholt der Lehrer den
deutschen Gruß vor der stehenden Klasse. Diese antwortet in gleicher Weise."
"Wir weisen unsere Religionslehrer an, der Bekanntmachung des
Kultusministeriums entsprechend zu verfahren. Evang.-Luth. Landeskirchenrat; D.
Meiser." (Amtsblatt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern 1934, Nr. 1845)
Anmerkung: Die von Kirche und Staat bekämpften bzw. verfolgten Zeugen Jehovas
verweigern den Hitlergruß. Schüler, die dieser Gemeinschaft angehören, werden deshalb
manchmal von Lehrern geschlagen. (nach Video "Lila Winkel", Starlock Pictures, New York
1991)
29.5.-31.5.1934 –
Erste "Reichsbekenntnissynode" in Wuppertal-Barmen: Die Barmer Theologische Erklärung wird verabschiedet. Unter anderem heißt es darin:
"Wir
verwerfen die falsche Lehre, als gebe es Bereiche unseres Lebens, in denen wir nicht Jesus
Christus, sondern anderen Herren zu eigen wären."
Zur Judenfrage schweigt die Synode.
Anmerkung: In Barmen treffen sich Mitglieder der "Bekennenden Kirche".
Fälschlicherweise wurden ihre innerkirchlichen Auseinandersetzungen mit den
"Deutschen Christen" und die Auseinandersetzungen mit dem Staat oft so
dargestellt, als sei die "Bekennende Kirche" eine Widerstandsgruppe gegen das
Nazi-Unrecht. Das ist sie aber nicht. Denn das angebliche Bekenntnis zu "Christus",
wie sie es interpretiert, ist für
sie kein Widerspruch zur politischen Loyalität gegenüber Hitler. Vier Jahre später
(1938) schwören auch die Pfarrer der Bekennenden Kirche Hitler Gehorsam und Treue
(siehe
Zeitablauf: 1938). Kein anderer Herr als "Christus"?
Der als "Kirchenkampf" bezeichnete Konflikt ist ein
Streit um kirchliche Angelegenheiten. Von Einzelsituationen einzelner Anhänger abgesehen befürwortet auch
die "Bekennende Kirche" die Judendiskriminierungen und -verfolgungen oder duldet
sie. Viele Anhänger der "Bekennenden Kirche" sind gleichzeitig begeisterte
Nationalsozialisten und des NS-Staates.
1.6.1934 – Die Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern unter Führung von Landesbischof Meiser antwortet auf die Barmer Theologische Erklärung der Bekennenden Kirche mit dem Ansbacher Ratschlag. In der Kirchenleitung der bayerischen evangelischen Landeskirche hat ebenfalls die "Bekennende Kirche" die Oberhand. Im Ansbacher Ratschlag formuliert sie eine in der Barmer Theologischen Erklärung fehlende Ergebenheitsnote an Hitler, verbunden mit dem Dank, dass Gott ... "unserem Volk in seiner Not den Führer als ´frommen und getreuen Oberherrn` geschenkt hat und in der nationalsozialistischen Staatsordnung ´gut Regiment`, ein ´Regiment mit Zucht und Ehre` bereiten will." (zit. nach Müller / Siemen, Warum sie sterben mussten, Neustadt a. d. Aisch 1991, S. 21)
Einer der Mitverfasser des Ansbacher Ratschlags ist der einflussreiche Theologieprofessor Paul Althaus aus Erlangen. Mit Bezug auf die lutherische Zwei-Reiche-Lehre schreibt ein Biograf über ihn: "In seinen Schriften der Jahre 1933-1937 verteidigt Althaus den totalitären Staat, das Führerprinzip sowie völkische Ideen im allgemeinen und das ´gute Regiment` Hitlers im besonderen." (R. P. Ericksen, zit. nach Mensing, a.a.O., S. 67 f.)
28.6.1934 – Hilfe der
Pfarrämter für NSDAP-Mitglieder bei der Zusammenstellung ihrer
Ahnentafeln:
"Dem Landeskirchenrate ist bekannt, welches Maß von Arbeit die vielfältigen
Anforderungen der Abstammungszeugnisse von den Pfarramtsführern fordert; er weiß auch,
dass es vielfach nur durch die selbstlose Mithilfe der Familienangehörigen überhaupt
möglich ist, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Es ist ihm ein Bedürfnis, für alle diese
in stiller Treue geleistete Arbeit den Dank der Kirchenleitung hier öffentlich
auszusprechen. Ev.-Luth. Landeskirchenrat; D. Meiser"
(zit. nach Amtsblatt
der Evang.-Luth. Kirche in Bayern 1934, Nr. 4616). Siehe dazu auch hier
Anmerkung: Die Reichskirchenregierung weist darauf hin, dass die Pfarrämter auch
zu dieser Aufgabe verpflichtet seien, da die NSDAP "Körperschaft öffentlichen
Rechts" sei.
1934 – Gedicht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern: "... du deutsche Jugend – unser Stolz, rank – zäh wie junges Eichenholz, zeig du der Welt – zeig du der Welt – trotz Hohn – trotz Spott: Ein Volk stirbt nicht, das seinem Gott die Treue hält – die Treue hält." (Jahrgang 1934, S. 365)
Sommer 1934 – Die Landesbischöfe Meiser und Wurm treffen sich erneut mit Adolf Hitler. Sie bekunden die innerkirchliche Lehropposition der Bekennenden Kirche zur Lehre der Deutschen Christen, sichern Hitler aber die politische Loyalität der Bekennenden Kirche zu.
3.9.1934 – Eingliederungsverordnung von Reichsbischof Müller: Die
Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern soll Teil der Reichskirche werden. Landesbischof
Meiser weigert sich, die Eingliederungsverordnung zu unterschreiben und sich damit selbst
zu entmachten. Er möchte die Gesetzesvollmacht in der Evangelisch-Lutherischen Kirche
in Bayern selbst behalten. Es kommt zum Konflikt zwischen Anhängern von Reichsbischof
Müller und Anhängern von Landesbischof Meiser.
3.9.1934 – Der evangelisch-lutherische Landeskirchenrat in Bayern
denunziert einen führenden Pfarrer der Deutschen Christen wegen dessen früherer
Judenfreundlichkeit.
In Rundbriefen des Landesbruderrates der Bekennenden Kirche lässt die Kirchenleitung in
denunzierender Absicht einen Zeitungsausschnitt von 1929 veröffentlichen, wo der Pfarrer "bei
der Einweihungsfeier einer Synagoge die besten Wünsche seiner Gemeinde für das
´herrliche Gebetshaus` übermittelt hatte" (Mensing, a.a.O.,
S. 192). Die NSDAP
reagiert auf diese "Enthüllung" mit einem Parteiausschlussverfahren des
Pfarrers.
11.10.1934 – Die
Reichskirche versucht, die Landesbischöfe Wurm und Meiser abzusetzen. Die
beiden Bischöfe erkennen die Maßnahme aber nicht an.
Landesbischof Meiser kommt sogar kurzzeitig in Hausarrest. Seine Anhänger organisieren
daraufhin eine Kundgebung, wozu Sonderzüge nach München fahren. Ca. 10.000 Menschen
demonstrieren dort mit Heil-Hitler und Heil-Meiser-Rufen. Der Landesbischof stimmt vom
Balkon seines Amtszimmers ein dreifaches Sieg-Heil auf Führer und Vaterland an. Die
Menschen singen sowohl das Lutherlied "Ein feste Burg ist unser Gott"
als auch das
nationalsozialistische Horst-Wessel-Lied: "SA marschiert ..."
Der evangelische Pressedienst epd schreibt: "Der Gauleiter Streicher sowohl wie
Herr Polizeipräsident Martin waren sichtlich ergriffen. Der Gauleiter sprach das
persönlich aus und versprach, es dem Führer mitzuteilen." (zit. nach: Junge
Kirche 1934, S. 808 ff.; siehe auch die Meldung unten)
Oktober 1934 – Lagebericht fränkischer Regierungsstellen: "Gerade die kirchlich gesinnten evangelischen Kreise, die hinter dem Landesbischof stehen, zählten und zählen auch jetzt noch mit zu den treuesten Anhängern des Nationalsozialismus." (zit. nach Vollnhals, a.a.O., S. 129)
19.10./20.10.1934 – Die Reichssynode der "Bekennenden Kirche" in Berlin-Dahlem protestiert gegen die Beseitigung der Kirchenleitungen in Bayern und Württemberg.
Anfang November – Adolf Hitler empfängt die zuvor entlassenen Landesbischöfe Meiser und Wurm erneut persönlich. Nach dem Gespräch werden die beiden Landesbischöfe wieder offiziell ins Amt eingesetzt.
1.12.1934 –
Dekan Friedrich Hanemann
aus Kulmbach, Mitglied der NSDAP, und Pfarrer Hans Greifenstein aus Nürnberg,
einer der Mitbegründer der eng mit der NSDAP-Weltanschauung verbundenen
Deutschen Christen, werden
von Landesbischof Meiser als neue Oberkirchenräte in die Kirchenleitung berufen,
womit sich die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern weiter auf die NSDAP
zu bewegt.
Anmerkung: Nach Informationen aus dem Familienkreis erwog Dekan Hanemann
damals
allerdings den Austritt aus der Partei, was der Kirchenleitung aber offenbar gar
nicht gelegen kam. So wurde Friedrich Hanemann z. B. von Landesbischof Meiser
gebeten, sein Gewicht in der NSDAP für einzelne kurzzeitig inhaftierte Pfarrer einzusetzen,
was auch gelungen ist. Pfarrer Hans Greifenstein war nach entsprechenden
Recherchen und Auskunft heutiger Familienangehöriger kein Parteimitglied.
1935
Frühjahr 1935 –
Evangelisches Sonntagsblatt aus Bayern:
"Blut und Boden sind für den Christen keine Ideen, sondern Wirklichkeiten, die Gott
geschaffen hat ... Daher unser Bekenntnis zu Blut und Boden." (S. 116)
23.9.-26.9.1935 – Dritte Preußensynode der
"Bekennenden Kirche" in
Berlin –
"Am deutlichsten hatte sich der bayerische Landesbischof Hans Meiser gegen die
Behandlung der Judenfrage auf der geplanten Synode ausgesprochen. Obwohl Meiser als
Bayer gar nicht Mitglied der altpreußischen Synode war, hatte er bei einer
Informationssitzung der ersten Vorläufigen Kirchenleitung am 13. September 1935
schwerwiegende Bedenken geäußert" (Juden-Christen-Deutsche 2/1,
a.a.O., S. 55). Die Gewissensbisse einiger Synodaler wegen der Judenverfolgung werden nicht
berücksichtigt.
Landesbischof Meiser wörtlich: "Man kann natürlich stundenlang darüber reden,
ob man zu einem guten Ende mit diesem Staate kommen kann oder nicht. Aber es sollte
jedenfalls an uns nicht liegen, wenn es zu einem restlosen und endgültigen Bruch kommt.
Wenn das dann nicht geht, gut, dann nehmen wir es hin als Gottes Willen. Aber wir sollten
es bis zum äußersten zu verhindern suchen. Es soll nicht kommen durch unsere
Leichtfertigkeit, Unbesonnenheit und Bockbeinigkeit. Nur dann wird auf der Leidenszeit ein
Segen liegen. Ich möchte meine Stimme erheben gegen ein selbstverschuldetes Martyrium.
Ich sehe mit einiger Sorge auf die kommende preußische Synode, wenn sie solche Dinge
anschneiden will wie z. B. die Judenfrage. Was in Königsberg [= dem ursprünglich
vorgesehenen Versammlungsort] geschieht, das bleibt nicht beschränkt auf den Kreis
der preußischen Synode."
Anmerkung: Die Worte von der "Leidenszeit" beziehen sich auf
die Konflikte mit dem Staat bezüglich der Unabhängigkeit der Kirche vom Staat und auf
einige Einschränkungen der kirchlichen Arbeit. Z. B. wurde der kirchliche Einfluss im
Rundfunk "zurückgedrängt". Oder es wurde evangelischen Arbeitern in einem
Arbeitslager am Karfreitag der Gottesdienstbesuch nicht gestattet. (Siehe "Denkschrift
der 2. Vorläufigen Leitung der Bekennenden Kirche" vom 28.5.1936, in:
Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen IV/2, Neukirchen 1980, S. 146; vgl. Zeitablauf)
29.10.1935 – Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern
nimmt den in
Thüringen wegen seines evangelisch-lutherischen, aber jüdischstämmigen Vaters entlassenen Pfarrer Werner Sylten
nicht in den Dienst auf.
Landesbischof Meiser schreibt: "Wir würden dem Wunsch, Herrn Pfarrer Sylten in
den Dienst der Landeskirche in Bayern zu übernehmen, gerne näher treten. Aber
angesichts der Tatsache, dass Herr Pfarrer Sylten Halbarier ist, ist uns leider die
Übernahme unmöglich.
Nicht als ob wir darin von unserer Seite ein Hindernis sähen, aber bei der
Übernahme außerbayrischer Geistlicher müssen wir auch die Zustimmung der
Staatsregierung haben. Daher ist es zu unsrem Bedauern nicht möglich, Ihrem
Wunsche nachzukommen." (Brief an die Lutherische Bekenntnisgemeinschaft
Thüringen, zit. nach Eberhard Röhm / Jörg Thierfelder, Juden-Christen-Deutsche,
Band 3/II, Stuttgart 1995, S. 315 f.)
Wahrscheinlich hat Landesbischof Meiser, wie der Wortlaut
seines Briefes nahe legt, bei der Staatsregierung jedoch gar nicht
um Zustimmung angefragt, so dass die seit
dem Jahr 1924 notwendige staatliche Zustimmung womöglich ein kirchlich
willkommener Anlass war, dem verfolgten "Amtsbruder" die
Hilfe zu verweigern.
Denn im Regelfall stimmte und stimmt der Staat
in Personalfragen, die seiner Zustimmung bedürfen, dem Ansinnen der Kirche
immer zu.
Und dass diese bis heute [2022] geltende staatliche Zustimmungspflicht
unabhängig von konkreten Einzelfällen begründet ist,
hat mit Folgendem zu tun:
Der Freistaat Bayern subventioniert die Kirche grundgesetzwidrig in
erheblichen Ausmaß (wie auch andere deutschen Bundesländer ihre jeweiligen
Kirchen), und der Staat hat dabei auch erhebliche finanzielle Verpflichtungen –
jährlich in dreistelliger Millionenhöhe
– für kirchliches (!) Personal übernommen.
Somit ist
auch eine staatliche Zustimmungspflicht bei kirchlichen
Personalentscheidungen begründet, weil sie dem Staat
zusätzliches Geld in erheblichem Ausmaß kosten; also z. B. bei der Einstellung von Pfarrern, die aus einem anderen Länderstaat bzw.
einem anderen heutigen Bundesland kommen.
Doch ging es im konkreten Einzelfall ja nicht
um viele Theologen, die dem Freistaat neu auf der Tasche gelegen hätten,
sondern nur um einen einzigen, der noch dazu
einst in Bayern, in Lohr am Main, zur Schule gegangen
war und als Jugendlicher damit sogar Mitglied dieser bayerischen
Landeskirche gewesen war, die er nun um ein Anstellungsverhältnis
gebeten hatte.
Und es kommt noch etwas dazu: In Bayern war von 1933 bis zu seinem Tod am 5.3.1935 der staatliche Kulturminister
ein Mann mit Namen Hans Schemm.
Und Landesbischof Hans Meiser hatte zu diesem NS-Kulturminister Hans Schemm
ein so gutes Verhältnis, dass er bei dessen Beerdigung im März 1935 sogar alle Glocken aller bayerischen
Kirchen läuten ließ und nicht nur die Glocken in dem Ort, in dem die Beerdigung
stattfand (Evangelisches Sonntagsblatt Nr. 30/2007) – eine nahezu
einzigartige Huldigung für den Nazi-Staatsminister durch die
evangelisch-lutherische Kirche.
Ob das Ministerium
bzw. die Staatsregierung einige Monate später also eine Zustimmung zu der Anstellung Werner Syltens
in Bayern verweigert
hätte, wenn die Kirche ihn ernsthaft hätte einstellen wollen, ist also mehr als
zweifelhaft. In diese Richtung überlegen deshalb auch die Autoren und
Experten für Kirche und NS-Zeit Eberhard Röhm und Jörg Thierfelder. Sie
schreiben im Hinblick auf die Evangelische Landeskirche in Württemberg, die eine
Anstellung Syltens anschließend mit derselben Begründung wie Meiser in Bayern
ablehnte, was wohl hinter dem Verhalten steckt: Die Landeskirche "gab den ´Schwarzen Peter`
weiter".
(a.a.O., S. 316)
An dieser
Stelle noch ein paar weitere Details zum Hintergrund:
Werner Syltens
Frau Hildegard Sylten hatte im Januar 1935 wegen der beginnenden Verfolgung der nicht rein-arischen Bürger
wohl aus Verzweiflung Selbstmord begangen,
und der Pfarrer hatte seither auch alleine für seine beiden Kinder zu sorgen.
Er befand sich also in mehrfache Hinsicht in einer ihm aufgezwungenen
Ausnahmesituation. Die Kirche verletzte mit ihrer wohl fadenscheinigen Weigerung, ihn
anzustellen, also auch ihre
Fürsorge für die Familie des Pfarrers nach diesem Schicksalsschlag.
Erst im Jahr 1938 findet Pfarrer
Werner Sylten dann
eine Anstellung beim "Büro Grüber"
in Berlin, einer Anlaufstelle für evangelische Kirchenmitglieder jüdischer
Herkunft, die Auswanderungen vermittelte. Doch die Tätigkeit war nicht lange
möglich. 1941 wurde Werner Sylten dann schließlich als "Halbjude"
im KZ Dachau eingekerkert und
1942 wird er in der Tötungsanstalt Hartheim in Österreich "vergast". Als
fest angestellter evangelischer Pfarrer unter der dienstlichen Obhut der bayerischen oder
württembergischen Landeskirche mit allen Pfarrer-Rechten hätten die
Nationalsozialisten seine Ermordung aber sehr wahrscheinlich nicht gewagt.
Selbst ihre eigenen Leute überließ die Lutherkirche also der Ermordung, wenn sie
etwas "Jüdisches" an sich hatten.
Immerhin kannten die Bischöfe Adolf Hitler persönlich und hatten z. B.
alleine 1934 drei "konstruktive" Gespräche mit ihm geführt (im
Februar,
im Sommer und im
November).
14.11.1935 –
Amtsblatt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern Nr. 29 vom 19. November 1935 – "Soweit Kirchen mit der Reichs- und
Nationalflagge
noch nicht versehen sein sollten, ist alsbald eine solche anzuschaffen. Die
mitgeteilte Anordnung bezieht sich auch auf Pfarrhäuser. Evang.-Luth. Landeskirchenrat; D.
Meiser."
Anmerkung: Die Reichs- und Nationalflagge ist eine Hakenkreuzflagge.
1935 – Silvesterausgabe des Evangelischen Sonntagsblattes aus Bayern:
Unter der Überschrift Stoeckerworte zitiert das Blatt:
"Eine irreligiöse Macht ist das moderne Judentum allerdings; eine Macht, welche
überall das Christentum bitter bekämpft, in den Völkern den christlichen Glauben ebenso
wie das nationale Gefühl entwurzelt und als Ersatz nichts bietet als die abgöttische
Verehrung des Judentums so, wie es ist, das keinen anderen Inhalt hat, als Schwärmerei
für sich selbst."
"Jüdische Lehrer können christliche Kinder nicht erziehen, jüdische
Richter sollen christlichen Deutschen keinen Eid abnehmen dürfen."
(Jahrgang
1935, S. 641)
Anmerkung: Stoecker ist der bekannteste evangelische Antisemit des 19./20.
Jahrhunderts. Er vertritt eine Position der Judenverfolgung mit "christlichen"
Mitteln, also nicht wirklich mit "christlichen", sondern mit evangelischen oder
katholischen Mitteln.
1936
28.5.1936 – Die Vorläufige Kirchenleitung der
Bekennenden Kirche beklagt in einer geplanten Denkschrift an Hitler zahlreiche
Einschränkungen der kirchlichen Arbeit.
In einem der Abschnitte kritisiert sie, dass Hitler die religiöse "Würde des
Volkspriesters" zukommt, "ja des Mittlers zwischen Gott und Volk".
Anmerkung: Die Mittlerschaft zwischen Gott und Volk hatten sich seit Jahrtausenden
nur die Priester und Pfarrer selbst zugesprochen. Jesus von Nazareth sprach davon aber
nicht. Nach der Lehre des Jesus, des Christus, braucht der Mensch keinen Mittler zu Gott,
das Reich Gottes ist "in" jedem Menschen selbst.
Juni 1936 – Die ursprüngliche Fassung der
Denkschrift vom 28.5. wollte Hitler auch darauf hinweisen, dass "ein Antisemitismus", "der zum
Judenhass
verpflichtet", gegen das christliche Gebot der Nächstenliebe verstößt
(zit. nach Georg Denzler / Volker Fabricius, Christen
und Nationalsozialismus, Frankfurt am Main 1993, S. 160 f.). Doch die
Bekennende Kirche streicht diesen Satz schließlich aus der Denkschrift heraus. Ebenfalls herausgestrichen wird die
Passage über das Leid in den KZs.
Anmerkung: Auch wenn die später gestrichene Passage gegen den Judenhass aus guten
Motiven formuliert wurde – selbst ein engagierter kirchlicher Antisemit hätte sie befürworten können. Denn für viele gilt: Ja zur Judenverfolgung, aber nicht
aus Hass!
Eine zu dieser Einstellung vergleichbare Haltung ist auch aus der Inquisition bekannt. Der
Inquisitor beteuert, dass er nichts gegen sein Opfer (das z. B. zum Tode
verurteilt wurde) habe und es sogar liebe.
Oktober 1936 – Die im Sinne der Bekennenden Kirche "intakten" evangelischen Landeskirchen in Bayern, Württemberg und Hannover distanzieren sich auch von den noch übrig gebliebenen Passagen der Denkschrift an Hitler, in der die Einschränkung kirchlicher Arbeit beklagt wird. Stattdessen lassen die Landesbischöfe Meiser, Wurm und Marahrens von allen Kanzeln das Zusammenstehen "unserer Kirche" "mit dem ganzen deutschen Volk" verkünden. (Vollnhals, a.a.O., S. 131)
1936 – Das
Evangelische Sonntagsblatt aus Bayern
veröffentlicht ein Gebet Adolf
Hitlers unter der Überschrift Ein Wort des Führers:
"Herr, du siehst, wir haben uns geändert. Das deutsche Volk ist nicht mehr
das Volk der Ehrlosigkeit, der Schande, der Selbstzerfleischung, der Kleinmütigkeit und
Kleingläubigkeit. Nein, Herr, das deutsche Volk ist wieder stark in seinem Willen, stark
in seiner Beharrlichkeit, stark im Ertragen aller Opfer. Herr, wir lassen nicht von dir.
Nun segne unseren Kampf um unsere Freiheit und damit unser deutsches Volk und
Vaterland." (Jahrgang 1936, S. 158)
1937
Viele Deutsche sind neidisch, wenn einzelne Juden
vermögender sind als sie.
Doch im Unterschied zu den Beurteilungen im Gutachten des Landesbischofs machen
viele Bürger positive Erfahrung mit jüdischen Mitbürgern.
Dafür gibt es zahllose Beispiele, von denen – stellvertretend für viele – auf zwei kurz
hingewiesen wird:
Beispiel Dr. Arnold Loevry aus Ansbach: "Er war eine ´Seele von Mensch` und ein
kompetenter Arzt zugleich. Man sagt, dass er einer der wenigen Ärzte war, die ärmere
Menschen – auch Christen – kostenlos behandelten. Eigentlich ging jeder gern zu ihm ...
Und auch die Kinder mochten ihn besonders gern, weil er immer Schokoladenplätzchen
austeilte." (Diana Fitz, Ansbach unter Hakenkreuz,
Ansbach 1994, S. 92)
Beispiel Ludwig Dietenhöfer aus Ansbach: "Wie sehr sich die Juden im
Vereinsleben engagierten, beweist auch die Großzügigkeit von Ludwig Dietenhöfer, der in
seiner Funktion als Kassier des Sportvereins viele Fahrten und Veranstaltungen aus eigener
Tasche finanzierte. Er galt – wie das Gros der Ansbacher Juden – als einwandfreier
Geschäftsmann und hochanständig." (Diana Fitz, a.a.O., S. 88)
Im Gutachten ihres lutherischen Landesbischofs lesen die evangelischen Ansbacher
aber über die Ethik der Juden pauschal vor allem Negatives, z. B.: "Mag die Moral der Juden
nichts anderes sein als stinkende Unmoral ..."
Ludwig Dietenhöfer flieht 1936 von Ansbach zunächst nach Nürnberg und
wandert später nach Israel aus. Arnold Loevry emigriert 1937 von Ansbach nach New
York. Landesbischof Meiser wird 1951 Ehrenbürger von Ansbach.
Und im heutigen Ansbach
[2019] gibt es weder eine Arnold-Loevry-Straße noch eine
Ludwig-Dietenhöfer-Straße, stattdessen eine Bischof-Meiser-Straße.
27.1.1937 – Dank und Fürbitte für Adolf Hitler in den evangelischen Gottesdiensten:
Das Fürbittengebet soll folgendermaßen lauten: "... Wir danken Dir,
Herr, für alles, was Du in Deiner Gnade ihm bisher zum Wohle unseres Volkes hast
gelingen lassen ... Ev.-Luth. Landeskirchenrat; D. Meiser."
Ab 1937 – Bedingt durch das Bekenntnis zum Nationalsozialismus innerhalb der
"Bekennenden Kirche" werden die "Deutschen Christen"
von den Nazis ab 1937 mehr und mehr fallengelassen.
Die Bekennende Kirche gewinnt an kirchlichem Einfluss.
Anmerkung: Ab 1939 steht in der Bekennenden Kirche die Kriegsbegeisterung im
Vordergrund. Gleichzeitig beginnt der Holocaust an den Juden.
5.4.1937 – Der leitende Arzt der evangelischen Neuendettelsauer Fürsorgeheime, der
Lutheraner Dr. Rudolph Boekh, zur Vernichtung angeblich
lebensunwerten Lebens: "Diese Verzerrung des menschlichen Antlitzes" sei
"dem Schöpfer zurückzugeben".
Und: "Die Entscheidung, ob ein Mensch vernichtet werden
soll, steht allein dem Mann zu, der unter Berufung auf den Schöpfer die Gewalt
in seiner Hand hat ... Das kann und darf allein der Führer."
(zit. nach Ernst Klee, Die SA Jesu Christi, Frankfurt am
Main 1989,
S. 180)
Dr. Boekh war 10 Jahre Oberarzt der evangelischen Diakonieeinrichtungen in
Bethel und kam auf Empfehlung des dortigen Pastors Friedrich von Bodelschwingh
im Jahr 1936 nach Neuendettelsau. Während in dem fränkischen Ort die ca. 2000
der Kirche anvertrauten Behinderten im Frühjahr 1937 noch vielfach fröhlich und
unbeschwert ihren Alltag leben, hat die Leitung der kirchlichen Einrichtung
auf diese Weise schon ihr Todesurteil gefällt
(vgl. Zeitablauf: 1939 und
19.7.1940).
Die Neuendettelsauer Fürsorgeheime gehören zur
Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern.
1937 – Der evangelisch-lutherische Kreisdekan und Oberkirchenrat D. Otto Bezzel
aus Bayreuth, der der Bekennenden Kirche und dem Führungsstab Meisers in
München angehört, fordert in einer Predigt in der
Erlöserkirche in Bamberg: "Die Juden sind die Zerstörer und gehören
hinausgepeitscht" (zit. nach Evangelisches Sonntagsblatt in Bayern
Nr. 42/1988, S. 15). Von einer Beanstandung der Forderung durch den Landesbischof
ist nichts bekannt. Ca. ein Jahr später beginnt mit der Reichspogromnacht
das "Hinauspeitschen" der jüdischen Mitbürger.
Anmerkung: Kreisdekan D. Otto Bezzel wird 1947 zum Personalreferenten der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern befördert. Damit ist er neben den Landesbischöfen
Hans Meiser
(bis 1955) bzw. Hermann Dietzfelbinger (ab 1955) der
einflussreichste Mann der Kirchenleitung nach dem Krieg.
20.7.1937 – Landesbischof Meiser untersagt einem evangelischen Kirchenmitglied
jüdischer Herkunft den Besuch der Männerabende, die dieser bis dahin viele Jahre
regelmäßig besuchte. Den Gottesdienst und andere Veranstaltungen könne er aber
weiter besuchen. Der Bürger war seit 1905 Mitglied in der evangelischen Kirche und
zählte zu den aktivsten Mitarbeitern. Vor der endgültigen Entscheidung des
Landesbischofs untersagte ihm bereits Oberkirchenrat Schieder in Absprache mit den
Pfarrern vor Ort den Besuch der Männerabende.
Nachdem am 10.10.1937 ein Pfarrer bei einem "Bekenntnisgottesdienst" der
"Bekennenden Kirche" predigt, dass "Ehen zwischen Juden und Ariern Sünde
seien", tritt der jüdische Bürger, der mit einer deutschen Frau
verheiratet ist und mit ihr drei gemeinsame Kinder hat, aus der Kirche aus. (Vollnhals,
a.a.O., S. 245)
Zu Beginn des Jahres 1937 hatte Landesbischof Meiser sein
Gutachten zur Judenfrage
von 1926 erneut versenden lassen. Darin wendet auch er sich deutlich gegen Ehen zwischen
Deutschen und Juden. Meiser wörtlich: "Gott hat jedem Volk seine
völkische Eigenart und seine rassischen Besonderheiten doch nicht dazu gegeben, damit es
seine völkische Prägung in rassisch unterwertige Mischlingsbildungen auflösen
lässt ..."
18.3.1938 – Huldigungsgebet von Landesbischof Meiser an seinen
"Gott" für Adolf
Hitler anlässlich des Anschlusses von Österreich an das Deutsche Reich
– "Wir
danken Dir dafür, dass Du dem Führer und Reichskanzler gnädiges
Gelingen zu seiner entschlossenen Tat gegeben und zur Freude
unseres Volkes wieder zusammengefügt hast, was Menschen getrennt
hatten. Wir bitten Dich, lass Deine Gnade auch weiterhin über
unserem Volke walten ... Schütze und erhalte den Führer auch weiterhin
durch Deine starke Hand; verleihe ihm weise Gedanken und
erleuchte ihn, dass er in Deiner Furcht unser geeintes Land
regiere.
Wir bitten Dich auch für die Söhne unseres Volkes, die für das
Vaterland
die Waffen tragen."
(Amtsblatt der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern vom 18.3.1938, S. 43, ca. 1 1/2 Jahre
vor Beginn des Weltkriegs; zit. nach
Dietrich Küssner, Der christliche Staatsmann, Düsseldorf 2021, S. 98)
Dazu schreibt der Historiker und Evangelische Theologe Dietrich Küssner über den
Bischof der "Bekennenden Kirche": "Man
kann sich kaum des Eindrucks erwehren,
dass hier der Lieblingsbischof Hitlers betet."
18.5.1938 – Landesbischof Meiser
erlässt aufgrund des kirchlichen "Ermächtigungsgesetzes"
von 1933 freiwillig und ohne dazu gedrängt zu werden ein Kirchengesetz über den
Treue-Eid der Pfarrer auf Adolf Hitler. Das Ermächtigungsgesetz ermöglicht es Meiser seit 1933,
kirchliche Gesetze ohne Zustimmung zu erlassen oder zu ändern.
Das Kirchengesetz
lautet:
"Die Pfarrer der bayerischen Landeskirche haben als Träger eines öffentlichen Amtes
folgenden Eid zu leisten:
´Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden: Ich werde dem Führer
des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, treu und gehorsam sein, die Gesetze
beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen, so wahr mir Gott helfe ...` Das
Gesetz tritt sofort in Kraft. Ev.- Luth. Landeskirchenrat; D. Meiser."
Anmerkung: Der Treue-Eid auf Hitler wird in allen evangelischen Kirchen
als neues
Gesetz eingeführt – auch in denen, wo die Kirchenleitung überwiegend zur "Bekennenden
Kirche" gehört. Theoretisch ergänzt er den formalen Treue-Eid auf
"Christus", praktisch ersetzt er ihn, da man ja nicht gleichzeitig Christus und
Adolf Hitler gehorchen kann. Allerdings hatte die Kirche auch zuvor schon nicht
Christus gehorcht, sondern vor allem den lutherischen
Lehren und Martin Luther, dessen Lehre vielfach im
Gegensatz zu Christus steht.
Außerdem verlangen alle evangelischen Kirchen von den Pfarrern
einen Ariernachweis, auch wenn einige den Arierparagraphen nicht offiziell einführen.
1938 – Pfarrer Karl Steinbauer (1906-1988) lehnt den Treue-Eid auf Hitler
und die Einreichung eines Ariernachweises ab und bekommt deshalb Predigtverbot. Als
einziger evangelischer Pfarrer aus Bayern muss er 1939 für einige Monate ins KZ. Auch
aus anderen evangelischen Landeskirchen gibt es nur wenige Pfarrer im KZ.
1938 protestiert Steinbauer dagegen, dass unter den Juden, die ins KZ
abtransportiert werden, auch jüdischstämmige Kirchenmitglieder sind.
Das ganze Ausmaß der Judendiskriminierung und -verfolgung war
aber offenbar bei seinen Konflikten mit den Behörden nicht das Thema.
Auch Steinbauer, selbst Sohn eines Pfarrers, war – zumindest eine
Zeitlang – Antisemit und zeitweise auch NSDAP-Mitglied. Nach dem
Krieg hilft Steinbauer mit, die Nazi-Pfarrer Keller und Herold vor Gericht zu verteidigen.
(nach Mensing, a.a.O., S. 32, 107; nach Vollnhals,
a.a.O., S. 264, 274)
September 1938 – Die vier Landesbischöfe der Bekennenden Kirche Meiser,
Marahrens, Wurm und Kühlewein entlassen vier leitende Pfarrer, ebenfalls aus der
Bekennenden Kirche, aus dem Dienst. Die vier Pfarrer hatten für einen geplanten Gottesdienst
angesichts der Kriegsgefahr ein allgemeines Bußgebet verfasst, das vor allem "die
Wehrmacht vor kriegerischen Exzessen warnen sollte" (Landesbischof Wurm
nach Juden-Christen-Deutsche 3/I, a.a.O.,
S. 54; Vollnhals, a.a.O., S. 131). Auch die
"Pfarrerbruderschaft" der "Bekennenden Kirche"
lehnt das Gebet ab.
Der
Krieg selbst wurde von keiner der innerkirchlichen Konfliktparteien als "unchristlich" betrachtet,
was alle letztlich als "unchristlich" entlarvt.
23.11.1938 – Landesbischof Martin Sasse aus Eisenach schreibt im Vorwort seiner
Neuauflage von Martin Luthers Schrift Von den Juden und ihren Lügen mit
dem Titel Martin Luther über die Juden – Weg mit ihnen!
"Am 10. November 1938, an Luthers Geburtstag, brennen in
Deutschland die Synagogen. Vom deutschen Volke wird zur Sühne für die
Ermordung des Gesandtschaftsrates vom Rath durch Judenhand die Macht der Juden
auf wirtschaftlichem Gebiete im neuen Deutschland endgültig gebrochen und damit
der gottgesegnete Kampf des Führers zur völligen Befreiung unseres Volkes
gekrönt
... In dieser Stunde muss die Stimme des Mannes gehört werden, der als der
Deutschen Prophet im 16. Jahrhundert einst als Freund der Juden begann,
der getrieben von seinem Gewissen, getrieben von den Erfahrungen und der
Wirklichkeit, der größte Antisemit seiner Zeit geworden ist, der Warner seines
Volkes wider die Juden ..."
(Freiburg 1938, S. 2)
Anmerkung: Von der Schrift werden vor allem unter der
evangelischen Bevölkerung 150.000 Stück verkauft. Die Schrift Luthers Von den Juden und ihren Lügen
(Auszüge lesen Sie hier) erfährt auch durch andere Neuauflagen
zahlreiche Verbreitung, z. B. durch die Volksausgabe von Hans-Ludolf Parisius. Luther
fordert darin z. B. das Verbrennen der Synagogen, das Zusammenfassen der Juden in Lagern,
die Zwangsarbeit und Todesstrafen bei öffentlicher Religionsausübung (siehe
auch
in
Der Theologe Nr. 4: So
fordert es Martin Luther – So tun es die Nationalsozialisten).
Dass einer der amtierenden Landesbischöfe der Proklamation des "Amtsbruders"
Martin Sasse widersprochen hat, ist nicht bekannt.
12.12.1938 – Pfarrer Grüber, der sich für
lutherische getaufte Juden einsetzt, schildert den
evangelischen Bischöfen, darunter Landesbischof Meiser, auf dem Kirchentag in
Berlin-Steglitz die Lage in den Konzentrationslagern. Der Kirchentag wird gebeten, eine
Erklärung dazu zu verabschieden. Die Bischöfe hörten Grüber zwar eine Zeitlang
zu, gingen dann aber zur "Tagesordnung" über, ohne eine Erklärung zu
verabschieden. Grüber schreibt:
"Vielleicht schilderte ich den versammelten Bischöfen die
Misshandlungen, denen KZ-Häftlinge ausgesetzt wurden, etwas zu
ausführlich.
Ich hörte jedenfalls, wie einer der Würdenträger sagte: ´Wir müssen nun
langsam zum zweiten Punkt der Tagesordnung übergehen.` Der Vorsitzende der Konferenz, Bischof Theophil Wurm ... geleitete mich
zur Tür und sagte: ´Ich danke Ihnen im Namen der Brüder und wünsche Ihnen und Ihrer
Arbeit Gottes Segen.` Das war eine der ganz großen Enttäuschungen, die ich erlebt
hatte."
(zit. nach Juden-Christen-Deutsche, Band 1)
1939
Januar
1939 – Die evangelischen Landeskirchen setzen je einen Pfarrer für die "Betreuung"
von "nichtarischen"
Christen ein, die flächenmäßig sehr große bayerische evangelische
Landeskirche zwei (wohl wegen der großen Entfernung von Ober- oder Unterfranken
nach München). So gab es eine "Hilfsstelle für nichtarische Christen" in Nürnberg
und eine in München, doch zur Verdeutlichung: nicht etwa für Juden, sondern nur
für die eigenen Kirchenmitglieder jüdischer Herkunft.
Der Nürnberger Leiter, Pfarrer Hans-Werner Jordan (1908-1978), der ein jüdisches
Großelternpaar hatte, bezeichnete diese "Hilfsstellen" Landesbischof Meiser gegenüber
jedoch als "Morphium für das Gewissen der Kirche" und beklagte mangelnde Unterstützung.
Ein nicht selbst im Sinne der NS-Gesetzgebung "belasteter" Pfarrer wie er (der
als "Halbjude" galt) hätte weit mehr
bewirken können. Dieser stand auch bereit. Doch Pfarrer Karl Nagengast, der bereits ehrenamtlich in diese Richtung
arbeitete, "bootete die Landeskirche aus, ohne ihn überhaupt anzuhören". Und
Kreisdekan Julius Schieder "wies Jordan bei dessen Antrittsbesuch an, auf keinen
Fall seine Pfarrerskollegen zu besuchen. Die Eröffnung der Hilfsstelle war daher
wohl nicht zuletzt ein taktisches Manöver. Sie diente als moralisches
Feigenblatt und half, den nicht den braunen Rassenvorgaben entsprechenden
Pfarrer, den man auf seiner Pfarrstelle im schwäbischen Steinheim als nicht mehr
haltbar ansah, aus dem Verkehr zu ziehen"
(Evangelisches Sonntagsblatt Nr.
13, 29.3.2009). Besser soll es allerdings in München gewesen sein.
Dass die
beiden Hilfsstellen zusammen die Auswanderung von 126
jüdischstämmigen Protestanten organisierten, wird später Landesbischof Hans
Meiser als angebliches "Verdienst" angerechnet und als Argument für die
Beibehaltung der "Meiserstraßen" genannt. Angeblich hätte er 126
"verfolgten Menschen" "das Leben gerettet"
(Landesbischof Johannes Friedrich, zit. nach Süddeutsche Zeitung, 12.7.2007).
Den 100. Geburtstag Jordans ließ man demgegenüber "verstreichen". (Evangelisches Sonntagsblatt Nr.
13, 29.3.2009)
Zur Gesamtsituation: "Der
Forschungsstand lässt erkennen, dass die große Mehrheit der Christen jüdischer
Herkunft von den evangelischen Mitchristen kaum etwas zu erwarten hatte. Sie teilte auch in dieser Hinsicht das Schicksal der Juden
... Der betroffene Personenkreis dürfte etwa 400.000 umfasst haben ... Niemand weiß bis
heute, wie viele Christen jüdischer Herkunft unter den Ermordeten waren." (dpa-Meldung vom 8.12.1998 anlässlich der Buchankündigung von Ursula Büttner, Martin
Greschat, Die verlassenen Kinder der Kirche, Göttingen 1998)
März 1939 – Der Leiter der Nürnberger "Hilfsstelle für nichtarische Christen",
Pfarrer Hans-Werner Jordan, fordert von Landesbischof Hans Meiser ein (wenn schon
nicht für die Juden, dann wenigstens) öffentliches Eintreten für "nicht arische
Christen",
also für
Juden, die sich vom Judentum lösten und sich stattdessen zum katholischen oder
evangelischen Christentum bekehrten. Meiser tat es nicht.
31.5.2009 – Die Bekennende Kirche unter der Federführung der
Landesbischöfe Hans Meiser und Theophil Wurm gibt als Antwort auf die
Godesberger Erklärung der Deutschen Christen vom 4.4.1939 eine eigene
öffentliche Erklärung heraus, in der es heißt: "Die Evangelische Kirche ...
fordert von ihren Gliedern, treuen Dienst in dieser [staatlichen] Ordnung und
weist sie an, sich in das völkisch-politische Aufbauwerk des Führers mit voller
Hingabe einzufügen" Weiter heißt es darin: "Im Bereich des völkischen Lebens ist
eine ernste und verantwortungsbewusste Rassenpolitik zur Reinerhaltung
unseres Volkes erforderlich."
(zit. nach Hans Erler, Ansgar Koschel, Der Dialog zwischen Juden und Christen,
Frankfurt am Main, New York 1999, S. 135 f.)
Ab September 1939 – Kriegsbegeisterung in der Bekennenden Kirche. Die Kritik an der Kirchenpolitik der Nazis nimmt stark ab.
29.9.1939
–
Die Deutsche Evangelische Kirchenkanzlei sendet allen Landeskirchen eine
Kanzelabkündigung zum Erntedankfest zu:
Darin wird "Gott"
für die "reiche Ernte auf Feld und Flur"
gedankt und
für die "nicht weniger reiche Ernte"
auf den polnischen
Schlachtfeldern (zit.
bei Süddeutsche Zeitung, 26.11.98).
Weiter heißt es über den Konfessionsgott:
"Wir danken Ihm, dass ER unseren Waffen
einen schnellen Sieg gegeben hat." (zit. nach Vollnhals,
a.a.O., S. 131)
Anmerkungen: 1) Die deutsche Wehrmacht verübt auch Massaker an der polnischen
Zivilbevölkerung.
2) In Bayern weist Landesbischof Meiser alle evangelischen Pfarrer an, die
Kanzelabkündigung zu verlesen.
30.10.1939 – Landesbischof Meiser und der Landeskirchenrat geben
Richtlinien für
die evangelische Verkündigung im Krieg heraus. In den Richtlinien heißt es:
"Wir spüren hinter dieser ernsten Wirklichkeit Gottes gewaltige Hand ... Wir
haben den einzelnen wie die Gemeinde vor allem stark zu machen, dass sie wirklich tun
können, was ihre Pflicht und Schuldigkeit ist, dass sie tapfer und treu sein können in
dem Stande, in den sie der Herr berufen hat."
(zit. nach Amtsblatt, a.a.O.)
Anmerkung: Bischöfe, die Mitglieder des Landeskirchenrates und ein Großteil der
übrigen Amtsträger, die von den Kanzeln über den Krieg predigen, sind selbst vom
Kriegsdienst befreit. Einige Pfarrer melden sich allerdings aus Kriegsbegeisterung
freiwillig an die Front. Landesbischof Meiser wird nach einigen Monaten dann
auch die "Kriegserfolge" der deutschen Wehrmacht (und
damit auch die unzähligen verstümmelten und getöteten Soldaten der Kriegsgegner)
bejubeln und sich "anbetend" vor "Gott" (also den betreffenden Götzen der
jeweiligen Religion) stellen.
1939 – Der evangelische Theologe D. Hans Lauerer, Rektor der evangelisch-lutherischen
Behinderteneinrichtungen in Neuendettelsau, gibt mit Berufung auf die lutherische Zwei-Reiche-Lehre nun auch eine theologische Zustimmung für den geplanten bzw.
bevorstehenden Massenmord an Behinderten: "... darum können wir Lutheraner nicht anders als
grundsätzlich bejahend zum Staat, zu unserem Staat stehen. Von diesem Standpunkt aus
haben wir kein Recht, es zu beanstanden, wenn der Staat ... die Tatsache minderwertigen
Lebens konstatiert und auf Grund dieser Konstatierung dann auch handelt" (Hans Lauerer,
Das Menschenleben in der Wertung Gottes, 1939; zit. nach Klee, a.a.O., S. 180 f.; siehe auch
Anhang über die Zwei-Reiche-Lehre).
Landesbischof Meiser lässt den Rektor und den ärztlichen Leiter Dr. Rudolf
Boekh (siehe oben) gewähren.
Anmerkung: Nach D. Hans Lauerer ist bis heute
[2008] eines der beiden Wohnheime für
Diakonissen in Neuendettelsau benannt. Die mörderische Heuchelei wird vor allem
dadurch deutlich, dass auf der evangelischen Fachkonferenz für Eugenik 1931 in
Treysa bereits der Unterscheid zwischen "lebenswert" und "lebensunwert" gemacht
wurde und dass die Verantwortlichen der Kirche dort schon über die eventuelle
Tötung "lebensunwerten" Lebens debattierten –
lange bevor die Nationalsozialisten die Ermordung von "minderwertigen Leben"
durchführten.
PS: Der katholische Moraltheologe Joseph Mayer wies den Staat in einem mit
kirchlicher Imprimatur (= Druckerlaubnis) versehenen Buch schon 1927 darauf hin,
dass ein nicht "sozial Tüchtiger" "nötig und heilsam" getötet werden
müsse, "damit das Gemeinwohl gerettet werde". Der Staat habe die Pflicht,
sich gegen solchen Untergang zu wehren und die Kirche habe "kein Recht, ihm
in den Arm zu fallen" (zit. nach Main-Post,
6.7.1985).
Der Schriftsteller Ernst Klee fasst die Schuld der Kirchen an diesem Massenmord
mit den Worten zusammen: "Beide Kirchen haben massiv dazu beigetragen, denn
sie haben die Opfer als Opfer präpariert."
1940
2.6.1940 – Landesbischof Hans Meiser hält die Festpredigt zum 50jährigen Jubiläum
der Rummelsberger Diakonie. Darin nimmt der Landesbischof zu den Überfällen
Deutschlands auf Frankreich, Belgien und die Niederlande Stellung und zu der Besetzung
Dänemarks und Norwegens:
"Auf den Schlachtfeldern Flanderns, wo so oft schon Völker um ihr Schicksal gerungen
haben, haben unsere Heere einen Sieg errungen, wie er ähnlich in der Geschichte der
Völker nicht gefunden wird ... Wir beugen uns vor der Größe dieser Stunde;
wir stehend anbetend vor unserem Gott, der die Geschicke der Völker so majestätisch
lenkt. Wir gedenken voll Ehrfurcht derer, die so Großes so kühn planten, und derer, die
es so tapfer und wagemutig vollbrachten."
(zit. nach: Bericht über die Feier des
fünfzigjährigen Bestehens der Diakonenanstalt Rummelsberg, zit. nach Gerhard Wehr, Gutes
tun und nicht müde werden, München 1989, S. 175)
26.6.1940 – Landesbischof Hans Meiser und der evangelische Landeskirchenrat rufen die Gemeinden dazu auf, "Adolf Hitler, dem Schöpfer und obersten Befehlshaber der sieggekrönten Wehrmacht", zu danken und für einen "baldigen Endsieg" zu beten. (Amtsblatt für die Evang.-Luth. Kirche in Bayern rechts des Rheins)
Ab Juli 1940 – Selektion und Verlegung der Behinderten aus den Einrichtungen der bayerischen evangelischen Diakonie. Aus keinem Fürsorgeheim werden mehr Behinderte zur Ermordung abgeholt wie aus den evangelischen Heimen in Neuendettelsau in Bayern. Die Aktionen dauern bis Anfang 1941. Auch Bischof Meiser wird informiert und lässt die Dinge schweigend geschehen.
19.7. / August 1940 – Landesbischof Theophil Wurm
wendet sich in einem Brief an
Reichsinnenminister Frick halbherzig bis unwillig gegen die Ermordung Behinderter
in der württembergischen Vergasungsanstalt Grafeneck. Trotz Judenverfolgung,
Krieg und anderem staatlichen Terror bescheinigt Wurm dem Führer und der Partei, bis
jetzt auf christlichem Boden zu stehen. Dieser würde mit der "Ausrottung" der
Behinderten aber verlassen, auch wenn Wurm dafür Verständnis signalisiert. Der
Bischof rechtfertigt seinen "Protest" damit, dass er es "in erster Linie
deshalb" tat, "weil die Angehörigen der betroffenen Volksgenossen [der Opfer]
von der Leitung einer Kirche einen solchen Schritt erwarten ... Dixi et salvavi
animam meam" ["Ich habe es gesagt und meine Seele ist gerettet" – Anmerkung:
... glaubt der Bischof] (Ernst Klee/Gunnar Petrich, Film "Alles Kranke
ist Last", a.a.O.). Kein Wunder, dass
dieser Pflicht-"Protest" nichts bewirkt.
In Bethel/Westfalen werden die Behinderten
allerdings nicht ermordet, obwohl auch der dortige Leiter Friedrich von Bodelschwingh
kaum kräftiger protestiert hat.*
Bodelschwingh im August 1940: "Sicher wäre es
das Beste, wenn die ganze Maßnahme sofort und vollständig eingestellt würde.
Kann man sich dazu nicht entschließen, so muss ein geordnetes Verfahren
festgelegt wurden." Bei einer Konferenz in Treysa im Jahr 1931 konnte sich
Bodelschwingh sogar vorstellen, Behinderte eigenhändig zu "eliminieren".
Und
schließlich setzen die Nationalsozialisten jetzt nur in die Tat um, was viele
Kirchenführer bereits 1931 forderten
(siehe
hier).
So hat auch der von Bodelschwingh geförderte ehemalige Betheler Oberarzt
und Psychiater Dr. Rudolph Boekh aus Neuendettelsau erst im Jahr 1937 die
Ermordungen erneut gefordert und sich dabei hinter den "Führer"
Adolf Hitler gestellt. (vgl. Zeitablauf:
1937)
* Anmerkung: In den evangelischen Bodelschwinghschen Anstalten in
Bethel geschah dafür vielfach anderes Unrecht. So mussten von 1942-1944 z. B. eine unbekannte Zahl von Kriegsgefangenen
und ca. 150-180 Zwangsarbeiter arbeiten – Menschen die von der deutschen Armee
in Osteuropa eingefangen und nach Deutschland verschleppt wurden. "Bethel
war von Anfang an voll in das Zwangsarbeiter-System integriert" (Prof. Matthias Benad,
Leiter der Forschungsstelle für Diakonie und Sozialgeschichte an der Kirchlichen
Hochschule Bethel, zit. nach Ev. Sonntagsblatt für Bayern Nr. 39, 24.9.2000, S. 7).
Und über Bethel soll nach dem Krieg teilweise auch die Flucht hochrangiger
Nationalsozialisten ins Ausland organisiert worden sein.
1942
11.9.1942 – Der evangelisch-lutherische Pfarrer Friedrich Wilhelm Auer aus Larrieden/Franken schlägt in einem Brief an den Herausgeber des Nazi-Blattes
Der Stürmer, Julius Streicher, vor, für
jeden deutschen Zivilisten, der durch alliierte Bombenangriffe ums Leben
gekommen ist, zehn Juden aufzuhängen. Ein weiterer Vorschlag: "Wenn
der Feind nicht innerhalb 24 Stunden unsere Friedensbedingungen annimmt, wird
eine Bartholomäusnacht veranstaltet und kein Jude verschont.
Schade ist es um keinen."
(zit. nach Mensing, a.a.O.,
S. 209)
Anmerkung: Bei der so genannten "Bartholomäusnacht"
–
benannt nach dem Namenstag des Jesusjüngers Bartholomäus – vom 23.8. auf den 24.8.1572 wurden in
Frankreich Tausende von protestantischen Hugenotten ermordet.
Die Nazis erfüllen die Forderung des Pfarrers nach Vollzug der "Endlösung"
innerhalb nur einer Nacht nicht und lassen sich mehr Zeit. Anfang 1945
predigt Pfarrer Auer, dass der Heiland "dem Weltgeschehen eine wunderbare
Wendung geben könne", den Sieg Nazi-Deutschlands im Krieg.
Von einer Beanstandung der Äußerungen des Pfarrers durch die Kirchenleitung
unter Landesbischof Meiser ist nichts bekannt. Auch Pfarrer Auer (Jahrgang 1877)
wird von der Kirchenleitung 1945 zusammen mit anderen ehemaligen
nationalsozialistischen Pfarrern pauschal
gerechtfertigt. Er geht 1945 in Ruhestand und stirbt 1970.
31.12.1942 – Wie zahllose andere evangelische Pfarrer mobilisiert ein Pfarrer
aus Oberfranken die Kirchengemeinde in seiner Silvesterpredigt für den Einsatz an der
Ostfront. (nach Mensing, a.a.O., S. 208)
1943
Februar 1943 –
Eine 61jährige Bäuerin aus der Nähe von Hilpoltstein/Bayern wird wegen
einer kritischen Bemerkung denunziert und zu 16 Monaten Haft verurteilt.
Der evangelische Gemeindepfarrer Herold, Mitglied der NSDAP, Träger des goldenen
Parteiabzeichens und Vertreter der "Bekennenden Kirche",
stellt sich auf die Seite der Denunzianten. (vgl. den Freispruch für Pfarrer Herold; Zeitablauf:
1948)
Anmerkung: Vgl. auch Martin Luthers
Aufforderungen zu Denunziation in Der
Theologe Nr.3 – So spricht Martin Luther – so spricht Jesus von
Nazareth: Martin Luther droht Bürgern mit der Todesstrafe, die z. B. einen
Angehörigen einer "Sekte" nicht denunzieren, der ohne amtskirchlichen Auftrag
predigt. / Für den Prediger fordert Luther ohnehin die Todesstrafe.
Ostern 1943 – Ein Gruppe evangelischer Kirchenmitglieder schreibt an
Landesbischof Meiser: "Als Christen können wir es nicht länger ertragen,
dass die Kirche in Deutschland zu den Judenverfolgungen schweigt"
(zit. nach
Denzler/Fabricius, a.a.O., S. 165 f.). Doch Landesbischof Meiser in Bayern und alle anderen
Kirchenleitungen schweigen weiter.
Anmerkung: Ob die Mitglieder daraufhin ausgetreten sind, ist nicht bekannt.
1944
August 1944 –
Der Landeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern
verschickt einen antisemitischen Vortrag des Tübinger Theologieprofessors
Gerhard Kittel als "Berufshilfe" an alle evangelischen Pfarrer. (Vollnhals,
a.a.O.,
S. 132)
"Zu diesem Zeitpunkt wusste er [Landesbischof Meiser] aber schon, was sich in
den Vernichtungslagern in Osteuropa abspielte" (Thomas Greif in: Evangelisches
Sonntagsblatt Nr. 20/2009).
1945
Ab Mai 1945 – Die Siegermächte beginnen mit Prozessen gegen Nazi-Verbrecher. Aus
Unkenntnis über die Haltung der evangelischen Kirche zum Nationalsozialismus und
zur Hitler-Diktatur bitten die Amerikaner am Beginn ihrer Ermittlungen immer wieder die
evangelische Kirche um Hilfe und fragen die Pfarrer um Rat. Dies wird von der
Kirche ausgenutzt, um einerseits Verbrechen von Kirchenanhängern zu rechtfertigen und die
Betroffenen zu "entlasten" und um andererseits Gegner der Kirche durch
die Militärregierung verurteilen zu lassen.
Beispiel Coburg/Bayern: Der
evangelische Dekan setzt sich für den Nazi-Kreisleiter ein, da er auch
ein "Verfechter kirchlicher Interessen"
war.
Bei einem Lehrer, der kein NSDAP-Mitglied war, betreibt der lutherische
Dekan aber die Entlassung aus dem Dienst.
Der Lehrer hatte während der Nazi-Zeit die Kirche scharf angegriffen. (Vollnhals, a.a.O., S. 135)
9.5.1945 – Die USA bitten Landesbischof Meiser um Zusammenarbeit und um Personalvorschläge "für höhere und höchste Staatsämter". So bringt die Evangelisch-Lutherische Kirche z. B. den Vizepräsidenten des Landeskirchenrates, Oberkirchenrat Meinzolt, gleich als "Staatsrat im Kultusministerium" unter. Damit ist ein Kirchenmann ab 1945 oberster Verwaltungsbeamter der neuen bayerischen Staatsregierung (nach Vollnhals, a.a.O., S. 135 f.). Ähnliches geschieht auch in anderen Regionen Deutschlands.
Juni 1945 –
Martin Niemöller, der Vorsitzende des Pfarrernotbundes und einer der Sprecher
der "Bekennenden Kirche", erläutert, wie er sich aus dem
"Prominenten-Bunker" im KZ Dachau (mit besseren Bedingungen als in anderen KZs)
bei Kriegsausbruch freiwillig zur Kriegsmarine meldete. Er habe als
Lutheraner für sein Vaterland kämpfen müssen. Eine demokratische
Regierungsform komme für die Deutschen aus seiner Sicht nicht in Frage:
"The Germans like to be governed." (= "Die Deutschen möchten regiert
werden.") (zit. nach Ernst Klee,
Persilschein und falsche Pässe, Frankfurt am Main 1991, S. 11)
Anmerkung: Die Nazis ließen Niemöller 1939 jedoch nicht an die Front. 1947 wird
Niemöller
Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche von Hessen-Nassau. Zusammen mit den
Landesbischöfen Meiser, Wurm und anderen ist er 1945 auch Mitbegründer der EKD, der
Evangelischen Kirche in Deutschland.
30.6.1945 – Absprachen der Kirchenverantwortlichen mit Landesbischof
Hans Meiser hinsichtlich ihres Verhaltens bei der "Vernichtung unwerten
Lebens". Dazu Pfarrer Hilmar Ratz aus Neuendettelsau an Pfarrer
Bernhard Harleß aus Bruckberg:
"Wie ich neulich von Frau Dr. Asam-Bruckmüller hörte, interessieren sich die Amerikaner
sehr für die Sache. Es scheint auch, dass sie versuchen, einen verantwortlichen
Mann zur Rechenschaft zu ziehen. Da ist es natürlich nötig, dass unsere Angaben
über das, was wir taten, übereinstimmen. Als in dieser Woche Herr Landesbischof
Meiser hier war, wurde auch über diese Sache gesprochen und auch von ihm betont,
wie nötig es sei, gerade in diesen Dingen möglichst Vorsicht walten zu lassen."
(zit. nach: Müller/Siemen, Warum sie sterben mussten, Leidensweg und Vernichtung
von Behinderten aus den Neuendettelsauer Pflegeanstalten im "Dritten Reich", Neustadt/Aisch
1991, S. 168 f.)
Der Historiker Dr. Mark Deavin klärte über die Oberärztin Dr. Irene
Asam-Bruckmüller auf, die in Ansbach und ab 1941 auch in der Diakonie
Neuendettelsau tätig war, in dem sehenswerten Film
Als hätte es sie nie gegeben
[2019]: "Ich habe mehrere Hundert Fälle
gefunden, wo es 100 % sicher ist, dass die Menschen in Ansbach mit Medikamenten
ermordet wurden, durch Frau Asam-Bruckmüller. Wir sprechen von vielleicht 2500
Menschen, [auch] Kindern, wo sie persönlich verantwortlich ist. Sie ist eine
Massenmörderin. Es gibt keine andere Beschreibung. Es ist so."
Doch die mörderische "Ärztin" wurde von den Männern der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern gedeckt und die unzähligen Morde an
Menschen, die dieser Kirche anvertraut waren, wurden vertuscht.
"Wir möchten uns bitte auf eine gemeinsame Lesart verständigen", so Harleß an
Ratz nach einem Besuch von Dr. Asam-Bruckmüller bei Harleß, die berichtete, dass
die Amerikaner ihr auf der Spur seien (zit. nach dem Autor Hans-Ludwig
Siemen in "Als hätte es sie nie gegeben").
"Das kann man nur so verstehen, dass sie natürlich wussten, was dort gewesen ist
und einfach nach außen hin versucht haben, sich absolut bedeckt zu halten, um zu
verhindern, dass Frau Asam-Bruckmüller vor Gericht kommt." (Der Autor
Hans-Ludwig Siemen)
Die evangelisch-lutherische Massenmörderin Dr. Irene Asam-Bruckmüller starb im
Jahr 2000 in hohem Alter, ohne je für ihre unzähligen Morde an behinderten
Menschen, vor allem an behinderten kleinen Kindern, verurteilt worden zu sein.
Pfarrer und Konrektor Hilmar Ratz, der die Pflegeinrichtungen innerhalb
der Diakonie in Neuendettelsau seit 1935 leitete, übte dieses Amt nahtlos bis
1968 aus. Er starb 1977 und hatte wie auch Direktor Pfarrer Hans Lauerer (+
1953) und Pfarrer Bernhard Harleß (+ 1969) bis zuletzt die Verantwortung der
Kirche für die Verbrechen zu verschleiern versucht.
In der Dokumentation
Als hätte es sie nie gegeben
wird auch gefragt: "Ist es statthaft, ... dass nach Bernhard Harleß eine Straße
in Bruckberg benannt wurde?"
Und da Landesbischof Hans Meiser – wie oben dargelegt – ebenfalls eingeweiht
war, wäre es erst recht ein Minimum des Anstands, wenn seine Nachfolger im
Bischofsamt in Reue und Scham selbst dafür sorgen würden,
die immer noch vielen Meiserstraßen in Bayern
endlich umzubenennen.
Seit 1945 – Landesbischof Meiser setzt sich für Kriegsverbrecher ein. Immer mehr Kriegsverbrecher wenden sich deshalb an den Bischof. Meiser bleibt bis zu seinem Ruhestand 1955 als Landesbischof unangefochten im Amt.
6.7.1945 – Bitte von SS-Sturmbannführer
Dr. Matuscyk, die SS-Männer in die Seelsorge einzuschließen, damit sie dem Volke nicht verloren gehen.
"An Seine Excellenz Landesbischof Meiser ..."
Die SS-Männer seien "geblendet von dem Strohfeuer eines nationalen
Aufstiegs" gewesen.
"... wir sollten der auserlesene Orden der Nation sein ..."
Im Kampfe gegen
Christentum und Kirchen habe sich die SS schwer versündigt. Nun müssten die SS-Männer "den
Weg zum Kreuz Christi wieder zurückfinden ... Was Körper und Geist anbetrifft, so
stellte die SS im großen und ganzen eine gute Auslese dar".
Der "ergreifende Bericht" erinnert die Leitung der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern an den Ruf des Paulus: "Komm herüber
und hilf uns." Deshalb soll alles geschehen, was getan werden kann. Landesbischof
Meiser vermeidet wegen der amerikanischen Militärregierung eine direkte Antwort, lässt
aber Matuscyk das Christuswort ausrichten: "Wer zu mir kommt, den will ich nicht
hinaus stoßen." (zit. nach Klee, Persilscheine,
a.a.O., S. 11 f.)
20.7.1945 – Auf Initiative der Evangelischen Kirche erfolgt ein scharfer Protest von
Landesbischof Meiser und Kardinal Faulhaber gegenüber der Militärregierung. Die
Forderungen:
– Keine pauschale Verurteilung ehemaliger Parteigenossen
– Keine pauschale Verurteilung von SS-Leuten
– Freilassung der inhaftierten Bankiers und Industriellen
Die Kirchenführer beklagen, "... wie schwer diese Industriellen,
zum Teil höheren Alters, unter den Entbehrungen der Gefängnisse und ihre Familien unter
dieser Trennung leiden" (zit. nach Klee, Persilscheine,
a.a.O., S. 14).
Das unsagbare Leid in den jüdischen Familien war Landesbischof Meiser einige
Jahre zuvor kein einziges Wort wert, und er kritisierte andere scharf, die
wenigstens überlegten, vielleicht etwas zu sagen.
(siehe
23.9-26.9.1935)
1945 – Landesbischof Meiser unterstützt die Verteidigung der deutschen Kriegsverbrecher. Er spricht sich z. B. mit Dr. Dix ab, Verteidiger der Kriegsverbrecher der IG-Farben. Dix an Meiser: "In der grundsätzlichen Frage, die wir in Fischen besprachen, werde ich mich melden, sobald die prinzipiellen Unterlagen für den Flick-Prozess vorliegen." (zit. nach Klee, Persilscheine, a.a.O., S. 69)
8.9.1945 – Hermann Vogel, während der NS-Zeit
Regierungsdirektor im Bayerischen
Staatsministerium des Inneren, nach Kriegsende aus dem Staatsdienst entfernt, schreibt
an Landesbischof Meiser:
Der Nationalsozialismus sei schließlich "gestützt auf demokratische
Wahlzettel" formal legal zur Herrschaft gekommen. Die Entfernung aus dem Dienst
sei Unrecht. "Ist diese Verfolgung nicht fast schlimmer wie die Verfolgung
Andersdenkender durch die Nationalsozialisten im Jahre 1933?"
(zit. nach Klee,
Persilscheine, a.a.O., S. 17)
10.9.1945 – Die jetzt veröffentlichte Gefallenenliste vom 27.4.1945 im Amtsblatt der Ev.-Luth. Kirche in Bayern hat eine neue Überschrift: Statt Im Dienst für Führer und Vaterland haben ihr Leben hingegeben heißt es jetzt: In den letzten Kriegsmonaten sind gefallen. Der Nachsatz ist gleich geblieben: "Daran haben wir erkannt die Liebe, dass Er [Christus] sein Leben für uns gelassen hat; und wir sollen auch das Leben für die Brüder lassen. 1. Joh. 3, 16; D. Meiser."
1945 – Matthäus Karrer, ehemaliger NSDAP-Ortsgruppenleiter, schreibt im
Namen aller inhaftierten NSDAP-Ortsgruppenleiter, darunter viele evangelische
Gemeindeglieder, an Landesbischof Meiser:
Schmerzlich empfänden sie nun, dass niemand gegen das Unrecht ihrer Internierung die
Stimme erhebe. Wir erkennen nicht an, "dass unsere untergeordnete
Tätigkeit der Vergeltung wert ist".
(zit. nach Klee, Persilscheine,
a.a.O.,
S. 17 f.)
1945 – Ehemalige Gestapo-Beamte, darunter evangelische Gemeindeglieder, schreiben an Landesbischof Meiser: "Grundsätze des Berufsbeamtentums wie Pflichterfüllung, Gehorsam, Wahrheitsliebe und Ehrlichkeit waren uns Richtschnur bei allen unseren Amtshandlungen." Von Verbrechen hätten sie erst nach dem Krieg aus der Zeitung erfahren. (zit. nach Klee, Persilscheine, a.a.O., S. 18 f.)
1945 – Ein evangelischer SS-Unteroffizier aus Hammelburg schreibt an Landesbischof Meiser: "Alles, was man uns vorwerfen kann, ist ein politischer Irrtum." Von den Verbrechen hätten auch sie erst nach dem Krieg aus Presse und Rundfunk erfahren. (zit. nach Klee, Persilscheine, a.a.O., S. 19)
Kommentar des Schriftstellers Ralph Giordano zu allen Selbstrechtfertigungen: "Es war zum Gotterbarmen." (zit. nach: 50 Jahre das Beste vom "Stern" – 1951; erschienen 1997)
Oktober 1945 – Ein von Landesbischof Meiser und dem Landeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern
in Auftrag gegebenes Gutachten des früheren Leiters der Apologetischen Centrale in
Berlin und derzeitigen Dekans von Erlangen, Walter Künneth, erscheint. Künneths
Gutachten behandelt die Nazi-Vergangenheit von evangelischen Pfarrern. Er kommt dabei zu
dem pauschalen "Ergebnis":
Der Beitritt von Pfarren zur NSDAP sei "aus einer ethisch
einwandfreien, das Beste erstrebenden Gesinnung erwachsen". Ein "klares
kompromissloses Eintreten" der Kirche "für
ihre Pg.-Geistlichen"
[Anmerkung: = Parteigenossen-Geistlichen = NSDAP-Geistlichen]
sei als
"stellvertretender Kampf für das ganze Volk"
zu werten.
Die Kirche dürfe nicht schweigen, wenn die Amerikaner versuchten, einen NSDAP-Pfarrer
zu verurteilen.
Wenn z.
B.
Wehrmachtsoffiziere oder andere Nazi-Funktionäre der
"Erfüllung
ihrer Staatsbürgerpflichten"
gemäß der Bibel nachgingen, sei dies christlich gerechtfertigt. Künneth wörtlich: "Was
1933 kirchlich erlaubt war, kann 1945 kirchlich nicht verboten sein."
(zit. nach Vollnhals, a.a.O., S. 142 f.)
Anmerkung: Im Jahr 1933 forderte Künneth selbst in einem für die Evangelische Kirche
Deutschlands geschriebenen Gutachten die "Ausschaltung der Juden als Fremdkörper
im Volksleben" (siehe Der Theologe Nr. 4, Zeitablauf:
1933).
Künneths Gutachten sind jeweils wegweisend für die Haltung der Kirche zu diesem Thema
gewesen.
1946 wird Künneth zum Honorarprofessor für Evangelische Theologie an der Universität
Erlangen ernannt, 1953 zum ordentlichen Professor. Er lehrt in Erlangen bis zu seiner Emeritierung im
Jahr 1969 und darüber hinaus. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern verleiht
ihm den Ehrentitel "Kirchenrat".
Und vom Freistaat Bayern erhält Künneth sogar den Maximiliansorden für Wissenschaft
und Kunst und den Bayerischen Verdienstorden. In der Todesanzeige des Freistaats Bayern
für Künneth bezieht sich Ministerpräsident Edmund Stoiber auf eine weltanschauliche Auseinandersetzung Künneths mit
dem NSDAP-Mann Alfred Rosenberg über die lutherische Lehre (wobei Rosenberg laut
Hitler
dabei nur seine Privatmeinung vertrat) und erklärt: "Walter
Künneth war ein Mann der Heiligen Schrift. Aus ihr schöpfte er den Bekennermut
und die Unerschrockenheit, die er der nationalsozialistischen Ideologie und dem
Zeitgeist nach 1945 entgegensetzte."
(Süddeutsche Zeitung, 29.7.1997; vgl. Der Theologe Nr. 4, Zeitablauf:
1935)
16.10.1945 – Der Berichterstatter der Bayerischen Staatsregierung Etzel schreibt an den ersten Ministerpräsidenten Hoegner, dass in den Kirchen Stimmung zugunsten der Nazis gemacht werde. Am Beispiel seiner Beobachtungen in Bamberg berichtet er, die Pfarrer versuchten "falsches Mitleid" zu erregen, ein katholischer Pfarrer mache z. B. "aus Nazis Märtyrer". Die öffentliche Meinung wird durch die "Klerikalen" "vergiftet und zersetzt". (zit. nach Vollnhals, a.a.O., S. 139)
19.10.1945 –
Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wird nach Verlesen des
allgemein gehaltenen so genannten Stuttgarter Schuldbekenntnisses vor
Vertretern des Weltkirchenrats als Gesprächspartner wieder international anerkannt. In
dem Bekenntnis heißt es:
"Wohl haben wir lange Jahre hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft,
der im nationalsozialistischen Gewaltregiment seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat;
aber wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht
fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben."
Das Bekenntnis ist unter anderem unterzeichnet von den Landesbischöfen Meiser und Wurm
und dem späteren Kirchenpräsidenten Niemöller.
Zum Stuttgarter Schuldbekenntnis sagt Niemöller am 27.5.1971: "Bei uns in der evangelischen Christenheit Deutschlands ist das Stuttgarter Schuldbekenntnis zunächst ohne ein vernehmbares Echo geblieben, hat vielmehr erheblichen und sehr lauten Widerspruch gefunden, und zwar von allen Seiten ... Man hätte wohl erwarten dürfen, dass sich die Unterzeichner der Stuttgarter Erklärung in ihrer Verkündigung für die hier bezeugte Schuld offen, klärend und aufklärend eingesetzt haben würden. Aber das ist leider, aufs Ganze gesehen, unterblieben. Und so endete diese ... Schulderklärung als ein für die Christenheit in Deutschland fast bedeutungsloses Intermezzo und wurde als ein gelungener taktischer Schachzug registriert, durch den sich die Evangelische Kirche in Deutschland ihre ökumenische Anerkennung wieder verschafft hatte. Der neue Anfang, von dem die Erklärung so hoffnungsvoll, zuversichtlich und entschlossen gesprochen hatte, blieb denn auch aus" (Vortrag im ev. Gemeindehaus in Wetzlar-Niedergirmes). Die Juden werden ohnehin mit keinem Wort erwähnt.
28.11.1945 – Der Rat der Evangelischen
Kirche in Deutschland (EKD)
vergleicht in einem Offenen Brief an die Christen in England die geplante Verschiebung der
deutschen Ostgrenze mit dem Holocaust:
"Das deutsche Volk auf einen noch engeren Raum zusammenzupressen und ihm
die Lebensmöglichkeiten möglichst zu beschneiden, ist grundsätzlich nicht anders
zu bewerten als die gegen die jüdische Rasse gerichteten Ausrottungspläne
Hitlers."
(zit. nach Vollnhals, a.a.O., S. 39)
1946
Landesbischof Hans Meiser beklagt das
"Unrecht"
gegenüber KZ-Personal:
Zahlreiche Betroffenen wurden "ohne befragt zu werden, als Soldaten zum
Lagerdienst abkommandiert", wo sie "Befehle zu vollziehen hatten".
"Eine Reihe von sehr ordentlichen Gemeindegliedern der verschiedenen
Kirchen waren unter ihnen, auch ein Diakon." (zit. nach Klee, Persilscheine,
a.a.O., S. 59 f.)
15.3.1946 – Landesbischof Hans Meiser
erklärt, dass das allgemein gehaltene Stuttgarter Schuldbekenntnis "den Trost der Vergebung"
vorbereiten will. Ein Wort über die Kriegsschuld lehnt er ab.
"Die Propaganda ... hat sich nun aber der Erklärung bemächtigt und den Eindruck
erweckt, als habe die Kirche vor dem Forum der Welt Stellung zur Schuldfrage genommen ...
Die Stuttgarter Erklärung nimmt nicht zur Frage der politischen Kriegsschuld als solcher
Stellung ... Die Stuttgarter Erklärung scheidet die Kirche nicht vom Volk, sondern
nimmt Kirche und Volk solidarisch zusammen ... Die Stuttgarter Erklärung will gegen den
Hass der Vergeltung den Trost der Vergebung setzen und so dem Geiste Gottes Raum geben,
der neue Gemeinschaft schenkt. München, 6. März 1946. Ev.-Luth. Landeskirchenrat; D.
Meiser." (Amtsblatt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern)
April 1946 – Der in Bayern eingesetzte US-Captain Alfredt Pundt beklagt, die Evangelisch-Lutherische Kirche sabotiere bewusst die Ahndung von Nazi-Verbrechen und Vergehen der evangelischen Pfarrer. Er bittet um mehr Personal, um dennoch wirkungsvoll Aufklärungsarbeit machen zu können. Als Notmaßnahme beschließt die Militärregierung schließlich, zehn der schlimmsten Fälle bei den Nazi-Pfarrern auszuwählen. Doch Landesbischof Hans Meiser und die Kirchenleitung rechtfertigen auch diese zehn mit Nachdruck und bekämpfen alle Versuche, irgendeinen Pfarrer juristisch zu belangen. (Vollnhals, a.a.O., S. 148)
26.4.1946 – Schreiben der von Landesbischof
Hans Meiser mit gegründeten EKD an
die Amerikanische Militärregierung gegen das Gesetz zur Befreiung von
Nationalsozialismus und Militarismus:
"Dabei waren Handlungen und Gesinnungen, die heute verurteilt werden,
vom damaligen Gesetzgeber als rechtmäßig und gut eingeschätzt. Hierdurch
wird das Rechtsempfinden erschüttert und von den Angeklagten eine Rechtseinsicht
verlangt, die man nicht erwarten kann."
"Die christliche Kirche muss darauf aufmerksam machen, dass das Gesetz durch diese
seine Grundhaltung nicht geeignet ist, das Gewissen des deutschen Volkes zu treffen."
"Zahlreiche Parteigenossen sind im Anfang der Entwicklung aus idealistischen Motiven
in die Partei eingetreten, etwa weil sie sich ... eine Überwindung von Freidenkertum und
Atheismus von einem Erstarken der nationalsozialistischen Bewegung versprochen hatten ...
Es gab auch vielerlei sachliche Gründe, die einen Austritt aus der Partei verboten,
z. B.
den Pfarrern, die sich ihr Recht zur Erteilung von Religionsunterricht in der Schule so
lange wie irgend möglich erhalten mussten ..."
(zit. nach Amtsblatt der
Evang.-Luth. Kirche in Bayern)
Ende April 1946 – Generalleutnant Lucius D.
Clay teilt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)
mit, dass die Kirche seine Erwartungen enttäuschte:
"Beispielsweise kann ein Geistlicher für ein Verbrechen ins Gefängnis geworfen
werden und damit an der Ausübung seiner üblichen Funktionen verhindert werden. Dies
würde nicht als eine Beeinträchtigung der Rechte der Kirche angesehen ... Die
Amerikanische Militärregierung hat von Anfang an der vollkommenen religiösen Freiheit
ihre volle Unterstützung geliehen. Sie hat jedoch von den Kirchenführungen erwartet,
dass sie mithelfen, alle diejenigen aus führenden Stellungen in Deutschland zu
beseitigen, die sich mit einer Parteiorganisation verbunden haben, die den Gesetzen Gottes
nur äußerste Verachtung entgegengebracht und die Menschenrechte mitleidlos zu Boden
getreten haben." (zit. nach Amtsblatt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern)
2.5.1946 – Antwort der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD)
an Lucius Clay – "Die Entfernung vieler Menschen aus Ämtern ...
zerstört wieder das langsam wachsende Rechtsempfinden ... Die Verkündigung der Kirche,
die sich um eine echte Umkehr des Volkes und eine wirkliche Reinigung vom Geist des
Nationalsozialismus müht, wird durch viele der heutigen Maßnahmen erheblich
erschwert." (zit. nach Amtsblatt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern)
1946 – Den evangelischen Pfarrern wird von den Kirchenleitungen nun sogar verboten, an der so genannten "Entnazifizierung" mitzuwirken.
Juni 1946
– Die Militärregierung ist machtlos gegenüber der Weigerung der
evangelischen Kirche, Nazi-Pfarrer gemäß den Kriterien der Behörden aus dem Dienst zu
entlassen. Allein in Bayern fallen 156 Pfarrer und Kirchenangestellte in die
höchste "Entlassungskategorie".
Doch Landesbischof Hans Meiser, der nach wie vor die alleinige und uneingeschränkte
Gesetzes- und Entscheidungsvollmacht in der Kirche innehat, rechtfertigt alle
156 Betroffenen und entlässt keinen einzigen.
Im Unterschied dazu hat die katholische Kirche die Urteile der Militärregierung
akzeptiert. (Vollnhals, a.a.O., S. 156)
Juli 1946 – Landesbischof Hans Meiser gibt seine Führervollmachten in der Kirche an die neu gewählte Landessynode zurück mit der Versicherung, er habe sie nie missbraucht, vielmehr stets "zum Wohl unserer Kirche" benutzt. (zit. nach Erlanger Nachrichten, 27.8.1993)
1946 –
Landesbischof Hans Meiser stellt sich und die so genannte "Bekennende Kirche",
der er angehört, in einem Flugblatt als Widerstandskämpfer gegen die Nazis hin. Das Flugblatt lässt er in hoher Auflage verteilen.
"Der Kampf der BK (= Bekennende Kirche) ... ging fort, solange das Dritte Reich
bestand, und erweiterte sich gleichzeitig zu einem Kampf für Recht und Gerechtigkeit im
Leben des ganzen Volkes und gegen alle Bedrückung und Vergewaltigung insbesondere gegen
das Unrecht der Konzentrationslager, gegen die Ermordung von Geisteskranken und gegen die
Verfolgung und Ausrottung der Juden." (Vgl. dazu den Beleg des Gegenteils
z. B.
bei Zeitablauf: 23.-26.9.1935; Der Theologe Nr. 4,
12.12.1938)
Der Kirchenhistoriker Carsten Nicolaisen schreibt dazu ca. 50 Jahre später:
"... ein peinliches, der Wirklichkeit nicht standhaltendes Dokument ... Die
Bekennende Kirche hat sich in ihrer Mehrheit geradezu leidenschaftlich dagegen gewehrt,
sich in die politische Opposition zum nationalsozialistischen Staat drängen zu
lassen." (zit. nach: Er liebte sein Kirche, a.a.O., S. 57)
1947
1947 – Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern setzt sich für Lutz Graf
Schwerin von Krosigk ein, Reichsfinanzminister von 1932-1945; er wurde bei den
Nürnberger Prozessen zu 10 Jahren Haft verurteilt. Schwerin von Krosigk war auch
Teilnehmer bei der Gesprächsrunde im Reichsluftfahrtministerium am 12.9.1938
mit Goebbels und Göring. Nach der Reichspogromnacht wurden in dieser Runde weitere Maßnahmen zur
Judenverfolgung besprochen.
Pfarrer Schuster von der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Dachau schreibt
an Landesbischof Meiser: "Schwerin von Krosigk war ein
aktives Mitglied der evangelischen Kirche, der sonntäglich in die Kirche ging,
seine Kinder in den Kindergottesdienst schickte und zu Konfirmationen im Namen
der Gemeinde die Konfirmanden in der Kirche ansprach."
Landesbischof Meiser verspricht Kirchenrat Rusam am 19.4.1949, ein Gnadengesuch
einzureichen. Krosigk kommt frei und lebt bis zu seinem Tod im Jahr 1977 in
Freiheit. (zit. nach Klee, Persilscheine, a.a.O., S. 9 f.171)
11.5.1947 – Landesbischof Hans Meiser rechtfertigt das Denken "des deutschen
Volkes" und bittet die evangelischen Christen im Ausland um Nahrungsmittelhilfe,
um eine "Hungerkatastrophe"
abzuwenden.
Meiser schreibt dazu:
"Liebe Brüder in Christus! 2 Jahre nach Niederwerfung des
Nationalsozialismus sieht es [das deutsche Volk] noch Ungezählte unter kaum zu
ertragenden Härten der Entnazifizierung und Internierung leiden. Die
Massenaustreibungen aus dem Osten und die Zwangsverschleppungen nach dem Osten vermag es
mit den Grundsätzen der Menschlichkeit nicht in Einklang zu bringen. Die derzeitige
Grenzziehung im Osten muss ihm [dem deutschen Volk] als eine dauernde Bedrohung seiner
Existenz erscheinen. Dies alles führt zu einer radikalen Erschütterung des
Rechtsgefühls, zu einer sich stetig steigernden Erbitterung, zu peinlichen Vergleichen
zwischen einst und jetzt, zu billigem Spott über die ´Ideale der Demokratie` und zu
einer billigen Rechtfertigung des vergangenen Systems ..."
(Amtsblatt der
Evang.-Luth. Kirche in Bayern)
13.6.1947 – Die laut Bischof Meiser von einer
Hungerkatastrophe bedrohten evangelischen Christen im Inland fordert
Landesbischof Meiser gleichzeitig zu Spenden für den Wiederaufbau von
Kirchengebäuden auf, z. B. in Nürnberg.
"Wir fordern hiermit alle Pfarrämter und Kirchengemeinden, die hierzu in der Lage
sind, auf, aus freien, ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln Spenden für den
Wiederaufbau der beiden Nürnberger Kirchen zu leisten ... D. Meiser."
(Amtsblatt
der Evang.-Luth. Kirche in Bayern)
1948
1948 – Das von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern in Auftrag gegebene Buch Apokalyptisches Wetterleuchten erscheint im kirchlichen Selbstverlag. Das Buch mit Geleitwort von Landesbischof Meiser aus dem Jahr 1947 hat nach den Worten seines Verfassers Heinrich Schmidt, seit 1942 Kirchenrat, eine "apologetische Pflicht" zu erfüllen, nämlich die Rechtfertigung der Kirche gegenüber dem Vorwurf, sie hätte im Dritten Reich versagt. (Mensing, a.a.O., S. 216 f.)
28.4.1948
–
Nazi-Opfer Georg schreibt an die Berufungskammer II
Nürnberg-Fürth. Der Grund für das Schreiben ist der Freispruch des
evangelisch-lutherischen Nazi-Pfarrers Bertram (vgl. Zeitablauf:
1936), dessen
Denunziation Georg ins Gefängnis brachte. Georg hatte 1936 ein kritisches Gedicht
verfasst.
"Es macht gerade auf positive Christen einen niederschmetternden Eindruck,
dass
die Geistlichen, die so viel von Schuld und Sühne reden, mit gewundenen Erklärungen und
komplizierten Ausdeutungen kommen, statt offen und mannhaft ihre Schuld einzugestehen und
deren Folgen ebenso willig auf sich zu nehmen wie andere Pg (= Parteigenossen =
NSDAP-Mitglieder), für die es keine zwei Berufungen gibt. Wenn die vorgesetzte
Kirchenbehörde zu dieser die christliche Bruderliebe verleugnenden Tat [= die
Denunziation] aufgefordert hat, dann gehört sie mit Fug und Recht ebenso vor die
Spruchkammer ... Es wird mir ewig ein Rätsel bleiben, dass so viele Pfarrer an einer
Partei Gefallen finden konnten, deren Radau-Antisemitismus und wüstes Geschrei auf
den Straßen ´Juda verrecke!` jedem anständigen Deutschen die Schamröte ins Gesicht
trieben." (zit. nach Vollnhals, a.a.O., S. 249)
Ab 1945 – Die Frage der Wiedergutmachung für Opfer der Nazi-Herrschaft wird in der kirchlichen Presse verschwiegen. In der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern wird das Thema "Wiedergutmachung" an Opfern ebenfalls nie zum Thema gemacht. (Vollnhals, a.a.O., S. 140)
November 1948 – Freispruch für den evangelisch-lutherischen
Nazi-Pfarrer Herold
aus der Nähe von Hilpoltstein/Bayern: Herold war auch Leutnant der Wehrmacht und trug das
goldene NSDAP-Parteiabzeichen
"mit Stolz", wie er selbst bei dem
Verfahren zugibt. Kirchliche Gegner nannten ihn den "BK-SS´ler"
(= den Bekennenden-Kirche-SS´ler), was er als "Auszeichnung" verstand
(Vollnhals, a.a.O., S. 263 f.). Der Gemeinderat des Ortes, an dem Herold zuletzt die
Pfarrstelle innehatte, schreibt 1947: "Es wird allgemein zum Ausdruck
gebracht, dass wir keinen Nazi-Pfarrer mehr auf der Kanzel haben wollen."
Landesbischof Meiser rechtfertigt aber den Pfarrer und lobt ihn wegen seines
Einsatzes für die "Bekennende Kirche". Sein Verhalten
war "kirchlich
einwandfrei". (Vollnhals, a.a.O., S. 258 ff.; vgl. Herolds Verhalten bei der
Denunziation einer Bäuerin; Zeitablauf: 1943)
1948 – Die meisten als "Entnazifizierung" bezeichneten Verfahren durch die alliierten Siegermächte werden abgeschlossen. Die Maßnahmen gelten – hauptsächlich wegen des Widerstands der Evangelischen Kirche – als gescheitert. Endgültig eingestellt werden die Verfahren 1951.
1949
Die evangelisch-lutherische Kirche finanziert in Nürnberg in der Mannertstraße zusammen mit der Caritas ein
Büro zur rechtlichen
"Behandlung" von Kriegsverbrechern.
Büroleiter ist Dr. Heinrich Malz, ehemaliger SS-Obersturmbannführer und 1944 persönlicher
Referent von Ernst Kaltenbrunner, dem Vollstrecker der "Endlösung"
(zit. nach Klee, Persilscheine, a.a.O., S. 79
ff.).
Dr. Heinrich Malz wurde nach dem Krieg zunächst
selbst per Fahndungsliste als Nazi-Kriegsverbrecher gesucht. Doch er verbringt
bald einen friedlichen Lebensabend in der evangelisch-lutherischen
Diakonieanstalt in Rummelsberg.
(Abendzeitung Nürnberg, 5.4.2006)
Dr. Malz, Leiter des kirchlichen Büros zur Verteidigung von Kriegsverbrechern, 1949
–
"So offensichtlich verbrecherisch"
sei der
"Führerbefehl"
zur Judenvernichtung wegen der besonderen Bedingungen,
"unter denen die
kriegerische Auseinandersetzung mit dem Bolschewismus geführt werden musste",
nicht gewesen.
Er lehne es ab,
"ein Strafgericht über jene als gerechtfertigt anzusehen, die in
einer untergeordneten Befehlslage zum Vollstrecker von Befehlen wurden".
(zit.
nach Klee, Persilscheine, a.a.O., S. 80)
Die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Nürnberg-St.
Jobst im Stadtteil Erlenstegen dient als Spenden-Waschanlage zugunsten
von Nazi-Verbrechern.
Spenden sind zur
"Förderung der historischen Arbeiten" eingegangen und
werden "Für historische Aufgaben an Dr. Malz" wieder ausgebucht.
Die Gelder gingen an Dr. Malz bzw. an den rechtsextremen Anwalt Dr. Rudolf Aschenauer
(der 1980 in seinen "Eichmann-Memoiren" den Holocaust bezweifelte) und von ihm
vertretene inhaftierte Nazi-Verbrecher. Zu den
Spendern gehören Firmen wie Krupp, Stahlbau Rheinhausen, Siemag, Ruhrgas A.G., Stahl
& Eisenbau;
(zit. nach Klee, Persilscheine, a.a.O., S. 80 f.)
1952
14.8. / 16.8.1952 – Ein Skandalprozess, den der
katholische CSU-Gründer und Justizminister Josef Müller ("Ochsensepp")
gegen den jüdischen Staatskommissar Philipp Auerbach führte (Staatskommissar von 1946-1951),
endete damit, dass Auerbach zu 2 1/2 Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt
wurde. Auerbach brachte sich darauf hin um. Der Richter Josef Mulzer, unter den
Nazis "Oberkriegsgerichtsrat", steckte mit dem Justizminister womöglich unter
einer Decke (beide arbeiteten auch früher in derselben Rechtsanwaltskanzlei).
Zudem: "Ein Beisitzer war ein ehemaliges Mitglied der SA. Der weitere
Besitzer, der Vorsitzende, die Staatsanwälte und der psychiatrische
Sachverständiger waren ehemalige NSDAP-Mitglieder" (wikipedia.org).
Der verleumdende und anklagende katholische Minister arbeitete seit 1939
in der Abwehrabteilung des Oberkommandos der Wehrmacht
in der Nähe des militärischen Widerstands gegen Hitler und wurde in diesem
Zusammenhang 1943 verhaftet und war 1945 Insasse im KZ Dachau.
"Über die Presse ließ Müller verlauten, es seien aufgrund gefälschter Dokumente
insgesamt 1,3 Millionen DM an ´Wiedergutmachungsgeldern` erschwindelt worden.
Der implizite Vorwurf war eindeutig: Juden betrügen den bayerischen Staat im
allgemeinen und den Steuerzahler im besonderen." (hagalil.com/archiv/2005/07)
Philipp Auerbach nahm sich nach der Urteilsverkündung aus Verzweiflung mit
Schlaftabletten das Leben. Zuvor hatte er die Konzentrationslager Buchenwald
und Auschwitz überlebt. Zwei Jahre später wurde er vollständig rehabilitiert.
Alle Anschuldigungen gegen Auerbach stellten sich als falsch bzw. erlogen
heraus. Sein Ankläger, CSU-Chef "Ochsensepp" Müller, veröffentlichte 1975 seine
Lebenserinnerung unter dem Titel Bis zur letzten Konsequenz. Ein Leben für
Frieden und Freiheit.
Zuvor war Philipp Auerbach auch mit Landesbischof Hans Meiser
aneinander geraten. Meiser forderte in nahezu beispielloser Instinktlosigkeit
den jüdischen Staatskommissar auf, "in gleicher Weise wie für die jüdischen
Opfer auch für die Insassen der Internierungslager einzutreten" (Süddeutsche
Zeitung, 21.10.2008), also für NS-Kriegsverbrecher. Auerbach antwortete
wörtlich: "Ich glaube, dass ihre Hinweise auf die grundsätzliche Haltung der
christlichen Kirche einige Jahre früher bestimmt besser angebracht gewesen
wäre", worauf sich Meiser empörte und auf die Betreuung von evangelischen
Kirchenmitgliedern (!, also nicht etwa jüdisch Gläubigen) jüdischer Herkunft
durch die Kirche hinwies.
22.11.-27.11.1998 – Die Synode der
Evangelisch-Lutherischen
Kirche in Bayern gibt hinsichtlich des Holocaust zu, "mitverantwortlich für das antijüdische Denken
und Handeln" gewesen zu sein, "die
es möglich gemacht oder zumindest toleriert haben, dass die Verbrechen
... möglich wurden". Sie erklärt
weiter, dass die lutherische Kirche "sich von jedem Antijudaismus in lutherischer
Theologie zu distanzieren" habe und dass "es zu den ureigensten Aufgaben
der Kirche" gehöre, "sich von jeglicher Judenfeindschaft
loszusagen". Die Fortsetzung der kirchlichen "Mission" an Juden
ist – wie in anderen evangelischen Kirchen auch – umstritten.
Am Eingang des Tagungsgebäudes verteilt die Gruppe Freie Christen für die
Verfassung ein Flugblatt mit dem Titel Es liegen noch mehr Leichen im
Keller. Darin heißt es:
"Nach über 50 Jahren entschuldigt sich die Lutherkirche für den Völkermord an
den Juden. Und wo bleibt die Entschuldigung für die Wiedertäufer, Bauern [im
Bauernkrieg] und Hexen, die ... Luther ebenfalls auf dem Gewissen hat?!"
Auch auf außerkirchliche Prediger, deren Hinrichtung Luther forderte, wird verwiesen. Es
heißt weiter:
"Mit der Entschuldigung gegenüber den jüdischen Mitbürgern – so wichtig und so
überfällig sie war – kann die Lutherkirche nicht darüber hinwegtäuschen, wie hohl die
moralische Fassade ist, mit der sie die Öffentlichkeit täuschte. Keiner anderen
Organisation mit einem derartig blutigen Vorbild [Luther] würde man erlauben, sich in
Gesellschaft und Staat so ungeniert als moralische Autorität aufzuspielen ... Wo bleibt
die Entschuldigung für den Vernichtungsfeldzug, den dieselbe Kirche heute wieder gegen
Andersgläubige [Anmerkung: die man als "Sekten" verleumdet] führt? Gegen unbescholtene Mitbürger, die sie mit Hilfe ihres Einflusses
in Rundfunkräten und Zeitungsredaktionen gesellschaftlich ausgrenzt und wirtschaftlich in
den Ruin treibt, was nachweisbar geschieht."
Hinsichtlich des Eingeständnisses einer Mitschuld gegenüber den jüdischen Bürgern
heißt es weiter:
"Haben die Seelen von Millionen ermordeter Juden dieser Kirche schon verziehen?
So lange dies nicht der Fall ist, bleibt sie an ihre Opfer gebunden und in ihre schwere
Schuld verstrickt ... Mit wohlfeilen Resolutionen kann sich die Lutherkirche weder von der
Welt noch vor Gott aus der Affäre ziehen. Wo bleibt der Versuch der Wiedergutmachung? Wer
an einem Völkermord mitschuldig ist, sollte sich von Aktienpapieren und Kunstschätzen
trennen, um wenigstens an den Nachkommen der Opfer einiges wieder gutzumachen."
(Freie Christen für die
Verfassung, Hiltrud Beil, Max-Braun-Straße 2, 97828 Marktheidenfeld)
An eine Wiedergutmachung denkt die Kirche aber nicht. Und Synodenpräsident Dieter Haack
sprach sich auch dafür aus, die nach dem Antisemiten Hans Meiser benannten Straßen nicht
umzubenennen. Und Landesbischof Hermann von Loewenich erklärt, dass auch weiterhin das
Bildnis des antisemitischen Bischofs im Amtszimmer des amtierenden Landesbischofs hängen
wird.
Sowohl die "Deutschen Christen" als auch die "Bekennende Kirchen" unterstützen mehr oder weniger die Judenverfolgungen. Der Gehorsam gegenüber Hitler ist für beide kein Widerspruch zum evangelischen Bekenntnis. In Konflikt zum Staat kommt die "Bekennende Kirche" nur dort, wo sie im Sinne der lutherischen Zwei-Reiche-Lehre auf der Selbständigkeit der Landeskirchen gegenüber der Reichskirche beharrt und wo sie am evangelischen Bekenntnis aus dem 16. Jahrhundert festhält und keine Änderungen vornimmt, wie es die "Deutschen Christen" tun. Nach kurzer Auseinandersetzung im Jahr 1934 akzeptieren Hitler und die Nazis die Grundposition von Landesbischof Meiser und von gleich gesinnten Kirchenführern, und sie erkennen die Selbständigkeit der drei evangelischen Kirchen in Bayern, Württemberg und Hannover an. Diese drei zählen deshalb zu den gemäß der lutherischen Lehre "intakt" gebliebenen, in den anderen Landeskirchen gibt es so genannte "bekennende" Flügel bzw. "Bruderräte".
Für die jüdischen Mitbürger wirken sich die innerkirchlichen Auseinandersetzungen kaum aus. Trotz der Aussage Meisers von 1926, "Judenmission" statt "Judenpogrom", werden in den beiden Lagern der evangelischen Kirche Maßnahmen der Judendiskriminierung und -verfolgung gefordert oder befürwortet.
Umgekehrt werden die "missionierten" Juden in der Kirche nur als "Evangelische zweiter Klasse" anerkannt – mit weniger Rechten. Schließlich nimmt man sie teilweise überhaupt nicht mehr auf, bzw. es wird ihr Ausschluss gefordert. Zu diesem Zeitpunkt werden sie trotz ihres evangelischen Glaubens bereits vergast – zusammen mit der großen Mehrheit der übrigen Juden –, was die Diskussion über einen Ausschluss aus der Kirche schließlich erübrigt.
Dazu schweigen die evangelischen Kirchen, nach deren eigenen Worten, um die Nazis vor
Kritik aus dem Ausland zu schützen. Nur Landesbischof Wurm aus Württemberg formuliert
schließlich im Juli 1943 doch ein Protestwort. Doch abgesehen von der Frage, ob ein einzelnes
"Protestwort" ohne Konsequenzen überhaupt etwas nützt – ist es ein
schicksalhafter "Zufall", dass es erst erfolgte, als z. B. die Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka schon eingeebnet sind?
Immer wieder hörte und hört man
im evangelischen Bereich von der
"Zwei-Reiche-Lehre",
wenn es um das Verhältnis von Staat und Kirche geht. Wieso zwei Reiche,
Staat und Kirche? Mit welchem Recht stellt sich eine Kirche als ein zweites
Reich neben den Staat?
Welche Auswirkungen hat das für die anderen Religions- und
Glaubensgemeinschaften in diesem Staat?
Lesen Sie dazu den
Kommentar in
6) Quellen- und Literaturverzeichnis
– siehe Der Theologe Nr. 4
Allgemeine Anmerkung zu Biografien von Kirchenmännern:
"Die Kirche kann noch aus jedem Verbrecher einen Heiligen machen", heißt ein
Sprichwort, und natürlich ist das bei "nur" widersprüchlichen
oder schillernden Charakteren noch leichter. Dabei sind die Methoden immer dieselben: Herausstellen und Überzeichnen
der positiven Seiten und Beschönigen, Verharmlosen und Weglassen der negativen,
bis einem schlecht wird. In seltenen Fällen werden einzelne Fehler
zugegeben, jedoch
meist ohne wirkliche Reue. Auch wird sich nur selten von dem Tun eines
Betroffenen distanziert. Dies wird dann
mit dem "Gesamtwerk" der geehrten Person und dem Nutzen für die Kirche begründet.
So sprach z. B. Papst Johannes Paul II. im Zusammenhang der blutigen und
grausamen "Christianisierung" Amerikas von einer "glücklichen Schuld" der
kirchenchristlichen Eroberer. Und was gut sei für die Kirche, sei auch gut für die
jeweiligen Gesellschaften, so wird uns
seit Jahrhunderten eingeflößt, weil man die, welche das Gegenteil bewiesen haben
oder hätten beweisen können, mundtot machte oder gleich umbringen ließ. Und legt
man heute den Finger auf einzelne Wunden der Kirchengeschichte, müssen dabei als
kirchliche Rechtfertigung immer die damaligen Zeitumstände herhalten und die
besondere Situation, die nicht mit der heutigen vergleichbar sei. "Können wir
uns aus unserer heutigen Sicht überhaupt ein solches Urteil erlauben?" wird
scheinheilig und heuchlerisch gefragt, weil es darum nämlich überhaupt nicht
geht. Denn man kann die "heutige Sicht" ohne weiteres vernachlässigen und
stattdessen die damaligen Umstände in jeder Hinsicht berücksichtigen. Doch das
tun die heutigen Seligsprecher und Verehrer der kirchlichen Ahnen gerade nicht.
Denn es wird bei ihren Würdigungen regelmäßig ausgeblendet, dass auch die
damaligen Opfer der Kirche oder eines Kirchenmannes
exakt in diesen Zeitumständen und in dieser besonderen Situation lebten, die sie
für die
Rechtfertigung des Kirchenmannes benutzen. Auch sie waren also "Kinder
ihrer Zeit". Und
wenn das alles nichts nützt, dann wird einfach schamlos gelogen, wie z. B.
zuletzt beim Kinofilm über Martin Luther, der von der evangelischen Kirche
mitfinanziert wurde. Darin ist der "Reformator" z. B. wegen des Niedermetzelns der
rebellischen Bauern entsetzt, während er das Massaker in Wirklichkeit mit Nachdruck gefordert
hatte (siehe theologe3.htm). Aus diesem Grund füllen solche
Zusammenstellungen wie hier über den ehemaligen bayerischen Landesbischof Meiser
nur unvollständig einige Lücken, welche die kirchlich gefärbte
Geschichtsschreibung hinterlässt. Was hier über Bischof Hans Meiser recherchiert
wurde, lässt sich ähnlich und vergleichbar über sehr viele "große Männer" der
Kirche herausfinden.
7) Zum Thema
–
Interview mit Dieter Potzel, dem Autor dieser Zusammenstellung von Quellen und
Materialien über Landesbischof Meiser in der Abendzeitung Nürnberg vom
6.3.2006
–
Leserbrief in den
Nürnberger Nachrichten vom 30.6.2006
14.4. / 11.5.2006 –
50jähriger Todestag
des evangelischen Landesbischofs Meiser am
8.6.2006 – Aufgrund zahlreicher Proteste änderte die
Evangelisch-Lutherische Kirche ihren geplanten Meiser-"Gedenkgottesdienst" am
8.6.2006 um in
einen Meiser-"Bedenkgottesdienst". Ein B für ein G – ob das
ausreicht?
Auf weiteren öffentlichen Druck hin will Meisers derzeitiger Nachfolger im Amt
des Landesbischofs, Dr. Johannes Friedrich, nun "die Schuld der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern unter Meisers Führung bekennen und die
Opfer um Vergebung bitten". (Main-Post, 5.5.2006)
Im Hinblick auf diese geplante Vergebungsbitte ist Folgendes zu bedenken: Im
Dritten Reich hetzte die evangelische Kirche gegen "Juden und Sekten". Werden
die jüdischen Mitbürger nach ca. 70 Jahren um Vergebung gebeten, müsste man
ehrlicherweise auch das Verhalten der evangelischen Kirchen gegenüber anderen religiösen Minderheiten
bedenken, die heute immer noch – so wie schon damals – im "Schussfeld" der Kirchen stehen. Sonst gerät man
in Verdacht, seine Schuld nur aus aktuellem politischen Opportunismus heraus zu
bekennen.
22.5.2006 / 25.1.2007 –
Evangelische Kirche sagt
"Bedenk-Gottesdienst" für antisemitischen und kriegerischen Landesbischof ab
–
Umbenennung der Meiserstraßen weiter umstritten –
Ausgerechnet in Nürnberg, die auch als Stadt der
früheren Reichsparteitage bekannt wurde, wollte die Evangelisch-Lutherische Kirche
am 8.6.2006 einen "Bedenk-Gottesdienst" zum 50. Todestag ihres früheren
Landesbischofs Hans Meiser abhalten. Nach einer kontroversen Diskussion im
Vorfeld wurde er jetzt
aber abgesagt.
Zum Hintergrund: Schon im Jahr 1926 missbilligte der damalige
Verantwortliche für die Pfarrerausbildung und spätere Landesbischof
Ehen zwischen Deutschen und Juden als "rassisch unterwertige
Mischlingsbildungen" und forderte einen energischen Kampf gegen die "Verjudung
unseres Volkes". So sah er auch die Forderung nach "Reinhaltung des deutschen Blutes"
als berechtigt an. Meiser gilt als ein geistiger Wegbereiter der Entwicklung,
die letztlich in den Holocaust führte, auch wenn er statt der Verfolgung der Juden für
ihre
"rassische Veredelung" plädierte, die durch ihre Bekehrung zum kirchlichen Glauben
möglich sei. In den
nach der Franken-Metropole benannten "Nürnberger Gesetzen" von 1935
wurde der Rassismus in Deutschland dann in praktische Politik umgewandelt.
Aus diesem Grund weist die Stadt Nürnberg auch mit Dokumentations-Tafeln
selbstkritisch auf die eigene Vergangenheit hin. Zielgruppe sind u. a. die
vielen ausländischen Zuschauer und Gäste bei der Fußball-Weltmeisterschaft, die
im Jahr 2006 auch in Nürnberg stattfindet. Und
die deutschen Politiker versuchen deshalb schon im Vorfeld,
rassistisch motivierter rechtextremer Gewalt im Land energisch die Stirn zu
bieten. In diesem
Zusammenhang ist der verharmlosende Umgang der Kirche mit dem Rassismus in den eigenen Reihen
also nicht nur ein Jahrhunderte altes und fortdauerndes kirchliches Problem.
Auch ist es etwa im Hinblick auf das WM-Gastland Polen äußerst problematisch,
dass
man den Jubel des Landesbischofs nach dem Angriff Hitler-Deutschlands auf Polen
ebenfalls verharmlost. So ließ Hans Meiser am 29.9.1939 Gott von den
Kanzeln für die "reiche Ernte auf den polnischen Schlachtfeldern" danken
und dafür, dass er "unseren Waffen einen schnellen Sieg gegeben hat".
Auch die
Franzosen und Niederländer sind betroffen, deren Eroberung (zusammen mit Belgien) durch
Hitler-Deutschland Landesbischof Meiser am 2.6.1940 u. a. mit den Worten
kommentierte: "Auf den Schlachtfeldern Flanderns, wo so oft schon Völker
um ihr Schicksal gerungen haben, haben unsere Heere einen Sieg errungen, wie er
ähnlich in der Geschichte der Völker nicht gefunden wird ... Wir beugen
uns vor der Größe dieser Stunde; wir stehend anbetend vor unserem Gott,
der die Geschicke der Völker so majestätisch lenkt. Wir gedenken voll Ehrfurcht
derer, die so Großes so kühn planten, und derer, die es so tapfer und wagemutig
vollbrachten."
Zwar wollte sich die evangelische Kirche bei dem Gottesdienst zumindest bei den
jüdischen Opfern von Meisers Politik entschuldigen, doch lehnt sie eine
Umbenennung der zahlreichen Meiserstraßen (z. B. in München und Nürnberg) wegen
anderweitiger so genannter "Verdienste" des Kirchenführers ab. Dass die Kirche das
Thema "Bischof Meiser" zur Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland in den Hintergrund rücken will, löst deshalb den
Konflikt noch nicht. Die Entschuldigungsbitte bei den jüdischen Opfern des
Landesbischofs steht damit weiter aus. Ebenso wie eine Entschuldigung bei den
anderen Opfern, z. B. bei verfolgten religiösen Minderheiten wie den
Zeugen
Jehovas, die von Meiser ebenfalls bekämpft wurden. Parallel dazu wäre es
zumindest ein notwendiges Zeichen, alle Meiser- und Bischof-Meiser-Straßen in Deutschland endlich
umzubenennen, am besten in Namen, die mit der vielzüngigen Kirche nichts zu tun
haben.
31.5. / 3.7.2006 / 30.12.2019 – Meiser-Freunde machen
mobil: "Antisemitische Ausfälle" Martin Luthers viel schlimmer als "Worte" von
Landesbischof Meiser; Absage des Meiser-"Bedenkgottesdienstes" kritisiert
–
Arno Hamburger, SPD-Stadtrat in
Nürnberg, hat viele Verwandte im KZ verloren.
Zurecht wies der im Jahr 2013 verstorbene Nürnberger Bürger darauf hin, dass der evangelische Landesbischof Hans Meiser
(1881-1956) "mit seinen Lügen und Verleumdungen
über uns Juden den geistigen Grundstein dafür gelegt hat, dass Millionen meiner
Glaubensschwestern und -brüder ermordet wurden" (Der Beleg dazu z. B.
oben; siehe Gutachten und
Zeitablauf). Nun formierte sich auch
öffentlich der evangelisch-lutherische Widerstand gegen die Kritik am
Alt-Landesbischof, dessen Bildnis weiterhin die Amtsräume der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern in der Meiserstraße in München schmückt. Die
Nürnberger Nachrichten brachten z. B. am 24.5.2006 zahlreiche Leserbriefe mit Rechtfertigungen und
Verständnisbekundungen für den Kirchenmann. Und die evangelische
Wochenzeitung idea-spektrum greift den jüdischen Stadtrat direkt an:
"Unsinnige Kritik von jüdischer Seite" und: "Hamburgers Äußerungen sind
blanker Unsinn, die mit der geschichtlichen Wahrheit nichts zu tun haben" (Nr. 22/2006). Zur
Verteidigung Meisers wird von dem evangelischen Presseorgan darauf hingewiesen, dass die Nazis seine Absetzung
forderten, weil er sich der zentralen Reichskirchenleitung nicht unterordnen
wollte. Verschwiegen
wird jedoch, dass diese Forderung nur sehr kurzzeitig war (im Laufe des Jahres
1934). Der Landesbischof wurde von Adolf Hitler sogar persönlich eingeladen, um den
Konflikt einvernehmlich zu lösen. Und die Nationalsozialisten gaben der Kirche
nach. Nach dem Treffen bei Adolf Hitler wurde Hans Meiser
von der NS-Regierung auch wieder mit allen Vollmachten in Amt und Würden eingesetzt und nie
wieder deswegen attackiert.
Weiterhin wird zur Verteidigung Meisers vorgebracht, dass der NS-Demagoge Julius Streicher, einer der brutalsten Antisemiten (und
Herausgeber der NS-Zeitung
Der Stürmer) Meiser als "Judenfreund"
bezeichnete. Doch wenn Streicher Landesbischof Meiser einen "Judenfreund"
nennt, dann hat das
ungefähr eine ähnliche Aussagekraft, wie wenn z. B. Stalin die "Genossen" Lenin und Marx
als "Kapitalistenfreunde" kritisiert hätte.
Lesen Sie dazu hier
Auszüge aus dem Gutachten von Hans Meiser
über die "Judenfrage". Jeder mag selbst entscheiden, ob Streichers
Bezeichnung "Judenfreund"
für den Verfasser dieses Gutachtens zutreffend ist. Schließlich wird von idea-spektrum noch lobend hervorgehoben,
dass Meiser 1939 zwei Pfarrer zur "Betreuung nichtarischer Christen" eingesetzt
hat. (PS: Andere evangelische Landesbischöfe haben "nur" einen Pfarrer eingesetzt). Über den praktischen Nutzen
solcher Maßnahmen heißt es
allerdings
in einer dpa-Meldung vom 8.12.1998: "Der Forschungsstand
lässt erkennen, dass die große Mehrheit der Christen jüdischer Herkunft von den
evangelischen Mitchristen kaum etwas zu erwarten hatte. Sie teilte auch in
dieser Hinsicht das Schicksal der Juden." Zudem sei erwähnt, dass Landesbischof
Meiser nicht nur gegen die Juden Stimmung machte, sondern auch gegen die so
genannten "Sekten", von denen dann z. B. 1500 Zeugen Jehovas in den
Konzentrationslagern hingerichtet wurden oder dort anderweitig ums Leben kamen.
Doch dieses evangelische Plädoyer für den Kirchen-"Vater" Meiser hat auch etwas
Gutes. Zum Schluss heißt es
darin ironisch: "Am Ende dieses evangelischen ´Selbstreinigungsprozesses` steht dann die
Streichung des ´Lutherisch` aus dem Namen der Landeskirche. Denn vom Reformator
Martin Luther (1483-1546) sind aus den letzten Lebensjahren antisemitische
Ausfälle überliefert, die in ihrer Schärfe die Worte von Altbischof Hans Meiser
bei weitem übertreffen – etwa Luthers Aufforderung, die Synagogen anzustecken ..."
Das ist richtig (siehe den Sachverhalt in Der
Theologe Nr. 4). Die Kritiker des Hans-Meiser-Jubiläums
und des ursprünglich geplanten Gedenkgottesdienstes haben auch nie behauptet,
dass Meiser schlimmer als Luther gewesen wäre. Und wenn man jetzt die Bischof-Meiser-Straßen umbenennt,
dann sollte dies auch wirklich nicht schon das Ende des "Selbstreinigungsprozesses"
sein. In Deutschland könnte man 50 Jahre nach Hans Meiser und 500 Jahre nach Martin Luther auch endlich wagen,
den "großen Deutschen" Martin Luther und seine Verantwortung für die dunklen
Seite der deutschen Geschichte mehr zu hinterfragen. Siehe dazu:
Der Theologe Nr. 1 – Wer folgt Luther nach und wer
folgt Christus nach?
Der Theologe Nr. 3 – So spricht Jesus von Nazareth
– So
spricht Martin Luther. Ein Vergleich.
Anmerkung: Möglicherweise fand am 50. Todestag Hans Meisers am 8.6.2006 ein inoffizieller
"Gottesdienst"
von Anhängern Meisers statt. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass
das Grab Meisers am Johannis-Friedhof in Nürnberg (Aufschrift: "Dilexit Ecclesiam" = "Er liebte seine
Kirche") eine Art "Kultstätte" für alle
diejenigen wird, die weiter in den Fußspuren Luthers und Meisers gehen wollen
(und die Kirche "lieben" und Andersdenkende bekämpfen wollen, wie ihre
Vorbilder Luther und Meiser dies getan haben).
21.7. / 26.10.2006 / 25.1.2007 –
Nürnberg: Umbenennung der Bischof-Meiser-Straße
in Spitalgasse – Die Fakten über
Landesbischof Meiser liegen seit längerem auf dem Tisch. So veröffentlichten die
Nürnberger Nachrichten am 30.6.2006 auch einen
Leserbrief des Autors
des Theologen und
plädieren – wie viele andere Zeitgenossen auch – für die Umbenennung. Die Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen
Kirche in Bayern mit Landesbischof Johannes Friedrich an der Spitze und das
Evangelische Dekanat Nürnberg wollten jedoch "ihre" Bischof-Meiser-Straße
an der römisch-katholischen Frauenkirche lange behalten und hielten lange mit
Zähnen und Klauen daran fest. Dort stand früher einmal eine Synagoge, die bei einer
kirchlich inspirierten
Judenverfolgung im Mittelalter niedergebrannt wurde.
Die Kirche hätte Hans Meiser gerne weiter durch eine Straße geehrt, obwohl er
rassischer Antisemit war und die Nürnberger Rassengesetze von 1935 geistig mit
vorbereitete und obwohl er sich erfolgreich gegen die Überlegung wehrte, dass die Kirche
eventuell gegen
die Judenermordungen protestieren könnte. Weiter trieb der Altlandesbischof zahllose Menschen voller
Begeisterung und unter der
Vorgaukelung von "Gottes Beistand" in den 2. Weltkrieg. Und er
duldete schweigend die Wegführung der behinderten Menschen aus der evangelischen
Diakonie in die Gaskammern (siehe oben, Zeitablauf ab 1939).
Dabei kann man der Evangelischen Kirche ohne weiteres zugestehen, dass ein Mann
wie Landesbischof Hans Meiser neben den zahllosen Opfern, die er zu verantworten
hat, wie jeder Mensch natürlich auch gute Seiten hatte. Doch deswegen
braucht man ihn doch nicht gleich so zu ehren, dass man eine ganze Straße im
Zentrum der Stadt nach ihm benennt.
Eine solche Straße setzt eine Vorbildwirkung für die allgemeine
Öffentlichkeit voraus, und hier würden sich gewiss Tausende von anderen
Namenspaten finden, an deren Lebenslauf kein Blut klebt. Wenn die Evangelisch-Lutherische
Kirche z. B. eine Gruft in der zentralen
Nürnberger Lorenzkirche nach Landesbischof Meiser benennt, würde sich sicher der
Protest der Kritiker Meisers in Grenzen halten. Zudem könnte man ohne weiteres eine
frühere Entscheidung, die man heute nicht mehr treffen würde, rückgängig machen. Wenigstens dieses Minimum an gesundem Menschenverstand
und die Fähigkeit, etwas abzuwägen, hatten sich viele von den Kirchenverantwortlichen erhofft.
Und da auch im Nürnberger Stadtrat die Lobby der Kirche offenbar sehr
einflussreich ist, hat sich dieses Entscheidungsgremium auch nicht
getraut, Hans Meiser ohne Zustimmung der evangelischen Kirche behutsam vom Sockel zu
entfernen. Denn leider glauben immer noch manche
Bürger,
eine fügsame Haltung gegenüber der Kirche wäre gut für ihr Seelenheil. Die
Kirche selbst hat die Menschen ja fast zwei Jahrtausende in diesem Sinne indoktriniert.
Nach zähem Ringen hat Anfang 2007 nun aber auch die evangelische Kirche ihre
Einwände gegen eine Umbenennung schließlich zurückgezogen (bzw.
kapituliert), und die frühere
Bischof-Meiser-Straße heißt jetzt Spitalgasse.
11.2. / 24.2.2007 –
München: Evangelische Kirche
will antisemitischen Bischof weiter ehren –
Mit Zähnen und Klauen
wehrte sich die evangelische Kirche in Bayern lange gegen die Umbenennung der
Nürnberger Bischof-Meiser-Straße (die demnächst Spitalgasse heißt). Jetzt droht
München ein ähnlich zähes Schauspiel. Auf Wunsch der Kirche hat der Ältestenrat
des Stadtrats die Entscheidung über die Münchner Meiserstraße zunächst
verschoben. Und die Süddeutsche Zeitung schreibt dazu: "Wo ein klares Wort
nötig gewesen wäre, gab es bloß Bedenkenträgereien, die durchaus die Frage nahe
legen, in welchem Zustand sich eine Kirche befindet, die nicht von der Ehrung
eines bekennenden Antisemiten lassen will." (10./11.2.2007)
Während
andere Institutionen ihre Geschichte ehrlicher aufarbeiten, verklärt und
verbrämt die Kirche nicht nur hier ihre blutige bzw. todbringende Vergangenheit
und weist z. B. auf die "Verdienste" von Bischof Meiser (Landesbischof von 1933-1955) zum Wohl seiner Kirche hin. Z. B. setzte er bei Adolf Hitler durch, dass
innerhalb der Kirche er, Meiser, der "Führer" sei und die Nazis dies zu
respektieren hätten. Und so ließ er sich während des kurzzeitigen Konflikts mit der
Staatsmacht 1934 von seinen Anhängern mit "Heil-Meiser-Rufen" feiern.
Die Nationalsozialisten gaben schließlich nach. Nach einem persönlichen Gespräch bei Adolf
Hitler wurde der für einige Tage abgesetzte Landesbischof wieder in Amt und
Würden eingesetzt und behielt alle Rechte. So konnte er beispielsweise als
Oberster der evangelischen Hierarchie Kirchengesetze ohne
Zustimmung anderer nach eigenem Ermessen erlassen oder ändern.
Wer war Landesbischof Meiser? Lesen Sie oben in Der
Theologe Nr. 11. Die Überzeugungen von Landesbischof Meiser trugen leider maßgeblich
dazu bei, dass Millionen von Menschen einen frühen und grausamen Tod erlitten
hatten. So weigerte er sich, gegen den Holocaust zu protestieren, und er schwieg
bewusst zum Abtransport und zur Ermordung der behinderten Mitmenschen in den
Einrichtungen der evangelischen Diakonie. Und er trieb unzählige Soldaten in den 2.
Weltkrieg, indem er ihnen vorgaukelte, Gott wäre auf der Seite von
Nazi-Deutschland. Und nicht überraschend unterstützte er dann nach dem Krieg auch ein
Anwaltsbüro, das NS-Kriegsverbrechern kostenlose Rechtsberatung anbot.
24.3.2007 –
Einzige Demonstration "gegen
Nationalsozialismus" in München? Landesbischof Johannes Friedrich verteidigt
Meiserstraße – Mit immer neuen Geschichtsklitterungen (um nicht
zu sagen "Geschichtslügen") versucht die Evangelisch-Lutherische Kirche in
Bayern, die nach dem antisemitischen und kriegstreiberischen ersten
Landesbischof Meiser benannten Straßen zu erhalten.
Nachdem bereits der Stadtrat
von Ansbach an der Bischof-Meiser-Straße festhält, will die Kirche nun auch in
München die Meiserstraße unbedingt behalten, nachdem die Bischof-Meiser-Straße
wenigstens in Nürnberg umbenannt worden war.
Die evangelische Zeitschrift
idea-spektrum gibt zum Konflikt in München die Meinung von Landesbischof
Johannes Friedrich wieder, eine Straßenumbenennung sei "´nicht die richtige Form
der Vergangenheitsbewältigung`. Immerhin habe 1934 in der heutigen Münchner
Meiserstraße die einzige Demonstration in München gegen den Nationalsozialismus
stattgefunden, nachdem die Machthaber Bischof Meiser unter Hausarrest gestellt
hatten, weil er die Landeskirche nicht der Reichskirche unterstellen wollte."
(Nr. 12/2007)
Diese Sichtweise ist allerdings eine Verhöhnung aller jener Münchner,
die wirklich "gegen den Nationalsozialismus" waren und
die – wie z. B. die Geschwister Scholl – auch ihr
Leben dafür ließen. Denn was
passierte bei der angeblich "einzigen Demonstration gegen den Nationalsozialismus" am
11.10.1934? Die evangelischen Demonstranten rufen "Heil Hitler"
und "Heil Meiser", und Landesbischof Meiser stimmt von seinem
Balkon aus ein dreifaches "Sieg Heil" auf "Führer, Volk und
Vaterland" an. Dann wird unter anderem das Horst-Wessel-Lied
gesungen (mehr dazu hier). Es lautet:
Die Fahne hoch! / Die Reihen fest geschlossen! / SA marschiert / Mit mutig
festem Schritt
|: Kam'raden, die Rotfront und Reaktion erschossen / Marschier'n im Geist / In
unser'n Reihen mit :|
Die Straße frei /
Den braunen Bataillonen / Die Straße frei / Dem
Sturmabteilungsmann!
|: Es schau'n aufs Hakenkreuz voll Hoffnung schon Millionen / Der Tag für
Freiheit / Und für Brot bricht an :|
Zum letzten Mal / Wird Sturmappell geblasen! / Zum Kampfe steh'n / Wir alle
schon bereit!
|: Schon flattern Hitlerfahnen über allen Straßen / Die Knechtschaft
dauert / Nur noch kurze Zeit! :|
Und eine Versammlung im emotionalen Rausch eines
solchen Liedes soll eine "Demonstration gegen den Nationalsozialismus"
gewesen sein?
Für wie dumm will Bischof Johannes Friedrich die Menschen eigentlich verkaufen? Ca. fünf
Jahre später treibt dann auch Landesbischof Meiser seine evangelischen "Schafe",
die also schon 1934 "zum Kampfe" bereit standen, in den 2. Weltkrieg, um die
besungene "Knechtschaft" endgültig zu beenden. Und die daheim Gebliebenen lässt
Meiser für den "baldigen Endsieg" beten (z. B. Amtsblatt für die
Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern am 26.6.1940).
Der berüchtigte Herausgeber des antisemitischen Hetzblattes Der Stürmer,
Julius Streicher, ist deshalb auch von dieser kirchlichen "Demonstration gegen den
Nationalsozialismus" (so Landesbischof Friedrich) im Oktober 1934 "sichtlich ergriffen"
(Junge Kirche, 1934, S. 808 ff.). Dies teilt er dem Führer Adolf
Hitler persönlich mit. Und auch dieser ist offenbar von der
so genannten "Anti-Nazi-Demonstration" beeindruckt. Denn Hitler lädt Landesbischof Meiser
daraufhin sogar zum persönlichen Gespräch ein und verspricht ihm ca. drei Wochen
später, dass die bayerische Landeskirche
nicht – wie ursprünglich geplant – der Reichskirche unterstellt wird. Der
kurzzeitige "Hausarrest" für Meiser ist selbstverständlich aufgehoben, und
Meiser wird von der Nazi-Regierung wieder hochoffiziell als Landesbischof der
Landeskirche bestätigt. Und dieser "Erfolg" von Meiser und seinem Kirchenvolk soll
nun ein Grund sein, die Meiserstraße in München beizubehalten? Für wie dumm hält die
Kirche eigentlich die Bürger? Siehe dazu auch unsere Meldung vom 11.2.2007.
5.6. / 7.6.2007 –
Ein
Vorschlag: Meiserstraße in München umbenennen – Dafür Christuskirche
in Bischof-Meiser-Kirche umbenennen – Ähnlich wie in Nürnberg möchte die
Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern auch in München den Namen "Meiserstraße"
unter Zuhilfenahme aller rhetorischer Mittel halten und hat dies auch im Vorfeld neuer Gespräche im
Stadtrat im Juli 2007 bekannt gemacht (Evangelisches Sonntagsblatt Nr. 22/2007).
Doch die Kirche sollte endlich einsehen, dass sie ihren antisemitischen und
kriegsbegeisterten Bischof nicht länger allen Münchnern als Paten für eine
Straße zumuten kann. Denn allmählich wachen immer mehr Bürger insofern auf, dass
sie nicht mehr alles glauben, was Kirchenvertreter ihnen nahe legen. Dafür könnte
die lutherische Kirche in Bayern ja eine ihrer vielen Kirchen nach
Landesbischof Meiser benennen. Schließlich gibt es in München ja auch schon eine
Lutherkirche oder eine Paul-Gerhard-Kirche und sogar eine Gustav-Adolf-Kirche.
Warum also nicht auch eine Bischof-Meiser-Kirche bzw. Hans-Meiser-Kirche oder
Meiserkirche?
Unser Vorschlag: Man könnte z. B. die
Christuskirche in München-Neuhausen in Bischof-Meiser-Kirche umbenennen. Da die
evangelisch-lutherische Lehre vielfach im Widerspruch zu Christus steht
(siehe dazu z. B. Der Theologe Nr. 1), wäre es
ehrlicher, den Namen "Christus" nicht auch noch auf diese hervor gehobene Weise zu
benutzen und letztlich zu missbrauchen. Hier würde Hans Meiser als Pate viel besser passen. Man könnte in der
umbenannten Kirche dann z. B. auch ein Dokumentationszentrum einrichten,
in dem
die Kirche weiter öffentlich das Für und Wider ihre braunlastigen Vergangenheit
aufarbeiten kann – ohne damit das Ansehen der Stadt München weiter zu belasten.
6.7.2007 –
Meiserstraße in
München – Kirchenvertreter immer unverfrorener
– Mit aller Macht
möchte die evangelische Kirche die nach dem antisemitischen und
"kriegstreiberischen" Landesbischof Hans Meiser benannte Meiserstraße in
München erhalten. Neben der Kirchenleitung unter Führung von Landesbischof
Johannes Friedrich meldet sich jetzt auch die Kirchliche Sammlung für
Bibel und Bekenntnis (KSSB) in Bayern zu Wort. Mit einer Umbenennung "würde den
Nationalsozialisten noch nachträglich ein Triumph gewährt", behaupten die
Kirchenvertreter (idea, 5.7.2007). Der Hintergrund: Im
Spätsommer 1934 legte sich Landesbischof Meiser kurzfristig mit den Nazis an,
weil er der beabsichtigten Eingliederung der Landeskirche in die Reichskirche
widersprach. Daraufhin hieß es einmal in der lokalen Fränkischen
Tageszeitung:
"Fort mit Landesbischof D. Meiser!" Doch Julius Streicher, der
Herausgeber des antisemitischen Kampfblattes Der Stürmer, war
letztlich sehr "gerührt" vom "Widerstand" des Bischofs, und Adolf Hitler hat in
dem Konflikt schließlich nachgegeben. Hitler rehabilitierte Meiser nach
einem persönlichen Gespräch mit ihm, und
er erfüllte den Wunsch des Bischofs – der sonst nahezu in jeder Hinsicht mit den
Nationalsozialisten kooperierte –, dass die Landeskirche selbstständig bleiben
könne und nicht in die Reichskirche eingegliedert werde.
Heute nun werfen also Kirchenvertreter aufrechten Demokraten vor, im Sinne
der Nationalsozialisten zu handeln, wenn sie Landesbischof Meiser nicht mehr
als Paten für eine öffentliche Straße möchten, in der auch Bürger wohnen, die
mit den kirchlichen Untaten nichts zu tun haben wollen. Doch was hat Landesbischof Meiser
genau getan? Und wieso kann er für aufrichtige Gottsucher kein Vorbild sein?
Einer der führenden Köpfe der Kirchlichen Sammlung für Bibel und
Bekenntnis ist übrigens bis heute der Theologieprofessor Dr.
Walter Künneth (1901-1997),
ähnlich wie sein Bischof Hans Meiser ein Antisemit und Kriegsverherrlicher.
Walter Künneth
wusste sich "in der Ausschaltung des jüdischen Einflusses im
Volksleben" "einig" mit Adolf Hitler, und er forderte
in einem offiziellen kirchlichen Gutachten aus dem Jahr 1933
"die Ausschaltung der Juden als Fremdkörper im Volksleben".
Dies solle jedoch in einer Weise geschehen,
die "dem christlichen Ethos" nicht widerspreche – ein Widerspruch
in sich selbst, denn eine solche Forderung ist eine Verhöhnung des Jesus von
Nazareth und von vorneherein antichristlich.
Ende 1933 berichtete Künneth offenbar mit einem gewissen Stolz von einer
Arbeitsverbindung der Apologetischen Centrale der Kirche mit der Gestapo,
wo es auch um die "Ausschaltung" anderer religiöser Minderheiten ging (wie der
Zeugen Jehovas, die dann zu Hunderten hingerichtet wurden).
Und 1934 schrieb
der Theologe Walter Künneth weiter: "Die Kirche weiß, dass der Staat das Schwertamt zu führen hat.
Dieses Amt bedeutet Härte und Strenge. Die Kirche kann und will dem Staat in der
Ausübung dieses Amtes nicht in den Arm fallen".
Wegen eines weltanschaulichen
und kirchenpolitischen Konflikts mit dem auch in der NSDAP umstrittenen
Alfred Rosenberg im Jahr 1937 wurde Künneth dann nach 1945 irrtümlich dem
"Widerstand" gegen das Dritte Reich zugeordnet. Und seit dem Jahr 2004
verleiht die
KSSB
sogar
einen Walter-Künneth-Preis. Doch selbst der Katholik Adolf Hitler
hatte den germanisch-heidnischen Religionstheorien Rosenbergs widersprochen
und sie zu dessen Privatmeinung erklärt.
(Mehr zu den hier nur stichpunktartig angesprochenen Themenkreisen sowie die Quellenangabe zu den Zitaten
des Kirchenmannes Künneth siehe in: Der Theologe Nr. 4).
Die
Kirchliche Sammlung für Bibel und Bekenntnis, die
ihren eigenen "Walter-Künneth-Preis" also auch nach einem bekannten Antisemiten und Kriegsverherrlicher
benannt hat, spottet zudem über die Demokraten,
welche die Meiserstraße umbenennen wollen, wie folgt: "Wenn wir alle
historisch problematischen Vorgänge und Personen aus dem Gedächtnis der
Öffentlichkeit streichen, Geschichte exorzieren, werden wir nur noch
Gänseblümchen-Wege, Edelweiß-Straßen und Distel-Plätze haben können"
(idea, 5.7.2007). Diese
"Sorge" vor "zu viel" Blumen-Namen ist jedoch
unbegründet. Denn es könnten ja bestimmte Straßen auch nach
Opfern der Kirche
benannt werden anstatt nach Tätern im Pfarrertalar, nach kirchlichen Mitläufern
von Verbrechen oder nach schweigenden Amtsträgern, wie dies bisher vielfach
üblich war. Alleine der evangelisch-lutherische Landesbischof Meiser
hat sehr viele Menschenleben mit auf dem Gewissen. Mit Namen dieser Opfer könnte man
zum Beispiel Straßen eines ganzen Stadtteils in München benennen und darüber hinaus.
18.7. / 20.7.2007 / 23.9.2009 –
Gegen den erbitterten Widerstand der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern: Meiserstraße in München wird
umbenannt – Wirklich? Über zwei Jahre später: Staat und Kirche sitzen die
Meiserstraße aus – Gegen den massiven
Widerstand der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (bzw. aus katholischer
Sicht der Evangelisch-Lutherischen kirchlichen Gemeinschaft)
entschied sich die Mehrheit des Münchner Stadtrats jetzt doch für eine Umbenennung
der Straße, die bisher den Namen des antisemitischen und
kriegsverherrlichenden Bischofs trug und noch trägt. Auch der letzte "Rettungsversuch" von
Landesbischof Johannes Friedrich nutzte erst einmal nichts. Er hatte in einem Interview mit
der Süddeutschen Zeitung seinem Vorgänger zugute gehalten: "Es war nicht
der Rassenantisemitismus der Nazis. Der theologische Antisemitismus zielte – was
ich keineswegs verharmlosen möchte – auf Bekehrung [der Juden zum
evangelisch-lutherischen Glauben], nicht auf Vernichtung" (12.7.2007).
Dieses Ziel hatte Landesbischof Hans Meiser von Martin Luther übernommen, der
allerdings zum schlimmsten Antisemiten und Judenverfolger und Hetzer seiner Zeit wurde,
nachdem er merkte, dass
die Mehrheit der jüdischen Mitbürger sich keineswegs zum kirchlichen Glauben
bekehren wolle (siehe dazu Der Theologe
Nr. 28 – Martin Luther und die Juden).
Und gerade an dieser zusätzlichen Variante des Antisemitismus nahm Münchens
Oberbürgermeister Christian Ude nun Anstoß: "Ude sagte in der rund dreistündigen
Debatte im Münchner Rathaus, Meisers theologisch begründeter Antisemitismus sei
schlimmer gewesen als der rassistische, da er eine zusätzliche Legitimation
gegen die jüdische Bevölkerung geliefert habe." (ddp, 18.7.2007)
Außerdem hatte Landesbischof Johannes Friedrich den Sachverhalt wieder einmal
zugunsten seiner Kirche zurecht gebogen gleich verbogen. So hat Landesbischof Meiser in seinem
Gutachten Die evangelische Kirche und die Judenfrage im Jahr 1926 u. a.
geschrieben: "Es liegt etwas durchaus
Berechtigtes in der Forderung nach Reinhaltung des Blutes. So wenig wir
Mischehen etwa mit naturalisierten Slaven gutheißen können, so wenig können wir
Mischehen zwischen Deutsch-Stämmigen mit Juden billigen." Und weiter: "Gott
hat jedem Volk seine völkische Eigenart und seine rassischen Besonderheiten doch
nicht dazu gegeben, damit es seine völkische Prägung in rassisch unterwertige
Mischlingsbildungen auflösen lässt ... Darum können wir uns mit den
völkischen Idealen weithin einverstanden erklären". Ist das auch "nur" "theologischer
Antisemitismus", wovon Landesbischof Friedrich sprach, oder steckt in dieser
Theologie nicht genauso "Rassenantisemitismus"?
Das Infame ist dabei
der Missbrauch des Namens "Gottes" für Meisers Ideen von der "Reinhaltung des
Blutes". Es wurde von Meiser also Gott und der Jude Jesus von Nazareth mit in
diesen Schmutz hinein gezogen, was die Nazis nicht getan hatten und weswegen die
Empörung des Münchner Oberbürgermeisters über Meisers Variante des
Antisemitismus verständlich ist.
(PS: Nach Bischof Meiser wäre folglich auch eine Ehe zwischen Jesus von
Nazareth und einer germanischen Frau aufgrund des Mannes eine "rassisch
unterwertige Mischlingsbildung" gewesen.)
Was
hinzu kommt: Meiser war sich bereits im Jahr 1926 bewusst, dass
"die völkische Bewegung", mit deren Idealen er sich in seinem
Gutachten "einverstanden" erklärte, "in einer
Front" mit den damals aufstrebenden Nazis stand. Meiser
wörtlich:
"Radikal gesinnte Antisemiten empfehlen … Bekämpfung des Judentums mit allen
Mitteln, Zurückverweisung der Juden ins Ghetto, Ausmerzung der Juden aus dem
Volkskörper – das ist der einzig mögliche Weg zur Lösung der Judenfrage.
Vor allem sind es rassehygienische Gesichtspunkte, die stark in den Vordergrund
gestellt werden. Von der antisemitischen Bewegung stark beeinflusst,
sieht auch die völkische Bewegung in der Rassenfrage den Kernpunkt der
Judenfrage und steht hier mit der antisemitischen Bewegung in einer Front."
Der spätere erste Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in
Bayern kritisiert also nicht etwa, dass die "Juden ins Ghetto" sollen und
"aus dem Volkskörper" "ausgemerzt" werden sollen*
– obwohl es in der Weimarer
Republik notwendig und leicht möglich gewesen wäre, gegen solches zu
protestieren. Auch warnt Meiser
nicht vor dem, was sich hier bald in Deutschland zusammenbrauen könnte. Sondern
er erklärt sich im Gegenteil sogar einverstanden mit denen, die "hier mit der
antisemitischen Bewegung in einer Front" stehen.
Nichtsdestotrotz will die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern ihren
Alt-Landesbischof wegen seiner sonstigen "Verdienste" weiter
kritisch ehren, auch mit Straßennamen, und sie erwägt eine Klage gegen die
Umbenennung. Wegen der kirchlichen "Verdienste" Meiser hatten wir von
theologe.de bereits am
5.6.2007 vorgeschlagen, doch eine
evangelische Kirche in München anstelle der öffentlichen Straße nach
Landesbischof Meiser zu benennen.
Vielleicht merkt aber bald auch so mancher Protestant, dass dies alles nicht
mehr seine Wellenlänge ist und tritt aus. Mehr zu den geheimen Hintergründen und
Abgründen des evangelisch-lutherischen Glaubens siehe auch in
Der Theologe Nr. 1.
* Wie ist das zu verstehen?
Eine Ghettoisierung ist zunächst eine Isolierung
innerhalb des Volkes, während die "Ausmerzung aus dem Volkskörper" als spätere
Tötung gedeutet werden kann, was ja dann genauso auch geschehen ist. Die
Maßnahmen könnten also hier in Form einer Steigerung aneinander gereiht sein:
Erst Bekämpfung, dann Ghettoisierung, dann Ausmerzung. Eine genauere
Untersuchung wäre einmal eine Aufgabe für einen kirchenunabhängigen Historiker.
Aktualisierung
[September 2009] – Über zwei Jahre nach dem Beschluss des Stadtrats für die
Umbenennung heißt die ehemalige Meiserstraße immer noch "Meiserstraße"
–
offiziell wegen der seit Monaten und bald schon Jahren anhängigen Klage des
Meiser-Enkels Hans-Christian-Meiser. Geht denn die Stadt schon vor einem
einzigen evangelischen Bürger in die Knie, der die "Ehre" seines
rassisch-antisemitischen Großvaters nicht angetastet haben will? Kein Wunder,
wenn der Staat auch sonst kein Rückgrat gegenüber der Kirche hat.
Oder wollen Staat und Kirche die Meiserstraße
solange aussitzen, bis sich bei den nächsten Wahlen die Mehrheitsverhältnisse im
Stadtrat zugunsten der schwarzen Zunft geändert haben?
19.7.2007 –
Ehemalige Meiserstraße – Aufklärung statt kirchliche
Verlogenheit – Seit 1700 Jahren indoktriniert die Kirche Europa und
spricht viele ihrer finstersten Gestalten "heilig" oder ehrt sie bis heute mit
Straßen, Plätzen, Gebäuden, Jubiläen, Preisen usw. Von "falschen Vorbildern"
für die Jugendlichen zu sprechen, ist noch sehr zurückhaltend formuliert.
Hinzu kommen die unsäglichen Fälschungen und Verdrehungen, mit denen die
Kirche bis heute ihre Dunkelmänner in ein besseres Licht zu stellen
versucht. So verbrämt man ihre Untaten häufig mit der Ausrede, sie
waren aber doch "Kinder ihrer Zeit", und man unterschlägt
dabei, dass ihre Opfer genauso "Kinder ihrer Zeit" waren
– nur eben in
dieser "ihrer Zeit" ganz anders
dachten und lebten, was ihnen dann den Missmut der Kirche und deshalb
vielfach den Galgen einbrachte.
Markantestes Beispiel für diese unseligen Prozeduren ist derzeit
Landesbischof Hans Meiser in München. Die Landeskirche "verteidigt Meiser
wie einen Heiligen", schreibt die Süddeutsche Zeitung (19.7.2007). Wie eine Schlange dreht und windet
sich die Kirche dabei in jede noch so kleine Lücke hinein, um von dort heraus zu
holen, was vielleicht zur Ehre für ihren früheren "Führer"
dienen könnte.
Dabei spekuliert man offenbar darauf, dass man aufgrund eines
Wissensvorsprungs bei einzelnen Details den Durchschnittsbürger immer wieder
für die kirchliche Sache einwickeln kann. All´ dies nährt aber auch die Befürchtung
des großen deutschen Philosophen Karl Jaspers, dass die Kirche sich nicht
wirklich geändert habe. Sondern dass auch die Verhaltensweisen früherer
Päpste, Bischöfe und Inquisitoren, die heute weiterhin geehrt werden, morgen
wieder praktiziert werden. Oder, wie es Karl Jaspers sagte: Der in der Kirche
praktizierte Absolutheitsanspruch stehe "ständig auf dem Sprung, von neuem
die Scheiterhaufen für Ketzer zu entflammen" (Der philosophische
Glaube, 9. Auflage, München 1988, S. 73).
So war es übrigens auch die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern,
die als erste in Deutschland nach dem
2. Weltkrieg wieder an die "Sektenbekämpfung" der 30er-Jahre anknüpfte und
dazu einen so genannten "Sektenbeauftragten" einführte.
Aus diesem Grund wird hier auf die Waage der Gerechtigkeit verwiesen und
– auch wenn es manchmal mühsam ist – nicht zugelassen, dass die Kirche – wie seit Jahrhunderten
– Mücken aussiebt und
Kamele verschluckt (vgl. Matthäus 23, 24), um dann, wenn es veränderte Zeitumstände wieder
erlauben, die alten Gespenster der Vergangenheit wieder auf die Menschen
loszulassen.
Die jüngsten Details sind folgende:
Das Lob der Kirche |
Was die Kirche lieber unter dem Teppich hält – auf die Waage der Gerechtigkeit gelegt |
1
|
Dass Hans Meiser "mehr als 120 verfolgten Menschen das Leben gerettet"
haben soll, ist eine legendenhafte Umdeutung der Fakten.
Tatsache ist, dass die bayerische Landeskirche sowohl in Nürnberg als
auch in München
das besagte "Büro Grüber" (siehe links) durch je einen Pfarrer
unterstützte, was zunächst innerkirchliche Irritationen auslöste. So
fühlte sich z. B. der in Nürnberg bis dahin in diese Richtung arbeitende Pfarrer
Karl Nagengast "aus dieser Arbeit gedrängt" (Helmut Baier,
Kirche in Not, S. 227 f.). Zudem denkt man bei "Fluchthilfe" für
"Verfolgte" unwillkürlich an heldenhaftes illegales Tun. In Wirklichkeit
unterstützte die evangelische Kirche ausreisewillige Mitglieder
jüdischer Herkunft während der NS-Zeit auch gemäß damaliger Gesetze ganz legal, in Zusammenarbeit mit den staatlichen
Behörden und mit Wissen und Duldung der Gestapo. Die Arbeit der beiden
Pfarrer "gestaltete sich der geringen Befugnisse wegen, mit denen sie
ausgestattet waren", zudem "sehr schwierig" (Baier, a.a.O.).
Und was oft "übersehen" wird: Dabei wurde die Kirche auf diese Weise auch einige Leute los, die in ihren Gemeinden ohnehin nicht mehr gerne gesehen waren. So hat Landesbischof Meiser einmal einem treuen Kirchenmitglied ohne Not und nur wegen dessen jüdischer Herkunft 1937 den Besuch der Männerabende in seiner Gemeinde verboten (siehe hier). Deshalb sollte man es nicht hinnehmen, wenn die Kirche nun eine Art "Heiligenlegende" um den Altlandesbischof Meiser konstruiert. Zumal sie nichts dagegen unternahm, dass der allergrößte Teil ihrer eigenen jüdischstämmigen Mitglieder in den Gaskammern hingerichtet wurde (wie die übrigen Juden auch). Außerdem war Bischof Meiser keineswegs der einzige Bischof, der in seiner Kirche eine solche bescheidene Anlaufstelle für jüdischstämmige Mitglieder einrichtete, wie Landesbischof Friedrich fälschlicherweise sagte (Zur Verdeutlichung: Nicht etwa "für Juden", sondern für jüdischstämmige Protestanten!). Andere Bischöfe haben dies auch getan. Was Meiser betrifft, hat er dabei nicht nur im altbayerischen und überwiegend katholischen Süden Bayerns einen Pfarrer mit dieser Aufgabe beauftragt (in München), sondern auch im fränkischen und teils mehrheitlich protestantischen Norden (in Nürnberg), von wo er auch selbst stammte. Es waren also zwei Anlaufstellen in Bayern, wobei man das Faktum "Zwei-und-nicht-nur-eine" schon aufgrund dieser bayerischen Geografie nicht heldenhaft überhöhen sollte. Tatsache ist nämlich auch, dass sich Landesbischof Meiser am heftigsten von allen Bischöfen der "Bekennenden Kirche" in Deutschland dagegen wehrte, die Judenverfolgungen in Deutschland 1935 zum Thema einer kirchlichen Synode zu machen. Meiser wörtlich: "Ich möchte meine Stimme erheben gegen ein selbstverschuldetes Martyrium. Ich sehe mit einiger Sorge auf die kommende preußische Synode, wenn sie solche Dinge anschneiden will wie z. B. die Judenfrage" (Quelle und weitere Informationen hier). Meiser setzte sich mit seiner Sicht durch, und die Kirche nahm das Thema wieder aus der Tagesordnung heraus. Aus anderen Zusammenhängen (z. B. der Vergasung Behinderter) ist jedoch bekannt, dass vereinzelter Widerspruch von Kirchenmännern bei den Nationalsozialisten einiges bewirken konnte. Auch hier führte das beharrliche Schweigen des bayerischen Landesbischofs dazu, dass die Behinderten, die Meisers Kirche anvertraut waren, allesamt ohne Widerstand ermordet werden konnten. Und später deckt Meiser seine in die Gräuel verwickelten Leute vor Recherchen der Amerikaner (siehe hier). Im Dezember 1938, am Beginn der Judenvernichtungen, ein ähnliches Szenario: Der von der Kirche zugunsten von Bischof Meiser ins Feld geführte Propst Grüber (siehe links) wurde von den evangelischen Bischöfen, darunter dem "Hardliner" Meiser, mit "Gottes Segen" wieder weggeschickt, ohne dass man weiter auf ihn einging oder ihm irgendetwas zusagte, und Grüber reagierte darauf hin verzweifelt: "Das war eine der ganz großen Enttäuschungen, die ich erlebt hatte" (Quelle und weitere Informationen hier). Also keine Freude des Gewährsmannes Grüber über den heute von seiner Kirche als "Lebensretter" gepriesenen Meiser, sondern stattdessen "große Enttäuschung" über den schweigenden Meiser. Grüber hatte den Bischöfen der Bekennenden Kirche zuvor berichtet, was in den Konzentrationslagern des Reiches passiert. 1940 lässt Meiser in allen Kirchengemeinden dann öffentlich für den "baldigen Endsieg" beten, was die Situation der Juden dann in ganz Europa und weltweit noch weiter verschärft hatte. Eine Ehrung für Meiser würde demzufolge die sinngemäße Botschaft beinhalten: "Halte den Mund, auch wenn es Tausenden (oder gar Millionen) von Menschen das Leben kostet. Nur nicht das Geringste riskieren. Im Gegenteil: Die Täter unterstützen, wo immer es möglich ist, sie ermuntern und mit ihnen zusammen arbeiten. So rettest du auf jeden Fall deinen eigenen Kopf, und, wenn es gut geht, eventuell noch den einen oder anderen. Und du bleibst auch in einem Unrechtsstaat immer ein angesehener Mann." Dieses Denken wäre zwar menschlich teilweise verständlich, hat aber nichts mit Jesus von Nazareth zu tun. Außerdem ist es das falsche Signal für die nachfolgenden Generationen, wenn Menschen, die sich so verhalten haben, z. B. durch Straßennamen geehrt werden, während viele Opfer in der Namenlosigkeit verschwunden sind. Allerdings sollen Meiser bzw. seine Kirche – unbestätigten "Zeugnissen" seiner Anhänger (oder bereits Legenden) zufolge – "im Verborgenen" einige Juden versteckt oder ihnen bei der Flucht geholfen haben. Nachweisbar ist immerhin, dass er protestiert hatte, als einige Nationalsozialisten sich in Ansbach verpflichten wollten, sofort aus der Partei ausgeschlossen werden zu wollen, wenn sie jemals ein jüdisches Geschäft betreten sollten oder wenn sie nicht dafür sorgen sollten, dass auch ihre Verwandten und Bekannten niemals zu einem Juden gehen. Dies bringe, so Meiser in einem Brief vom 21.3.1934 an Ministerpräsident Siebert, "gerade die besten Teile der Bevölkerung, die sich aus voller Überzeugung dem Nationalsozialismus und dem Dritten Reich erschlossen haben, in einen unerträglichen Gewissenskonflikt." Meiser fürchtete also um den guten Ruf der Nazis unter der Bevölkerung, wenn einzelne Parteimitglieder den Antisemitismus sogar auf diese extreme Weise pflegen. Doch sollte diese ganze Geschichte bzw. Legende wirklich Grund für eine heutigen Ehrung sein? Meiser hatte ja in diesem Zusammenhang die Menschen, "die sich aus voller Überzeugung dem Nationalsozialismus erschlossen haben", sogar als "die besten Teile der Bevölkerung" bezeichnet, was auch kein Grund für eine heutige Ehrung sein sollte. Und was im Einzelnen auch hier und da geschah. Die große Linie war: Landesbischof Meiser und seine Kirche haben zu den Judenvernichtungen nicht nur geschwiegen. Sie haben dieses Verbrechen über Jahrhunderte bis ins Dritte Reich hinein geistig auch mit vorbereitet (siehe dazu Der Theologe Nr. 4). Mehr dazu: Martin Luther: Siehe z. B. hier Landesbischof Meiser: Siehe z. B. oben |
2
"Was ist mit Ludwig Thoma, Richard Wagner, Heinrich von
Treitschke? Sie alle haben sich antisemitisch geäußert, nach ihnen sind
Straßen benannt. Da sagen nicht nur Protestanten in München: Warum immer
wir?"
|
Wenn man die Waage der Gerechtigkeit ansetzt, darf man durchaus
unterscheiden zwischen einzelnen privaten Stimmen einerseits und programmatischen
Meinungsführern andererseits, die ihre Meinung auch noch als den "Willen Gottes"
ausgeben, die ihre Lehre als den "Weg zur Seligkeit" lehren, und die
weiterhin behaupten: Wer sich ihnen nicht anschließen würde, der käme
später in eine ewige Hölle. Landesbischof Meiser hat seine antisemitischen Meinungen z. B. in Gutachten und Stellungnahmen hinein geschrieben, die mit zum Nährboden späterer Verfolgung wurden. Und er ließ auch während der Verfolgungen seine Meinungen weiter verbreiten. Von Ludwig Thomas antisemitischen Äußerungen sollte man sich natürlich ebenfalls distanzieren. Doch Thoma hat nicht im Auftrag "Gottes" gesprochen und auch keine antisemitischen Gutachten geschrieben. Hinzu kommt: Adolf Hitler selbst rechtfertigt in einem Gespräch mit Bischof Berning von Osnabrück vom 26.4.1933 die beginnende Judenverfolgung damit, "dass er gegen die Juden nichts anderes tue als das, was die Kirchen in 1500 Jahren gegen sie getan habe" (zit. nach Friedrich Heer, Gottes erste Liebe, Berlin 1981, S. 406). Hitler weist hier auf die Wurzeln bzw. den Nährboden für seine Politik hin. Es steht der Evangelisch-Lutherischen Kirche selbstverständlich frei, nun z. B. ihrerseits die Umbenennung der Thoma-, Wagner-, und Treitschkestraßen zu fordern. Aber bevor sie hier wieder mit dem "Mückensieben" anfängt, sollte sie erst einmal mit dem "Kameleschlucken" aufhören (vgl. Matthäus 23, 24). Vergleicht man nämlich die antisemitischen Äußerungen von Richard Wagner mit denen von Martin Luther, dann dürfte klar sein, welche Straßennamen eher umbenannt werden müsste ... |
3 "Mehrmals hat er [Meiser] öffentlich die Mitschuld der Kirchen eingestanden, so etwa bei der Weihe des Friedhofs für die KZ-Opfer in Dachau, als er am 16.12.1949 im Beisein von Weihbischof Neuhäusler und Oberrabbiner Dr. Ohrenstein sagte: ´Wir denken daran, dass wir alle durch den Ungeist der Zeit, der zu diesen Gräbern geführt hat, mitschuldig geworden sind.`" (Oberkirchenrat i. R. Martin Bogdahn, Süddeutsche Zeitung, 18.7.2007)
|
Landesbischof Meiser wählte seine Worte in der Regel bewusst. Und er sprach
zu diesem Thema immer nur unverbindlich und allgemein und benannte
unseres Wissens niemals irgendeine
konkrete Schuld oder Verfehlung. Und wenn er "wir alle" sagte, dann kann
dies sogar ein Hinweis dafür sein, dass Meiser bei
solchen und ähnlichen "Schuldbekenntnissen" auch
das Verhalten der
jüdischen Mitbürger mit einbezog [Im unmittelbaren
Zusammenhang des Zitats müsste dies – wenn möglich – geprüft werden]. Schließlich hat er sein
Gutachten Die evangelische Gemeinde und die Judenfrage von 1926
auch im Dritten Reich weiter verteilen lassen und auch nach dem Krieg nicht
widerrufen. Und darin heißt es u. a. über den jüdischen "Geist": "Es ist oft betont worden, dass
der jüdische Verstand etwas Zerfressendes, Ätzendes, Auflösendes an sich
hat. Er ist kritisch zersetzend, nicht kontemplativ, konstruierend,
produktiv ... Was dieser Geist schon gesündigt hat an unserem Volk,
welch furchtbares Unwesen er ... treibt, ist kaum auszusagen.
Nur mit tiefen Schmerz können alle wahren Freunde unseres Volkes an alle
diese Dinge denken." Nach 1945 hatte zuerst die US-Militärregierung innerhalb der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern die Aufarbeitung der Schuld in Gang setzen wollen. Man verurteilte in diesem Zusammenhang 156 evangelische Pfarrer deshalb zur Entlassung aus dem Dienst (und stuft sie dazu in die "höchste Entlassungskategorie" ein), weil sie sich bei Verbrechen oder Untaten im Dritten Reich mitschuldig gemacht hatten. Doch Landesbischof Meiser rechtfertigt alle 156 (!) und stellt sich schützend vor sie, bis die Amerikaner entnervt aufgeben müssen (mehr dazu siehe hier). Kein einziger Pfarrer wird bei den Evangelischen entlassen, und auch eine interne Aufarbeitung wird von Meiser verhindert. (Im Unterschied dazu akzeptierte die römisch-katholische Kirche die Urteile der US-Militärregierung gegenüber katholischen Priestern). Meiser rechtfertigte das Tun aller Pfarrer während des Dritten Reiches nach 1945 pauschal. Dazu gehört z. B. auch Pfarrer Friedrich Wilhelm Auer, der bereits 1921 öffentlich zum Boykott jüdischer Geschäfte aufgerufen hatte. Friedrich Wilhelm Auer, der Gemeindepfarrer von Larrieden bei Feuchtwangen, wollte 1942 z. B. die noch nicht vergasten jüdischen Mitbürger als Geiseln gegenüber den Alliierten nehmen. Würden diese ihre Bombardements auf Deutschland nicht einstellen, sollten alle noch in Deutschland lebenden Juden innerhalb einer Nacht ermordet werden. "Schade ist es um keinen", so die Überzeugung des evangelischen Amtsträgers (Quellen und weitere Informationen hier). Die Nationalsozialisten gingen auf diesen Vorschlag aus den Reihen der bayerischen Landeskirche jedoch nicht ein und ließen sich mit der "Endlösung" etwas mehr Zeit. Ob, und wenn ja, wann, das Tun Auers Landesbischof Meisers bekannt wurde und ob er – was äußerst wahrscheinlich ist – unter den 156 von der Militärregierung verurteilten bayerischen evangelischen Pfarrern war, müsste weiter erforscht werden. Pfarrer Auer lebte auf jeden Fall – ohne dass uns eine Beanstandung bekannt geworden wäre – nach dem Krieg als Ruhestandspfarrer mit allen Rechten und "dicker" Pfarrer-Pension. Er starb im Jahr 1970. |
4 "Der Oberrabbiner [Dr. Ohrenstein] schrieb an Meiser zu dessen 65. Geburtstag im Februar 1950: ´In einer Zeit, in der die Welt so arm ist an wirklichen Persönlichkeiten, empfindet man es ganz besonders, wenn man einer solchen Persönlichkeit wie Ihnen begegnet. Ich hatte nun das Glück und bin dem Schicksal für diese Fügung besonders dankbar.`" (Oberkirchenrat i. R. Martin Bogdahn, Süddeutsche Zeitung, 18.7.2007)
|
Man kann wohl davon ausgehen, dass der Oberrabbiner den Antisemitismus von
Landesbischof Meiser und seine Rolle vor und während des Holocaust nicht
kannte. Und dass Meiser im Jahr 1950 eine anderes Gesicht von sich
präsentierte als z. B. 1930 oder 1940 ist ja wohl leicht
nachzuvollziehen. Unter Theologen kursierte einmal humorvoll die Frage: Gibt es auch eine evangelische Transsubstantiationslehre? [die katholische Transsubstantiationslehre bedeutet die angebliche reale "Verwandlung" einer Backoblate in den Körper von Jesus Christus beim so genannten "Messopfer" bei der katholischen "Eucharistie"]. Die Antwort: Ja. Bei den Evangelischen ist eine solche Verwandlung aber nur eine einmalige Angelegenheit gewesen. Unmittelbar nach dem 8.5.1945 (der Kapitulation Deutschlands) wurden alle Nationalsozialisten, Kollaborateure, Opportunisten und Mitläufer im Pfarrertalar in "Widerstandskämpfer" und "Gegner des NS-Regimes" verwandelt (zum Sachverhalt siehe oben). PS: Bischof Meiser wurde am 16.2.1950 nicht 65 Jahre alt, sondern 69. Aber dieser Irrtum sei der Kirche nachgesehen. Es ist aber vielleicht auch kein Zufall, dass bei der kirchlichen "Aufarbeitung" der Geschehnisse um Landesbischof Meiser noch nicht einmal der Geburtstag richtig wieder gegeben wird. Kirchenunabhängige Historiker sollten jedenfalls alle Verlautbarungen der Kirche zu wesentlichen Themen in Frage stellen und überprüfen, damit die Öffentlichkeit nicht weiter eingelullt und getäuscht werden kann. |
30.7.2007 / 7.7.2009 /
30.12.2019 –
Bayreuth:
Evangelische Kirche sträubt sich gegen Umbenennung von Hans-Meiser-Straße in
Dietrich-Bonhoeffer-Straße / Vorschlag: Eine Bayreuther Kirche wird in "Bischof-Meiser-Kirche"
umbenannt – Nach der Umbenennung der Meiserstraßen
in München und Nürnberg hat die Israelitische Kultusgemeinde in Bayreuth jetzt
die Umbenennung der Hans-Meiserstraße in Bayreuth gefordert. Dabei soll der
Kirche von jüdischer Seite weitmöglichst entgegen gekommen werden. Der
Vorsitzende der Kultusgemeinde Felix Gothart "könne sich beispielsweise
vorstellen, dass die Straße ... künftig den Namen Dietrich Bonhoeffer trägt.
Damit erhalte ein bedeutender evangelischer Theologe und Märtyrer die verdiente
Ehrung" (Evangelisches Sonntagsblatt Nr. 30/2007). Doch die Kirchenleitung sträubt sich
auch in Bayreuth mit den üblichen scheinheiligen Argumenten (Umbenennung "kein
geeignetes Mittel zur Vergangenheitsbewältigung") gegen die Umbenennung der
Straße und möchte ihren antisemitischen Landesbischof auch in Bayreuth als
Straßenpaten behalten.
Aus Bayreuth ist vor allem das gute Verhältnis zwischen Hans Meiser und
NSDAP-Gauleiter Hans Schemm bekannt. Hans Schemm war am Sturz der bayerischen
Räteregierung 1919 beteiligt und war ein erbitterter Feind der ersten deutschen
Demokratie. In der Internet-Enzyklopädie Wikipedia heißt es über ihn u.
a.: "Am 27. Februar 1925 gründete Schemm die NSDAP-Ortsgruppe
Bayreuth und im gleichen Jahr den Gau Oberfranken der NSDAP. Schemm baute die
Organisation zielstrebig auf. Seine politischen Positionen waren klar
antidemokratisch, antisemitisch und antikommunistisch. Zitate: ´Wir sind
revolutionär, wir wollen den gegenwärtigen Staat stürzen ... An unseren Feinden
werden wir Rache nehmen und zwar blutige Rache.`, ´Wir sind nicht objektiv – wir
sind deutsch!`, ´dass an jedem Laternenpfahl ein Jude baumeln solle`"
(Stand: 30.7.2007).
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr
1933 wurde Hans Schemm zum NS-Kulturminister Bayerns ernannt. Als er dann 1935 bei einem
Flugzeugabsturz ums Leben kam, ehrte ihn Landesbischof Meiser auf extrem hervor
gehobene Weise. Während der evangelisch-lutherischen Beerdigung Schemms, wo
er aufgrund seiner Taufe und seines lutherischen Glaubens in den "Himmel"
gehoben wurde, mussten nicht nur in Bayreuth, sondern in allen evangelischen
Kirchen in ganz Bayern die Kirchenglocken geläutet werden. Und nach dem
Krieg wurde Schemm zudem von Meiser gerechtfertigt und mit einer Art
"christlichem Persilschein" versehen. (Evangelisches Sonntagsblatt Nr. 30/2007)
Und so wie es in Bayreuth heute keine Hans-Schemm-Straße mehr gibt, sollte es
dort auch keine Hans-Meiser-Straße mehr geben. Auch in Bayreuth könnte die
Kirche ersatzweise eine ihrer Kirchen nach Hans Meiser umbenennen (vgl.
hier), z. B. die Erlöserkirche in der Noch-Hans-Meiser-Straße. Eine Bischof-Meiser-Kirche
z. B. in einer Dietrich-Bonhoeffer-Straße? Da könnte
sich die Evangelisch-Lutherische Kirche nun wirklich nicht beklagen, wenn
ihr so massivst entgegen gekommen wird. Denn auch Dietrich Bonhoeffer, der aufgrund seines
Verhaltens von der Kirche immer als "Alibi-Theologe" ins Feld geführt wird
(abgesehen davon, dass Jesus von Nazareth auch keine Attentate mit vorbereitete
wie Bonhoeffer), hat nicht die "weiße Kirchenweste", die ihm immer umgehängt
wird (vgl. z. B. hier),
musste jedoch für seine Überzeugungen mit seinem Leben bezahlen. Angebracht wäre jedoch, einen
Straßennamen zu wählen, den
sich nicht schon wieder die Kirche als vermeintlichen "Verdienst" anheften
könne. Hier ist auch mehr Mut von allen Stadträten gefragt. Ihren
antisemitischen Landesbischof könnte die Kirche wegen dessen anderweitigen "Verdiensten"
für die Kirche doch ohne weiteres durch ein kirchliches Gebäude
ehren.
Aktualisierung [7.7.2009]: Auch zwei Jahre nach Beginn der
Diskussion um die Hans-Meiser-Straße in Bayreuth wehrte sich die
Evangelisch-Lutherische Kirche unter Regionalbischöfin Dr. Dorothea Greinert
erbittert gegen die Umbenennung. Die Fraktion der Grünen, der SPD und einige
Abgeordnete der Freien Wähler wollten weiterhin die Umbenennung. CSU und FDP
(eine Partei, die eine Zeitlang einmal für die Trennung von Kirche und Staat war,
mittlerweile aber stramm auf Kirchenkurs ist) waren dagegen.
Die Kirche klammerte sich dabei immer heftiger an
"ihre" Hans-Meiser-Straße und an ihren antisemitischen Bischof fest [18.11.2009].
Und sie setzte sich im Jahr 2010 schließlich auch durch [20.12.2010].
24.8.2007 –
Evangelische
Kirchenführer immer schamloser: Antisemitismus Anfang des 20. Jahrhunderts
mit islamkritischer Stimmung bei Juden heute verglichen –
Um
ihren antisemitischen Landesbischof Hans Meiser und die nach ihm
in Bayern benannten Straßen zu rechtfertigen, dachte sich jetzt der Leiter des
Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD),
Prof. Dr. Axel Freiherr von Campenhausen, ein neues Argument aus. Im
Europa der 20er-Jahre habe "generell" eine "Stimmung gegen die Juden
geherrscht. Doch habe dabei niemand Vertreibung und Massenmord im Blick
gehabt". (Warum schützt die Kirche Meiser nicht? in: idea-spektrum Nr.
33/2007)
Axel Freiherr von Campenhausen wörtlich: "Vielleicht wird man den Menschen
von damals eher gerecht, wenn man ihre Stimmung mit den Äußerungen des
heutigen Schriftstellers Ralph Giordano über Muslime vergleicht. Ihm ist der
Gedanke an eine große Moschee in Köln eklig. An Vertreibung oder Ermordung
denkt er deshalb nicht." (zit. nach idea-spektrum Nr. 33/2007)
Der EKD-Jurist unterschlägt dabei jedoch, dass die
von ihm so genannte "generelle" "Stimmung gegen die Juden"
in den 20er-Jahren von der Kirche über Jahrhunderte
immer wieder angefacht und vor allem in der Weimarer Republik in Deutschland
massiv geschürt wurde.
Falsch ist auch von Campenhausens Behauptung, niemand habe dabei an
Vertreibung und Massenmord gedacht. Dazu der spätere Landesbischof Hans Meiser in
seinem Gutachten Die evangelische Gemeinde und die Judenfrage von
1926 wörtlich, wohlgemerkt 1926, sieben Jahre (!) vor der Machtübernahme der
NSDAP:
"Radikal gesinnte Antisemiten empfehlen … Bekämpfung des Judentums mit
allen Mitteln, Zurückverweisung der Juden ins Ghetto, Ausmerzung der Juden
aus dem Volkskörper – das ist der einzig mögliche Weg zur Lösung der
Judenfrage. Vor allem sind es rassehygienische Gesichtspunkte, die stark
in den Vordergrund gestellt werden. Von der antisemitischen Bewegung
stark beeinflusst, sieht auch die völkische Bewegung [mit der sich, was hier
wesentlich ist, Meiser im
selben Gutachten "weithin einverstanden" erklärt] in der Rassenfrage den
Kernpunkt der Judenfrage und steht hier mit der antisemitischen Bewegung in
einer Front" (siehe hier).
"Ausmerzung aus dem Volkskörper" schrieb also der später Landesbischof schon
1926, und seine heutigen Anhänger wollen ihm zugute halten, dass damals doch
niemand an Vertreibung oder Ermordung gedacht habe. Vielleicht noch nicht so
sehr in der Bevölkerung; aber was dachte der bald höchste Kirchenführer der
Lutherkirche in Bayern? Oder anders gefragt: Was ist "Ausmerzung"? Jeder kann es
selbst im Duden oder in anderen Wörterbüchern nachlesen.
Zudem hatte vor allem Martin Luther, den Hans Meiser glühend
verehrte, als eine Art Vermächtnis für die
Zukunft das Niederbrennen der Synagogen und der jüdischen Wohnhäuser und die
Vertreibung der Juden gefordert (siehe dazu
Der Theologe Nr. 28).
Und andere Kirchenmänner haben wiederum extra betont, "dass man in der
evangelischen Kirche Jahrhunderte lang immer wieder auf Luthers antijüdische
Schriften hingewiesen hat" (z. B. Kirchenrat
D. Hermann
Steinlein im Januar 1933, auch noch vor der Machtergreifung durch die
Nationalsozialisten; siehe
hier den
Nachweis der These Dr. Steinleins im Original).
14.4.2008 –
Straßennamen in München: Nach dem Antisemiten Hans Meiser die Antisemitin
Katharina von Bora –
Kaum hatte sich der Münchner Stadtrat zur Umbenennung der nach dem antisemitischen Landesbischof Hans Meiser
(siehe Der Theologe Nr. 11) benannten
Meiserstraße entschlossen, da jubelt die evangelische Landeskirche der Stadt
wohl gleich den nächsten Antisemiten unter, in diesem Fall eine Frau. Denn
die Kirche schlug vor, dann Katharina von Bora als Namenspatin zu wählen,
was schließlich Zustimmung fand. Da Katharina von
Bora jedoch mit Martin Luther, dem "größten Antisemiten seiner Zeit" (siehe
Der Theologe Nr. 28), verheiratet
war, konnte man schon von daher vermuten, dass sie vermutlich die Ansichten ihres Mannes
teilte. Dass es tatsächlich so war, bzw. dass sie womöglich noch schärfer
gegen die jüdischen Mitbürger eingestellt war als Luther selbst, dafür spricht z. B. der letzte Brief
Martin Luthers, den er in Eisleben am 1.2.1546 kurz vor seinem Tod (am
18.2.1546) an seine Frau schrieb. Darin heißt es,
so also Martin Luther wörtlich:
"Ich bin ja schwach
gewesen auf dem Weg hart vor Eisleben, das war meine Schuld. Aber wenn du
wärest da gewest, so hättestu gesagt, es wäre der Juden oder ihres Gottes
Schuld gewest. Denn wir mussten durch ein Dorf hart vor Eisleben, da viel
Juden innen wohnen, vielleicht haben sie mich so hart angeblasen ... Und
wahr ists, do ich bei dem Dorf fuhr, gieng mir ein solcher kalter Wind
hinden zum Magen ein auf meinen Kopf durchs Parret, als wollt mirs das Hirn
zu Eis machen ... Wenn die Heuptsachen geschlichten wären, so muss ich mich
dran legen, die Juden zu vertreiben".
Für einen unheilvollen
Einfluss Katharina von Boras auf Martin Luther spricht auch, dass sich
Luther erst nach seiner Heirat im Jahr 1525 zu einem der furchtbarsten
Inquisitoren entwickelte, der Todesstrafen gegenüber allen Andersdenkenden
forderte, teilweise sogar in sehr grausamer Ausführung (z. B. das
Aufschlitzen der Adern bei geizigen
Kaufleuten und Prostituierten;
weitere Hinrichtungsforderungen Martin Luthers siehe in Der
Theologe Nr. 3).
23.10. / 25.10.2008 / 31.10.2019
– "Der gekreuzigte Bischof"
–
Buchtitel verhöhnt Jesus von Nazareth und die Opfer des Nationalsozialismus /
Private Familiendarstellung berührt in diesem Fall öffentliche Belange
–
Die heftigen
Auseinandersetzungen um den antisemitischen ersten Landesbischof Bayerns gehen
weiter. Nun hat sein Enkel Hans-Christian Meiser ein Buch mit dem Titel Der
gekreuzigte Bischof veröffentlicht, in dem er versucht, alle Fakten zu
Meisers Vorteil hin zu verbiegen – auch, indem man wesentliche
Hintergrundinformationen verschweigt. Was zum Beispiel wirklich dahinter
steckte, dass Meiser angeblich 126 Juden das Leben rettete, was nach einem
riskanten persönlichen und heroischen Einsatz klingt und nicht nach dem, was es
tatsächlich war, nämlich der Installation einer Ausreise-Behörde für zuvor ausschließlich zur
lutherischen Kirche konvertierte (!) Juden; und zwar in Absprache mit den Nationalsozialisten
(!) und mit
Wissen und Tolerierung der Gestapo!
Es ist für uns kaum mehr fassbar, was bei diesem Thema alles zurecht gerückt
werden muss, um kirchliche Unwahrheiten bzw. fortgesetzten Wahrheitsverbiegungen die Stirn
zu bieten (z. B.
hier).
Zwar ist es
erklärbar, wenn Familienangehörige ihr persönliches Andenken an ein verstorbenes
Familienmitglied sich so zurecht legen wollen, wie sie das innerfamiliär gerne
hätten. Und solange das eine Privatangelegenheit ist, können sie ja tun,
was sie wollen, denn eine Untersuchung einer subjektiv verfassten
Familiengeschichte ist kein öffentliches Thema. In diesem Fall geht es
jedoch um öffentliche Belange, zum Beispiel um einen Straßennamen in der
Landeshauptstadt München, der allen Bürgern weiterhin aufoktroyiert werden soll.
Und es geht um eine Selbstdarstellung einer Religionsorganisation, die Jahr für
Jahr grundgesetzwidrig Millionen von Euros an staatlicher Finanzierung für
innerkirchliche Zwecke erhält –
und zwar aus dem Steueraufkommen aller Steuerzahler, auch von Atheisten, Juden,
Moslems usw. Deshalb betrifft
das Reden und Tun dieser Organisation automatisch auch alle Bürger.
Aufgewärmt wird in dem Buch Der
gekreuzigte Bischof auch wieder
Meisers Schreiben aus dem Jahr 1934, in dem er vor einer fanatischen
antisemitischen Aktion von Nazi-Mitgliedern in Ansbach warnte. Seine Begründung
für mehr Mäßigung lautete jedoch: Um "die besten Teile der Bevölkerung", nämlich überzeugte
NSDAP-Anhänger in der Bevölkerung, durch überzogene NSDAP-Einzelmaßnahmen nicht in Gewissenskonflikt zu
bringen; also quasi als Schutz der NSDAP vor deren äußersten Rändern. Außerdem wird damit keineswegs relativiert,
dass Meiser selbst
Antisemit war.
Meiser sei heute "Opfer" kirchenpolitischer Interessen geworden, so wie er
1933/1934 angeblich "Opfer" der Nationalsozialisten geworden sei, so
wird von dem Familienangehörigen weiter argumentiert. Damit werden
zum einen die wirklichen Opfer der Nationalsozialisten verhöhnt – z. B. zig-Tausende von Menschen, die ihr Leben lassen mussten und nicht nur ein paar
Tage Hausarrest bekamen mit
anschließender "Audienz" bei Hitler, der Meiser dann wieder offiziell in Amt und Würden bestätigt
hatte.
Und schließlich wird auch der große Menschheitslehrer und Friedensstifter Jesus
von Nazareth, der von den damaligen Obrigkeiten furchtbar hingerichtet wurde,
verhöhnt. Denn der Buchtitel Der gekreuzigte Bischof missbraucht den
um der Gerechtigkeit willen gequälten Jesus und Sein Sterben, nämlich die Kreuzigung, um Stimmung für
Bischof Meiser zu machen, der mit den Nationalsozialisten offen sympathisierte,
mit seinen Predigten die Soldaten zu Tausenden für Nazi-Deutschland in den 2.
Weltkrieg trieb, den Antisemitismus förderte, kleinere Glaubensgemeinschaften
bekämpfte und sich heftig gegen Ansätze von kirchlicher Zivilcourage wehrte,
um nur einige wenige Beispiele zu nennen.
Und eine solche Darstellung wird, wenn sie in die Öffentlichkeit gelangt, auch
zur einer Grenzüberschreitung vom Privaten ins Öffentliche, auch wenn es eben
privat um den Großvater geht. Auf die Aufzählung weiterer Gegensätze zwischen
Jesus von Nazareth und Hans Meiser wird hier verzichtet Der Vergleich
wurde z. B. einmal durchgeführt mit Meisers großem Vorbild Martin Luther –
Der Theologe Nr. 3 – So spricht Martin Luther – so
spricht Jesus von Nazareth.
29.4. / 27.5.2009 –
Der "Zauberhut":
Landesbischof Meiser habe jetzt den damaligen Mitarbeiter im Auswärtigen Amt,
Eugen Gerstenmaier, zum Attentat auf Adolf Hitler angeblich "nachdrücklich
ermutigt" – Wie aus dem Nichts
zauberten kirchliche Anhänger des antisemitischen Alt-Landesbischofs Meiser
(Bischof von 1933-1955) plötzlich ein neues Argument aus dem Hut, das die
Meiserstraße, vor allem in München, offenbar doch noch in letzter Minute "retten" soll. Wie weit
die kirchliche Indoktrination von Stadträten im Einzelfall tatsächlich greifen
kann, zeigt z. B. die Stadt Weiden in der Oberpfalz. Der Stadtrat von Weiden
entschied, Landesbischof Meiser weiterhin mit der Meiserstraße in Weiden zu
ehren.
Und alle die eindeutigen, massiven und
unbestrittenen Vergehen Meisers, die hier im Zeitablauf
von 1926 bis 1956 auf dieser Seite zu Hunderten dokumentiert
sind, sollen jetzt anscheinend dadurch an Bedeutung verlieren, dass Hans Meiser
Eugen Gerstenmaier und seine Freunde laut einer Privatnotiz von Gerstenmaier,
die man in dessen Nachlass gefunden habe, "nachdrücklich ermutigt" habe, "die
unvermeidliche Tat zu wagen", womit anscheinend das Attentat auf Adolf Hitler
gemeint sei. So steht es offenbar – ohne dass jedoch wirklich klar ist, was damit
gemeint ist – im Nachlass des evangelisch-lutherischen Theologen und CDU-Politikers Eugen
Gerstenmaier (1906-1986), der im Dritten Reich von Plänen zur Ermordung Adolf
Hitlers wusste (wikipedia.org) –
allerdings nicht an führender Stelle, sondern nur am Rande. Eugen Gerstenmaier
hatte offenbar "Kontakte" zum so genannten
Kreisauer Kreis. Und der
berüchtigte NS-Richter und Volkskammer-Präsident Roland Freisler verurteilte
Eugen Gerstenmaier deshalb wegen "Nichtanzeige seiner Kenntnisse"
(also nicht etwa wegen Untreue zum Führer oder wegen "Mitverschwörung") zu sieben Jahren
Haft.
Und nach
Eugen Gerstenmaiers späteren Aufzeichnungen waren sich wiederum die Landesbischöfe
Theophil Wurm und Hans Meiser anscheinend "völlig klar darüber, wonach sie fragten, wenn sie
nach der ´Tat der Generäle` fragten". (Evangelisches Sonntagsblatt
Nr. 20/2009)
Dieser eine Satz aus dem subjektiven Gerstenmaier-Nachlass soll nun angeblich Bischof
Hans Meiser rehabilitieren und die Meiser-Straßen rechtfertigen. Und er
wurde nun von dem Münchner Pfarrer und
Meiser-Anhänger Armin Kitzmann an die Öffentlichkeit gebracht.
Dieser wiederum forderte deshalb für Meiser und Wurm jetzt sogar
einen "Platz in der Reihe der Widerständler gegen den Nationalsozialismus",
obwohl selbst der Teil-Mitwisser Eugen Gerstenmaier davon ausgeht, dass die beiden "keine
wirkliche Kenntnis von den militärisch-technischen Plänen des
Staatsstreichs gehabt" hätten.
Doch was würden wohl die wirklichen "Widerständler", die ihr Denken und Tun
mit dem Leben bezahlten wie beispielsweise die Geschwister Scholl, dazu sagen,
wenn man jetzt Landesbischof Meiser zu einem der Ihren erklärt?
Auch Eugen Gerstenmaier, der plötzlich wie aus dem Nichts aufgetauchte Gewährsmann für eine
angebliche Opposition Meisers, war kein wirklicher Mann des Widerstandes,
worauf wir weiter unten noch näher eingehen.
Doch der evangelisch-lutherische Pfarrer Armin Kitzmann will sogar noch weiter nachlegen. Dass Landesbischof
Hans Meiser
im August 1944 erneut eine antisemitische "Berufshilfe" an alle Pfarrer
versandte, obwohl er von der Vernichtung der Juden in den Gaskammern wusste
(siehe hier),
soll angeblich nur eine "vorsorgliche Schutzmaßnahme" gegenüber den
Gestapo-Nachforschungen im Zusammenhang mit dem Attentat gewesen sein
(Evangelisches Sonntagsblatt Nr. 20/2009).
Deshalb auch hier die Frage: Was würden wohl die ermordeten Opfer dazu
sagen, wenn jemand nur als "vorsorgliche Schutzmaßnahme" auch noch
1944 vor ihnen warnt
und mit dieser Warnung die Stimmung gegen die Opfer weiter aufheizt, was
womöglich auch noch weiteren das irdischen Leben kostete? Und wenn
dieser Warner bzw. Gegner später als angeblicher Freund der Opfer und
Widerstandskämpfer gegen ihre Mörder präsentiert wird, da er ja nur aus
persönlichen taktischen Gründen gegen die Opfer agitiert und mit den Mördern
kooperiert habe?
Hierzu kann insgesamt gesagt werden sagen:
Zunächst einmal hat
Jesus von Nazareth niemals gelehrt, dass man einen Tyrannen ermorden
soll, wenn dieser einen Krieg fortsetzen will, den er nicht mehr gewinnen kann.
Und Jesus hat auch keinen Mord an einem Diktator für den Fall befürwortet, dass
der Zusammenbruch seines Imperiums bereits offensichtlich ist – damit auf diese
Weise von dem grausamen System noch "gerettet" werden könne, was noch zu retten sei. Sondern Jesus, der
Christus, war Pazifist und hätte den Diktator und seine Politik zu keinem
Zeitpunkt unterstützt oder gar gehuldigt und Menschen in den Krieg getrieben, wie Bischof Meiser das über Jahre
getan hatte
(siehe dazu unsere zahlreichen Beispiele oben).
Dann ist natürlich die Frage, ob man jetzt Meiser über Nacht doch zum
"Volkshelden" machen kann, wenn er vielleicht in einem Kamingespräch mit seinem
Kumpan Eugen Gerstenmaier nach zwei Glas Rotwein etwas in dieser Richtung sagte, was
Eugen Gerstenmaier dann 20 oder mehr Jahre später auch verklärend und zur
Beschönigung der eigenen Biografie wieder
gegeben haben könnte oder vielleicht sogar missverstanden hatte.
Zumindest wusste der erste EKD-Vorsitzende und mit Meiser beruflich auf´s
Engste verbundene Otto Dibelius nach dem Krieg
gar nichts von einer damaligen "Ermutigung" Meisers zur angeblich "unvermeidlichen
Tat". So schrieb Eugen Gerstenmaier selbst in demselben Zusammenhang,
er,
Dibelius, "irrte sich, als er meinte, dass uns kein Mann der Kirche zugeraten
habe" (wikipedia.org).
Doch das ist schon sehr merkwürdig,
denn die Kirchenführer haben ja alles mögliche daran gesetzt, um sich nach
1945 im Rückblick zu angeblichen "Widerstandskämpfern"
umzufunktionieren, was auch für
Hans Meiser gilt
(siehe oben).
Und Otto Dibelius und Hans Meiser haben sich natürlich über diese Dinge nach dem Krieg
intensivst ausgetauscht und z. B. gemeinsam die
Stuttgarter Erklärung
unterschrieben.
Sollte also Otto Dibelius wirklich nach dem Krieg nicht mitbekommen
haben, dass Hans Meiser
1944 das Attentat auf Hitler befürwortet haben soll? Hans Meiser hätte es
ihm doch sicher erzählt. Oder hat er es gar aus einer Art heroischen
Bescheidenheit verschwiegen, dass er zu einem Attentat auf Hitler geraten haben
sollte? Oder, noch eine Möglichkeit: Wusste das Hans Meiser im Jahr 1945 selber noch
nicht, was er 1944 gesagt haben soll?
Und schließlich werden natürlich die
Attentäter des 20.7.1944 in Deutschland gegenüber vielen anderen weniger
populären Widerstandsgruppen verklärt – obwohl z. B. Oberst Claus Schenk Graf
von Stauffenberg jahrelang einer der aktiven Vertreter des Systems war, das
die Verbrechen der NS-Diktatur überhaupt erst möglich machte (was eine spätere teilweise
Erkenntnis des Unrechts natürlich nicht schmälern soll; zur aktuellen Diskussion
siehe z. B.
frankenpost.de,
5.5.2009).
Außerdem soll der Graf zudem ein massiver Antisemit gewesen sein. Doch im
Unterschied zu der nur vage und ohne Zusammenhang überlieferten angeblichen "Ermutigung"
Meisers hat Graf von Stauffenberg für sein Tun mit dem Leben bezahlt.
Weiterhin sei daran erinnert, dass der
Geistliche Vertrauensrat der Evangelischen Kirche (dem z. B. auch der mit
Meiser verbündete Bischof der Bekennenden Kirche August Marahrens angehörte) am
30.7.1944 dem Führer erneut massiv huldigte. Es hieß: "´Aus
tiefem Herzen danken wir dem Allmächtigen für die Errettung des Führers
und bitten ihn, Er möge ihn weiterhin in seinen Schutz nehmen. Mit dieser Bitte
soll sich das
Gelöbnis neuer Treue und der Entschluss verbinden, uns ernster noch als
zuvor der unerbittlichen Forderung der Zeit zu unterwerfen, für die der Führer
rastlos sein Alles einsetzt`. – Die Deutsche Evangelische Kirchenkanzlei und der
Geistliche Vertrauensrat der Deutschen Evangelischen Kirche haben nach dem
Anschlag auf das Leben des Führers in Treuetelegrammen an ihn den Dank gegen
Gott für die gnädige Bewahrung Ausdruck verliehen." (Das
Evangelische Deutschland, 30.7.1944)
Von Landesbischof Hans Meiser war in diesem
Zusammenhang nichts Gegenteiliges
oder weniger Überschwängliches zu hören, was bis zum Kriegsende ja auch verständlich gewesen wäre
– doch
interessanterweise auch nicht nach Kriegsende. Meiser setzte womöglich sogar ein
Zeichen genau in die andere Richtung. So soll er sich den Aussagen des
Zeitzeugen und Bonhoeffer-Biographen
Eberhard Bethge (1909-2000) zufolge nach
dem Krieg geweigert haben,
an einer Gedenkveranstaltung im KZ Flossenbürg teilzunehmen, bei der an
Dietrich Bonhoeffer gedacht werden sollte. Bonhoeffer wurde als Mitwisser
und tatsächlicher Befürworter des Attentates auf Adolf Hitler 1945 dort hingerichtet. Eberhard
Bethge, der selbst 1944 verhaftet worden war, schrieb in seinem Buch Ohnmacht
und Mündigkeit: "Der lutherische Bischof Meiser weigerte sich, die
Gedenkfeier für Dietrich Bonhoeffer in Flossenbürg zu besuchen, weil es sich –
wie er schrieb – nicht um einen christlichen, sondern um einen politischen
Märtyrer handle" (München 1969, S. 143). Kein Wort des Zeitzeugen davon,
dass er, Meiser, diese politische Überzeugung eventuell geteilt habe, was jetzt, wie aus
dem Zauberhut, plötzlich von Meiser-Freunden aufgrund einer privaten
Formulierung in schriftlichen Unterlagen eines Verstorbenen behauptet wird.
Eberhard Bethge hat dem Landesbischof i. R. Hermann Dietzfelbinger in einem
Brief aus dem Jahr 1983 auf die Frage nach seiner Quelle nun geantwortet,
"erfunden habe ich das ja nicht" (Landeskirchliches Archiv, Schreiben Bethges
an Dietzfelbinger vom 6.6.1983, LAELKB, Vereine III), zitiert nach einem im
Archiv der Augustana-Hochschule Neuendettelsau publizierten Schreiben von
Pfarrer Armin Kitzmann vom 20.4.2009). Aus diesem Grund wirft Pfarrer
Kitzmann Eberhard Bethge aber nun vor, eine "Legende" in die Welt gesetzt zu haben,
worauf dieser sich neun Jahre nach seinem Tod natürlich nicht mehr wehren kann.
Dass Bethge womöglich von Meiser selbst einen Brief mit diesem Inhalt bekommen
habe, wird von Meiser-Anhänger Kitzmann in diesem Zusammenhang nicht erwogen.
Kitzmann zufolge war die Einweihung der Gedenktafel "kein Ereignis von
kirchengeschichtlicher Bedeutung" (wie es ja bis heute z. B. auch noch kaum
Mahnmäler für die Opfer der Kirche gibt), weswegen der Landesbischof gar nicht
eingeladen worden wäre, sondern stattdessen Kreisdekan Wilhelm Koller aus
Regensburg. Und auch die einladende Bayerische Pfarrerbruderschaft habe das
Ereignis auf ihre Art herunter gespielt, indem sie in ihrer Einladung vom
24.3.1953 an den Kreisdekan geschrieben hat: "Eine richtige Einweihung wollen
wir nicht halten." (zit. nach LAELKB, siehe oben)
Tatsache ist: Bonhoeffer hatte sein Tun ausdrücklich mit seinem Glauben
begründet und nicht mit seinen politischen Einstellungen. Offen bleibt nun aber, ob Meiser ihm diese Begründung abgesprochen
hat, wie Eberhard Bethge schreibt. Und letztlich ungeklärt bleibt dann auch, ob
es Meiser deshalb vielleicht sehr recht war, dass bei der besagten Gedenkfeier
für Bonhoeffer die Kirche nicht vom Bischof, sondern von Oberkirchenrat Wilhelm
Koller vertreten würde und dass er, Bischof Meiser, auch deswegen zu diesem
Zeitpunkt lieber nach Italien reiste. Sein Anhänger Kitzmann stellt es 56 Jahre
später so dar: Wegen seiner geplanten "Dienstreise" nach Italien hätte Meiser an
der Gedenkfeier gar nicht teilnehmen können, "selbst wenn er es gewollt hätte".
Doch immerhin zählt in diesem immer chaotischeren Wirrwarr um Meiser eines zu den unbestrittenen Tatsachen:
Während der Gedenkfeier für Bonhoeffer am 6.4.1953 predigte Meiser laut
"Dienstplan" in Neapel.
Schließlich noch ein Wort zu dem angeblichen Kron-Entlastungszeugen Eugen
Gerstenmaier. Wir zitieren dazu aus dem Buch Der Schattenwelt neue
Kleider. Die Inquisition der Jetztzeit, Marktheidenfeld 2006 aus dem Kapitel
Die Legende vom kirchlichen Widerstand gegen Hitler (S. 43) den Absatz
über Eugen Gerstenmaier, "in der Nachkriegszeit CDU-Politiker und
Bundestagspräsident": "Der lutherische Theologe war während des Zweiten
Weltkriegs im Auftrag des Auswärtigen Amtes in Skandinavien und auf dem Balkan
unterwegs, um die dortigen protestantischen und orthodoxen Kirchen auf die
hitlerdeutsche Linie zu bringen. Weil er in den späteren Kriegsjahren auch
Kontakte zum Widerstand unterhielt, wurde er 1944 inhaftiert – jedoch nicht, wie
die Verschwörer, zum Tode, sondern zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt [wovon
der jedoch nur einige Monate absitzen musste]. Das
[einige Monate Haft] genügte, um sich nach dem Krieg zum Widerstandskämpfer und
Verfolgten hochzustilisieren – so sehr, dass der darob erzürnte Theologe Karl
Barth 1945 in der Neuen Zürcher Zeitung über den ´Typus Eugen
Gerstenmaier` schrieb: ´Der grobe (und dumme) Teufel ist mit Gestank
abgegangen. Die Stunde des feinen (und klugen) Teufels scheint angebrochen: die
Stunde des großen verkannten Antinazis, Bekenners, Helden und Beinahe-Märtyrers,
die Stunde des glänzenden Alibis ...`"
(zit. nach Freitag, 25.8.2006)
Schlussendlich: Wenn also aufgrund einer Notiz im Nachlass von
Eugen Gerstenmaier die Meiser-Diskussion wieder entfacht werden soll (vgl.
Überschrift in idea-spektrum Nr. 18/2009: Bleibt es nun bei der Meiserstraße?),
dann empfehlen wir, einfach noch einmal Der Theologe Nr. 11 ganz zu lesen
und dann selbst abzuwägen. Könnte es nicht sein, dass sich hier die "alte
Schlange" einmal mehr dreht und windet, bis sie doch noch irgendein Schlupfloch
gefunden hat, aus dem heraus sie wieder ihre Opfer beißen und lähmen kann?
23.6.2009 –
"Im Blickpunkt der Rechtsextremen"
– "Weiden hält zu Bischof Meiser" –
Ausgerechnet in Weiden, einer
bayerischen Hochburg von Rechtsextremen, hält die Stadt an ihrer Meiserstraße
fest. Mit 30 gegen neun Stimmen lehnte der Stadtrat von Weiden eine Umbenennung
vor allem mit der Begründung ab, eine Meiserstraße sei "lebendige
Erinnerungskultur". Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern begrüßte
die Entscheidung des Stadtrats.
Unter diesem Motto könnte man allerdings gleich ein paar andere Straßennamen
wieder einführen, die man nach 1945 geändert hatte. Und mit diesem Argument
könnte man letztlich nach jedem Kriegsverbrecher eine Straße benennen.
Denn schließlich haben alle Menschen ja auch ihre gute Seiten, und gegenüber dem
Unrecht, das von ihnen ausging, bedürfte es eben einer "lebendige
Erinnerungskultur".
Die Süddeutsche Zeitung schreibt zur Weidener Entscheidung für die
Beibehaltung des Namens "Meiserstraße": "SPD-Stadtrat Karlheinz Rothballer kann
das nicht nachvollziehen. Weder den ´Schmusekurs` der Grünen, noch den Begriff
der Erinnerungskultur. Das ist lächerlich, noch dazu weil Weiden im Blickpunkt
der Rechtsextremen ist ... Zweimal gab es große Aufmärsche in den letzten
Monaten" (Weiden hält zu Bischof Meiser, Süddeutsche Zeitung, 13.5.2009).
Dennoch stimmten auch SPD-Stadträte für die Meiserstraße.
Apropos "Erinnerungskultur": Auch bei der Amtseinführung von
Landesbischof Meiser am 4.5.1933 gab es einen großen rechtsextremen Aufmarsch.
In Nürnberg standen dabei SA- und SS-Truppen mit Hitlergruß stramm Spalier, um
Meiser zu huldigen. Sein Vorgänger, der NSDAP-kritische Kirchenpräsident
Friedrich Veit, wurde zuvor zum Rücktritt genötigt. Nach ihm sind allerdings
keine Straßen benannt.
PS: Der nächste große rechtsextreme Aufmarsch in Weiden ist am 3.10.2009
geplant. Ob er durch die Meiserstraße führt oder nicht, wurde nicht berichtet.
18.8.2009 – "Der ewige Meiser"
– Jetzt soll er sogar ein "Gegner" des NS-Rassenantisemitismus gewesen sein
– Es wird immer abstruser. In der evangelischen Kirche in Bayern
wird nichts unversucht gelassen, um die Vergehen ihres ersten Bischofs zu
verharmlosen und ihn in ein besseres Licht zu rücken.
Jüngstes Beispiel: Der evangelische Theologieprofessor Lukas Bormann aus
Bayreuth. Er hat sich näher mit dem Meiser-Gutachten Die evangelische Kirche
und die Judenfrage beschäftigt und kam zu folgenden Beurteilungen: Meisers
Aussagen, dass das kirchliche Christentum die Kraft habe "die Juden auch
rassisch zu veredeln" sei natürlich zugunsten der jüdischstämmigen
Kirchenmitglieder zu verstehen. Denn: "Im Nürnberg des Jahres 1926 verstand man,
dass Meiser damit Evangelische jüdischer Herkunft wie Ernst Crahn verteidigte, deren
Ausschluss aus der Kirche die Rassenantisemiten forderten". Klar findet man
immer noch welche, die noch schlimmer waren.
Eine ähnliche Argumentation liegt zugrunde, wenn Prof. Dr. Lukas Bormann auf den
Juden Friedrich Blach verweist, auf den sich Meiser teilweise bezog. Wörtlich: "Vieles von
dem, was Meiser heute als antisemitische Stereotype und Phantasmen vorgeworfen
wird, hatte er 1926 von Blach übernommen und galt damals als Gegenstand
ernsthafter jüdischer Identitätsdebatten" (Evangelisches Sonntagsblatt Nr.
33, 16.8.2009). Einige Juden selbst hätten also anscheinend oder scheinbar
ähnlich gedacht.
Doch diese Argumentation ist letztlich eine
Frechheit, auch wenn Meiser einzelne Formulierungen von Blach übernommen haben
mag. Denn besagter jüdischer Mitbürger Friedrich Blach hat sich nämlich auch für Ehen zwischen
Juden und Nichtjuden eingesetzt, gegen die Meiser vehement Stellung bezog und
die er als "rassisch unterwertige Mischlingsbildungen" verhöhnte.
Jemand, der so redet, als "Gegner" eines "Rassenantisemitismus" zu bezeichnen,
wie es in der Kirche jetzt versucht wird, ist eine Unverschämtheit gegenüber
allen tatsächlichen Gegnern eines solchen Antisemitismus. Zwar war Meiser kein
spezieller NS-Rassenantisemit, da er ja kein Parteimitglied war, aber dennoch
ein Rassenantisemit, nur eben mit "kirchlichem Anstrich".
Auch lenken solche
Nebenschauplätze vor allem von den unbestrittenen Fakten ab, die jeder nachlesen
kann, zum Beispiel in dieser Dokumentation im Zeitlablauf von 1926 bis 1956.
Und es geht noch weiter: Nach
Friedrich Blach sollten eventuelle Kinder aus Mischehen jüdisch werden – ähnlich wie heute noch die
katholische Kirche in Mischehen katholische Kindertaufen fordert. Sollen die Kinder
aus einer Ehe zwischen einem Katholiken und einem Protestanten später nicht
katholisch getauft werden, wird z. B. heute eine evangelische Eheschließung nicht als
katholisch rechtsgültig anerkannt. Ob man beides jedoch vergleichen kann, ist
allerdings zweifelhaft. Denn Prof. Bormann schreibt nicht, ob
jüdisch-gläubige Kinder in Mischehen nur Friedrich Blachs Wunsch (!) waren,
wogegen ja nichts einzuwenden wäre, oder – ähnlich wie in der katholische Kirche
bis heute – eine
rechtlich zwingende Forderung.
Auch wollte Friedrich Blach schließlich gemischte und nicht nach Rassen getrennte Schulen, während
Meiser Sturm dagegen lief, dass Kinder kirchlicher Eltern auch von
jüdischstämmigen Lehrern unterrichtet würden, weswegen Hans Meiser im Hinblick
auf Juden nach Rassen getrennte
Schulen forderte (siehe hier) – was fast immer
eine Vorstufe zu rassistischen Verbrechen ist.
War Hans Meiser also wirklich ein "Gegner
der NS-Rassenantisemiten", wie er jetzt heldenhaft hingestellt werden soll? Wie
heißt es noch in seinem Gutachten? Meiser schreibt
darin wörtlich:
"Von der antisemitischen Bewegung stark
beeinflusst, sieht auch die völkische Bewegung in der Rassenfrage den Kernpunkt der
Judenfrage und steht hier mit der antisemitischen Bewegung", denen es u. a. "um
Ausmerzung der Juden aus dem Volkskörper geht", "in einer Front." Und:
"Darum können wir uns mit den völkischen Idealen weithin einverstanden erklären
..." (Das ganze Gutachten siehe oben). Die Kirche sollte sich schämen.
Oder reicht es schon, um von der Kirche nachträglich geadelt und zum Vorbild
hochstilisiert zu werden, wenn man im Wirtshaus nicht mit den Stühlen auf
anwesende jüdische Mitbürger einprügelte?
Wir empfehlen: Jeder moralisch noch
zurechnungsfähige Mitbürger sollte aus diesem scheinheiligen kirchlichen Verein
(wofür auf dieser Seite zahllose Beispiele dokumentiert werden), der nichts mit
dem Juden Jesus von Nazareth zu tun hat, endlich austreten.
15.9.2009 –
Professor Dr. Ekkehard Stegemann widerspricht Professor
Dr. Lukas Bormann: Landesbischof Meiser war kein Gegner des Rassismus, im
Gegenteil
–
Zwar sei der erste Landesbischof Hans Meiser kein Vertreter des
NS-Rassenantisemitismus gewesen (siehe oben);
denn der bayerische Landesbischof sah im Unterschied zu
den Nationalsozialisten die Chance, den Juden durch Missionierung zum
kirchlichen Christentum "rassisch zu veredeln", woran die Nazis nicht glaubten.
Ein Rassist war er trotzdem, wie z. B. auch aus dem Leserbrief von Professor Dr.
Ekkehard Stegemann von der Theologischen Fakultät der Universität Basel hervor
geht. Stegemann kritisiert dabei zurecht, dass sein Kollege Bormann aus Bayreuth
(wo es immer noch eine Hans-Meiser-Straße gibt) den jüdischen Philosophen
Friedrich Blach zur Entlastung Meisers heran ziehen will.
Wörtlich schreibt er: "Aber Blach hat nicht wie Meiser einen unüberbrückbaren
Gegensatz zwischen Juden und Deutschen gesehen. Blach wollte, dass die
allermeisten Juden durch Assimilation im Deutschtum aufgehen, aber durchaus
jüdische Deutsche bleiben. Meiser hat das für einen ´Widerspruch in sich selbst`
gehalten. Jüdische Deutsche können für ihn nicht wirkliche Deutsche sein. Blach
hat jüdische und nichtjüdische Deutsche aufgefordert, sich in ihrem Deutschtum
zu versöhnen. Meiser sah überall die Gefahr der ´Verjudung` und den
´Rassenkampf` ... Weil er mit rassi(sti)schen Gründen einen Gegensatz zwischen
Judesein und Deutschsein konstruierte, ist ihm insofern (!) mit Recht ein
ehrendes Gedenken verweigert worden." (Evangelisches Sonntagsblatt Nr. 36,
6.9.2009)
Zur Ergänzung: Wenn Meiser aufgrund seiner nicht vorhandenen
NSDAP-Mitgliedschaft zwar nicht als Vertreter eines NS-Rassenantisemitismus
bezeichnet werden kann, so war er deshalb noch lange nicht deren "Gegner",
sondern er sah sich in derselben "Front" Seite an Seite mit den
Nazi-Antisemiten. Wörtlich schrieb er in seinem berüchtigten Gutachten von 1926:
"Von der antisemitischen Bewegung
stark beeinflusst, sieht auch die völkische Bewegung in der Rassenfrage den
Kernpunkt der Judenfrage und steht hier mit der antisemitischen Bewegung", denen
es nach dem Wissen Meisers u. a. "um Ausmerzung der Juden aus dem Volkskörper
geht", "in einer Front". Und: "Darum können wir uns mit den völkischen Idealen
weithin einverstanden erklären ..." Dies kann man (gegenüber den kirchlichen
Einlullversuchen zu diesem Thema) leider nicht oft genug wiederholen.
18.11.2009 –
Der "Kampf"
in
Bayreuth – Kirche wehrt sich wie immer mit Zähnen und Klauen gegen Umbenennung der
Hans-Meiser-Straße / Kommt die Bischof-Meiser-Kirche?
– Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern wehrt sich weiter vehement gegen
die Umbenennung der Hans-Meiser-Straße in Bayreuth. Der frühere evangelische
Regionalbischof Wilfried Beyhl, der seinen Amtssitz dort hatte, erklärte, eine
Umbenennung käme einer "Entehrung" gleich.
Landesbischof Hans Meiser war sowohl rassischer als auch theologischer Antisemit
und massiver Kriegstreiber. Adolf Hitler scheute
letztlich die Auseinandersetzung mit Meiser und bestätigte ihn 1934 nach
zwischenzeitlichen Dissonanzen wegen des Status der Kirche im NS-Staat nach
einem persönlichen Gespräch im Amt (siehe dazu unsere Chronologie oben).
Bekannt ist auch das gute Verhältnis zwischen dem evangelischen Landesbischof
und dem Bayreuther NS-Gauleiter und späteren NS-Kultusminister in Bayern, Hans
Schemm. Bei der lutherischen Beerdigung des NS-Funktionärs ließ der
Landesbischof zu dessen Ehre alle Glocken aller evangelischen Kirchen in Bayern
läuten. Hans Schemm wünschte bereits vor der Machtergreifung der NSDAP, "dass an
jedem Laternenpfahl ein Jude baumeln solle" (siehe dazu unsere erste
Meldung über Bayreuth). Und Meiser stellte sich auch
bereits 1926 hinter die "völkischen Ideale" und in "eine Front" mit den
"radikalen Rasseantisemiten", welche die
"Ausmerzung der Juden aus dem Volkskörper" forderten.
Die jüdische Gemeinde Bayreuths wollte der evangelischen Kirche entgegen kommen
und schlug im Jahr 2007 vor, die Straße nach einem anderen Protestanten, dem
Theologen Dietrich Bonhoeffer, umzubenennen, der zeitweise in Bayreuth
inhaftiert war und nach dem in dieser Stadt keine Straße benannt ist. Doch
Bayreuths Regionalbischöfin Dorothea Greiner ist bis heute an einer Umbenennung
"nicht ... interessiert". (Evangelisches Sonntagsblatt Nr. 45, 8.11.2009)
Die kirchlichen Befürworter der Beibehaltung der Hans-Meiser-Straße verweisen
neben den "Verdiensten" Meisers im so genannten "Kirchenkampf" auch
darauf, dass Hans Meiser die Kirchenmusikschule von Erlangen nach Bayreuth
verlegt hatte. Zudem durfte der Meiser-Anhänger Dr. Lukas Bormann den
Stadträten seine Position vortragen.
Wir hatten bereits im Jahr 2007 einen
Vorschlag zur Befriedung des Konflikts gemacht: Die Kirche stimmt der Umbenennung der Straße zu und
benennt dafür eine ihre Kirchen in Bayreuth um in Bischof-Meiser-Kirche.
Schließlich gibt es ja auch Martin-Luther-Kirchen und
andere Kirchen, die entweder nach Luther selbst oder nach einem seiner
Nachfolger, also einem Lutheristen, benannt sind.
Wenn die Kirche jedoch selbst nicht bereit ist, eines ihrer zentralen Gebäude in
dieser Stadt nach diesem Bischof zu benennen, dann sollte sie aber auch der Stadt
und ihren Bürgern nicht zumuten,
eine ihrer
Straßen weiterhin nach diesem Bischof zu benennen – auch wenn die beiden
kirchennahen Parteien in Bayreuth, CSU und FDP, dies für die Kirche durchdrücken
wollten.
Niemand würde die Kirche daran hindern, eigene Gebäude nach Meiser zu benennen,
der Blutvergießen ohne Ende zu verantworten hat, und die Meiser-Anhänger könnten
ihren Glaubensbruder dann dort besonders ehren. Und Nichtkirchenmitgliedern, evtl. gar
jüdischen Mitbürgern, würde dann nicht mehr zugemutet, ausgerechnet in einer
Hans-Meiser-Straße zu wohnen, dessen Namenspate sie einst als "rassisch
unterwertig" verleumdet hatte.
10.3.2010 –
Meiserstraße in München wird endgültig in Katharina-von-Bora-Straße umbenannt /
FAZ-Journalist schlägt sich auf die Seite der Meiser-Verehrer / Hausverbote für
evangelisch getaufte Juden aus rassischen Gründen auch in bayerischer
evangelischer Landeskirche
– Nun sprach der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ein endgültiges Machtwort und
verwarf die Klage des Meiser-Enkels Hans-Christian Meiser gegen die Umbenennung
der Münchner Meiserstraße in Katharina-von-Bora-Straße. Allerdings ist der neue
Name ebenfalls hochproblematisch, da auch die Frau
Martin Luthers offenbar bekennende Antisemitin war, und
Martin Luther sowieso.
Da half es auch nichts, dass die Meiser-Verehrer
noch den FAZ-Journalisten und als Donald-Duck-Anhänger bekannten Patrick Bahners
als einen späten Verfechter für ihre
Sache gewinnen konnten. Auch hier gilt: Nichts von dem, was auch in dieser
Dokumentation von 1926-1956 nachgewiesen ist, wird dadurch ungeschehen gemacht
oder relativiert. Es wird stattdessen versucht, unter Ignorierung unzähliger
Fakten einen Schauplatz zu präsentieren, auf dem der Betreffende in einem etwas
günstigerem Licht erscheint.
In einem Artikel in der FAZ (23.2.2010)
versuchte Bahners nur einmal mehr, scheinbar positive Aspekte Meisers zu präsentieren,
die diesen als verehrungswert erscheinen lassen, die sich jedoch bei genauerem
Hinsehen als extrem zwielichtig erweisen.
So hob Patrick Bahners zum Beispiel
noch einmal Meisers Einstellung der "Zugehörigkeit der getauften Juden zur
Kirche" hervor, die er 1926 äußerte, als ob das ein Verdienst sei. Schließlich zahlten
diese
dann ja auch ihre Kirchensteuern bzw. spendeten. Und unerwähnt bei Patrick Bahners blieb einmal mehr, dass
Meiser und seine Bischofskollegen einige Jahre später nicht dagegen protestierten, dass eben diese "getauften
Juden" genauso in den KZs vergast wurden wie die übrigen Juden, die nicht noch
zuvor in die Kirche übergewechselt waren. Es hatte den meisten von ihnen ja auch
nichts genützt. Kein Wort auch,
dass Landesbischof Meiser höchstpersönlich
die Mitgliedsrechte "getaufter Juden" massiv einschränkte bis hin zu
Hausverboten bei Veranstaltungen, nur weil es sich "rassisch" um "Juden" handelte.
Zudem bemühte sich der FAZ-Redakteur mit gewundenen Konstruktionen, das
antisemitische Meiser-Gutachten
von 1926 aus bestimmten vertrackten Umständen von 1926 heraus als gar nicht so
antisemitisch erscheinen zu lassen, da es ja gegen viel schlimmere Antisemiten
gerichtet gewesen sei. Doch man bedenke: 1926, das war die Weimarer Republik, da
musste noch gar niemand Antisemit sein, da gab es noch keine Nachteile, wenn man es
nicht war. Da war es freiwillig, wenn man, wie womöglich Meiser, als vielleicht
etwas "gemäßigterer"
Antisemit galt (nach heutigem Bewusstsein allerdings ein massiver Antisemit). Und außerdem
erinnert der Verweis der Meiser-Freunde auf viel schlimmere
Antisemiten an die Argumentation
[März 2010] der katholischen Kirche bei Kinderschänder-Verbrechern
–
wenn sich die Exzellenzen etwa damit verteidigen, es gäbe ja noch viel
schlimmere Verbrecher als die Kinderschänderverbrechen der eigenen Priester.
(z. B. spiegel.tv.de, Nr. 0,1518,682701,00)
Und unterschlagen wurde bei Patrick Bahners in der FAZ zudem, dass Landesbischof Meiser das
Gutachten von 1926 im Jahr 1937 zum Beispiel erneut verschicken ließ. Und
kann es wirklich verehrenswert sein, wenn der bayerische Landesbischof ebenda
kurz vor der Vergasung der Juden noch die Ehen zwischen Deutschen und Juden mit
Berufung auf "Gott" als "rassisch unterwertige
Mischlingsbildungen" verhöhnt? Wem hat er damit auch 1937 noch
zugearbeitet? Für eine
Meiserstraße in München ist dies und vieles mehr nun endlich zuviel. Für
Bayreuth und Weiden ist es jedoch weiter
offenbar nicht so schlimm.
20.12. / 21.12.2010 –
Weihnachtsgeschenk an die Kirche: Stadt
Bayreuth bekennt sich zur Ehre für rechtsradikalen antisemitischen Bischof, der
die Soldaten zu Tausenden in den Krieg trieb – Die Hans-Meiser-Straße bleibt –
Demokratie nicht im Bewusstsein verankert, wenn es um die Kirche geht
– Still und nahezu heimlich bereitete der Stadtrat von Bayreuth der
evangelisch-lutherischen Kirche ein
vorweihnachtliches Geschenk. Er bekennt sich zum ehemaligen
evangelisch-lutherischen Landesbischof Hans Meiser (Landesbischof von 1933-1955)
und der Ehrung Meisers in Bayreuth durch die Hans-Meiser-Straße. Dabei wurde die
Öffentlichkeit übergangen und die Ergebnisse einer eigens eingesetzten
Kommission, "die die historischen Gründe von Meiser aufarbeiten sollte", wurden
gar nicht berücksichtigt. "Angesichts der besonderen Vergangenheit Bayreuths als
ehemalige Gauhauptstadt und der Verflechtungen der Familie Wagner mit Hitler
hätte es Bayreuth angestanden, die Hans-Meiser-Straße umzubenennen", sagte der
SPD-Landtagsabgeordnete Christoph Rabenstein der Nachrichtenagentur dpa (Fränkischer Tag, 20.12.2010).
Und: "Ich fühle mich total überfahren." (Nordbayerischer Kurier, 17.12.2010)
Zur Bayreuther Stadtgeschichte gehört das außergewöhnlich gute Verhältnis
zwischen dem evangelischen Landesbischof Hans Meiser und dem ehemaligen
Bayreuther NSDAP-Ortsgruppen- und Gauleiter und späteren Nazi-Kulturminister Hans Schemm,
der schon lange vor dem Holocaust forderte, "dass an jedem Laternenpfahl ein
Jude baumeln solle" und der ein erbitterter Feind der Demokratie war. Auch wenn der Kirchenführer Meiser selbst solche Aussagen
nicht machte, stellte Meiser sich doch schon in den 20er-Jahren
zusammen mit der "völkischen Bewegung" "in eine Front" mit
denjenigen Antisemiten, die eine "Ausmerzung der Juden aus dem
Volkskörper" forderten. Der Landesbischof stellte sich also an
die Seite von Schemm und anderen, die sich schließlich politisch durchsetzten.
Nachdem Hans Schemm gestorben war, ließ Meiser zeitgleich zur
evangelisch-lutherischen Trauerfeier alle Kirchenglocken in allen evangelischen
Kirchen Bayerns
als Zeichen der tiefen Anteilnahme der Kirche am Tod des Nazi-Politikers läuten
– eine Ehre, die seither keinem weiteren Politiker mehr zuteil wurde.
Hans Meiser trägt auch einen großen Teil der geistigen Verantwortung für das
Blutbad des 2. Weltkriegs, in welchen er die jungen evangelischen Männer
seiner Kirche bis zuletzt mit entsprechenden Predigten hinein trieb und wo er
sich bei "Gott" für die Siege von Nazi-Deutschland bedankte (z. B.
hier).
Mit dem Bekenntnis zu Hans Meiser und der Hans-Meiser-Straße gab der Stadtrat
von Bayreuth vor allem mit dem Stimmen der CSU und seinem bayerischen "Anhängsel", der FDP,
auch der Forderung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern nach. Diese
hatte sich mehrfach deutlich gegen eine Umbenennung ausgesprochen. Und nach der
Entscheidung
bedankte sich die Kirche in einem Brief von Oberkirchenrätin Dorothea Greiner
beim Stadtrat dafür, "dass er sich bei seiner Entscheidung von einem
differenzierteren Bild Bischof Meisers hat leiten lassen"
(Evangelisches Sonntagsblatt Nr. 1/2011 vom 2.1.2011).
"Differenziertes Bild" ist auch so ein Wort, womit man letztlich umnebelt, dass
es hier doch nicht um eine kirchliche Zelebrierung für die Gläubigen geht, die
das so wollen, sondern um einen
Straßennamen für die Bevölkerung und um einen Vorbildcharakter eines
Straßennamensträgers für die gesamte Bevölkerung, unabhängig von Religion und Konfession
Die Bitte der
israelitischen Kultusgemeinde nach Umbenennung der Straße wurde dagegen zurück gewiesen (siehe hierzu
oben), obwohl die jüdische Gemeinde sogar einen
anderen evangelischen Theologen als Straßenpaten vorgeschlagen hatten, um die
mächtige Kirche bloß nicht zu verärgern.
Genützt hat es nichts. Und es ist ein weiteres Indiz dafür, dass sich die Kirche
im Kern nicht wirklich geändert hat, worunter in unserer Zeit ja auch viele
andere Minderheiten leiden müssen (siehe z. B.
Der Theologe Nr. 12).
Ein Kommentar spricht auch von "Gutsherrendenken" bei Politikern und Bürgern,
und es zeigt, wie wenig unsere Demokratie bei vielen Menschen verankert
ist, wenn es um die Kirche und ihre Belange geht. Im Kommentar heißt es weiter:
"Wir sind geistig noch meilenweit weg von einer Diskussionskultur wie bei
Stuttgart 21"
(nordbayerischer-kurier.de, 20.12.2012). Man könnte es auch deutlicher
formulieren: Unsere gute Demokratie ist in Gefahr. Oder, wie es der Philosoph
Karl Jaspers einmal formulierte: "Der biblisch fundierte Absolutheitsanspruch"
der Kirchen "steht
ständig auf dem Sprunge, von neuem die Scheiterhaufen für Ketzer zu entflammen"
(Der
philosophische Glaube, 9. Auflage, München 1988, S. 73).
Hier liegt nach wie vor die
Zeitbombe, die von vielen Zeitgenossen schlicht unterschätzt wird.
Und in nur einigen Monaten
[im Herbst 2011] gehen alle Politiker des Deutschen Bundestags vor dem
einzigen absolutistischen Monarch und unumschränkten Führer Europas, dem Papst,
in die Knie und lauschen im Reichstag seiner Botschaft. Für Hans Meiser wurde
1933 der Titel "Landesbischof" erst neu geschaffen (zuvor sprach man von einem
"Kirchenpräsidenten"), damit auch die Kirche nach dem Führerprinzip regiert
werde wie der Staat. Wo wurde das damals so beschlossen? In Bayreuth.
22.1. / 7.2.2013 –
Stadtrat der Meiserstadt* Ansbach bekennt sich erneut zu antisemitischem Kriegsbischof und
ehrt ihn weiterhin durch die Bischof-Meiser-Straße – Scheinheilige Verteidigung
des Bischofs / 70 Jahre nach Ende der Schlacht von Stalingrad: Die geistlichen
"Rechtfertiger" und Brandstifter werden
weiter geehrt – Die mittelfränkische Hauptstadt
Ansbach wurde in der Vergangenheit sehr von der Evangelisch-Lutherischen Kirche
geprägt. Und so gibt es auch dort in Zukunft eine Bischof-Meiser-Straße.
Dazu ein kurzer Rückblick: Anfang
der 30er-Jahren rekrutierte die NSDAP aus dem Raum Ansbach unter den
Protestanten einen großen Teil ihrer Anhängerschaft, und der fränkische
Protestantismus gehört auf diese Weise mit zu den entscheidenden Wegbereitern des "Dritten
Reiches". In überwiegend evangelischen Stimmkreisen Bayerns erhält die NSDAP bei
der Reichstagswahl im Juli 1932 über 70 % der Stimmen (im Reichsdurchschnitt
37,3 %). Und: "Besonders in kleinen protestantischen Landgemeinden gewann
sie bereits 1932 zwischen 90 und 100 Prozent aller Stimmen" (zit. nach
Vollnhals, Evangelische Kirche und Entnazifizierung, München 1989, S. 124).
Dort sind wiederum die evangelischen Ortspfarrer für die Nazi-Begeisterung
maßgeblich mitverantwortlich. Der Historiker Manfred Kittel schreibt: "Im
evangelischen Franken konnte man bereits im Frühjahr 1932 den Eindruck gewinnen,
das Dritte Reich sei angebrochen"
(Manfred Kittel, Provinz zwischen Reich und Republik, München 2000, zit. nach
Evangelisches Sonntagsblatt Nr. 15, 14.3.2008).
Und einer der lutherischen Pfarrer des Dekanats
Ansbach forderte am 11.9.1942 sogar ein Massaker mit Hinrichtungen an allen in
Deutschland lebenden Juden, wenn die Alliierten sich den Friedensbedingungen
von Adolf Hitler nicht unterwerfen. Sein Aufruf hatte nach 1945 weder rechtliche
und kirchendisziplinarische Konsequenzen.
Zurück in die jüngere Vergangenheit:
Im Jahr 2006 lehnte der damalige Stadtrat von Ansbach eine Umbenennung der
Bischof-Meiser-Straße ab. "Die Argumente der Gegner der Umbenennung waren
damals, dass man aus heutiger Sicht von niemand die Bereitschaft zum Märtyrertum
verlangen dürfe." (Süddeutsche Zeitung, 19./20.1.2013)
Doch Bischof Meiser wäre keineswegs zum "Märtyrer" geworden, wenn er sich nicht
an den rassistischen Beschimpfungen der jüdischen Mitbürger beteiligt hätte. So
hat er
z. B. in einem Kirchenschreiben über "rassisch-unterwertige
Mischlingsbildungen" gelästert, wenn ein evangelischer Bürger z. B. eine
Bürgerin jüdischen Glaubens geheiratet hat. Und er wäre auch nicht zum "Märtyrer"
geworden, wenn er die
Judenverfolgung kritisiert hätte
anstatt sich mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass die Kirche sie tot schweigt
und anstatt mit antijüdischen Äußerungen selbst immer wieder Öl ins Feuer zu
gießen. Siehe z. B. die Preussensynode der
Evangelischen Kirche 1935. Dort sagte Bischof Meiser wörtlich: "Ich möchte meine
Stimme erheben gegen ein selbstverschuldetes Martyrium."
Dabei hätten Adolf
Hitler und die Reichsregierung nicht gewagt, in
diesem Fall gegen die
lutherische Kirche vorzugehen und z B. Bischof Meiser auch nur ein Haar zu
krümmen, da die NSDAP die Unterstützung der bayerischen Protestanten und des
Protestantismus insgesamt brauchte. Und sei es nur, um später die
Wehrmachtssoldaten im Krieg für das
massenhafte Töten und Morden segnen zu lassen, was dann auch geschah, wobei vor
allem Bischof Meiser von den mörderischen "Erfolgen" des 2. Weltkriegs
begeistert war.
Doch zurück zur Judenverfolgung und zu der Frage: Ist beispielsweise das Schweigen
des Bischofs zur
Judenverfolgung, um dadurch nicht das geringste Risiko einzugehen, sich
und die Kirche bei den Machthabern unbeliebt zu machen, also so weit "in Ordnung", dass man auch
weiterhin nach dem Bischof eine
Straße in Ansbach benennt? Während z. B. nach den jungen Geschwistern
Scholl, die kein Bollwerk einer unerbittlich ihre Amtsträger ehrenden Landeskirche im Rücken hatte und die ihren Mut für eine
Flugblattaktion mit dem Leben bezahlten, in Ansbach keine Straße benannt ist?
Genauso wenig wie nach bekannten jüdischen
Verfolgten in Ansbach Straßen benannt sind.
Nun entschied der Stadtrat von Ansbach im Jahr 2013 erneut über das Thema
"Landesbischof Meiser" und
hielt mit Zähnen und Klauen an seiner dunklen Vergangenheit fest. Nur 11 von 37
Stadträten stimmten für einen Neuanfang mit einer Umbenennung (nordbayern.de,
31.1.2013). Die Entscheidung fiel nahezu zeitgleich zu dem Gedenken an die
Schlacht von Stalingrad, bei der die deutschen Soldaten furchtbar mordeten und
selbst zum größten Teil ums Leben kamen. Am 3.2.2013 jährt sich das Ende der
Schlacht von Stalingrad im 70. Jahr. Die meisten deutschen Soldaten waren
evangelisch-lutherisch und zogen im Vertrauen auf Bischof Meiser und dessen
Segen und im Vertrauen auf die Kriegsappelle der Bischöfe (wie
z. B. von Bischof Marahrens von der Bekennenden Kirche in Hannover) in die
Massaker. Sehr viele Soldaten sind auch erfroren.
Dazu in eigener Sache: Kein Wunder,
die Meiserstadt* Ansbach: Nicht nur die Vergangenheit ist dunkel, auch die
Gegenwart. Als der Verfasser des "Theologen" in den 90er-Jahren auf dem
Wochenmarkt in Ansbach einen Marktstand mit herzhaftem
Natursauerteig-Steinmühlenbrot mit Keimling und aus ökologisch und friedfertigem
Anbau (auch ohne Mist und Gülle) betrieb, wurde er eines Tages ohne
triftigen Grund gefeuert, obwohl er sich nichts hatte zuschulden kommen lassen.
Die damaligen offiziellen "Gründe" waren für ihn nur vorgeschoben. Angeblich hätten
auch andere Marktbeschicker, die mehr mit der Region verbunden seien als er (der
im benachbarten Regierungsbezirk seinen Hauptwohnsitz hatte), ein
ähnliches Verkaufs-Sortiment, und man wolle nicht mehr so viele Angebote davon haben, weswegen man
keine Genehmigung mehr erteilen könne. Tatsache ist aber: Das Sortiment war in
mehrfacher Hinsicht einmalig und der angebliche "Konkurrent" wusste auch von
nichts. Doch kurz zuvor verleumdete
und rufermordete der "Sektenbeauftragte" der Evangelisch-Lutherischen
Kirche in Bayern bei einem öffentlichen Vortrag in Ansbach den Glauben
des Standbetreibers, worüber groß in der Lokal-Presse berichtet wurde.
Daraufhin erfolgte die Kündigung.
* Anmerkung: Dies ist keine offizielle
Bezeichnung für Ansbach, sondern ein von uns im Jahr 2013 verwendeter Titel für
die Stadt.
29.12.2019
/ 30.1.2020 / 31.5.2022 –
Die Süddeutsche Zeitung schrieb dazu im
Dezember 2019: "Bayreuth – das sich mit seiner NS-Vergangenheit nie so schonungslos
auseinandergesetzt hat wie Nürnberg – hat sich [2010] anders entschieden [für
die Beibehaltung des Straßennamens Hans–Meiser–Straße]. Und wird neun Jahre
danach erneut eingeholt von der Meiser–Debatte. Diesmal war es ein Leserbrief im
Nordbayerischen Kurier, der die Diskussion hat entflammen lassen. Es
braucht keine prophetischen Fähigkeiten, um zu ahnen, dass dieser Meinungsstreit
die Stadt immer wieder einholen wird. Zu Recht." (sueddeutsche.de,
16.12.2019)
Immer mehr Bürger wachen auf und lassen sich von der Kirche nicht mehr den Blick
auf die Geschichte und Gegenwart der Konfessions–Organisationen
verbiegen, die den guten Namen "Christus" für äußere Religionszwecke
missbrauchen, jedoch Seine Lehre in ihr Gegenteil verkehrten und weiter
verkehren. Da die
Mörder oder Kriegstreiber von gestern auch heute noch als Heilige verehrt werden wie in der
Vatikankirche oder da sie weiterhin als Namenpaten für öffentliche Straßen und Plätze
von allen Bürgern entsprechend geehrt werden sollen,
beweist auch, dass sich die Kirche im Kern nicht geändert hat, sondern sie sich
nur so weit es ihr notwendig erscheint - dem jeweiligen Zeitgeist anpasst.
Während dabei die Kirchenanhänger wie eh und je
vermeintliche "Verdienste" ihres Vorläufers Meiser in den Vordergrund stellen,
sind wesentliche Verbrechen, die er mitzuverantworten hat, noch gar nicht
aufgearbeitet. Statt also irgendwelche schwer deutbaren Notizen aus den Ecken heraus zu
holen, die Meisers Lebenslauf beschönigen sollen und womit
der alte Straßenname auch künftigen Generationen zugemutet werden soll, wäre
es endlich an der Zeit, auch die unzähligen Morde an behinderten Kindern in den
Einrichtungen der evangelischen Diakonie in Bayern während der Regentschaft
Meisers weiter aufzuarbeiten;
weiterhin was Bischof
Meiser selbst davon wusste und wie er Dokumenten zufolge auch aktiv tätig war,
um die Verbrechen nach 1945 zu vertuschen und z. B. eine Massenmörderin vor
Strafverfolgung zu schützen.
Zum Thema der Umbenennung der Hans-Meiser-Straße in Bayreuth, siehe auch
unsere bleibend aktuellen früheren Meldungen auf dieser Seite über Landesbischof
Hans Meiser:
20.12./21.12.2010 – Weihnachtsgeschenk an die Kirche: Stadt
Bayreuth bekennt sich zur Ehre für rechtsradikalen antisemitischen Bischof, der
die Soldaten zu Tausenden in den Krieg trieb – Die Hans-Meiser-Straße bleibt –
Demokratie nicht im Bewusstsein verankert, wenn es um die Kirche geht
18.11.2009 – Der "Kampf" in
Bayreuth – Kirche wehrt sich wie immer mit Zähnen und Klauen gegen Umbenennung der
Hans-Meiser-Straße / Kommt die Bischof-Meiser-Kirche?
30.7.2007 / 7.7.2009 / 30.12.2019 –
Bayreuth:
Evangelische Kirche sträubt sich gegen Umbenennung von Hans-Meiser-Straße in
Dietrich-Bonhoeffer-Straße / Vorschlag: Eine Bayreuther Kirche wird in "Bischof-Meiser-Kirche"
umbenannt
8) Zum Weiterlesen:
Fast gleichzeitig mit Landesbischof Meiser wurde 1933 in Münster
Clemens
August Kardinal von Galen zum römisch-katholischen Bischof geweiht. Wie
Meiser trieb auch von Galen die Soldaten mit Nachdruck in den Krieg. Übrigens
"bis zum letzten Blutstropfen" auch noch 1945.
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