Der Theologe Nr. 12, aktualisiert am 24.9.2024
Anneken Hendriks aus Amsterdam geriet ins Visier der damaligen
"Sektenbeauftragten". Sie ging sieben Jahre lang nicht zur Beichte und zur kirchlichen Abendmahlsfeier
und habe damit
"die Ordnungen der heiligen Kirche verachtet".
Auch ihre Zwangsvereinnahmung durch die Kirchentaufe als Baby habe sie
"verleugnet"
und sich als Nachfolgerin Jesu neu taufen lassen. Im Jahr 1571 wurde sie dafür
bei lebendigem Leib verbrannt. Um sie möglichst schnell zum Schweigen zu bringen
und
"letzte Worte"
aus dem Feuer zu verhindern, stopfte man ihr auch noch Schießpulver in den Mund,
das dort gleich explodierte.
(Zeitgenössischer Kupferstich)
Die heutigen Sektenbeauftragten haben nicht mehr
die Machtbefugnisse über das irdische Leben und den Tod wie damals, als sie die
von ihnen Kritisierten den staatlichen Behörden zur
Ermordung auslieferten. Doch können sie auch heute noch die berufliche und
gesellschaftliche Existenz der von ihnen Bekämpften zerstören. Noch immer werden
sie von staatlichen Behörden als angebliche
"Experten"
über Andersdenkende herangezogen, obwohl sie nur Kirchen-Lobbyisten sind und mit
ihren Kirchen-Maßstäben messen, den Dogmen und lutherischen Bekenntnissen, die
damals als Basis des Grauens die gleichen waren wie sie heute sind.
"Im
Mittelalter wären wir ganz anders mit euch umgesprungen." |
|
Früher wurden sie "Inquisitoren"
genannt. Sie betonten vordergründig ihre angebliche "Sorge" um ihre Mitmenschen.
Doch
dahinter steckten die "Wölfe im Schafspelz". Die "Inquisition" der beiden Großkirchen hat das Leben zahlloser
Menschen und die Zerstörung ihrer Familien über einen Zeitraum von zwei Jahrtausenden auf dem Gewissen
(siehe dazu
https://www.kirchenopfer.de). Dabei handelt
es sich nicht um eine Neben- oder Unterabteilung des kirchlichen
Herrschaftsgefüges, sondern seit den Anfängen um ein zentrales Wesensmerkmal des
veräußerlichten Christentums, das den Namen "Christus" missbraucht für eine
Machtreligion. Diese Religion wurde und wird immer noch von Priestern und Theologen beherrscht, welche Jesus,
der Christus, niemals eingesetzt hat. Und diese ermächtigten sich dabei nicht nur
viele Jahrhunderte lang als Herren über Leben und Tod, sondern aufgrund ihrer
so genannten "Sakramente" (Taufe, Beichte, Eucharistie, Letzte Ölung u. ä.) bis heute auch
als Herren über Seligkeit oder Verdammnis, obwohl diese ihre religiösen Lehren in Wirklichkeit nur
Brimborium und Kirchentheater sind.
Machtdemonstration der Kirche:
Die früheren
"Sektenbeauftragten"
genießen ihren Triumph. Die urchristlichen Abweichler vom "reinen"
römisch-katholischen Glauben werden gleich auf dem Scheiterhaufen verbrennen.
Die modernen Begriffe für die kirchlichen Inquisitoren, z. B. "Beauftragte für Religions-
und Weltanschauungsfragen", tauchten in ähnlicher Form schon im Dritten Reich
auf. So hieß das Referat V beim Reichssicherheitshauptamt z. B. "Referat für Religions- und
Weltanschauungsfragen", und es war
dem SS-Führer Heinrich Himmler unterstellt. Die Zielsetzung dieses Referates war "das Auslöschen des
Sektenwesens". Die Arbeitsweise: Verleumdung, Denunziation, üble Nachrede,
falsche Anschuldigungen vor Gerichten. (Institut für Zeitgeschichte
–
Universität München, Brief von C. Nestmann, 15.1.1988)
Der Katholik Adolf
Hitler war dabei bestrebt, eine Auseinandersetzung zwischen den Großkirchen oder gar
Übertritte von einer Konfession zur anderen zu vermeiden, um die Menschen nicht
von ihren "völkischen" Aufgaben abzulenken. Er selbst blieb
in diesem Sinne zeitlebens Mitglied der römisch-katholischen Kirche und zahlte
jeweils pünktlich
seinen Kirchenbeitrag (Belege bei
Der Theologe
Nr. 4). Und um sich die Gunst der Kirchen
für die "völkischen" Aufgaben zu sichern und zu erhalten, kam der nationalsozialistische Staat gerne
auch deren kirchlichem Verlangen
nach, kleinere religiöse Bewegungen oder Atheisten und Agnostiker zu bekämpfen.
So wurde bereits im Jahr 1932
unter der Kanzlerschaft des Katholiken Franz von Papen mit den Stimmen der NSDAP
und unter dem Beifall der Kirchen die Freidenker-Bewegung
verboten.
Im Jahr 1933 kommentiert dann
Das Evangelische Deutschland, das in Berlin erscheinende
damals
"maßgebliche Organ auf protestantischer Seite", das
Verbot der Zeugen Jehovas mit Dankbarkeit und fordert weitere Verbote: "Die Kirche wird dankbar anerkennen, dass durch dieses Verbot eine
Entartungserscheinung des Glaubens beseitigt worden ist ... Damit ist jedoch noch keine
vollständige
Bereinigung der Sekten erreicht. Erwähnt seien nur die
Neuapostolischen"
(Das Evangelische Deutschland, Kirchliche Rundschau für das Gesamtgebiet der Deutschen
Evangelischen Kirche, Nr. 37, 10.9.1933; zit. nach Detlef Garbe, Die Verfolgung
der Zeugen Jehovas im Dritten Reich, EZW-Text Nr. 145, Berlin 1999, S. 10).
Die Kirche versuchte dabei
von Anfang an, die nationale Stimmung in Deutschland im Sinne ihrer
inquisitorischen Ziele zu nutzen.
"Ich träumte davon, Großinquisitor zu werden ... So lernte ich
dieses höchste Gremium der Kirche als eine Versammlung kranker Geister
kennen,
die Vergnügen daran fanden, einen Scheiterhaufen nach dem anderen aufzuschichten und in Brand zu stecken."
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Und einmal mehr ließ ein Staat den Inquisitionsgeist der Kirche
gewähren,
und die Kirche bedankte sich später unter anderem mit uneingeschränkter kirchlicher Unterstützung für alle
deutschen Angriffskriege. So sind in der Zeit von 1933 bis 1939 zum Beispiel 5-10 % der KZ-Insassen
im nationalsozialistischen Deutschland Zeugen
Jehovas. 1200 von ihnen kommen dort ums Leben, weitere 250 werden im Sinne der
"Bereinigung der Sekten" anderweitig erhängt,
erschossen oder geköpft. Und im Jahr 1942 verlangt der bayerische evangelisch-lutherische Pfarrer Friedrich Wilhelm Auer
von der NS-Regierung gar eine neue
"Bartholomäusnacht", bei der keiner der noch lebenden Juden verschont werden soll.
Der lutherische Pfarrer wurde für sein "Endlösungs"-Konzept der "Judenfrage" im
Namen seines "Gottes" auch nach 1945 nie juristisch belangt.
Kirche und Nationalsozialisten arbeiteten bei der "Bereinigung der Sekten"
und der Judenverfolgung auf vielfache Weise Hand in Hand. Die
Apologetische Centrale in Berlin,
Vorläuferin der heutigen Evangelischen Zentrale
für Weltanschauungsfragen (EZW), erarbeitet z. B. Materialien über "Sekten" und
Juden. Und deren Leiter Walter Künneth schreibt in einem Brief vom 16.12.1933
über die Zusammenarbeit mit der Gestapo: "Der Materialaustausch
zwischen dem Geheimen Staatspolizeiamt und der Apologetischen Centrale hat bereits
begonnen. Auch mit dem Propaganda-Ministerium wurde Fühlung aufgenommen. Es besteht die
Aussicht, dass auch hier eine Arbeitsverbindung zustande kommt. Auch das
Reichsinnenministerium hat in den vergangenen Monaten der Apologetischen Centrale
wiederholt wichtiges Material zur Durchprüfung und praktischen Ausnutzung zur Verfügung
gestellt." (Evangelisches Zentralarchiv 1/C3/392; zit. nach
Röhm/Thierfelder, Juden-Christen-Deutsche, Stuttgart 1990, Band 1, S. 412;
weitere Hinweise
siehe z. B. in Der Theologe Nr. 4 – Die evangelische
Kirche und der Holocaust)
Im Jahr 1937 wird die Centrale dann aufgrund eines Konflikts der Kirchenmänner
mit dem Reichsleiter und Erziehungs-Beauftragten der NSDAP, Alfed Rosenberg,
geschlossen. Die Centrale hatte zuvor Rosenbergs Buch
Mythos des 20.
Jahrhunderts kritisiert. Dies wird von der evangelischen Kirche heute als
scheinbarer Beleg dafür missbraucht, dass sie nicht im Einklang mit dem
damaligen Staat stand. In Wirklichkeit hat aber Adolf Hitler die
germanisch-heidnischen Anschauungen von Alfred Rosenberg nur als dessen
Privatmeinung und ausdrücklich nicht als Position der NSDAP bezeichnet, weshalb
die Maßnahmen Rosenbergs wahrscheinlich gar nicht im Einvernehmen mit Hitler und der
NSDAP-Parteispitze getroffen wurde, man jedoch Rosenberg in diesen Angelegenheiten
gewähren ließ, um ihn nicht zu demontieren. Ein klarer Belegt dafür:
Adolf Hitler sagte 1936 wörtlich:
"Ich
wünsche keinerlei Kampf gegen die Kirchen oder Priester.
Der Mythos des Herrn
Rosenberg ist keine parteiamtliche Publikation"
(Friedrich Heer,
Der Glaube des Adolf Hitler, Anatomie einer politischen Religiosität, München,
Esslingen 1968, S. 310).
Außerdem hat sich durch die Aktivitäten Rosenbergs die Haltung der Kirchen gegenüber religiösen
Minderheiten nicht geändert.
So fordert im selben Jahr 1937 der der so genannten Bekennenden Kirche angehörige Oberkirchenrat D.
Otto Bezzel:
"Die Juden sind die Zerstörer und gehören
hinausgepeitscht" (zit. nach
Evangelisches Sonntagsblatt in Bayern Nr. 42/1988, S. 15).
Im Jahr 1947 wird D. Otto Bezzel
dann zum Personalreferenten der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche
Bayerns befördert. Damit ist er faktisch der zweitstärkste Mann hinter dem
Landesbischof, was er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1962 auch bleibt. Dies
sind allerdings nur wenige typische Einzelfälle innerkirchlicher Karrieren. Wollte man alle
heute zugänglichen Materialien hier
aufzählen, könnten darüber mehrere Bücher geschrieben werden.
Der Name des Referats V im damaligen
Reichssicherheitshauptamt, "Referat für Religions- und
Weltanschauungsfragen", wurde Anfang der 70er Jahre dann fast identisch in dem
Namen "Arbeitsgemeinschaft
für Religions- und Weltanschauungsfragen" wieder verwendet.
Und diese ist eine
Initiative des Sekten- und Weltanschauungsbeauftragten der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Pfarrer Friedrich Wilhelm Haack
(F.
W. Haack, Sekten, 1974, S. 62
– Der Hinweis auf Pfarrer Haack fehlt in
späteren Auflagen). Beauftragte für "Sekten- und Weltanschauungsfragen"
– in diesem Gewand treten die alten Inquisitoren des kirchlichen Imperiums nun
in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg auf und ihre Macht ist seither gewachsen.
Die ähnlich wie in der Weimarer Republik gegenüber der Kirche schwache und
unterwürfige deutsche Demokratie berief und beruft die kirchlichen Inquisitoren
sogar auf staatliche Stellen – obwohl dies eindeutig gegen das Verfassungsgebot
der weltanschaulichen Neutralität des Staats verstößt. Der systematische Aufbau
der neuen inquisitorischen Macht-Seilschaften begann seit den 60er Jahren zuerst nebenamtlich, später hauptamtlich in den beiden
Großkirchen. Wie
früher, so auch heute
tragen diese Männer und teilweise auch Frauen immer die "fromme" und
letztlich scheinheilige Maske der
"Sorge" um ihre Mitmenschen. Doch so
mancher Zeitgenosse hat dahinter schon den reißenden "Wolf im Schafspelz"
am eigenen Hals erfahren müssen.
Nicht jeder "Sektenbeauftragte" ist dabei natürlich gleich dem anderen, und einzelne sind auch
weniger inquisitorisch veranlagt als die Kollegen. Doch aufs Ganze gesehen
dienen sie alle der Aufrechterhaltung der kirchlichen Macht, ihrer noch darüber
hinaus gehenden maßlosen
Machtansprüche und der Bekämpfung der kirchlichen Gegner. Worum es bei dieser Arbeit
grundsätzlich geht, zeigt ein Blick in die Entwicklung in der 2. Hälfte des 20.
Jahrhunderts.
Erster offizieller "Sektenbeauftragter"
im Deutschland nach dem 2. Weltkrieg ist Pfarrer
Friedrich-Wilhelm Haack – von
1964-1967 als Gemeindepfarrer in Hof an der Saale zunächst im Nebenamt Beauftragter für "Sekten- und Weltanschauungsfragen" der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, seit 1969 dort hauptamtlich tätig. In jenem Jahr
wurde diese Stelle also zuerst in der Evangelischen-Lutherischen Landeskirche in
Bayern geschaffen. Nachfolger Haacks wurde 1992 Dr. Wolfgang Behnk, der
daraufhin 22 Jahre lang bis 2014 in diesem Kirchenamt regelrecht gegen
Andersdenkende wütete und der im Jahr 2022 schließlich verstorben ist (traueranzeige/wolfgang-behnk).
Friedrich-Wilhelm Haack, offiziell der Sektenbeauftragte
der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, agitierte beispielsweise am 4.
Januar 1988 im von Bierdunst und Zigarettenrauch geschwängerten katholischen
Pfarrsaal in Hettstadt im Landkreis Würzburg. Dort hatten einige friedfertige
Urchristen, die keine Kirchenmitglieder mehr waren, Baugrundstücke rechtmäßig
erworben, woraufhin die beiden Großkirche alles daran setzten, die Erschließung
des Baulandes durch die Gemeinde solange zu stoppen, solange die Christen ihre
Grundstücke nicht wieder verkauft haben. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen
sei dies schließlich "gelungen", die katholische St.-Bruno-Stiftung sprang
dafür ein,
und kirchlich "rechtgläubige" Interessenten konnten schließlich einen großen Teil der
von da an von der katholischen Kirchenstiftung angebotenen Grundstücke erwerben. Der katholische CSU-Bürgermeister wurde für diesen Coup
schließlich zum Landratskandidaten gekürt, was 1996 bei dieser Parteizugehörigkeit den
sicheren Wahlsieg geebnet hatte. Und der nun zum Landrat aufgestiegene Gegner
der Urchristen erhielt kurz vor seinem Tod im Jahr
2008 gar unter ausdrücklicher Berufung auf diese Vertreibung Andersdenkender den
päpstlichen Silvesterorden und damit das Recht, mit einem Pferd die Stufen zum
Petersdom empor reiten zu dürfen, was er jedoch wohl gesundheitsbedingt nicht mehr wahrnahm.
Pfarrer Friedrich-Wilhelm Haack knüpft bei seiner Arbeit dabei gezielt an die Geschichte der Inquisition an, und er gibt dies auch zu. So schreibt er in einem Brief vom 30.4.1986: "Wenn Sie bei mir auf Inquisition tippen, dann liegen Sie natürlich richtig!"
(Brief von Pfarrer Friedrich-Wilhelm Haack an H. Radegeis vom 30.4.1986 liegt der Redaktion vor)
"Ich tu´ das Üble, schrei´
dann selbst zuerst – |
So haben die Kampagnen der Kirchenvertreter in unserer Zeit bereits zu folgenden Maßnahmen
gegen religiöse Minderheiten geführt:
Behördliche Verbote, Informationsstände oder Büchertische aufzustellen; Verweigern oder Streichen von
bestimmten öffentlichen Zuschüssen; Benachteiligungen von Privatpersonen und Geschäftsleuten durch Behörden und Gerichte;
Errichten von staatlichen Stellen zur Überwachung von Minderheiten, die man
meist mit Mitgliedern der Kirchen besetzt; in Einzelfällen Berufsverbote (Menschen müssen öffentlich erklären, keiner so genannten
"Sekte" anzugehören, um bestimmte Berufe ausüben zu dürfen), Verbot
von Verkaufsständen z. B. in Markthallen und auf Marktplätzen, wenn der
Betreiber einer bestimmten Glaubensgemeinschaft angehört; Verbot, bestimmte
Verträge unterzeichnen zu können oder andere Aufgaben oder Rechte
wahrnehmen zu können; weiterhin gibt es viele Werbeverbote (z. B. Verbot, Plakate aufzuhängen
oder Verbote, einen Werbespot im Rundfunk zu schalten)
oder Verbot von Vermietungen (z. B. bei öffentlichen Gebäuden in Berlin), Verbot
von Anzeigenschaltungen in Zeitungen und manches mehr.
Hinzu kommt der vielfache Rufmord in den Medien, der auch im nichtstaatlichen
Bereich unübersehbare negative Folgen hat.
Besonders schlimm ist die Vergiftung der nachwachsenden
Generationen durch den konfessionellen Religionsunterricht in staatlichen
Schulen. Bei noch leichter zu beeinflussenden und zu manipulierenden Jugendlichen wird um das 9. Schuljahr herum die
"Sektenkeule"
im kirchlichen Religionsunterricht geschwungen, der aber zu 100 %
vom Staat, d. h. von allen Bürgern, bezahlt wird,
und zwar mit ca. 6,5 Milliarden
Euro pro Jahr; also auch von denen, die man
dort auf Staatskosten in den Schmutz zieht. Nebenbei werden z. B. schulische
Projektwochen veranstaltet, an denen alle Schüler teilnehmen, auch noch deutlich
jüngere, und bei denen die konfessionellen Priester oder Religionslehrer alle
möglichen kleineren Gemeinschaften mit Lügen und Verleumdungen nieder machen.
Interessanterweise ist es in Deutschland zunächst
die evangelische Kirche, die in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts ein Netz
von modernen Inquisitoren, also evangelischen
Sektenbeauftragten, aufgebaut hat. Erst in den 80er Jahren zieht die katholische
Kirche nach. Den besonderen Inquisitions-Eifer der Evangelischen erklärt der
Religionswissenschaftler Hubertus Mynarek u. a. damit, dass die evangelische
Kirche selbst eine "Sekte hoch zwei" ist. Sie will zum einen der katholischen
Muttersekte imponieren, von der sie sich abgespalten hat
(lat. secare =
abspalten), nachdem sich die katholische "Sekte" ursprünglich einmal vom
Urchristentum abgespalten hatte. Und zum anderen projiziert man mit den
Inquisitions-Bemühungen eigene massive Defizite auf Andersgläubige
(vgl. hierzu v. a. in
Der Theologe Nr. 1 die Besprechung der
Doktorarbeit (= Promotion) des
Sektenbeauftragten Pfarrer Dr. Wolfgang Behnk).
Über diese Worte im bischöflichen Auftrag sollte
man nicht so schnell hinweg lesen: "Die Sekten zu verdammen und zu bekämpfen", ja
laut Kirchenlehren ewig verdammen und bekämpfen bzw. ausmerzen, so heißt es in den
offiziellen römisch-katholischen Dogmensammlungen
(z. B.
hier). Auch hier wird die Verdammung und Bekämpfung der als "Sekten" verleumdeten
religiösen Minderheiten einfach selbstverständlich vorausgesetzt, ohne dass dieses Handeln
überhaupt in Frage gestellt geschweige denn auf eine innerkirchliche Legitimation
verwiesen wird, die es nämlich, wie oben dargelegt, gar nicht gibt. Es
bleibt auch unbeantwortet, wie "Achtung der Religionsfreiheit"
einerseits und "die Sekten zu verdammen und zu bekämpfen" andererseits
vereinbart werden soll. Auch auf diese Weise verkommen Werte wie "Achtung des
Menschen, Achtung der Religionsfreiheit, Vertrauen auf den Heiligen Geist" zu
scheinheiligen hohlen Worthülsen.
Auf dem
II.
Vatikanischen Konzil wurde also, wie bereits genannt, ein Dokument über die Religionsfreiheit
verabschiedet, welches auch die "Toleranz gegenüber andere religiöse Gruppen
einschließt".
Über dieses Dokument referiert z. B. Pater Anselm Reichold, OSB (Vortrag
abgedruckt in: Jugendsekten, Hrsg.: Junge Union Bayern, München 1985, S. 47).
Dabei spricht er plump einfach lediglich von einer Ausnahme (!), wo "Intoleranz" geboten sei, und sagt:
"Aber ebenso ´intolerant` war er [Jesus] gegen die bewussten Betrüger." Nur: Wer
sind für einen überzeugten Katholiken die "bewussten Betrüger"? Anstatt sich zu fragen, ob man
nicht selbst der
Betrüger ist (indem man z. B. behauptet, "katholisch" oder "evangelisch" wäre
"christlich", also etwas, das angeblich im Sinne von Christus sei), projiziert man
diese Beschimpfung einmal mehr auf die religiösen Minderheiten, denen
gegenüber folglich "Intoleranz" geboten sei. Was ist das Toleranzgebot des II. Vaticanums ihnen
gegenüber dann noch wert?
"Verstehen
wir unseren Glauben richtig, dann haben wir kein Recht, den ´Anderen` in
seinem Glauben zu lassen." |
Die geschliffenen intellektuellen Worte Haacks klingen für naive Ohren scheinbar vernünftig – auch wenn das Wort "Toleranz" – wie oben grundsätzlich erläutert – dabei unmerklich bereits in sein Gegenteil verkehrt wurde. "Tolerant" sei nach kirchlicher Auffassung demnach derjenige, der einen anderen an der Ausübung seiner Religion hindert. Natürlich nur unter bestimmten Bedingungen – nur dann nämlich, wenn jene Religionsgemeinschaft "Träger" einer "zerstörerischen Idee" sei. Doch das ist eben nach Haacks Meinung kein Einzelfall, bei der die Kirche die Beweispflicht hätte, dass hier wirklich "zerstörerische Ideen" vorliegen. Sondern, so Haack, dieser Fall ist "tausendfach" (!) gegeben, womit wiederum alle (!) religiösen Minderheiten pauschal im Visier der kirchlichen Rufmord-Maschinerie sind. Was also ist das Wort "Toleranz" in diesem Zusammenhang dann überhaupt noch wert? Wird dieser hohe Wert hier nicht schlichtweg verhöhnt?
Die Intoleranz der Kirche
"Nein, Kriege, Kriege in eigener Regie, führt
der Papst inzwischen keine mehr, nicht mehr gegen Heiden und nicht mehr
gegen Christen, weil man ihm alles, womit er Jahrhunderte lang Kriege
geführt, weggenommen hat – Truppen, Generäle, Schlachtschiffe, Kanonen,
Festungen, Waffenfabriken. Doch gibt es Möglichkeiten, die Menschen auf
andere Weise, gleichsam friedlicher zu bekämpfen. Ideologisch, durch
dogmatischen Wahnsinn, der sich ja nie mit dem bloßen Glauben begnügt, der
"missionieren", ausgreifen will; durch Unterstützung einer desaströsen
Gesellschaftsmoral, die die Armen zugunsten der Reichen betrügt; durch eine
desaströse Sexualmoral, die im Mutterschoß schützt, was sie preisgibt im
Krieg ... Im Übrigen ist das Papsttum, seine ganze Geschichte beweist es,
intolerant durch und durch, ist tolerant nur, wenn es die Opportunität
erheischt, wenn es zweckdienlich ist, wenn es einfach nicht mehr anders
geht, aber nur dann!" |
Wolfgang Behnk
– als Nachfolger des ersten modernen Inquisitors Haack, der für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern wütete – ging sogar noch diesen einen Schritt weiter als sein geistiger Ziehvater und sein großes Vorbild Haack, und er unterstellte z. B. einer friedfertigen urchristlichen Gemeinschaft ohne einen geringsten Anknüpfungspunkt gar alle Voraussetzungen für einen Massenselbstmord. Allerdings nur dann – so eine bei Kirchenvertretern übliche heuchlerische taktische Einschränkung –, wenn diese Menschen sich einmal in einer ausweglosen Situation befinden sollten.
Ein Hauptansatzpunkt für das destruktive Wirken der Kirche sind
dabei die Familien. So appellierte der evangelische "Sektenbeauftragte"
Friedrich-Wilhelm Haack 1977 im
Handbuch für
Kirchenvorsteher an die evangelischen Kirchenvorsteher unter der Rubrik
Religiöse Gemeinschaften, Sekten
wie folgt: "Religiöse Auseinandersetzungen in einer Familie können zu den übelsten und
zerstörerischsten Begebenheiten werden. Liebe ist das stärkste Argument, darf
aber nicht mit ´Nachgeben um des lieben Friedens willen` verwechselt werden ..."
Viele der Kirche grundsätzlich positiv
gegenüberstehende Menschen weichen diesen Themen aber weiter gerne aus und fragen sich, ob nicht die
"Sektenbeauftragten" nur einzelne extreme Stimmen innerhalb einer "pluralen" Kirche
seien, die sich doch insgesamt geändert habe.
Dazu lässt sich sagen, dass einzelne Kirchenmitglieder anders denken mögen (wie
auch vereinzelte Sektenbeauftragte ihr Amt weniger inquisitorisch ausüben), doch
der Sektenbeauftragte bekämpft grundsätzlich Minderheiten im Auftrag der gesamten Kirche, und
er tut es eben nicht als Einzeltäter, sondern offiziell im Namen und im
ausdrücklichen Auftrag seiner Kirche. Und
verantwortlich für die Arbeit der Sektenbeauftragten sind deshalb die jeweils
vorgesetzten Kirchenleitungen. Diese tragen damit die Verantwortung für das Tun. Im Beispiel von
Dr. Behnk, der bis 2014 im Inquisitions-Amt war, war dies der Landeskirchenrat
der Evangelisch-Lutherischen Kirche in
Bayern, bestehend aus dem Landesbischof (seit
2011 und bis 2023 Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm) und 17 Oberkirchenräten: Sie beriefen
Pfarrer Behnk (oder seine Kollegen, den 2020 in den vorzeitigen Ruhestand versetzten Pfarrer Michael Fragner,
den 2016 verstorbenen Pfarrer
Bernhard Wolf und Pfarrer Behnks Nachfolger Pfarrer Matthias Pöhlmann) ins Amt, sie schützten und lobten ihn und beförderten ihn gar zum
Kirchenrat, um seine Position in Kirche und Gesellschaft weiter zu stärken und
seinem inquisitorischen Treiben zusätzlichen Nachdruck zu verleihen. Und wer einmal ins Visier von
ihm oder seinesgleichen geraten war, der glaubt nicht mehr, dass die Kirche sich
geändert habe. Der hat es praktisch erfahren, dass sie sich nicht geändert hat
und dass es immer noch Wölfe im Schafspelz sind, mit denen man es zu tun hat. Die
Kirche habe sich, so mancher Kirchenkritiker, allenfalls dem
Zeitgeist angepasst. Und zu diesem Geist passt es auch, dass man die eher
unpopulären Arbeiten von dafür bestimmten "Männer fürs
Grobe" machen lässt.
So schrieb etwa der "Sektengegner" Norbert Thiel am Beispiel von Behnks
Vorgänger Haack, wie es sich mit Pfarrer Haack und seiner Landeskirche
verhält: "Pfarrer Haacks Wirken
wird vielleicht kritisch betrachtet, de facto aber bewusst geduldet und sogar
aktiv gefördert" (Norbert Thiel, Der Kampf gegen neue religiöse Bewegungen,
Mörfelden 1986, S. 79).
Zudem treten in den Kirchen heute vermehrt "Freizeit-Inquisitoren" auf, welche sich auch ohne offiziellen
kirchlichen Auftrag als
"Sektenexperten" profilieren wollen, was bereits unter Pfarrer Haack
kräftig gefördert wurde. Bekannt wurde v. a. die
Sektenumfrage der
Landeskirche (gemeint ist auch hier die Evangelisch-Lutherische Kirche in
Bayern) aus dem Jahr 1967, um Aktivitäten religiöser Minderheiten
auszuspionieren. Friedrich-Wilhelm Haack schrieb damals:
"Zur
Beschaffung von Informationen empfehlen sich besonders Oberschüler und Jugendkreise.
Diese kommen oft besser an die notwendigen Informationen heran als die
Kirchenvorsteher" (Nachrichten der Evangelisch-Lutherischen Kirche
in Bayern, Jahrgang 1967, S. 327). Heute traut sich die Kirche mit solchen
und ähnlichen Praktiken allerdings nicht mehr ganz so frech an die Öffentlichkeit.
"Es ist durchaus nicht abwegig zu sagen, dass
Benedikt XVI. die Aussagen Gregors XVI. im 19. Jahrhundert, seines
Vorgängers, wiederholt, zwar nicht in dieser scharfen Form, als dieser
sagte, die Religions- und Gewissensfreiheit sei eine absurde Wahnidee.
Freilich sagt das so in dieser Weise Papst Benedikt XVI. nicht, aber er
meint eben, dass durch diese Dekrete der Religionsfreiheit
[des 2.
Vatikanischen Konzils] ein Relativismus
eingeführt wird, der nicht tragbar ist." |
* Eine Antwort aus den Reihen dieser Gemeinschaft [des Universellen Lebens e.V.] war damals: "Sollten einige Urchristen ... durch die Rufmordkampagnen der beiden Institutionen Katholisch und Evangelisch hingemordet werden, dann haben sich diese Urchristen nicht selbst das Leben genommen, sondern sie wurden getötet. Denn sich das Leben zu nehmen, ist nicht in unserem urchristlichem Sinne." ("Christusstaat weltweit" Nr. 8/1993)
Nachfolgend eine Gegenüberstellung der Arbeitsweisen der Inquisition früher und heute. Die Zitate in der linken Spalte stammen aus dem Standardwerk von Iosif R. Grigulevic, Ketzer-Hexen-Inquisitoren, Herausgeber Fritz Erik Hoevels, Ahriman-Verlag, Freiburg 1995.
Inquisition damals |
Inquisition heute |
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3) "Um jemanden zur Verantwortung ziehen zu können, musste man selbstverständlich einen Grund haben. Als solcher diente in Glaubensangelegenheiten die Beschuldigung, die eine Person gegen eine andere erhob wegen Zugehörigkeit zu einer Sekte bzw. Sympathie oder Hilfe für einen Ketzer." (S. 119) |
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5) "Die Inquisitoren zogen es vor, die Informationen von den Denunzianten persönlich zu empfangen, indem sie ihnen versprachen, ihren Namen geheim zu halten." (S. 119) |
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7) "Aussagen zugunsten des Angeklagten wurden jedoch nicht berücksichtigt, da man der Ansicht war, dass diese durch verwandtschaftliche Bande oder durch sonstige Abhängigkeiten des Zeugen vom Beschuldigten hervorgerufen worden waren." (S. 124) |
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Redaktion: Herr Prof. Mynarek, im Verlag Das Weisse Pferd ist Ihr Buch über "Die neue Inquisition" erschienen. Wie kamen Sie eigentlich darauf, zu diesem Thema ein Buch zu schreiben?
Prof. Mynarek: Seit Jahren schon beobachte ich das im höchsten Maß ungerechte, menschenrechtswidrige Kesseltreiben zahlreicher kirchlicher und staatlicher Sektenbeauftragter gegen neue Religions- und Glaubensgemeinschaften. Ich konnte natürlich nicht alle gegen diese Gemeinschaften erhobenen Beschuldigungen auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen. Aber aufgrund meiner guten Kenntnis der Kirchengeschichte und der beiden Großkirchen in ihrem jetzigen Zustand wusste ich mit absoluter Sicherheit, dass alles, was die Sektenbeauftragten den neuen Gruppierungen vorwerfen, in sehr viel größerem und massiverem Umfang den beiden Kirchen vorzuwerfen ist. So reifte in mir der Entschluss, diesen Sachverhalt in allen Einzelheiten im Rahmen eines Buches aufzuzeigen. Außerdem motivierte mich zum Verfassen dieses Buches die Frage: Wie steht es um den Charakter, die Psyche, das Innenleben von solchen Leuten wie den Sektenbeauftragten, wenn sie bereit und fähig sind, tagtäglich eimerweise Dreck und Schlamm über andere Menschen auszuschütten, deren Schuld im Grunde nur darin besteht, nicht oder nicht mehr den beiden Kirchen anzugehören und ihren eigenen spirituellen, religiösen und ethischen Weg gehen zu wollen. Und schließlich ging es mir bei meinem neuesten Buch auch darum, die zynischen, raffinierten Methoden und Strategien aufzudecken, die von kirchlichen und staatlichen Sektenbeauftragten angewandt werden, um neue Glaubensgemeinschaften, ihre Leiter und Angehörigen, zu diskriminieren, zu diffamieren.
Redaktion
: Sie sind als der erste Universitätsprofessor der kath. Theologie des deutschsprachigen Raumes im 20. Jahrhunderts aus der Kirche ausgetreten und sind heute einer der bekanntesten Kritiker dieser Institutionen. Wie wurde aus einem hohen Kirchenvertreter ein Kirchenkritiker, ein "Abtrünniger"? Prof. Mynarek: Ich bin aus ganz idealistischen, ethischen, christlichen Motiven Priester geworden. Ich glaubte damals, die Kirche sei jene Institution, die die Menschen aus den reinsten und besten Absichten und Motiven heraus zu Gott und einem vollkommeneren Leben führen wolle. In diesem Vorgehen wollte ich sie als Priester unterstützen. Je höher ich jedoch auf der Stufenleiter meiner theologischen Karriere bis hin zum Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien aufstieg, desto deutlicher erkannte ich, dass es den meisten Verantwortlichen in den beiden Kirchen sehr viel primärer und zentraler als um das Heil der Menschen in Wirklichkeit um Macht, Prestige, Profit, Ruhm, Einfluss in Staat und Gesellschaft, Luxus und Prunksucht in einem für den gewöhnlichen Gläubigen geradezu unvorstellbaren Ausmaß geht. Ich habe lange mit mir gerungen, aber mir wurde immer klarer: Du wirst selber zu einem ganz korrupten Funktionär dieses Systems, wenn du nicht den entscheidenden Schritt tust und aus ihm austritt.Redaktion: Haben Sie auch persönlich, am eigenen Leib, Erfahrungen mit der "neuen Inquisition" gemacht? Prof. Mynarek: Ja, das habe ich. Als ich mit meiner Kritik an der Kirche an die Öffentlichkeit ging, setzten die Schikanen ein: Telefonterror mit wüsten Beschimpfungen, Verleumdungen, massiven Morddrohungen, aufgeschnittene Autoreifen, Manipulationen an meinem Auto, die mich auf der Autobahn Wien-Salzburg fast das Leben gekostet hätten, weil die Bremsen plötzlich nicht mehr funktionierten usw. Auf massiven Druck hin, den die Kirche auf den österreichischen Staat ausübte, wurde mir die Lehrtätigkeit an der Uni Wien untersagt, obwohl ich mir disziplinrechtlich nichts hatte zuschulden kommen lassen. Aber die Kirche handelte da nur ihrer Herrschaftslogik entsprechend konsequent. Sie hat ja auch die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen bis heute nicht unterzeichnet. Als den Kirchenoberen zu Gehör kam, dass ich beabsichtigte, ein Buch über Macht und Menschenmissbrauch durch die Kirchenfürsten herauszugeben, erschien bei mir der Delegierte eines deutschen Kardinals und versuchte mich mit allen Mitteln von dieser Idee abzubringen.
Redaktion: Nun hat ja die Enquetekommission des Deutschen Bundestags festgestellt, dass eine generelle Gefahr von so genannten Sekten nicht ausgeht. Ist damit die Gefahr einer neuen "Hexenjagd" in unserem Land vermindert oder gebannt? Prof. Mynarek: Leider nein. Denn die Kommissionsmehrheit hat im Widerspruch zu den tatsächlichen Erkenntnissen der Kommission, dass die neuen religiösen und weltanschaulichen Bewegungen keine größeren Gefahren bergen als das, was von vergleichbaren anderen gesellschaftlichen Gruppen, sogar z. B. von Sportvereinen, auch ausgeht, trotzdem einen ganzen Katalog gesetzgeberischer Handlungsempfehlungen beschlossen, die die religiöse Freiheit nichtkirchlicher Gruppen wieder und weiter einschränken sollen.
Redaktion: Sie schreiben in Ihrem Buch, dass der totalitäre Typ von Religion, wie ihn vor allem die katholische Kirche verkörpert, die Menschen heute immer weniger beeindrucken oder gefangen halten kann. Weshalb verlassen so viele Menschen auch die lutherische Kirche, die doch bezüglich Dogmen und Vorschriften ein "liberaleres" Image hat als die katholische?
Prof. Mynarek: Die lutherische Kirche hat tatsächlich ein liberaleres Image als die katholische Kirche. Aber der Schein trügt. In Wirklichkeit ist das Gottes- und Menschenbild, das Luther hatte und seiner Kirche vermachte, noch weit menschenfeindlicher und grausamer als das der katholischen Kirche. Mein Buch über Die neue Inquisition zeigt das in allen Einzelheiten. Das fatale Menschen- und Gottesbild Luthers, der den Menschen im Angesicht und unter dem Druck eines rücksichtslosen Willkürgottes keine Chance für eine freie ethische Entscheidung lässt, prägt ja auch noch die heutigen Inquisitoren, d. h. die protestantischen Sektenbeauftragten. Nicht ohne Grund betonte einer der einflussreichsten unter ihnen: "Wenn Sie bei mir auf Inquisition tippen, dann liegen sie richtig!"
Redaktion: Sie kennen den jetzigen Papst noch aus ihrer Zeit als Student in Lublin, als Karol Wojtyla dort Professor war. Der Papst hält sich bezüglich des Kosovokrieges ziemlich zurück. Im Gegensatz zum Bosnienkrieg hat er diese Aktion nicht als "gerechten Krieg" bezeichnet und beide Seiten zum Einstellen der Gewalt aufgefordert. Geht es dem Papst wirklich um Frieden – oder welche Interessen verfolgt er Ihrer Meinung nach mit dieser Haltung?
Prof. Mynarek: Ganz generell gilt: Für den Papst und den Vatikan als oberste Zentrale der katholischen Kirche sind Macht und Missionsinteressen stets das Wichtigste. Wenn jetzt der Papst gegenüber Jugoslawien moderatere Töne anschlägt als die USA, mit denen er bei der Zerschlagung des kommunistischen Ostblocks strategisch doch engstens zusammengearbeitet hat, dann tut er das, weil ihm das Herz näher ist als die Hose. Ohne Bild gesprochen: Der Papst will sein Lebensprogramm der Re-Evangelisierung – sprich Rekatholisierung – Europas in Jugoslawien nicht durch eine Pro-Amerika-Haltung im Kosovo-Konflikt gefährden. Milosevic oder dessen Nachfolger werden ihm dankbar ihre Türen öffnen und alle Chancen bereitstellen, wenn dieser Konflikt einmal beendet ist. Ohnehin hat dieser Papst nie einen Hehl daraus gemacht, dass ihm die Annäherung zu den und die Bekehrung der Orthodoxen immer wichtiger war als die von ihm nie ganz ernst genommenen Lutheraner.
Redaktion: Was glauben Sie, aus welcher Richtung der nächste Papst kommen könnte?
Prof. Mynarek: Das ist völlig egal, aus welcher Richtung der nächste Papst kommen wird. Gegenüber den eisernen Herrschaftsstrukturen und raffinierten Einschüchterungsmechanismen der römischen Kurie wird er entweder ein willfähriges Vollzugsorgan ihrer Weisungen sein oder sterben – wie Johannes Paul I. Man vergesse auch nicht, dass inzwischen die fanatische innerkirchliche Sekte Opus Dei viele wichtige Positionen im Vatikan übernommen hat. Imagemäßig wird natürlich der neue Papst so tun, als ob er offener, weniger doktrinär, weniger autoritär und konservativ als Johannes Paul II. ist. Es wird so kommen, wie ich es in meiner Aussage gegenüber dem Stern sagte: Selbst wenn der neue Papst nur einen "Furz" progressiver sein sollte als der alte, werden ihn die Medien schon wieder als einen sagenhaften Reformator und Renovator feiern, und die katholische Kirche wird wieder von dieser Imageverbesserung profitieren.
Redaktion: Herr Prof. Mynarek, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Von dem Buch sind noch einige Exemplare über den Verlag erhältlich [2024]. Zum Thema der neuen Inquisition empfehlen wir auch das Buch Der Steinadler und sein Schwefelgeruch – das neue Mittelalter (siehe nächstes Kapitel).
DOKUMENTATION
Nachfolgende dokumentarische Studie ist dem Buch Der Steinadler und sein Schwefelgeruch
– Das neue Mittelalter des Sozialwissenschaftlers Matthias Holzbauer entnommen, Marktheidenfeld 2003. Es ist das für die Internet-Publikation aktualisierte 2. Kapitel des Buches. Die Fußnoten wurden mit entsprechender Nummer aus dem Buch übernommen und die dazu gehörigen Quellenangaben finden sich im Anhang. Der Text kann mit Erlaubnis des Autors auch gemäß dieser Veröffentlichung auf theologe.de zitiert werden. Für eine wissenschaftliche Zitierung empfehlen wir jedoch das Buch, da dann auch die Seitenzahlen mit angegeben werden können.
"Ich schäme mich Deutschlands. Was werden die anderen Nationen sagen, die so schon
unsere Dummheit zu verlachen pflegen?" |
Der angebliche Widerstand der
Kirchen
Im Jahre 1945 lag Deutschland in Trümmern – und suchte verzweifelt nach neuer
Orientierung. Die Frage, inwieweit eine ganze Generation am Entstehen einer
menschenverachtenden Diktatur und an deren furchtbaren Verbrechen mitschuldig
war, stand zwar im Raum – wurde aber angesichts der Notsituation, der äußeren
wie inneren Zerstörungen, schnell verdrängt. Erst nach vier Jahren Besatzung
durften die Deutschen beginnen, sich selbst zu regieren – doch zunächst waren
sie in der Völkergemeinschaft noch immer mit dem Kainsmal des Völkermords
behaftet. Jegliche Unsicherheit der Regierenden aber schafft erhöhten
Legitimationsbedarf – wie das Beispiel Karl "der Große" zeigt. Was lag da näher,
als dass die neue "rheinische Demokratie" Adenauerscher Prägung sich wiederum
eng an die Kirchen anlehnte?
Die beiden Steigbügelhalter des NS-Staates hatten den Zusammenbruch erstaunlich
gut überstanden. Dabei musste der Aufstieg des Phönix Kirche aus der Asche den
Prälaten und Oberkirchenräten wie ein Wunder vorkommen – hatten sich doch beide
Konfessionen mit der Hitlerdiktatur fest liiert. Ihr erneuter Aufstieg zu
Machtfülle im neuen Staatswesen, zu neuen (und alten) Privilegien zeugt
jedenfalls von einer Meisterleistung kirchlicher Geschichtsfälschung, durch die
aus den bis fast zum "Endsieg" NS-loyalen Amtskirchen in wenigen Wochen
wehrhafte Horte des Widerstands wurden. Die instinktive Fähigkeit der
Kirchenführer, sich rechtzeitig nach beiden Seiten abzusichern, ist
bemerkenswert. Dennoch ist dieser nahtlose Übergang vom Kollaborateur zum Immer-schon-dagegen-Gewesenen nur durch ein gerüttelt Maß an kollektiver
Vergesslichkeit und wohl auch unbewusster Kumpanei weiter Bevölkerungskreise zu
erklären.
Von der Begeisterung der
Mehrzahl der protestantischen Pfarrer für die nationalsozialistische Bewegung
war bereits die Rede. Es ist hier nicht der Platz, ausführlich auf die bis heute
gängigen Legenden des kirchlichen Widerstands einzugehen. Es sei hier nur
erwähnt, dass die angeblich Widerstand leistende "Bekennende Kirche" (BK) von
Personen wie Wilhelm Niemöller geführt wurde, der seit 1923 Mitglied der NSDAP
war – und 1933, als er wegen seiner Frontstellung gegen die "Deutschen Christen"
aus der Partei ausgeschlossen wurde, mit Erfolg dagegen prozessierte. Niemöller
weihte als evangelischer Pfarrer noch im Mai und Juli 1933 NS-Fahnen. Sein
Bruder Martin Niemöller, ebenfalls Pfarrer, entgegnete dem Reichsbischof Müller
1934, der Beweis dürfte ihm schwer fallen, "dass ich nicht die Gewähr dafür
biete, dass ich jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintrete".
165
Auch die Bekennende Kirche unternimmt beispielsweise nichts dagegen, dass zum
evangelischen Glauben konvertierte Juden von kirchlichen Ämtern ferngehalten,
schließlich sogar ganz ausgeschlossen werden – von einem Eintreten für die
verfolgten Juden insgesamt ganz zu schweigen. Das gab es in der Kirche nicht, im
Gegenteil: Ein führender Pfarrer der Deutschen Christen wird von der Bekennenden
Kirche 1934 wegen seiner angeblichen "Judenfreundlichkeit" öffentlich bei den
Nazis denunziert, was zu seinem Parteiausschluss führt.
166 "Widerstand" leistete man in der BK nur
gegen die Versuche des Staates, in das kirchliche Selbstbestimmungsrecht
einzugreifen. "Die BK war eher ein stabilisierender Faktor für die Nazis als ein
Hindernis" – zu diesem Ergebnis kommt der Historiker Karl-Ludwig Sommer in
seiner Habilitationsschrift. 167
Zum Sprachrohr der Protestanten machten sich Leute wie der thüringische
Landesbischof Sasse von den "Deutschen Christen", der im November 1938 – kurz
nach der Reichspogromnacht – die Schrift Martin Luthers "Von den Juden und ihren
Lügen" neu auflegt und im Vorwort schreibt: "Am 10. November 1938, an Luthers
Geburtstag, brennen in Deutschland die Synagogen. ... In dieser Stunde muss die
Stimme des Mannes gehört werden, der als der Deutschen Prophet ... der größte
Antisemit seiner Zeit geworden ist, der Warner seines Volkes wider die Juden
..." 168
Ein Pfarrer wie Dietrich Bonhoeffer, der im Widerstand mitarbeitete – das war
für die lutherische Kirche die absolute Ausnahme. Doch selbst Bonhoeffer
unternimmt im Frühjahr bewusst nichts gegen die wachsende Kriegsstimmung in der
Bekennenden Kirche und begründet das in einem Brief an den englischen Bischof
Bell mit den Worten: "So würde ich meinen Brüdern einen ungeheuren Schaden
zufügen, wenn ich in diesem Punkt Widerstand leistete."
169
Echten Widerstand muss man auch in der katholische
Kirche mit der Lupe suchen. Nachdem der Vatikan durch Nuntius Pacelli,
den späteren Pius XII., das Hitlerregime 1933 durch ein Konkordat international
salonfähig gemacht hatte, schwenkten selbst anfangs misstrauische Bischöfe auf
den Kurs des Vatikans ein, mit dem NS-Staat zu paktieren. "Widerstand" leisteten
auch sie immer nur dann, wenn kirchliche Einrichtungen gefährdet waren (oder die
Kruzifixe an Schulwänden), unterstützten aber ansonsten das Regime bis (fast)
zum bitteren Ende, trieben in ihren Hirtenbriefen die deutschen Soldaten zur
äußersten "Pflichterfüllung" an. Der "Löwe von Münster", Bischof Galen, bezog
zwar gegen die Euthanasie Stellung, forderte aber von den Soldaten "Verteidigung
bis zum letzten Blutstropfen" 170, ließ im
Katholischen Kirchenblatt den deutschen Angriff auf England mit den Worten
loben: "Gott hat es zugelassen, dass das Vergeltungsschwert gegen England in
unsere Hände gelegt wurde. Wir sind die Vollzieher seines gerechten göttlichen
Willens." 171 Auch der angeblich Widerstand
leistende Münchner Kardinal Faulhaber war in Wirklichkeit ein unverbesserlicher
Militarist, der schon als Feldpropst während des ersten Weltkriegs die Kanonen
des Krieges als "Sprachrohre der rufenden Gnade"
172 bezeichnet hatte, der dann im Zweiten Weltkrieg noch 1941 sein
Einverständnis zum Einschmelzen der Kirchenglocken mit den Worten erteilte: "Für
das teure Vaterland aber wollen wir auch dieses Opfer bringen, wenn es notwendig
geworden ist zu einem glücklichen Ausgang des Krieges."
173 Faulhaber hatte sich während des Krieges
jedoch klugerweise einmal mit jemand vom Widerstand getroffen – das genügte, um
sich nach dem Krieg flugs die Aura des großen Nazigegners anzudichten.
Die Kirche hatte es wieder
einmal geschafft, in der Stunde Null das moralische Gewissen der geschlagenen
Nation vorzutäuschen. Im Gegensatz zu den Kirchenoberen hatte im Volk
tatsächlich bei vielen ein Umdenken stattgefunden. Nach dem vielen Leid sollte
ein Neuanfang gemacht, dem Militarismus und der Obrigkeitshörigkeit abgeschworen
werden. Im Grundgesetz wurden die Menschenrechte neu verankert:
Meinungsfreiheit, Gewissensfreiheit, Glaubensfreiheit, Gleichbehandlung aller
Bürger ... Doch die Trennung von Staat und Kirche, die in der Weimarer
Verfassung bereits vorgesehen, aber nicht vollzogen worden war, wurde auch in
der jungen Bundesrepublik nicht verwirklicht. Man ließ den Einfluss der Kirche
auf den Staat unangetastet – und so konnten die alten Privilegien wieder Einzug
halten: Erhebung der Kirchensteuer durch den Staat, staatliche Bezahlung der
Gehälter von Bischöfen, Landesbischöfen, Domkapitularen, Oberkirchenräten,
staatliche Finanzierung des kirchlichen Religionsunterrichts an staatlichen
Schulen, der theologischen Fakultäten an den Universitäten, der
Militärgeistlichen – und sogar jährliche Entschädigungsgelder in Millionenhöhe
wegen der in der napoleonischen Zeit (1803) erfolgten Enteignungen kirchlicher
Besitztümer. 174
Diese Privilegien sind bis heute geblieben, sie überstanden unbeschadet auch die
turbulente 68er Zeit – auch wenn dabei die katholisch-lutherische
Kartellgesellschaft Adenauerscher Prägung gehörig durchgeschüttelt wurde. Die
dadurch hervorgerufene gesellschaftliche Lockerung bereitete den Kirchen jedoch
in anderer Hinsicht erhebliche Probleme. Der soziale Druck hatte abgenommen; es
war nun leichter als vorher, sich mit ungewöhnlichen Ideen zu beschäftigen.
Gleichzeitig war jedoch der direkte Zugriff eines Teils der jungen Generation
auf politische Entscheidungen missglückt. Für einen Teil der Enttäuschten begann
der Marsch durch die Institutionen, der sie – unter weitgehender Zurücklassung
ihres Reformeifers – innerhalb von drei Jahrzehnten bis in höchste Staatsämter
führen sollte. Für einen anderen Teil der Jugend begann eher ein Marsch in eine
neue "Innerlichkeit". Man entdeckte den Umweltschutz, alternative Lebensweisen,
begann zu meditieren, reiste nach Indien ... Und es blieb nicht aus, dass dabei
auch neue religiöse Strömungen ins Blickfeld traten: Transzendentale Meditation, Bhaghwan, Vereinigungskirche, Hare Krishna und andere.
Einer der ersten, die die
Brisanz dieser neuen Situation für die Monopol-Ansprüche der beiden Großkirchen
erkannten, war ein Pfarrer der lutherischen Landeskirche in Bayern:
Friedrich-Wilhelm Haack (1935-1990). Er hörte das Gras der gesellschaftlichen
Veränderung offensichtlich als erster Kirchenfunktionär wachsen. Bereits von
1964-67 ließ er sich, als Pfarramtskandidat in Hof tätig, nebenamtlich zum
"Beauftragten für Sekten- und Weltanschauungsfragen" ernennen. Damals ging es in
der Kirche zunächst noch um rein innerkirchlich bedeutsame Fragen, inwieweit
z. B. die Taufen in Freikirchen von der Kirche anerkannt werden können oder
nicht. Dies war z. B. bei einem Übertritt in die lutherische Kirche bedeutsam.
Oder man überlegte, ob man Anhänger bestimmter Freikirchen als Taufpaten
zulassen konnte. Doch Haack ging es schon bald um mehr: um die Beobachtung und
Bekämpfung außerkirchlicher religiöser Gruppen, eben der "Sekten". Es kam ihm
dabei vermutlich zugute, dass er durch keinerlei biographische oder
geographische Vorprägungen in den konventionell-kirchlichen Rahmen seiner
Landeskirche eingebunden war: Er hatte sein Abitur in der DDR gemacht, war mit
20 Jahren in den Westen gekommen und hatte sich am Tag vor einer Einschreibung
für ein Chemiestudium in Heidelberg spontan für Theologie und Publizistik
entschieden. Haack ließ nun 1967 in der Landeskirche
eine "Sektenumfrage" durchführen – die erste seit 1930! Zur
Begründung führte er an: "Wenn sich nun die Kirche auf die ´veränderte Lage`
einstellen soll, wenn sie in dieser ´pluralistischen Gesellschaft` ihre
Botschaft weitergeben und ihren Dienst erfüllen soll, muss das Gegenüber (besser:
müssen die Gegenüber) bekannt sein." Die Umfrage war ähnlich detailliert
ausgelegt wie die seinerzeitige von 1930. Alle religiösen Aktivitäten, die weder
von der lutherischen noch von der katholischen Kirche eingeleitet worden waren,
sollten gemeldet werden, "der Übersicht halber" auch Freikirchen. "Auch
Einzelpersonen, die nicht aus der Kirche ausgetreten sind und das auch gar nicht
vorhaben, jedoch einen besonderen Dienst in eigener Verantwortung (wie z. B. das
Verteilen evangelistischer Traktate) durchführen, sollten erwähnt werden." Alle
Veranstaltungen, Vorkommnisse, Hintergrundinformationen waren von Bedeutung. Und
– daran erkennt man einen geborenen Inquisitor – auch zur Beschaffung der
Informationen wurden wertvolle Tipps gegeben: "Zur Beschaffung der Informationen
empfehlen sich besonders Oberschüler und Jugendkreise. Diese kommen oft etwas
besser an die notwendigen Informationen heran als die Kirchenvorsteher, die ja
oft durch ihren Beruf zeitlich bestens ausgefüllt sind."
175
So ein Mann fällt auf. Den muss man fördern. Der könnte für uns die nötige
Drecksarbeit machen. So wie weiland Dominikus von sich aus gegen die Ketzer zu
predigen begann und sodann vom Papst den großen Auftrag bekam, so griff die
Kirchenleitung dem jungen Talent unter die Arme. Der Kirchenapparat kannte zwar
das leidige Problem der "Sekten", aber ein Konzept hatte man nicht. Nun wird
Haack 1969 in den Schuldienst nach München versetzt (Vater Staat macht`s
möglich) und gleichzeitig zum nunmehr hauptamtlichen "Beauftragten für Sekten
und Weltanschauungsfragen" ernannt.
Den Schuldienst lässt er wenig später fallen – und die Zurückhaltung bezüglich
seiner Zuständigkeit auch. Denn mit rein innerkirchlichen Fragen – was tun wir,
wenn in einer lutherischen Familie jemand einer "Sekte"
beitritt – wollte sich Haack nicht zufrieden geben. Nicht umsonst hatte
er Publizistik studiert – er wollte auf die Bühne der Öffentlichkeit und dort
offensiv gegen die religiösen Abweichler kämpfen. In seiner Schrift Sekten
schrieb er 1974: "Nicht aus Konkurrenzneid und nicht aus Hass, weder aus
theologischer Rechthaberei noch aus Machtgründen, sondern allein wegen der
geistlichen Gefahren muss die Kirche auch heute den Sekten entgegentreten ..."
Verräterisch sind die zwei Worte: "auch heute". Heißt das nicht: "wie früher"?
Doch um keine unerwünschten Assoziationen zu wecken, fährt Haack fort: "... Sie
wird es, wie zu den Tagen der Apostel, mit geistlichen und geistigen Waffen
tun."
Eine beiläufige
Geschichtsfälschung – denn die Auseinandersetzung zwischen Kirche und
christlichen Häresien begann nicht zur Zeit der Apostel, sondern später.
Entscheidend ist aber: Ein solches offensives "Entgegentreten" der Kirche gegen
andere Glaubensgemeinschaften ist in den Statuten der Kirche bis dahin gar nicht
vorgesehen. Deshalb bereitet Haack schon den nächsten Schritt vor. Um die
Öffentlichkeit "heiß" zu machen, darf man nicht religiös argumentieren (was ihm
als Spontan-Theologen ohnehin schwer gefallen wäre). Man muss soziologisch,
gesellschaftlich argumentieren. Und man muss positive Begriffe in ihr Gegenteil
verkehren – etwa den der Toleranz. In einem Vortrag führt er 1982 aus: "Nun ist
Toleranz gegenüber Ideen dann ein Unding, wenn diese Ideen beispielsweise lebensgefährdend
sind. Was würde man einer Religion gegenüber sagen, die Menschenopfer bringen
will? Auf ihre Weise tun dies die Ersatzreligionen tausendfach ... Toleranz kann
sich gar nicht gegen Ideen richten, sondern nur gegenüber Menschen, auch dann,
wenn diese Träger zerstörerischer Ideen sind. Dann allerdings wird es auch Sache
der Toleranz sein, das Leben der Gefährdeten zu bewahren und diese Menschen an
der Ausübung ihrer zerstörerischen Ideen zu hindern."
176
Das muss man zweimal lesen, um die ganze inquisitorische Hinterlist und Perfidie
darin zu erkennen. Erst werden mit dem Begriff "Menschenopfer" Emotionen
geweckt. Dann werden diese auf die neuen Religionsgemeinschaften übertragen: Die
"Ersatzreligionen" – ein von Haack erfundener Begriff – tun dies angeblich "tausendfach". Sie bringen also alle
"Menschenopfer", sind alle "Träger
zerstörerischer Ideen". Und deshalb müssen sie bekämpft werden, indem man diese
"Ersatzreligionen" beseitigt, ihre Ausübung verhindert. "Toleranz" wird auf
diese Weise zu einem Kampfbegriff gegen religiöse Minderheiten umgedeutet –
Orwells "Doppelsprech" lässt grüßen.
Diese Argumentationslinie hat Modellcharakter – alle "Sektenbeauftragten", und
es sollte bald viele davon geben, übernehmen sie. Fast 20 Jahre später wird
Haacks Nachfolger Wolfgang Behnk in einem Vortrag in Landau (Niederbayern) die
Abschaffung des Religionsprivilegs im deutschen Vereinsrecht begrüßen, denn, so
fasst es die Passauer Neue
Presse zusammen: "Letztlich könne nur der Staat, dem die Verfassung das
Gewaltmonopol verliehen hat, gegen die Gewalttätigkeit mancher religiöser
sektiererischer Systeme etwas unternehmen. ... Das Grundgesetz gehe dabei
soweit, dass zum Beispiel die Zeugen Jehovas glauben dürfen, dass es besser sei,
ihre Kinder verbluten zu lassen als sie mit einer Bluttransfusion zu retten. Sie
dürfen es jedoch nicht an ihren Kindern real durchsetzen ... Die Grenze der
Toleranz ist für den Redner genau dort, wo ihr mit Mitteln der Unterdrückung,
der Manipulation, der Gewalt und des Terrors systematisch der Kampf angesagt
wird. Die Notwendigkeit einer solchen Toleranzgrenze hätten die Terroranschläge
religiös-ideologischer Fanatiker in New York und Washington dramatisch vor Augen
geführt. ´Es kann von den Demokratien dieser Welt nicht kampflos hingenommen
werden, dass religiös-ideologischer Fanatismus sektiererischer Prägung sich
unter dem Deckmantel der Religion als blindwütiger Terrorismus austobt`."
177
Behnk, der nach Haacks Tod monatelang dessen Archiv durchforstete, erweist sich
hier als gelehriger Schüler seines Verleumdungsmeisters. Man halte sich einmal
vor Augen: Die schrecklichen Terroranschläge des 11. September 2001 werden hier
auf eine Stufe mit den Glaubensüberzeugungen und -praktiken religiöser
Minderheiten wie der Zeugen Jehovas gestellt – wobei jeder unvoreingenommen
Forschende mühelos erkennen kann, dass die Zeugen Jehovas bezüglich der
Bluttransfusion durchaus nach Alternativen, etwa Blutplasma oder Eigenblut,
suchen und mit Kliniken intensiv zusammenarbeiten. Doch darum geht es der
modernen kirchlichen Inquisition nicht: Auf dem Terror, der die Welt in Atem
hält, kocht ein mit Verleumdung beauftragter Kirchenvertreter schamlos sein
Verfolgungssüppchen. Er kann dabei darauf vertrauen, dass keiner seiner Zuhörer
im Geschichtsunterricht etwas davon gehört hat, welch ein perfektes Terrorsystem
die Kirche während der Inquisition und der Hexenverfolgungen gegen die eigenen
Gläubigen aufbaute.
Behnk steht in der direkten Nachfolge Haacks, der innerhalb seiner Kirche die fast in Vergessenheit geratene Disziplin der Apologetik (griech. Verteidigung [des Glaubens]) wieder aktiviert hatte. "Bei Gesprächen mit dem Gegenüber", so schrieb Haack 1970 in einem Tätigkeitsbericht an die Landeskirche, "geht es nicht nur darum, Informationen zu erhalten und gegenseitige falsche Vorstellungen abzubauen. Richtig verstandene Apologetik hat immer auch das Ziel, vorhandene Grenzen aufzuzeigen, und sie will letzten Endes Mission sein. ´Der Andere` ist uns auch als Andersgläubiger ans Herz gelegt. Es besteht heute keine besondere Vorliebe für den Ausdruck ´Irrgläubiger`. Verstehen wir unseren Glauben richtig, dann haben wir kein Recht, den ´Anderen` in ´seinem Glauben zu lassen`."
Die Opfer der kirchlichen Inquisition: Früher Mord
– heute Rufmord
Die
psychologische Forschung hat längst festgestellt, dass es für das Funktionieren
einer sogenannten "Gehirnwäsche" keinerlei empirische Belege gibt.
185 Vielmehr stehen den Werbern für eine
neue religiöse Bewegung lediglich dieselben Möglichkeiten offen wie jedem
Wirtschaftsbetrieb: Sie müssen versuchen, ein vorhandenes Bedürfnis anzusprechen
(oder ein neues zu wecken) und dann dessen Befriedigung in Aussicht zu stellen.
186 Es lässt sich auch nicht nachweisen,
dass Mitglieder neuerer Glaubensbewegungen häufiger unter seelischen Störungen
litten als Kirchenmitglieder 187, eher im
Gegenteil: Was ein kirchliches Gottesbild des
strafenden, willkürlichen, ja grausamen Gottes in den Seelen vieler Menschen
anrichten kann, belegen Forschungen über die so genannten "ekklesiogenen"
(kirchenbedingten) Neurosen. 188
Auch zu Haacks Zeiten waren keinerlei Belege für seine Behauptungen vorhanden –
doch seit wann fragt ein Inquisitor schon nach Belegen, wenn er seine
Rundumschläge durchführt, etwa: "Die Jugendreligionen stellen eine Bedrohung
unserer Welt dar", oder: "Die wirkliche Gefahr der Jugendreligionen für den
einzelnen und die Gesellschaft ist ihre Existenz."
189 Dass es ihm nicht um Objektivität ging, brachte Haack ganz offen zum
Ausdruck: Am besten wäre es aus seiner Sicht, "wenn der Begriff Sekte in
möglichst großer Unbefangenheit gebraucht werden könnte", auch wenn damit "eine
Wertung, ja vom jeweiligen Standpunkt aus auch eine Abwertung verbunden" ist.
190 Es ging ihm um sensationelle
Berichterstattung, zu der auch gezielte Übertreibungen gehören. So sprach auch
Haacks Kollege aus Berlin, Pastor Gandow, im Jahre 1984 von "7 bis 12 Millionen
Menschen im Land", die "möglicherweise von den Gruppen beeinflusst" werden
könnten. 191 Eckart Flöther von der AGPF
("Aktion für geistige und psychische Freiheit") sprach im selben Jahr von "300
Gruppen und Grüppchen" 192 – eine Zahl, die
sich in den neunziger Jahren plötzlich verdoppelte, weil sich alle möglichen
"Sektenbeauftragten" von Kirchen, Behörden und Parteien gegenseitig mit dem
überbieten, was Sozialwissenschaftler als "Populärstatistik" (folk statistics)
bezeichnen, als wissenschaftlich nicht belegte Zahlen, die aber in den Medien
ständig wiederholt werden "und politische Maßnahmen nach sich ziehen können".
Sie werden benutzt, um "moral panics", übertriebene Ängste, auszulösen, "gesellschaftlich konstruierte soziale Probleme, die in der Darstellung der
Medien und in der Behandlung durch die Politik Reaktionen auslösen, die in
keinem Verhältnis zu einer tatsächlichen Gefahr stehen".
193
Natürlich blieb es unabhängig und nüchtern denkenden Zeitgenossen nicht
verborgen, mit welchen Methoden hier gearbeitet wurde. "Der liebe Gott im
Gruselkabinett ... Haack scheint unter starkem Zeitdruck geschrieben zu haben",
so der österreichische Theologe Adolf Holl über ein Buch von Haack. "Es darf
gefragt werden, wie leicht (oder schwer) sich ein mehrbändiger Schocker über
religiöse Skurrilitäten wohl ´herstellen` ließe, wenn schon dieser eine Band
eine fundamentale Armut an Sachlichkeit, wissenschaftlicher Einfühlung,
interpretierender Diagnostik verrät."
194
Der Religionswissenschaftler Prof. Röhr aus Frankfurt kam zu dem Schluss: "Wir
mussten feststellen, dass das meiste, was von den ´Sektenpäpsten`, allen voran
Haack ... gesagt und geschrieben worden ist, gelinde gesagt, mit Vorsicht zu
genießen ist." 195 Doch wer hört schon
solche Stimmen? Viele Journalisten ziehen sensationelle "Stories", plakative
Aussagen und Übertreibungen einer nüchternen Analyse allemal vor.
Um den neuen Konkurrenten der
Volkskirche, der das Volk immer mehr davonläuft, richtig das Wasser abgraben zu
können, reichte aber die penetrante Desinformation und Verleumdungsarbeit über
die Medien nicht aus. Wie schon die Inquisition im Mittelalter, so spannte auch
die Kirche des 20. Jahrhunderts den Staat für ihre Zwecke ein, um zum Ziel zu
kommen. Auch hier war Haack der Vorreiter. Er gründete 1975 in München eine
"Elterninitiative gegen psychische Abhängigkeit und religiösen Extremismus e.V."
Außer dem Vorsitzenden der Initiative und seiner Frau gehörten dem Kreis keine
betroffenen Eltern an, sondern hauptsächlich Pfarrer. 1977 gab Haack auch dieses
Feigenblatt auf und übernahm die Leitung der Initiative selbst; Stellvertreter
wurde der katholische Theologe Löffelmann. Die Initiative fand bald Nachahmer im
ganzen Bundesgebiet – immer spielten Pfarrer die Hauptrolle, leiteten oder
steuerten die meist nur aus einer Handvoll Personen bestehenden "Bürgerinitiativen". Das Ziel war klar: Um Politiker zu beeindrucken, musste man
eine scheinbar von der Kirche unabhängige "Interessenvertretung" aufbauen, die
dann öffentlichen Druck auf Medien und Politik ausüben sollte.
So forderte der Vorstand der Münchner Initiative per Rundschreiben die
Mitglieder dazu auf, fleißig Lobbyarbeit zu betreiben durch
– Gespräche mit Abgeordneten ...
– Briefe an Bischöfe, Kirchenleitungen
– Briefe an Ministerien ... Beschwerden über Belästigungen in Fußgängerzonen
– Leserbriefe an Zeitungen bei jedem sich bietenden Anlass"
196
Die Elterninitiative diente Haack nicht nur als Instrument einer scheinbar
kirchenunabhängigen Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch als
Informationsbeschaffungs-Agentur. Ende 1984 verlangte Haack von "seinen" Eltern
gezielte Berichte über die Vereinigungskirche: "Liebe Mitglieder, wir brauchen
Ihre Hilfe ... Eine Stadt [es handelte sich um Regensburg, Anm.d.A.] will den
südländischen Munies [man beachte den geschickten Appell an fremdenfeindliche
Ressentiments, Anm. des Autors] die Aufenthaltserlaubnis entziehen. Dazu
sind neuere Berichte über Erlebnisse mit der Mun-Sekte vonnöten. Bitte schreiben
Sie kurz und eindringlich, was Sie ... erlebt haben: Ausbildungsabbruch,
psychische Störungen bis hin zu Selbstmordversuchen und Selbstmord,
Geldforderungen, Erbschaftsforderungen, gesundheitliche Schäden usw. Die Namen
der Berichte werden nicht weitergegeben."
197 Ein
Vorstandsmitglied werde dann an Eides Statt versichern, solche Berichte erhalten
zu haben. Doch welchen Wert können "Berichte" haben, deren Schwerpunkt bereits
vorgegeben wird und deren Verfasser anonym bleiben können?
Es ist das Prinzip der anonymen Denunziation, das wie
im Mittelalter ganz selbstverständlich wieder angewendet und flexibel an die
heutigen rechtlichen Gegebenheiten "angepasst" wird.
Verschiedene "Elterninitiativen", Anti-Sekten-Einrichtungen und sonstige "Experten" gründeten dann 1977 einen Dachverband, die
"Aktion für geistige und
psychische Freiheit" (AGPF). Mit von der Partie waren neben Haack die
Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (Dr. Reimer) aus Stuttgart,
Pfarrer Rüdiger Hauth aus Witten, die Katholische Sozialethische Arbeitstelle in
Hamm, Pfarrer Eimuth aus Frankfurt, Pfarrer Keden aus Bonn.
198 Als Sprecher traten ein Ministerialrat
im Bundesfinanzministerium, Dr. Karbe, und der CSU-Bundestagsabgeordnete
Friedrich Vogel auf. Karbe war so etwas wie ein Glücksgriff für Haack, denn
seine 22jährige Tochter schloss sich 1976 der Vereinigungskirche an – und wurde
mit Gewalt daraus wieder "befreit": "Nach einem Besuch bei ihrer Familie wurde
sie gewaltsam eingesperrt und wochenlang gezwungen, sich Kritik an ihrer
Mitgliedschaft in der Vereinigungskirche anzuhören. ... ´Sie machte zwei
Fluchtversuche, die dramatisch verliefen.`"
199
Schließlich verließ die Tochter notgedrungen die "Moonies", blieb aber aufgrund
der schweren Auseinandersetzungen psychisch nur begrenzt belastbar. Dr. Karbe
gab, wie in solchen Fällen üblich, natürlich der "Sekte" die Schuld.
Entscheidend war nun, dass er sich in der Bonner Ministerialbürokratie bestens
auskannte und über "Insider-Informationen über das Funktionieren des Bonner
Apparates" 200 verfügte. Karbe wusste, wie
man Kongresse veranstalten, wen man dazu einladen, wie man anschließend
Zuschüsse für bestimmte Projekte oder "Forschungsaufträge" beantragen konnte. Es
gelang der Clique um Haack und Karbe, nicht nur die Arbeit der AGPF weitgehend
aus Steuermitteln zu finanzieren, sondern auch die Verleumdungsarbeit ähnlicher
Einrichtungen: in Berlin, wo der Senat die "Elterninitiative" des Pastor Gandow
mitfinanzierte – oder in Essen, wo die Stadt Essen das "Sekten-Info" der Frau Cammans unterstützt. Cammans widmet sich auf Kosten des Steuerzahlers schon bald
der Lieblingsbeschäftigung jedes "Sektenjägers": dem Denunzieren. Als 1982 ein
Anhänger Bhagwans an der Volkshochschule Essen Psychologiekurse gibt, ruft sie
dort an und der Mann wird entlassen.
201 Sie
arbeitet auch mit der Kriminalpolizei zusammen und erreicht es, dass Behörden
und Stadtparlament auf straff kirchlichen Anti-"Sekten"-Kurs gehen. "Wir werden
jedweder Jugendsekte solche Schwierigkeiten machen, wie es überhaupt möglich
ist", sagt der SPD-Ratsherr Andreas Andor im Jugendwohlfahrtsausschuss.
202
Aber auch auf höherer Ebene gelang es den "Sektenjägern", an Behörden und
Politiker heranzukommen. Der Abgeordnete Vogel (später im Kanzleramt tätig)
reichte 1977 eine erste Anfrage über die Gefährlichkeit von "Jugendreligionen"
im Bundestag ein. Von Anfang an war auch ein Vertreter des Bundesministeriums
für Jugend, Familie und Gesundheit, Oberregierungsrat Heimann, bei den Sitzungen
der AGPF dabei. 203 Dieses Ministerium
erhielt 1978 die Zuständigkeit für die "Neuen Jugendreligionen". Dabei wäre für
Kirchen und Religionsgemeinschaften eigentlich das Bundesinnenministerium
zuständig gewesen. Doch dieses konnte "trotz sorgfältiger Untersuchungen ein
angeblich rechtswidriges Verhalten neuer religiöser Bewegungen nicht belegen".
204 Auch das Bundeskriminalamt, das bei
einer interministeriellen Arbeitsgruppe mitgearbeitet hatte, konnte hierzu
nichts Einschlägiges beitragen. Doch das brachte die Lobbyisten der
Religionsverfolgung keineswegs in Verlegenheit. "Nachdem", so Oberregierungsrat Heimann,
"sich schon bald die Erkenntnis durchsetzte, dass der Sektenproblematik
vor allem durch präventive Maßnahmen (Aufklärung, Jugend- und Bildungsarbeit,
Forschung etc.) begegnet werden muss, konzentrierten sich die Erwartungen der
Kirchen, Verbände und Elterninitiativen in erster Linie auf den BMJFG", also das
Bundesfamilienministerium. 205 Im Klartext:
Wenn es das Problem vom Standpunkt der nüchternen Zahlen her nicht gibt, muss es
eben durch entsprechende Wühl- und Verleumdungsarbeit herbeigeredet werden.
Das Bundesinnenministerium war nur zu gern bereit, die heiße Kartoffel
abzugeben – statt sich auf die Hinterfüße zu stellen und eine derartige
Zweckentfremdung des Behördenapparates einer Demokratie für einen Feldzug der
Großkirchen gegen die religiöse Konkurrenz zu verhindern.
Inzwischen hatten die Kirchen den neuen Trend, der von einer kleinen, radikalen Minderheit von Religionsverfolgern vorgegeben wurde, aufgegriffen. Alle lutherischen Landeskirchen benannten so genannte "Sektenbeauftragte", die man besser "Verleumdungsbeauftragte" oder "Rufmordbeauftragte" nennen sollte. Die katholischen Diözesen folgten etwas später, zu Beginn der achtziger Jahre. Weshalb der zeitliche Unterschied? Zum einen ist es wohl das "Vorbild" Martin Luthers als fanatischem Kämpfer gegen Andersdenkende, das vielen lutherischen Pfarrern förmlich in den Genen zu sitzen scheint. "Mit Ketzern braucht man kein langes Federlesen zu machen", sagte Luther einmal bei Tisch, "man kann sie ungehört verdammen. Und während sie auf dem Scheiterhaufen zugrunde gehen, sollte der Gläubige das Übel an der Wurzel ausrotten." 206 Zum anderen könnte es mit einer größeren Gelassenheit der älteren katholischen Kirche zu tun haben, die es in der Regel zunächst mit Totschweigen der neuen Konkurrenz versucht und dann lieber die "Evangelischen" sich die Finger dreckig machen lässt – ihre eigenen Krallen kann die alte Katze ja immer noch ausfahren. Der Kirchenkritiker und Theologie-Professor Hubertus Mynarek steuert noch einen weiteren Punkt bei: Viele evangelische Pfarrer leiden offenbar unter einem Minderwertigkeitskomplex der katholischen Kirche gegenüber. "Es wurmt sie, dass die katholische Kirche, zu der nicht wenige von ihnen bewundernd aufschauen, sie nicht ernst nimmt, ihren liturgischen und amtlichen Status nicht anerkennt, dass diese Kirche trotz der ebenfalls vorhandenen Schwierigkeiten und Kontroversen in den eigenen Reihen doch eine ganz andere Einheit und Autorität in der Weltöffentlichkeit repräsentiert als die tausendfach gespaltene und zerrissene protestantische Christenheit. ... Man möchte so gern Kirche sein, weiß aber, dass man im Grunde nur eine abgeleitete Sekte, sozusagen die Abspaltung von einer Abspaltung ist und dass man von der übermächtigen katholischen Institution im Grunde nicht als Kirche anerkannt wird ... Das alles nagt mächtig und giftig am Selbstwertgefühl evangelischer Geistlicher. Um so wütender diffamieren die Sektenbeauftragten unter ihnen die nichtkirchlichen Gruppierungen und Bewegungen als Sekten, weil sie selber einer Sekte angehören, dies aber um jeden Preis zu verdrängen versuchen. Kirche kann man nicht sein, Sekte will man nicht sein – diese unnatürliche Spannung hält keine Psyche lange aus." 207
Doch die über 50 katholischen
und evangelischen Verleumdungsbeauftragten ihrer jeweiligen Landeskirche oder
Diözese können noch so eifrig Presseartikel und Fernsehinterviews lancieren,
können jede Gelegenheit nutzen, andere Glaubensgemeinschaften zu diffamieren –
sie bleiben doch die Stimme ihrer Kirchen. Um wirklich etwas zu erreichen, muss
man – wie im Mittelalter – den Staat vor seinen Karren spannen. Und tatsächlich:
Schon zu Beginn der achtziger Jahre äußern sich staatliche Stellen über das
Kuckucksei "Jugendreligionen", das man ihnen als "Problem" ins Nest gelegt hat.
Anfangs zieren sich manche Behörden noch. So schnell kann man gewisse
rechtsstaatliche Prinzipien, die man nach dem Krieg erst mühsam gelernt hat,
auch nicht gleich wieder aus seinem Kopf verbannen. So verzichtete die
Bayerische Staatsregierung aus "verfassungsrechtlichen Überlegungen" im November
1980 noch darauf, in einem Bericht einzelne Glaubensgemeinschaften namentlich zu
erwähnen. Eine Schimpfkanonade von Pfarrer Haack und ständige Angriffe der
CSU-Jugendorganisation Junge Union führten dann zu einem öffentlichen Druck –
und 1984 werden in einem zweiten bayerischen Bericht bestimmte Gruppen erwähnt.
1985 gar verkündet der bayerische Staat stolz, dass in den Lehrplänen der Schule
das Thema der neuen religiösen Bewegungen abgehandelt wird. Lernziel ist die "Fähigkeit, echte Religiosität von religiösen Fehlformen zu unterscheiden".
208 Die Frage, wer nun bestimmt, was eine
"Fehlform" ist (man könnte auch "Irrlehre" sagen) und was nicht, braucht man gar
nicht erst zu stellen. Maßgeblichen Anteil an dieser Entwicklung hat – unter
Anleitung von Haack – der JU-Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Alfred Sauter,
einer derjenigen, die frühzeitig die angebliche "Sektenproblematik" als
Möglichkeit zur politischen Profilierung entdecken. Sauter wird in der Tat
später noch eine weitere Karrieresprosse erklimmen und sich beispielsweise im
Mai 1993 als Staatssekretär im bayerischen Innenministerium gegenüber dem
"Spiegel" 209 dahingehend äußern, dass man gegen das
Universelle Leben "zur Gefahrenabwehr Schutzmaßnahmen treffen" müsse. Die
Urchristen im Universellen Leben verlangen daraufhin von der Staatregierung eine
Klarstellung, ob der Verfassungsschutz gegen sie ermittle. Das Ministerium
verneint das, weigert sich aber, die Sache offiziell richtig zu stellen. Als
eine solche Richtigstellung vor Gericht eingeklagt wird, lässt Sauter erklären,
er habe die betreffende Äußerung nicht als Staatssekretär, sondern als
Vorsitzender des Arbeitskreises Juristen der CSU gemacht. Das Gericht geht
darauf ein, und die Sache verläuft im Sande.
Auch Markus Sackmann gerät als Arbeitskreisleiter "Jugend und Sport" der Jungen
Union Bayern mit in den Einflussbereich Pfarrer Haacks, bei dem er sich für
dessen Hilfe bei der Erstellung einer "Dokumentation" über "die neuen
Jugendreligionen" sehr herzlich bedankt. Sackmann wird uns später als
Landtagsabgeordneter und eifriger "Ketzer"-Bekämpfer wieder begegnen (S. 357.361).
Haack und seinen Kollegen gelingt es also, junge, ehrgeizige Politiker auf ihre
Linie zu bringen – und das kann sich noch nach Jahren für sie auszahlen, auch
wenn z. B. Sauter wiederum einige Jahre später als "Bauernopfer" für die
Versäumnisse seines Ministerpräsidenten Edmund Stoiber wegen der Verluste des
Freistaats bei Grundstücksgeschäften in den neuen Bundesländern zum Rücktritt
gezwungen wird. Andere stehen schon bereit, den Staat auf Kurs gegen religiöse
Minderheiten – also gegen die eigenen Bürger – zu bringen. "Der Staat dürfte
nicht zuletzt deshalb dem kirchlichen Ansinnen so willfährig entgegenkommen", so
der Religionssoziologe Prof. Neumann, "weil er glaubt, er müsse seine Autorität
´transzendent` begründen, da sie sonst nicht (mehr) durchsetzbar sei.
Eine wahrhaft voraufgeklärte Sicht, die jedoch
bezeichnend für die politische Kurzsichtigkeit und verzagte Uneinsichtigkeit der
heutigen politischen Klasse zu sein scheint."
210
Bereits in den achtziger Jahren
bringen fast alle deutschen Bundesländer sogenannte "Sektenberichte" heraus,
meist mit konkreter Nennung von "gefährlichen" Gruppen. Auch wenn dann im Text
über eine einzelne Gruppe inhaltlich kaum etwas Konkretes vermerkt wird, so
genügt bereits die offizielle Nennung von staatlicher Seite, um eine Gruppierung
zu brandmarken: "Die stehen ja auch im Sektenbericht!" In Berlin geht man noch
einen Schritt weiter: Damit nicht jemand – aus Versehen – doch einer solchen
Gruppe einen Saal vermietet, beschließt das Berliner Abgeordnetenhaus im Sommer
1999, dass "konfliktträchtige religiöse beziehungsweise weltanschauliche
Organisationen oder Psychomarktanbieter" in der Hauptstadt keine öffentlichen
Räumlichkeiten mehr anmieten dürfen. Und wer als "konfliktträchtig" gilt, das
bestimmt Vater Staat aufgrund kirchlicher Einflüsterungen. Auslöser war ein
Kongress der Zeugen Jehovas, der 1998 im Olympiastadion stattfinden sollte. Als
man feststellte, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Verweigerung
nicht ausreichten, da es ja den Grundsatz der weltanschaulichen Neutralität
gibt, zog man eine einfache Konsequenz: "Wenn die rechtlichen Voraussetzungen
nicht ausreichen, einer Religionsgemeinschaft Räumlichkeiten zu verweigern,
müssen sie eben geschaffen werden", so der Kirchenhistoriker Gerhard Besier in
der "Welt" (8.8.1999). Besier weist darauf hin, dass die
Zeugen Jehovas seit den zwanziger Jahren ihre Kongresse in öffentlichen
Einrichtungen Berlins abhielten. "Nur während der NS-Diktatur war ihnen dies
verboten."
Lässt man den Begriff "konfliktträchtig" einmal auf
sich wirken, so wird man sich der ganzen Heimtücke bewusst, die sich dahinter
verbirgt. Dem unbefangenen Zeitungsleser wird ja von offizieller Seite
der Eindruck vermittelt, es handle sich um Gruppierungen, die ständig gegen
Recht und Gesetz verstoßen und dadurch "Konflikte" hervorrufen. Dabei wollen die
allermeisten nur in Frieden nach ihrem Glauben leben, sonst nichts. In
Wirklichkeit ist es die kirchliche und in ihrem Gefolge die staatliche Seite,
die gegen die Regeln der Verfassung verstößt und dadurch den Konflikt erst
hervorruft. Die Richterin Dorothee Osterhagen stellt dazu fest, "dass sich die
Konfliktträchtigkeit der alternativen Gruppen schlicht darin erschöpft, dass sie
einem kirchlich definierten Christentum und einem marxistisch inspirierten
Gesellschafts- und Menschenbild widersprechen."
211
Sie meint mit letzterem ein Menschenbild, in dem Religion generell als etwas
Rückschrittliches, als "Opium für das Volk" angesehen wird.
"Konfliktträchtigkeit" könnte auch heißen: Je mehr
Gläubige die Volkskirchen verlassen und nach einer religiösen Alternative
suchen, desto mehr Menschen wird bewusst, dass zwischen dem christlichen
Anspruch der Großkirchen und ihrer unchristlichen Realität eine Diskrepanz, ein
Konflikt, besteht.
Bleiben wir noch einen Moment in der neuen deutschen Hauptstadt, die eigentlich
bezüglich der Rechtsstaatlichkeit ein Vorbild für andere Städte sein sollte.
Dort hat jedoch Pastor Gandow die staatlichen Stellen offenbar voll im Griff.
Als 1997 ein "Sektenbericht" mit dem Titel "Sekten – Risiken und Nebenwirkungen"
erschien, teilte die zuständige Senatorin Ingrid Stahmer (SPD) dies der Presse
erst dann mit, als bereits 5000 Stück an pädagogische Beratungsstellen, soziale
Hilfsdienste und Schulen verschickt worden waren. Und dieser Umstand wurde auf
der Pressekonferenz keineswegs verheimlicht, sondern die "Sektenfachfrau" Anne
Rühle erklärte, man habe sich damit "vorsorglich gegen juristische Blockaden"
gewappnet. 212 Juristische Einsprüche von
betroffenen Gruppen, die mit Recht befürchten müssen, einmal mehr öffentlich
diskriminiert zu werden, betrachtet man also als "Blockaden", die man durch
flinkes Handeln zu verhindern sucht. Dass man sie vorher, wie in einer
Demokratie üblich, anhören könnte oder müsste, bevor man über sie etwas
Herabsetzendes sagt, kommt offensichtlich weder in Berlin noch anderswo einer
staatlichen Stelle in den Sinn. (Aber so schrieb es eine mittelalterliche Regel
der Inquisition auch vor: Mit einem Ketzer darf man
gar nicht reden!) Dabei hatte Berlin gar nichts zu befürchten. Drei Jahre zuvor,
beim vorhergehenden "Sektenbericht", hatte es zwar Einsprüche gegeben, darunter
einen des Universellen Lebens, das es nicht
hinnehmen wollte, dass in diesem Bericht von 1994 einfach eine Reihe von
Verdächtigungen über diese Glaubensgemeinschaft referiert wurden – wobei in der
Einleitung alle aufgeführten Gruppen mit geschickter Suggestion als "Ungeheuer",
als "antidemokratisch und sozial unverträglich" hingestellt wurden. Doch das
Berliner Oberverwaltungsgericht lehnte einen Eilantrag, mit welchem der Stadt
Berlin die Nennung des Universellen Lebens untersagt werden sollte, ab und
lieferte eine Begründung mit, die blanker Hohn ist: Die Glaubensgemeinschaft
werde ja durch einen solchen Bericht nicht daran gehindert, "ihre Tätigkeit, so
wie sie es nach ihrem Glauben für richtig" hält, "fortzusetzen".
Wir werden im dritten Kapitel
im einzelnen sehen, wie "einfach" das für eine Gruppe von "Unberührbaren" ist.
Der Fall Berlin zeigt nicht nur, dass auch die Justiz, zumindest zum Teil, die
alte Liaison von Kirche und Staat bereitwillig deckt – was allerdings weniger
verwundert, wenn man weiß, dass Verleumdungsbeauftragte der Kirchen auf Richterakademie-Tagungen stundenlang über die
"gefährlichen Sekten" referieren
dürfen und danach mit den Richtern fröhliche Abende verbringen. In Berlin, in
der Stadt der Filz-Skandale, kann man auch die personelle Verfilzung von Staat
und Kirche beobachten: Der Senator für Familie und Jugend, der 1994 den Berliner
"Sektenbericht" herausgab, war Thomas Krüger (SPD) – ein lutherischer Pfarrer.
Krüger ließ sich anschließend für vier Jahre in den Bundestag wählen, wurde
während dieser Zeit auch Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, ebenfalls mit
Sitz in Berlin. Doch auch in dieser Eigenschaft vergaß der gelernte Pfarrer sein
Lieblingsthema "Sekten" nicht. So forderte er im Herbst 1996 gemeinsam mit dem
Frankfurter Rufmordbeauftragten Kurt-Helmuth Eimuth vom Staat "gezielte
Aufklärungsmaßnahmen über die Beeinflussung von Kindern und Jugendlichen in
Sekten". Es sollten "umfassende Aufklärungsmaterialien für Kindergärten und
Schulen" bereitgestellt werden und man solle in den Schulen "Sektenkontaktlehrer" ernennen. Außerdem sei zu überlegen,
"inwieweit Eltern,
die Mitglieder einer Sekte sind, nicht in konkreten Fällen das Sorgerecht für
ihre Kinder begrenzt werden müsse".
213
Wer weiß als Zeitungsleser schon, dass der Herr Präsident, der sich hier für
wehrlose Kinder einsetzt, ein Pfarrer ist, der gegen die religiöse Konkurrenz
seiner Kirche kämpft? Wer kann solche Biographien über die Jahre hinweg
verfolgen? Vor allem aber ist erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit
ein Mann, der noch in der DDR in der "Kirche von unten" mitgearbeitet hat, jetzt
vom Staat Maßnahmen fordert, die auf eine religiöse Gleichschaltung der Schulen
und auf eine Bespitzelung der Eltern hinauslaufen würden. Denn was unterscheidet
einen "Sektenkontaktlehrer" noch von einem schulischen "Blockwart"?
Doch Krügers Karriere geht weiter. Im Jahr 2000 wird er zum Leiter der
Bundeszentrale für politische Bildung ernannt – und will dort vor allem den
Rechtsradikalismus bekämpfen. 214 Wie er
Rechtsradikale von den Vorzügen der Demokratie und der Toleranz überzeugen will,
während er selbst mit Vorliebe religiöse Minderheiten verfolgt, bleibt sein
Geheimnis – und das derjenigen, die ihn in dieses Amt gehoben haben.
Sektenjagd als karriereförderndes Element oder als Thema für Politiker, die
sonst keines finden, bei dem sie sich profilieren können – da gibt es in Berlin
noch Krügers Parteifreundin Renate Rennebach, ebenfalls Bundestagsabgeordnete
und "Sektenbeauftragte" der Bundestagsfraktion der SPD. Rennebach ist zwar als
gelernte Friseuse weder Theologin noch Pfarrerin, doch sie betätigt sich in der
evangelischen Kirche in Berlin-Zehlendorf als gewählte Laienvertreterin.
Berlin wurde etwas ausführlicher dargestellt – aber es ist kein Einzelfall.
Politiker, die sich längerfristig oder auch nur gelegentlich mit dem "Sekten"-Thema
zu profilieren versuchen, gibt es in allen Bundesländern – und in allen
Parteien. Etwa der spätere Forschungsminister und noch
spätere Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers, der
1994 als Geschäftsführer der CDU-Bundestagsfraktion ein "schärferes Vorgehen
gegen Sekten verlangt" und "die Beobachtung einzelner Sekten durch den
Verfassungsschutz". 215 Oder der spätere
Generalsekretär der SPD und noch spätere
Bundesarbeitsminister, Franz Müntefering, der ebenfalls 1994 als
Sozialminister von Nordrhein-Westfalen "alle politisch Verantwortlichen"
aufruft, "dem wachsenden Sektenunwesen ´den Nährboden zu entziehen`", das "inzwischen zu einem
´gesellschaftlichen Problem` geworden" sei.
216 In Rheinland-Pfalz fordert 1993
Sozialminister Ulrich Galle die Bevölkerung auf, das Ministerium "über alles zu
informieren, was Sie in Rheinland-Pfalz an Aktivitäten, Veranstaltungen,
Zeitungsannoncen, Informationsständen, Behandlungsangeboten,
Wirtschaftsunternehmen und anderes beobachten und das im Zusammenhang mit
neureligiösen Gruppen steht." Eine Antwortkarte liegt dem schriftlichen Aufruf
gleich bei. In Schleswig-Holstein ändert man gar das Landesdatenschutzgesetz, um
"Sekten" von staatlicher Seite besser überprüfen zu können.
Einige Bundesländer haben sogar
eigene staatliche "Sektenbeauftragte" ernannt, bei Parteien gibt es sie auch
schon, und selbst bei einigen Polizeidienststellen, so in Leipzig, Sindelfingen,
München. Die Schüler der Landespolizeischule Wertheim wurden nach eigenem
Bekunden "über die Sekte" – gemeint ist in diesem Fall das Universelle Leben – "schon eingehend informiert", ehe sie sich Anfang 2000 ins Gästebuch der
evangelischen Pfarrei Michelrieth eintrugen, deren "zusätzliche Informationen" –
gemeint ist eine Sammlung von Gerüchten und Verleumdungen – den Polizeischülern
"gerade recht" kamen. In zahlreichen Kommunen haben Religionsgemeinschaften, die
Säle anmieten oder Informationstische beantragen wollen, äußerst schlechte
Karten – man nimmt lieber Gerichtsprozesse in Kauf, als ihnen ihr
verfassungsmäßiges Recht freiwillig zu geben. Dass dies weiter um sich greift,
dafür sorgen eifrige Politiker auf Landesebene wie der hessische Sozialminister Clauss, der 1978 das Landesjugendamt anwies, von der evangelischen Kirche
herausgegebenes "Informationsmaterial" über "Sekten" an sämtliche Jugendämter
des Landes zu verteilen. 217 Auch in den
neuen Bundesländern, in denen Kirchenmitglieder eine verschwindende Minderheit
sind, wird zur Jagd auf "gefährliche Sekten" geblasen. Wenn dann mal einer aus
der Reihe tanzt wie der Mitarbeiter der thüringischen Landesarbeitsgemeinschaft
für Kinder- und Jugendschutz, der im August 1999 erklärte, er sei "für
Religionsfreiheit" und mache "keinen Unterschied zwischen Kirchen und Sekten" –
dann wird er in der Presse als "ahnungslos" bezeichnet, und Institutsleiterin
Christa Herwig von der Lehrerfortbildungsanstalt in Bad Berka reagiert "mit
Unverständnis ob solcher Naivität" und weist darauf hin, dass man in den
vergangenen zwei Jahren "auf Beschluss der Landesregierung ... insgesamt 30
Pädagogen zu Ansprechpartnern in Sektenfragen für Kollegen, Schüler und Eltern
qualifiziert" hat. 218 Alle, die sich mit
diesem Thema beschäftigen, sei es als Politiker, als Behördenvertreter, als
Wissenschaftler an einem aus Steuergeldern bezahlten "Forschungsprojekt" oder
als ausgebildeter "Sekten-Lehrer", haben natürlich ein Interesse daran, dass die
"Gefahr", auf die sie sich "spezialisiert" haben, in der Öffentlichkeit
möglichst intensiv "wahrgenommen" wird. Deshalb werden sie Tatsachen, die
religiöse Minderheiten entlasten, bestreiten und nicht zur Kenntnis nehmen. Das
gilt bis in die höchste Ebene: Auch auf Bundesebene warnten sowohl die damalige
Familienministerin Angela Merkel – später
CDU-Vorsitzende und ab 2005 Bundeskanzlerin –
als auch ihre Nachfolgerin Claudia Nolte vor den "Sekten", die, so Nolte 1995, "in bedrohlichem Maß angewachsen" sind. Ihre Verbreitung habe inzwischen fast
die Form einer "Unterwanderung" angenommen.
219
Frau Nolte fand es seinerzeit "höchst ärgerlich", dass eine bereits 1992
geplante "Sekten-Broschüre" noch immer nicht herausgegeben werden konnte, weil
sie durch juristische Einsprüche blockiert sei. Keine der sich zur Wehr
setzenden Gruppen war aber vor Erstellung des Reports angehört worden.
Man muss sich einmal klar machen, was es bedeutet,
wenn über drei Jahrzehnte hinweg, also fast eine Generation lang, die
Diffamierung religiöser Minderheiten immer wieder in die Köpfe hineingebracht
wird: im Religionsunterricht, im Sozialkundeunterricht, in der Lehrer- und
Erzieherausbildung, auf Richterakademien, auf Jugendämtern, in den Medien, von
den Kanzeln, auf Parteitagen. Hier werden Vorurteile institutionalisiert, sie
werden in das Unterbewusstsein eingraviert. Wie lange wird es dauern, diese
Vorurteile wieder aufzulösen, wenn der äußere Einfluss der Kirchen einmal
geschwunden sein wird?
Doch davon kann ohnehin noch keine Rede sein. Im 21. Jahrhundert, 30 Jahre
nachdem Haack den Begriff "Jugendsekten" in die Welt gesetzt hat, dessen
Unwissenschaftlichkeit längst bewiesen ist, werden mit diesem Kampfbegriff noch
immer die Gehirne von Schülern bearbeitet. Das Darmstädter Echo meldet am 23.
November 2001: "Ein äußerst sensibles Thema griffen drei Schüler des
Michelstädter Gymnasiums auf, sie beleuchteten die Jugendsekten: Seit rund 25
Jahren häufen sich schockierende Nachrichten über die Tätigkeiten der so
genannten Jugendsekten. Einige Gruppen genießen dabei zum Teil unter dem
irreführenden Titel einer Kirche das Privileg der Gemeinnützigkeit. ... Viele
Sektenanhänger sind von ihrem Führer abhängig, nirgendwo sozial- oder
krankenversichert und erbetteln Millionen für den Luxus ihres Führers ..." Da
sind sie immer noch, die grellen Klischees, ohne jeglichen Tatsachenbezug, wie
am Tag, an dem Haack sie erfand. Und sie werden so lange durch die Gehirne
geistern, wie die Eltern, die Erzieher und der Staat es zulassen, dass
Kirchenvertreter unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit Zwietracht und
Konflikte säen und junge Menschen gegen ihre Mitbürger aufhetzen.
Wie um dem hier entstandenen Irrsinn die Spitze aufzusetzen, vereinbarten im
Oktober 2001 die Universität Bayreuth und die evangelische Landeskirche in
Bayern, gemeinsam ein "Institut zur Erforschung der religiösen Gegenwartskultur"
einzurichten. In einer zweijährigen "Probephase" habe man bereits eng mit dem
lutherischen "Beauftragten für religiöse Strömungen", Bernhard Wolf,
zusammengearbeitet, der nun eigens seinen Dienstsitz nach Bayreuth verlegen
werde. Wolf nannte die neue Einrichtung "eine zukunftsträchtige Investition" –
für die Landeskirche "könnten die Erkenntnisse wertvolle Einblicke in neue
geistige und religiöse Entwicklungen in den bayerischen Regionen geben".
220 Im Klartext: Unter dem Deckmantel der
Wissenschaft werden religiöse Minderheiten ausgeforscht – und der Staat bezahlt
für diese "Investition".
Aber haben die vielen Minister,
Politiker, Behördenvertreter nicht vielleicht doch recht, wenn sie immer vor den
"Sekten" warnen? Ist da nicht vielleicht doch was dran? Können so viele
verantwortungsvolle Amtsträger irren?
Sie können. Oder vielleicht müsste man sagen: Sie
wollen es so. Denn wenn sie gewollt hätten, dann hätten sie die
Forschungsergebnisse, die ihre Befürchtungen entkräftet hätten, nur zur Kenntnis
zu nehmen brauchen.
Schon im April 1981 lagen die Ergebnisse einer Studie der CSU-nahen
Hanns-Seidel-Stiftung vor. Demnach hatte eine Umfrage bei sämtlichen deutschen
Staatsanwaltschaften und Landgerichten ergeben, dass alle Anzeigen wegen
Betrugs, Freiheitsberaubung, Nötigung, Körperverletzung gegen neue religiöse
Bewegungen eingestellt worden waren. Geahndet werden mussten allenfalls
"minderkriminelle Delikte oder bloße Ordnungswidrigkeiten peripheren Charakters"
wie Verstöße gegen das (Spenden-)Sammlungsgesetz oder gegen steuerliche
Vorschriften. "Mit Nachdruck" wiesen die Autoren darauf hin, "dass die
bestehende Rechtsordnung ausreicht, um Missbräuchen und Auswüchsen, die unter
dem Deckmantel der Religionsfreiheit geschehen, entgegenzutreten."
221
An der Tatsache, dass die Gesetze unseres Staates ausreichen, um eventuelle
Missbräuche oder Vergehen im Zusammenhang mit Glaubensgemeinschaften zu ahnden,
hat sich bis heute nichts geändert.
Schon 1979 hatte Staatssekretär Ruder aus Baden-Württemberg erklärt, dass den
"Jugendreligionen" strafbare Handlungen "nicht nachzuweisen" sind. "Anzeigen
besorgter Eltern verlaufen im Sande, weil der ´Geschädigte` meist unwiderlegbar
behauptet, sich aus freien Stücken der Sekte angeschlossen zu haben."
222 Auch die bayerische Staatsregierung kam
1980 zu dem Schluss: "Nach den bisherigen Erkenntnissen kann nicht davon
gesprochen werden, dass von diesen Gruppen eine allgemeine ernste Gefährdung der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeht."
223
Doch wie war das noch: Sind diese Sektierer vielleicht einfach zu raffiniert,
als dass man ihnen so leicht etwas nachweisen kann? Ist nicht gerade die
Tatsache, dass man ihnen nichts Konkretes nachweisen kann, ein starkes Indiz
dafür, wie gefährlich eben die angebliche "Gehirnwäsche" ist, die "Persönlichkeitsveränderung", der sich ihre Anhänger unterziehen müssen?
Mit fast der gleichen "Logik" hat man übrigens während der Hexenverfolgungen
argumentiert: Schreit die "Hexe" während der Folterung vor Schmerzen, so muss
sie schuldig sein. Schreit sie aber nicht, so muss sie erst recht schuldig sein
– denn wie könnte sie das sonst aushalten, wenn nicht mit Hilfe des Teufels?
Doch auch zu der Behauptung der angeblich manipulativen und negativen
Veränderung der Persönlichkeit von Mitgliedern einer neuen religiösen Bewegung
gibt es schon frühzeitig nüchterne Forschungsergebnisse. So musste der
Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit bereits 1979 einräumen: "Der
Nachweis, dass eine Jugendreligion allgemein gezielte Methoden und Techniken
anwendet, die die Willens- und Entscheidungsfreiheit der Betroffenen
einschränken oder gar völlig ausschalten, konnte bisher nicht erbracht werden."
224
Aber damit konnten sich die neuen Inquisitoren nicht zufrieden geben. Die
Bundesregierung gab für 300 000 Mark eine Grundlagenstudie in Auftrag, die 1982
als "Wiener Studie" fertig gestellt wurde. Hier wurden Anhänger von vier neuen
religiösen Bewegungen mit Tiefeninterviews untersucht: Vereinigungskirche, Ananda Marga, Scientology und Divine Light Mission. Das Ergebnis:
"Aufgrund der Auswertung der Tiefeninterviews und der psychologischen
Testverfahren konnte nicht festgestellt werden, dass die NRB (Neue Religiöse
Bewegungen) pathologische Syndrome in der psychischen Struktur ihrer Mitglieder
hervorbringen. Psychisch labile Personen erfahren häufig durch den Anschluss an
eine NRB eine gewisse Stabilisierung. So konnten viele eine frühere
Drogenabhängigkeit überwinden. Bei der Ablösung von einer NRB treten zweifellos
unterschiedlich schwere psychische Belastungen auf, die bei solchen, die schon
vor ihrem Beitritt zur NRB psychische Störungen aufwiesen, zu schweren Krisen
führen können. Die Mitglieder der NRB erfahren deutliche Veränderungen ihrer
Persönlichkeit und ihrer Verhaltensweisen. Die Mitglieder beurteilen das
ausschließlich als positiv, da sie ihrer Ansicht nach an Orientierung,
Selbstsicherheit, Beziehungsfähigkeit, Ausgeglichenheit etc. gewonnen haben.
Auch die Ehemaligen erwähnen diese Aspekte immer wieder und sehen in der Zeit
der Mitgliedschaft meist eine konstruktive Phase ihres Lebens, über die sie
jetzt hinausgewachsen sind. ... In keinem Fall konnten wir Hinweise auf eine
so genannte Psychomutation finden."
225
Der Hinweis auf psychische Belastungen, die am ehesten noch bei einem
Ausscheiden aus einer religiösen Gruppe auftreten können, ist in zweifacher
Hinsicht bemerkenswert. Zum einen wird angemerkt, dass dies meist dann
geschieht, wenn die betreffenden Personen "schon vor ihrem Beitritt ...
psychische Störungen aufwiesen". Dies deckt sich mit den Ergebnissen des
Heidelberger Psychiaters Lang, der in einer kleineren Studie zu dem Ergebnis
kam, dass "die Zugehörigkeit zu Jugendreligionen vor dem Hintergrund
vorgegebener Persönlichkeitsdefizite zu einem Auslöser für die pathologische
Entwicklung in Form von psychotischen Entgleisungen werden kann".
226 Ein Auslöser ist etwas anderes als die
Ursache. Auslöser für eine pathologische Entwicklung kann bei einer
vorbelasteten Person so gut wie alles Neuartige sein, jede Veränderung ihrer
Lebensumstände.
Zum anderen ist ein Teil der bei einem Ausscheiden auftretenden Störungen des
seelischen Gleichgewichts womöglich darauf zurückzuführen, dass auf die
Mitglieder solcher Bewegungen von außen ein massiver Druck ausgeübt wurde. Zu
diesem Ergebnis kommt jedenfalls Wolfgang Kuner in einer Studie, die bei
Mitgliedern der Kinder Gottes, der Vereinigungskirche und Ananda Margas
durchgeführt und die im September 1981 in Psychologie heute
veröffentlicht wurde: "Die Hauptursache für die im Zusammenhang mit der
Mitgliedschaft in einer der neuen religiösen Bewegungen aufgetretenen
´psychischen Schäden` dürfte im Herausreißen/Hinauswurf der entsprechenden
Mitglieder zu suchen sein, also in einer von außen aufgezwungenen Auflösung der
intensiven psycho-sozialen Bindung an die Gruppe. Auch scheint eine
Mitgliedschaft bei ´psychopathischer Vorbelastung` negative Folgen nach sich
ziehen zu können." 227
Sogar eine Studie des Psychologen Petermann, für die man unter Federführung der
AGPF nur negative Beispiele auswählte, bestätigt die schwerwiegenden Folgen des
Herausreißens – und natürlich auch des gewaltsamen "Deprogrammierens". Dr. Karbe,
Sprecher der AGPF, schreibt über diese Studie: "Um die Gruppe der Unfreiwilligen
ist es am traurigsten bestellt. ... Diese Gruppe von Jugendlichen wirft die
schwierigsten psychologischen und psychiatrischen Probleme auf."
228
Respektiert man hingegen den freien Willen, so kann ein Glaubenswechsel auch bei
psychisch Labilen durchaus positive Seiten haben. Prof. Ottoson aus Stockholm
kam 1975 in einer epidemiologischen Studie zu dem Ergebnis, "dass psychische
Erkrankungen in weltanschaulich alternativen Gruppen 150-200mal weniger
vorkommen als im Bevölkerungsdurchschnitt".
229
Das wäre dann das genaue Gegenteil von dem, was die Inquisitoren uns weismachen
wollen.
Natürlich existieren neue religiöse Bewegungen nicht im luftleeren Raum. Auch
bei ihnen kann es einzelne Mitglieder geben, die einmal straffällig werden oder
vielleicht auch unter seelischen Störungen leiden. Eine seriöse Beurteilung wird
den Prozentsatz solcher Einzelfälle immer in Bezug zum entsprechenden
Prozentsatz in der Gesamtgesellschaft setzen und erst dann Rückschlüsse ziehen.
Dies tut z. B. Kuner in der genannten Studie – und er kommt zu dem Ergebnis:
" ... 4. Eine Untersuchung von Mitgliedern dreier neuer religiöser Gruppen
zeigt, dass ihre psychischen Profile, insgesamt betrachtet, im Normalbereich
liegen.
5. Die Zahl ´psychopathischer Fälle` in den Gruppen entspricht in etwa
derjenigen in einer studentischen Vergleichsgruppe und liegt in einem Fall sogar
niedriger. ...
7. Ein Vergleich der nach Mitgliedschaftsdauer differenzierten Profilwerte lässt
vermuten, dass Langzeitmitgliedschaft resozialisierende und ´therapeutische`
Wirkung hat.
8. Ein einheitlicher Persönlichkeitstyp des ´Sektenmitglieds` war nicht
vorhanden. Es fanden sich jedoch unterschiedlich starke, gemeinsame
narzisstische Persönlichkeitszüge.
9. Eine in etwa entsprechende narzisstische Persönlichkeit kann auch bei einem
Teil der betroffenen Eltern angenommen werden, womit sich deren ´Engagement` für
die Rückgewinnung ihrer Kinder und gegen die neuen religiösen Bewegungen
erklären lässt." 230
Auch in neue religiöse Bewegungen eingetretene junge Menschen spiegeln (wie alle
Menschen) teilweise die psychische Struktur ihrer Eltern wider. Der Eintritt in
eine neue Glaubensbewegung erfolgt in vielen Fällen aus dem Wunsch heraus, diese
Struktur und damit die eigene Persönlichkeit zu verändern. Die Veränderung der
Persönlichkeit kann ja durchaus auch etwas Positives sein – und letztlich ist
das Ziel jeder Religion eine Veränderung der Persönlichkeit des Menschen, hin zu
bestimmten ethischen Zielen, zu einer Hingabe an Gott, zum Frieden mit den
Mitmenschen, mit der Natur, mit Gott. Es ist bezeichnend für den geistigen
Zustand der Kirchen, dass sie Persönlichkeitsveränderung offenbar nur noch als
etwas Negatives, Gefährliches wahrzunehmen vermögen.
Je mehr nun Eltern oder andere bisherige Bezugspersonen Einfluss zu nehmen
versuchen, desto schwieriger kann für den Betroffenen die seelische Situation
werden – je nachdem, wie unabhängig er innerlich ist. Dabei besteht die Gefahr,
dass beispielsweise die Eltern den Kampf gegen die angeblich gefährliche "Sekte"
unbewusst zum Vorwand dafür nehmen, eigene Erziehungsdefizite, eigene Anteile an
einem Zerwürfnis mit ihren Kindern nicht zur Kenntnis nehmen zu müssen.
Genau dies scheint allgemein
ein wichtiger Aspekt beim Verhalten von Kirche und Staat gegenüber neuen
religiösen Bewegungen zu sein: Anstatt eigene Defizite wahrzunehmen und
anzugehen, wird lieber ein Sündenbock gesucht. Es ist nämlich auffallend, dass
die von Verleumdungsbeauftragten immer wieder angegebenen Kriterien für "Sekten"
bei näherer Betrachtung samt und sonders auf Defizite der Kirchen selbst
hindeuten, also psychologisch gesehen Projektionen
sind: Der eigene Fehler wird verdrängt und auf andere projiziert. Der "Guru",
der sich mit Personenkult feiern lässt, könnte z. B. auch der Papst sein; den "Absolutheitsanspruch" besitzt keine Religionsgemeinschaft so ausgeprägt wie die
katholische Kirche; das "rettende Rezept" ist eigentlich ein Grundmerkmal
jeglicher Religion, wird aber von den Amtskirchen kaum noch glaubwürdig
vermittelt; welche innerlichen und äußerlichen "Schwierigkeiten" beim Ausstieg
aus einer totalitären Gruppe wie der Romkirche entstehen, können viele aus ihr
Ausgetretene aus eigener Erfahrung bestätigen – und so geht es weiter. Es gehört
zu den eindrucksvollsten Beispielen für das Verdrängungsvermögen der
menschlichen Psyche, dass sowohl Kirchenvertreter als auch Politiker und
Journalisten immer wieder mit Inbrunst diese "Sekten-Kriterien" herunterbeten –
aber dass weder sie selbst noch ihr Publikum merken, dass diese Kriterien am
ehesten auf die Kirche selber zutreffen.
Nur selten gibt es Ausnahmen. Zu ihnen gehört Oberkirchenrat Michael
Mildenberger, ein früherer Mitarbeiter der Evangelischen Zentralstelle für
Weltanschauungsfragen und als solcher "auch nicht frei von
apologetisch-polemisch-tendenziösen Charakterisierungen der ´Sekten-Gefahr`"
231, der jedoch 1979 in seinem Buch "Die
religiöse Revolte" schrieb:
"Die Gruppierungen der neuen Religiosität sind inzwischen so pauschal in die
Ecke des Abseitigen und Kriminellen gerückt worden, dass nicht nur sie selbst
sich mit einigem Recht als Opfer einer allgemeinen Hexenjagd vorkommen, sondern
dass tatsächlich der Eindruck entstehen muss, hier werde ein Strohmann
aufgebaut. Die These hat einiges für sich, dass die ´Jugendreligionen` in einer
breiten Öffentlichkeit wieder einmal als Sündenbock herhalten müssen, den man,
mit eigenen Sünden und Versäumnissen beladen, in die Wüste schickt."
232
Sekten sind also etwas sehr Praktisches. "Sekten", so der Sozialpsychologe
Philip Jenkins, "üben eine praktische integrative Funktion aus, indem sie einen
gemeinsamen Feind darstellen, einen ´gefährlichen Außenseiter`, gegen den die
Allgemeinheit sich sammeln und sich der gemeinsamen Normen und Glaubensinhalte
versichern kann." 233
Die Suche nach einem Sündenbock
zur Ablenkung von eigenen Defiziten ist auch unter Politikern beliebt. Mitte der
neunziger Jahre, als das Thema Arbeitslosigkeit immer drängender wird,
beschließt der deutsche Bundestag nicht etwa eine Enquete- (Untersuchungs-)
Kommission zum Thema "Zukunft der Arbeit" (dieses Thema war als Alternative
vorgeschlagen worden), sondern eine solche zum Thema "Sogenannte Sekten und
Psychogruppen". Bereits der Einsetzungsbeschluss vom Mai 1996 zeigt, dass das
Ergebnis der Untersuchung im Grunde vorweggenommen werden soll: Die Kommission
soll in einer Analyse "die von diesen Organisationen ausgehenden Gefahren für
den einzelnen, den Staat und die Gesellschaft erfassen" sowie "die offenen und
verdeckten gesellschaftspolitischen Ziele dieser Organisationen aufarbeiten".
Wohlgemerkt: Die Kommission soll nach dem Willen des Parlaments nicht
untersuchen, ob von den Organisationen, die
untersucht werden sollen, Gefahren ausgehen, und, wenn ja, welche. Sie soll auch
nicht untersuchen, ob diese Organisationen etwa
überhaupt gesellschaftspolitische Ziele haben, womöglich sogar verdeckte. Nein,
all dies wird als gegeben vorausgesetzt.
Aber auch die Auswahl der "Sachverständigen" ließ klar erkennen, wer hinter der
ganzen Aktion steckte: die kleine radikale Minderheit der Rufmordbeauftragten
der Großkirchen – in Verbindung mit ihren Zuarbeitern unter den Parlamentariern,
die sich selbst die meisten der den Parlamentariern vorbehaltenen Plätze in der
Kommission reservierten. "Unter den zugewählten zwölf Sachverständigen", so der
Philosoph und Erziehungswissenschaftler Dr. Heiner Barz, "waren drei kirchliche
und zwei staatliche Sektenbeauftragte, ein Mitglied stand der Verbandstätigkeit
der Psychologen nahe, alle drei Juristen waren ausgewiesene Sektengegner." Damit
hatten die Sektengegner unter den Sachverständigen eine Zweidrittel-Mehrheit.
Barz fährt fort: "Ein faires Verfahren wäre unter diesen Vorzeichen schon fast
einem Wunder gleichgekommen." 234
Das Verfahren verlief auch nicht fair. Zum einen hätte eine solche Kommission,
wäre sie denn objektiv gewesen, auch untersuchen müssen, ob von den großen
Kirchen Gefahren für deren Mitglieder und für die Gesellschaft ausgehen. Zum
anderen wurden zu den untersuchten Glaubensgemeinschaften und Anbietern
psychologischer Lebenshilfe fast ausschließlich sogenannte "Aussteiger"
eingeladen und hinter verschlossenen Kommissionstüren zu ihren Erfahrungen und
Meinungen befragt. Die betroffenen Organisationen erhielten keine Möglichkeit,
zu diesen Aussagen Stellung zu nehmen, ja sie erhielten nicht einmal Kenntnis
davon, was da besprochen wurde. Wenn sie eingeladen
und befragt wurden, dann ohne Bezug zu den Anschuldigungen und mit anderen
Themen. Wohl aber erhielten mit den "Sektengegnern" in Verbindung stehende
Journalisten unter der Hand Abschriften der bei den Aussteiger-Vernehmungen
angefertigten Protokolle. 235
"Es handelt sich um einen mehr als bedenklichen Vorgang", so ein Anwalt, der als Vertreter der Glaubensgemeinschaft Universelles Leben auch
von derlei Machenschaften betroffen war. "Ein parlamentarisches Gremium, das
über religiöse Gruppierungen den Daumen hebt oder senkt, weigerte sich, den
elementaren Rechtsgrundsatz ´audiatur et altera pars`
236, einen der Grundbestandteile
europäischer Rechtskultur, auch für sich gelten zu lassen! Derartiges gab es nur
bei der mittelalterlichen Inquisitionsbehörde, die an der Wahrheit nicht
interessiert war, sondern in jedem Fall verurteilen wollte."
237
Die Absurdität eines solchen Vorgehens wird spätestens dann deutlich, wenn man
gedanklich den Spieß einmal umdreht: "Es war ungefähr so", schreibt Dr. Barz, "als hätte man einen staatlichen Untersuchungsausschuss über
´die Gefährdung der
pluralistischen Gesellschaftsordnung durch den organisierten Katholizismus`
einberufen, in dem die Betroffeneninitiative ehemaliger Kleriker, die
Selbsthilfegruppen missbrauchter Messdiener und ehemaliger Pfarrhaushälterinnen
und der ´Bund der Atheisten und Konfessionslosen` die Mehrheit hätten und als
Experten Karlheinz Deschner (´Kriminalgeschichte des Christentums`), Tilmann
Moser (´Gottesvergiftung`) und Prof. Franz Buggle (´Die Bibel propagiert den
Genozid`) zugezogen würden." 238 Wobei in
einem solchen Fall wenigstens konkrete, weil belegbare Ergebnisse zu erwarten
gewesen wären.
Dennoch ging die Rechnung der
Kommissionsinitiatoren nicht auf. Die von der Kommission in Auftrag gegebenen
begleitenden Forschungsprojekte, die empirische Daten über die tatsächlichen
Gefahren der neuen Religionen erbringen sollten, bestätigten das im Vorhinein
aufgebaute Negativbild nicht. Wie hätten sie es auch gekonnt – hatten doch schon
die zu Beginn der achtziger Jahre zum gleichen Thema durchgeführten
Untersuchungen zu einer Entwarnung geführt, die aber von den maßgeblichen
Stellen ignoriert worden war.
Die Kommission hatte offensichtlich die Perfektion eines mittelalterlichen
Inquisitionsgremiums nicht ganz erreicht. Vermutlich um dies zu kaschieren,
veröffentlichte man die mit öffentlichen Geldern durchgeführten Studien
239 erst einige Monate nach dem
Abschlussbericht der Kommission vom 9. Juni 1998. Dass die Ergebnisse dieser
Studien dennoch gleichzeitig mit dem Abschlussbericht bekannt wurden, verdanken
wir dem Restbestand an demokratischen Verfahrensregeln, der in diesem insgesamt
alles andere als demokratisch-fairen Verfahren eingehalten wurde: Die
Bundestagsfraktion der Grünen entsandte nämlich mit Angelika Köster-Loßack eine
Abgeordnete in die Kommission, der die kirchlich geprägte Voreingenommenheit
gegenüber neuen religiösen Bewegungen und auch gegenüber den Anbietern
psychologischer Lebenshilfe offenbar befremdlich vorkam. Und als
Sachverständigen hatte die grüne Fraktion den Leipziger Religionswissenschaftler
Hubert Seiwert benannt, der – in diesem Umfeld wird Selbstverständliches
bemerkenswert – gemäß den Regeln seiner Wissenschaft große und kleine
Religionsgemeinschaften mit denselben Maßstäben zu messen entschlossen war.
Köster-Loßack und Seiwert veröffentlichten parallel zum Endbericht der
Kommission ein Sondervotum, in dem sie die Ergebnisse der begleitenden
Forschungsarbeiten zusammenfassten und dadurch der Öffentlichkeit überhaupt erst
zugänglich machten. Sie berichten über die Ergebnisse unter anderem folgendes:
• Stichwort "Gehirnwäsche": "Die oftmals unter
dem Stichwort ´Brainwashing`-These zusammengefassten Ergebnisse ... werden in
der wissenschaftlichen Debatte sowohl methodisch als auch inhaltlich kritisiert
und z. T. widerlegt." 240
• Stichwort "schwieriger Ausstieg": "Die
Mitgliedschaft in NRB (neuen religiösen Bewegungen, Anm. des Autors) ist in der Regel
relativ kurz und kann unter Umständen als eine Durchgangsphase angesehen werden
... Der von praktisch allen Autoren berichtete hohe Durchlauf in NRB mit relativ
geringen Zeiten der Mitgliedschaft spricht gegen die These, dass einmal
gewonnene Mitglieder nicht mehr in der Lage sind, sich aus eigener Energie
wieder zu lösen." 241
• Stichwort "Abhängigkeit und Ausbeutung": "In
allen sozialen Strukturen, die durch Abhängigkeitsverhältnisse und intensive
emotionale Beziehungen gekennzeichnet sind, ist die Möglichkeit von
absichtlichem Missbrauch ... gegeben. Es liegen entsprechende Erfahrungsberichte
zu vielen Institutionen vor, z. B. zu den großen christlichen Kirchen, dem
Schulwesen, der Psychiatrie, der Psychotherapie, dem Militär, der Ehe oder
abhängigen Arbeitsverhältnissen. ... Der Kommission lagen keine empirischen
Befunde vor, die die Annahme einer besonderen Form ´psychischer Abhängigkeit` in
neuen religiösen Bewegungen begründen würde. Es gibt keine Hinweise auf das
Vorliegen von ´religiöser Abhängigkeit`. Insbesondere lagen keine empirischen
Belege vor, die es rechtfertigen würden, bei den Mitgliedern neuer religiöser
Bewegungen Symptome wie ´Willenlosigkeit, Realitätsverlust` oder ´Aufhebung der
für alle geltenden moralischen Grundsätze` zu konstatieren."
242
• Stichwort "Psychische Schäden": "Es gibt
keine Hinweise darauf, dass die psychischen Probleme, die bei einigen
Mitgliedern neuer religiöser Bewegungen konstatiert wurden, durch die
Mitgliedschaft ausgelöst wurden, wenngleich dies im Einzelfall nicht
ausgeschlossen werden kann. ... Es ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass
sich keine allgemeinen Aussagen über die psychischen Folgen einer Mitgliedschaft
in einer neuen religiösen Bewegung machen lasen. Während einerseits negative
Folgen wie die Verstärkung bestehender psychischer Probleme nicht ausgeschlossen
werden können, kann andererseits auch auf positive Effekte verwiesen werden."
243
• Stichwort "Gesetzesverstöße": "Der
Kommission lagen keine Hinweise darauf vor, dass Gesetzesverstöße durch neue
religiöse Bewegungen oder ihre Mitglieder häufiger vorkommen als in anderen
sozialen Kontexten." 244
• Stichwort "Wirtschaftliche Betätigung": "Bei
den wirtschaftlichen Betätigungen neuer religiöser Gemeinschaften handelt es
sich in der Bundesrepublik Deutschland um ein mit ökonomischen Kategorien nicht
greifbares Randphänomen. ... Was als ´Wirtschaftsimperium` apostrophiert wird,
entspricht nach den üblichen ökonomischen Kategorien einem mittelständischen
Betrieb. Wenn die wirtschaftlichen Betätigungen religiöser Minderheiten mit
denen der Großkirchen verglichen werden, müssen sie ebenfalls als unbedeutend
angesehen werden." 245
• Stichwort "Unterwanderung": "Der Kommission
lagen keine Informationen vor, die es nahe legen würden, dass Bürgerinitiativen
und Bürger sowie Unternehmen, Verbände und Interessenvertretungen unbewusst in
neue religiöse Bewegungen hineingezogen bzw. von diesen missbraucht werden. ...
Es lagen der Kommission keine Informationen vor, die belegen würden, dass neue
religiöse und weltanschauliche Bewegungen gesellschaftliche Veränderungen
anstreben, die mit dem demokratischen Rechtsstaat nicht vereinbar sind`." Ebenso
gab es "keine Belege dafür, dass neue religiöse Bewegungen ´die
verfassungsmäßigen Rechte der Mitglieder einschränken oder beseitigen`".
246
Natürlich konnte die Enquetekommission diese Forschungsergebnisse in ihrem
offiziellen Mehrheitsvotum nicht völlig ignorieren. Auch im Mehrheitsvotum wird
immerhin zugegeben, dass in der wissenschaftlichen Literatur teilweise
"therapeutische Effekte durch die Mitgliedschaft" aufgezeigt werden, dass "in
aller Regel freiwilliger Ausstieg ohne fremde Hilfe möglich ist", dass keine "generelle Schädlichkeit" der Mitgliedschaft behauptet werden kann, dass
"Krisen
bei einem Austritt "weniger ein Ausdruck von ´Destruktivität` der vorherigen
Mitgliedschaft" als vielmehr "eine Begleiterscheinung (sind), die mit jedem
emotional bedeutsamen Rollenwechsel verbunden ist", dass das "psychische
Empfinden der Mitglieder ... nach vorliegenden empirischen Studien in einem
Normbereich (liegt), vergleichbar mit den Teilen der Bevölkerung, die nicht
Mitglieder" sind, dass es keine Zwangsbekehrung zu neuen religiösen Bewegungen
gibt, also keine "`Sekten-Konversion` durch eigene ´Psychotechniken` wie ´Gehirn-, Seelenwäsche` oder
´Psychomutation`". 247
Was insgesamt den Schluss nahe legte: "Zum
gegenwärtigen Zeitpunkt stellen gesamtgesellschaftlich gesehen die neuen
religiösen und ideologischen Gemeinschaften und Psychogruppen keine Gefahr dar
für Staat und Gesellschaft oder für gesellschaftlich relevante Bereiche."
248
Dies einfach so stehen zu lassen, hätte
aber überdeutlich die Frage aufgeworfen, weshalb diese Kommission dann überhaupt
mit so großem Aufwand an Steuergeldern (ca. 2,5 Millionen DM) durchgeführt wurde und
in wessen Interesse eigentlich. Also wurde diese klare Feststellung wieder
vernebelt durch eine Reihe von Bemerkungen, die einer empirischen Grundlage
entbehren. Da ist die Rede von "einigen Gruppen", in denen es "totalitäre
Machtverhältnisse" 249 gäbe – welche das
sein sollen, wird nicht gesagt, so dass im Grunde wiederum alle verdächtigt
werden. Es wird – entgegen der Tatsache, dass es hierfür keinerlei empirische
Belege gibt – von "Formen massiver psychosozialer Abhängigkeit" gesprochen,
durch die es "durch bestimmte Techniken und Therapieformen" kommen könne. "Gezielt kriminelles Handeln und Verhalten" sei
"feststellbar" (wo bitte?) und "ein Teil" (welcher?) "der neuen religiösen und ideologischen Gemeinschaften und
Psychogruppen ist massiv konfliktträchtig".
250
Da ist es wieder, das neue Zauberwort, das gesellschaftliche "Un-Wort": "konfliktträchtig". Zur
"Begründung" all dieser Vorwürfe verweist man allgemein
auf Berichte von "Aussteigern" – als ob es nicht Hunderttausende "Aussteiger"
aus den Kirchen gäbe, die allerlei Negatives über ihre ehemalige religiöse
Heimat zu berichten hätten.
Es wäre aber auch verwunderlich
gewesen, wenn die Drahtzieher der Kommission nach all der apologetischen
Vorarbeit so einfach das Feld geräumt hätten. "Wird die Arbeit der Kommission
fachlich kritisiert und ein Handlungsbedarf von Staats wegen verneint", so der
Jurist Prof. Martin Kriele, "entfallen gut bezahlte Jobs."
251
Dass die Kommissionsmehrheit
nicht bereit war, von ihrer ideologisch vorgeprägten Einseitigkeit abzurücken,
wird vollends deutlich, wenn man die
Handlungs-Konsequenzen ansieht, die nach ihrer Ansicht aus den
Ergebnissen gezogen werden sollten. Denn hier werden nun Forderungen erhoben,
die zu den erbrachten Forschungsergebnissen in geradezu eklatantem Widerspruch
stehen: Es soll eine staatliche "Informations- und
Dokumentationsstelle" eingerichtet werden, die
Material über neue religiöse Bewegungen sammeln, auswerten und dieses dann
Behörden und öffentlich-rechtlichen Körperschaften – also auch den Kirchen! –
zur Verfügung stellen soll. Diese mit Steuergeldern zu errichtende
Dokumentationsstelle – eine Art "Glaubens-TÜV"
252,
so der ehemalige Bundesverteidigungsminister Hans Apel (SPD) – soll auch die
Öffentlichkeit über "die Gefahren im Bereich neuer religiöser und ideologischer
Gemeinschaften und Psychogruppen aufklären" – über Gefahren also, die es doch
offensichtlich gar nicht gibt oder jedenfalls nicht in höherem Maße, als sie in
der Gesellschaft allgemein zu beobachten sind. Denn wenn man schon von "totalitären Organisationen" spricht, so müsste man, wie der Soziologe Prof.
Erwin Scheuch anmerkt, dabei auch "Klöster, Kutter für Hochseefischfang oder
Gefängnisse" 253 im Auge behalten. Und wenn
der Staat vor den Gefahren psychosozialer Abhängigkeit bei neuen religiösen
Bewegungen warnt, wie es die Enquete-Kommission fordert, so würde er dabei von
dem psychologisch nicht fassbaren Idealbild eines "psychosozial autonomen
Menschen" ausgehen: "Die Erziehungsarbeit des Staates hat hier noch gewaltige
Aufgaben vor sich", bemerkt der Leipziger Religionswissenschaftler Prof. Seiwert
nicht ohne einen gewissen Sarkasmus. "Ehe, Familie, Liebe, Freundschaft: Überall
lauert die Gefahr psychosozialer Abhängigkeit. Wie viele Krisen und soziale
Konflikte könnten vermieden werden, wenn der Staat seine Schutzpflicht ernster
nähme! Wo bleibt die Aufklärung über die psychischen Gefahren der Ehe und ihre
Konfliktpotentiale? Wer warnt die Menschen vor den massiven psychosozialen
Abhängigkeiten, die die Gründung einer Familie mit sich bringen kann? Wie lange
noch will der Staat tatenlos dem Leid unzähliger gescheiterter Beziehungen
zusehen? Liebe, Freundschaft und emotionale Bindungen müssen in unseren Schulen
endlich als das vermittelt werden, was sie sind: Formen psychosozialer
Abhängigkeit!" 254
Ein Sammeln von Informationen über alle möglichen religiösen und
weltanschaulichen Gruppierungen, so der Jurist Prof. Martin Kriele, ließe sich
nur "durch ein flächendeckendes Netz von Beobachtern und Denunzianten"
255 bewerkstelligen – und das von Staats
wegen! Es handelte sich dabei "nicht nur um ein Instrument zur Gedankenkontrolle
und zur Einschüchterung, sondern auch zur Befriedigung eines religiösen Voyeurismus.
Das sind Tendenzen, wie sie Aldous Huxley in seinem pessimistischen
Zukunftsroman ´Brave New World` beschrieben hat."
256 Doch die Kommissionsmehrheit, "die ganz augenscheinlich ein gestörtes
Verhältnis zu unserem grundgesetzlich geschützten Recht auf Religionsfreiheit"
257 hat (Hans Apel), stellt weitere
Forderungen auf, von denen man den Eindruck gewinnt, dass sie im Vorhinein
feststanden und den eigentlichen Zweck der Einrichtung der Kommission bildeten.
So wird die Einrichtung einer "Bund-Länder-Stiftung" empfohlen, die in erster
Linie zur finanziellen Unterstützung der "privaten Beratungs- und
Informationsstellen" zum Thema "Sekten" dienen soll – wozu natürlich vor allem
die kirchlichen Stellen zu rechnen sind. Da ist die Katze also aus dem Sack: Man
will Steuergelder für die "Sektenverfolgung" locker machen. Die Kirchen, die
ohnehin die reichsten privaten Institutionen im Lande sind, wollen sich die
Dezimierung ihrer Konkurrenten auch noch vom Staat bezahlen lassen. Die
Kommission fordert die Finanzierung von Forschungsvorhaben zu diesem Thema – der
erste Auftrag ist inzwischen bereits vergeben worden, allerdings nicht an die
schärfsten Sektengegner, wie diese es sich erhofften. Der Staat scheint
offensichtlich gemerkt zu haben, dass er sich auf die Dauer lächerlich macht,
wenn er den fanatischen Bekämpfern nicht-kirchlicher Gruppierungen in vollem
Umfang nachgibt. Doch zu einem klaren Bekenntnis gegen eine Aushöhlung des
Rechtsstaats, die mit solchen Forderungen zwangsläufig verbunden ist, haben sich
weder die Regierung noch das Parlament durchringen können – der Endbericht der
Enquetekommission wurde von der Mehrheit des Bundestages verabschiedet. Darin
enthalten sind weitere "Empfehlungen" wie: "Aufklärungsveranstaltungen für
Lehrer, Erzieher, Multiplikatoren ... Polizei." Nachdem es eine flächendeckende
Kontrolle der Bevölkerung durch die Ortsgeistlichen und die Ohrenbeichte wie im
Mittelalter nicht mehr gibt, muss man eben nach neuen Möglichkeiten suchen, um
Vorurteile und Vorverurteilungen gegen Andersdenkende flächendeckend unter das
Volk zu bringen. Weiter soll der Staat vor "dem Anspruch einer religiösen Gruppe
auf die rigide Einhaltung von Lebensregeln" warnen. "Das kann nur heißen", so
Prof. Kriele: "Der Staat soll Gruppenmitglieder zum Bruch der selbst
eingegangenen Verpflichtungen, z. B. Mönche und Nonnen zum Verlassen ihrer Orden
auffordern." 258 Und, ein ganz wesentlicher
Punkt, der Staat soll Justiz und Verwaltung "mit höherer Priorität" über dieses
Thema aufklären. Vorträge von "Sektenbeauftragten" auf Richterakademien finden
ja schon regelmäßig statt – doch offenbar ist man in kirchlichen Kreisen mit den
Ergebnissen dieser intensiven "Aufklärung" noch nicht zufrieden; noch nicht
jeder Gerichtsprozess, in dem es um die Rechte religiöser Minderheiten geht,
endet mit einem Urteil zugunsten der Kirchenvertreter.
Die rot-grüne Regierung (1998-2002) legte bei der Umsetzung der Forderungen der
Enquete-Kommission zwar keinen sonderlichen Arbeitseifer an den Tag. Doch man
weiß aus Erfahrung, dass aufgeschoben für die Kirchen noch lange nicht
aufgehoben bedeutet.
Für das Gebiet der psychologischen Beratung müssen sich die Kirchen allerdings
eine neue Strategie überlegen. Ein Entwurf eines Gesetzes zur "gewerblichen
Lebensbewältigungshilfe" wurde Anfang 1998 wieder zurückgezogen, nachdem man
offenbar gemerkt hatte, dass davon die Kirchen, die auf dem Gebiet der "Lebensberatung" zunehmend auch gewerblich tätig sind, selbst betroffen wären.
Ein kirchlicher Inquisitor wie der langjährige Mitarbeiter der Ev. Zentralstelle
für Weltanschauungsfragen, Hans-Jörg Hemminger, von dem weite Teile des
Abschlussberichts der Enquete-Kommission stammen sollen
259, war zeitweise selbst bei einer obskuren
"Gesellschaft für Biblisch-Therapeutische Seelsorge" tätig – obwohl er von
seiner Ausbildung her gar kein Psychologe ist.
260
Hemminger und andere Kirchenvertreter gehen mit Verleumdungen und öffentlichen
Kampagnen auch gegen Psychotherapeuten und Lebensberater vor. Gerhard und Maria
Besier 261 berichten z.
B. vom Fall des
Nürnberger Gestalttherapeuten N.N., dessen Praxis vom katholischen
Rufmordbeauftragten Ludwig Lanzhammer als "Psychosekte" mit "totalitärer
Gruppenstruktur" bezeichnet wurde. Tatsache war lediglich, dass N.s
Klienten gerne gemeinsame Wochenenden auf einem Reiterhof verbrachten und dabei
in Reiterkleidung herumliefen. N. und sein Kompagnon wurden durch den
Rufmord in ihrer beruflichen Existenz vernichtet.
Kein Wunder, dass Prof. Martin Kriele von "faschistischen Zügen" solcher Sektenjagd spricht. In einer Presseerklärung vom 24. August 1998 stellt er klar: "Ich werfe den Sektenjägern nicht vor, dass sie ´Faschisten` seien. ... Es geht um bestimmte Elemente ihres Denkens und Agierens, die stark an die dreißiger Jahre erinnern." Kriele nennt unter anderem die "Aggressivität gegen wehrlose Minderheiten", die "Rechtsfremdheit" von Verfolgern, die immer wieder versuchen, die Rechtsregeln, die Minderheiten schützen sollen, zu durchlöchern, den "diffamierende(n), oftmals geradezu hysterische(n) Stil der Sektenjagd, der dem Stil der Nazipresse durchaus vergleichbar ist", die "intellektuelle Primitivität", die sich mit einfachsten Negativ-Etikettierungen begnügt sowie die Einschüchterung und das Mitläufertum, die dadurch bei vielen Zeitgenossen hervorgerufen werden, kurzum: "... ein Klima des Terrors und der Hysterie ..." 262
Fußnoten:
165 Ernst Klee, "Die SA Jesu
Christi", Frankfurt 1989, S. 113 f.
166 Der Theologe, "Die evangelische Kirche und der Holocaust", Wertheim 1999,
S. 34, theologe.de/theologe4.htm
167 Göttinger Tagblatt, 6.8.1993
168 Der Theologe, a.a.O., S.
45
169 ebenda, S. 47
170 Karlheinz Deschner, "Die Politik der Päpste im 20. Jahrhundert", 1991, Teil
II, S. 77
171 Rainer Schepper, "Das ist Christentum", Neustadt am Rübenberge 1999, S. 219
172 Deschner, a.a.O., Teil I, S. 252
173 ebenda, Teil II, S. 351
174 vgl. zum Thema Kirche und Geld: Carsten Frerk, "Finanzen und Vermögen der
Kirchen in Deutschland", Aschaffeburg 2002
175 "Nachrichten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern", 1967, S. 326 f.
176 Norbert Thiel, "Der Kampf gegen neue religiöse Bewegungen", Mörfelden 1986,
S. 72 f.
177 Passauer Neue Presse, Lokalteil Landau, 10.11.2001 (Internet-Datum)
178 Hubertus Mynarek, "Die neue Inquisition", Marktheidenfeld 1999, S. 302
179 Deschner, Kriminalgeschichte, Bd. I, S. 481
180 Mynarek, a.a.O., S. 185 ff.
181 Brief liegt dem Autor vor
182 Thiel, a.a.O., S. 71
183 Deschner, Abermals krähte der Hahn, S. 436
184 Thiel, a.a.O., S. 71
185 vgl. Massimo Introvigne, "Religiöse Minderheiten und ‘moral panics`" in:
Besier/Scheuch (Hg.), "Die neuen Inquisitoren", Zürich 1999, Bd. 1, S. 78 ff.
186 vgl. H. Newton Malony, "Bewusstseinskontrolle aus psychosozialer
Perspektive" in: Besier/Scheuch, a.a.O., Bd. 1, S. 100 ff., insbes. S. 118
187 vgl. Konrad Löw, "’Auf, auf zum fröhlichen Jagen`: Erfahrungen mit Manichäern" in: Besier/Scheuch, a.a.O., Bd. 1, S. 255 ff., insbes. S. 266: "Bei
seinen Nachforschungen sei er [Dr. Gunther Klosinski, Univ. Tübingen, Anm.
des Autors] zu dem Ergebnis gekommen, dass mehr Menschen in dieser
Vereinigung [hier: Bhagwan, Anm. des Autors] eine Stabilisierung ihres
labilen psychischen Zustandes gewonnen hätten, als Destabilisierungen zu
verzeichnen seien."
188 Wynfrith Noll, "Wenn Frommsein krank macht”, Planegg 1989; Wendell W.
Watters, "Tödliche Lehre", Neustadt/Rbge 1995; Richard Picker, "Krank durch die
Kirche", Köln 2000
189 Thiel, a.a.O., S. 72
190 ebenda, S. 70
191 ebenda, S. 55
192 ebenda, S. 56
193 Introvigne in Besier/Scheuch, a.a.O., Bd. 1, S. 78 f.
194 Welt am Sonntag, 29.9.1974
195 Religion heute, Nr. 4/1979
196 Thiel, a.a.O., S. 82
197 ebenda, S. 84
198 ebenda, S. 88
199 ebenda, S. 179
200 ebenda, S. 137
201 ebenda, S. 100
202 ebenda, S. 162
203 ebenda, S. 88
204 ebenda, S. 172
205 ebenda
206 Mynarek, a.a.O., S. 28
207 ebenda, S. 278 f.
208 Thiel, a.a.O., S. 138
209 Der Spiegel, 17.5.1993
210 Johannes Neumann, "Wenn Juristen ´Schutzengel` spielen, ist die
Religionsfreiheit in Gefahr", in: Besier/Scheuch, a.a.O., Bd. 1, S. 254
211 Besier/Scheuch (Hg.), a.a.O., S. 444
212 Berliner Morgenpost, 20.12.1997
213 Nordelbische Zeitung, 11.10.1996
214 Süddeutsche Zeitung, 1.9.2000
215 AP-Meldung, 7.10.1994
216 dpa-Meldung, Landesdienst NRW, November 1994
217 Thiel, a.a.O., S. 139
218 Berliner Morgenpost, 25.8.1999
219 Berliner Morgenpost, 25.3.1995
220 Süddeutsche Zeitung, 28.10.2001; Ev. Sonntagsblatt (Bayern), 4.11.2001
221 Thiel, a.a.O., S. 108 f.
222 ebenda, S. 109
223 ebenda, S. 111
224 ebenda, S. 115
225 ebenda, S. 116
226 ebenda, S. 118
227 ebenda, S. 117 ff.
228 ebenda, S. 119
229 Besier/Scheuch, a.a.O., Bd. 2, S. 440
230 Thiel, a.a.O., S. 117
231 Mynarek, a.a.O., S. 415
232 Thiel, a.a.O., S. 123
233 Besier/Scheuch, a.a.O., Bd. 1, S. 82
234 ebenda, S. 379
235 ebenda, S. 335
236 Auch die andere Seite soll angehört werden
237 ebenda, Bd. 2, S. 384
238 ebenda, S. 379 f.
239 "Neue religiöse und ideologische Gemeinschaften und Psychogruppen –
Forschungsprojekte und Gutachten der Enquete-Kommission", Hamm/Hoheneck 1998
240 Endbericht der Enquete-Kommission "Sogenannte Sekten und Psychogruppen",
Bundestags-Drucksache 13/10950, S. 163
241 ebenda, S. 165
242 ebenda, S. 167
243 ebenda, S. 168
244 ebenda, S. 171
245 ebenda, S. 171 f.
246 ebenda, S. 175, 185
247 ebenda, S. 60, 149
248 ebenda, S. 149
249 ebenda, S. 40
250 ebenda, S. 149
251 Besier/Scheuch, a.a.O., Bd. 1, S. 304
252 ebenda, S. 276
253 ebenda, S. 288
254 ebenda, S. 345 f.
255 ebenda, S. 316
256 ebenda, S. 317
257 ebenda, S. 279
258 ebenda, S. 328
259 Westfalenblatt, 11.6.1998
260 Gerhard und Maria Besier, "Die Rufmordkampagne", Editions La Colombe,
Bergisch Gladbach 2002, S. 101 ff.
261 ebenda, S. 13 ff.
262 Besier/Scheuch, a.a.O., Bd. 1, S. 403
263 ebenda, S. 311
264 ebenda, S. 315
265 Besier/Scheuch, a.a.O., Bd. 1, S. 226
266 ebenda, Bd. 2, S. 444
267 Martin Kriele, "Religiöse Diskriminierung in Deutschland", Zeitschrift für
Rechtspolitik Nr. 11/2001, S. 495 ff.
268 "Krieg gegen Dämonen", Der Spiegel Nr. 41/2001
269 Besier/Scheuch, a.a.O., Bd. 2, S. 433
Der Theologe Nr. 86 – 20 Jahrhunderte Verfolgung: Die Bedeutung der Inquisition
Der Theologe Nr. 89 – Der Inquisitor, "der alle Register zog": Kirchenrat und Sektenbeauftragter Dr. Wolfgang Behnk
Wie ausgerechnet aus dem kirchlichen Finanzimperium heraus kleinere Betrieben einer urchristlichen Gemeinschaft verleumdet werden
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