Der Theologe Nr. 5, aktualisiert am 15.6.2024
Eigentlich hatte Jesus von Nazareth für die Zeit nach
seinem Erdenleben alles gut vorbereitet: Er berief einige seiner Nachfolger
zu seinen "Aposteln" (= Boten bzw. Gesandten) und
übertrug ihnen die Hauptverantwortung für die Verwirklichung und Verbreitung
seiner Botschaft. Dazu gehörte vor allem die Leitung der Urgemeinde in
Jerusalem und bald auch von weiteren Gemeinden. Von dort sollten weitere
Männer und Frauen hinausgehen, um die Botschaft von der Gegenwart Gottes und
vom kommenden Friedensreich
auch außerhalb Israels bekannt zu machen.
Alles befand sich noch in der
Aufbauzeit, als Saulus, später Paulus genannt, hinzu kam. Mit Paulus begann
jedoch die Verfälschung der Lehre von Jesus und der allmähliche Aufbau einer
kirchlich institutionellen Struktur. Während die Apostel noch von Jesus
von Nazareth direkt belehrt und
geschult wurden, kannte Paulus Jesus nicht. Ist Jesus bei Paulus demnach nur eine "metaphysische Figur, der man alles unterschieben konnte", wie es der
Philosoph Friedrich Nietzsche (1844-1900) einmal kommentierte? Paulus von Tarsus zeigte
zumindest kein nachweisliches Interesse am Leben des Jesus von Nazareth, an dem
er sich wie an einem Vorbild hätte orientieren können, sondern berief sich in
erster Linie auf seine Vision, in welcher ihm Christus aus der geistigen Welt
erschienen ist. Doch eine Vision, selbst eine echte Christusvision, macht noch keinen neuen Menschen.
Der Theologe Nr. 5
legt dar, wie Paulus die Botschaft des Jesus von
Nazareth veränderte und die Fundamente für die spätere griechisch-römische
Staatskirche legte. Aus geistiger Sicht könnte man es vorab so zusammenfassen:
Die Apostel, die zuvor mit Jesus gemeinsam durch die Lande zogen, wollten eine
Gemeinschaft des Dienens und der Demut gemäß dem Jesuswort "Wer von euch der
Größte sein will, der sei euer aller Diener." Saulus wollte eine Gemeinschaft
gemäß äußeren hierarchischen Herrschaftsprinzipien.
Bild:
Paulusporträt mit Heiligenschein in einer
Kirche in Palermo
/
Sizilien
Die ersten urchristlichen Gemeinden wurden nach dem Zeugnis der Bibel von Gott bzw. Christus unmittelbar durch das "Prophetische Wort" geführt (siehe z. B. Johannes 16, 13; Apostelgeschichte 2, 17-18; 1. Korinther 12, 28). Demnach sprach Christus aus der geistigen Welt durch Prophetenmund zu den Menschen, und nach dem Bericht in der Apostelgeschichte war die "Menge der Gläubigen" "ein Herz und eine Seele" (4, 32). "Sie blieben beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet" (Apostelgeschichte 2, 42), sie taten Gutes an ihren Nächsten "und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk" (Apostelgeschichte 2, 47). In dieser Zeit kam Saulus, später Paulus genannt, hinzu und gab den ersten größeren Anlass für Unstimmigkeiten und bald für zunehmende Streitigkeiten.
Zum Rückblick: Saulus aus Tarsus in Kleinasien (weitgehend
identisch mit der heutigen Türkei) ist als
jüdischer Pharisäer ein erbitterter Gegner von Jesus von Nazareth und verfolgt die
urchristliche Gemeinde. Dann erfolgt ein Einschnitt in seinem Leben: In einer Vision glaubt er eines Tages, die Stimme des Mannes aus
Nazareth zu hören, und er glaubt auch, ihn zu sehen. Unmittelbar im Anschluss
daran wird der urchristliche Prophet Hananias zu ihm geschickt, um Saulus seinen
neuen Auftrag zu übermitteln (Apostelgeschichte 9, 10 ff.). Nach diesen Erlebnissen
ist Saulus
davon überzeugt, dass Jesus in der Tat der "Christus" war, das heißt, der
Gesandte Gottes, der Israel verheißene Befreier bzw. Erlöser. Saulus orientiert sich um. In Zukunft will er
für ihn kämpfen, nicht mehr gegen ihn – so wie es ihm durch das Prophetische Wort
mitgeteilt wird. (9, 15)
Doch anstatt sich für seinen großen Auftrag von der
Urgemeinde zurüsten zu lassen, ist er von Anfang an nicht bereit, sich in
die bestehende Gemeinschaft einzuordnen. Er betont sogar mit einem
egomenschlichen Selbstbewusstsein, dass er sich nach seiner
Umkehr nicht mit den anderen Urchristen besprach. Stattdessen beginnt er aus
eigenem Entschluss mit dem Predigen. Erst nach drei Jahren besucht er
nach seinen eigenen Angaben für zwei
Wochen Petrus und reist anschließend wieder durch die Lande (Galaterbrief 1, 16-18).
Wörtlich schreibt er unter anderem: "Ich ... ging auch nicht hinauf nach
Jerusalem zu denen, die vor mir Apostel waren, sondern zog nach Arabien und
kehrte wieder zurück nach Damaskus." Damit widerspricht Paulus selbst der offenbar
idealisierenden Darstellung
seiner Bekehrung in der Apostelgeschichte, wonach er sich sogleich zu den
Jüngern in Damaskus und Jerusalem gehalten habe.
(1) Dies tut er nicht. Allein dadurch hat
er schon Streit und Zerwürfnisse vorprogrammiert, denn die Jünger von Jesus
konnten gar nicht anders, als diesem nur vordergründig christlichen, in
Wirklichkeit jedoch gegen die sich aufbauende Gemeinschaft gerichteten Tun
entgegen zu treten, wollten sie ihrem Versprechen an Jesus von Nazareth treu
bleiben.
Und schon bald stellt sich heraus, dass Paulus die christliche Lehre
mit seinen staatlich-römischen Vorstellungen vermischt (siehe dazu das Kapitel "Der
Rom-Virus"). Deshalb kommt es dort, wo er bei seinen
Missionsreisen bereits
urchristliche Gruppen vorfindet, verstärkt zu Unstimmigkeiten und Konflikten. Paulus
lässt sich jedoch nichts sagen und sich nicht korrigieren. Im Gegenteil: Als es erst nach 14 Jahren
(!) zu ersten offiziellen Gesprächen mit den Hauptverantwortlichen der urchristlichen Bewegung
kommt, weist Paulus seinerseits Petrus heftig zurecht und "widerstand ihm ins
Angesicht", wie er es laut Bibel selber schreibt (Galaterbrief 2). Der Streit mit Petrus,
den Paulus offen der Heuchelei bezichtigt, entzündet sich anscheinend an jüdischen Wurzeln des
Urchristentums und unter anderem auch an der Frage nach dem urchristlichen Mahl
(näheres dazu im Teil 2). Doch die Unterschiede zwischen Paulus einerseits und den
"Aposteln" (den von Jesus selbst eingesetzten Hauptverantwortlichen für sein
Werk) und Jesus von Nazareth andererseits sind noch viel weit reichender.
Während die Apostel noch von Jesus direkt belehrt und geschult
wurden, kennt Paulus Jesus nicht. Stattdessen hatte er ausgerechnet die pharisäische Schulung der
Gegner des Mannes aus Nazareth genossen. Doch anstatt sich so viel wie möglich von Jesus berichten zu lassen
und sich so weit wie möglich an ihm als Vorbild zu orientieren, erklärt Paulus sein
Defizit einfach dreist und im egomanen Sendungswahn als belanglos. Und er schreibt selbstbewusst: "Auch wenn wir Christus gekannt haben nach dem Fleisch [auf die
anderen Apostel bezogen], so kennen wir ihn doch jetzt so nicht mehr." (2. Korintherbrief 5, 16)
Dieser Satz wäre gar nicht unbedingt falsch, wenn das von Paulus, der in
Wirklichkeit immer noch der alte Saulus war, so genannte
"heutige Kennen" von Christus mit dem übereinstimmen würde, was Jesus von Nazareth einst als
Mensch seinen Zeitgenossen gelehrt und ihnen vorgelebt hatte. Doch woher will Paulus wissen, ob der "Christus" aus seiner Vision und in seiner
Vorstellung mit dem Christus übereinstimmt, der in Jesus von Nazareth unter den
Menschen lebte? Paulus kannte ihn ja gar nicht als Mensch, und er hätte als ein
wahrer Nachfolger von Jesus zu seiner Orientierung alles daran setzen müssen, so viel wie nur irgendwie
möglich von ihm und seiner Zeit auf der Erde in
Erfahrung zu bringen: Was hat Jesus in dieser Situation gesagt? Wie hat er hier
reagiert? Und wie da? Gibt es von ihm eine Aussage zu dieser Problematik? Und zu
jener? Usw. usf. Doch das
tut er offensichtlich nicht. Und so wirft ihm der
Philosoph Friedrich Nietzsche auch mit gutem Grund vor, Jesus, der Christus, scheine bei ihm nur mehr "ein bloßes Motiv"
zu sein, eine "metaphysische Figur, der man alles unterschieben
konnte". Faktisch gründete Paulus damit seine eigene Religion, benutzte
dafür aber Jesus, den Christus.
Denn was hat Paulus mit Jesus gemacht? Anstatt zu fragen, was
er gelehrt hatte, deutet Paulus das Leben
von Jesus vor allem nach dem Muster heidnischer Mysterienreligionen und des Kaiserkults, wo von
sterbenden und wieder auferstehenden Göttern die Rede ist, an denen der Gläubige durch
Identifikation bzw. durch magische Übungen Anteil haben könne. Gleichermaßen knüpft
er an den jüdischen Opferkult an und interpretiert ihn neu: Während strenggläubige
Juden durch Tieropfer einen angeblichen Zorn Gottes besänftigen wollen, erklärt Paulus
kurzerhand, dass nun jenes Blut, das Jesus bei seiner Hinrichtung vergossen hatte, bei Gott
angeblich ein
für alle mal sühnende Wirkung hätte (Römerbrief 3, 25), so dass es
nun – im Unterschied zu früher – keiner Tieropfer mehr
bedürfe. Solches aber hat mit Jesus von Nazareth und seiner Erdenzeit nichts
mehr zu tun.
Zwar war auch Jesus ein Gegner
der Tieropfer. Doch im Gegensatz zu Paulus hatte er einen Gott verkündet, der
überhaupt kein "Sühnopfer" benötigt und auch nie, zu keiner Zeit, ein solches Opfer benötigt hatte.
(2) Stattdessen wünscht der Gott, den Jesus verkündet, dass alle Seine Kinder Ihm ihr Herz
öffnen, Schritt für Schritt ihr Ego "opfern" und für ihre Nächsten da sind
und ihnen dienen.
Paulus
hingegen kehrt wieder zurück zu den alten vorchristlichen Gottesvorstellungen der Menschen
wie "Gotteszorn" und "Sühnopfer", die er auch als ehemaliger
Pharisäer pflegte, und er deutet diese nur auf Christus hin um. Der Höhepunkt
seiner Umdeutung besteht schließlich darin,
dass man durch den bloßen Glauben an ein solches angebliches Sühnopfer "gerecht" werden könne
– also "ohne Verdienst" (Römerbrief 3, 24), das heißt, ohne das rechte Tun.
Genau dies ist eine
wesentliche Botschaft des Paulus, und es war eine angenehme Botschaft
für das Volk, weil auf diese Weise eine hohe Ethik und Moral zwar wünschenswert,
aber letztlich entbehrlich war. Mit dem unbequemen Jesus von Nazareth hatte auch das
jedoch nichts mehr zu tun.
Denn Jesus lehrte das
Halten der Zehn Gebote und der Bergpredigt, und er sagte: "Tu das, so wirst du
leben" (Lukas 10, 27). Oder: In das Reich Gottes kommen, "die den
Willen tun meines Vaters im Himmel" (Matthäus 7, 21). Oder: Wer
seine Rede "tut", "der gleicht einem klugen Mann" (Matthäus 7, 24).
Oder: "Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut
ihr ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten" (Matthäus 7,
12).
Mit anderen Worten: Darauf kommt es an, auf nichts anderes. Oder: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das
habt ihr mir getan (Matthäus 25, 40; siehe auch V. 25).
Und vieles mehr. Jesus von Nazareth lehrte die Gottes-
und Nächstenliebe, sonst nichts! Paulus aber spricht stattdessen vom "Glauben", der
einen Menschen "gerecht" mache (vor allem im Römerbrief, Kapitel 3
und 4).
Um diesen Gegensatz zwischen Paulus und Jesus noch besser zu
verstehen, hilft auch die Frage, wie beide das so genannte "Alte Testament", die
"Heilige Schrift" der jüdischen Religion, verstehen. Einig sind sich
Jesus und Paulus
darin, dass die vielen hundert Gesetzesvorschriften dort nicht zu Gott führen.
Doch aus unterschiedlichen Gründen. Weil Priester im Laufe der Jahrhunderte dort
Texte fälschten und auf diese Weise ihre eigene Lehre in der "Heiligen Schrift"
als "Wort Gottes" und als "Gesetz" ausgaben, stellt Jesus
von Nazareth dies richtig; zum Beispiel in der
Bergpredigt mit seinen bekannten Worten: "Ich aber sage euch"
(Matthäusevangelium, Kapitel 5; in der theologischen Wissenschaft spricht man
von "Anti-Thesen"). Wenn Jesus nun aber in positiver Weise vom "Gesetz" spricht, dann
meint er folglich nicht die fünf Mose-Bücher, in welcher Fassung sie zuletzt überliefert
waren, sondern er meint das ursprüngliche,
tatsächlich von Gott
gegebene "Gesetz", das man eben zusammenfassen kann mit dem Liebegebot
(Matthäus 22, 40) und der "Goldenen Regel" (Matthäus 7, 12),
nämlich andere so
zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte. (3a)
Ganz anders als Jesus erkennt Paulus aber alle
in den fünf Mose-Büchern niedergelegten Gesetzesvorschriften als angebliches Gotteswort an. "So ist also das Gesetz heilig, und das
Gebot ist heilig, gerecht und gut", so ein Satz des Paulus (Römerbrief 7, 12). Paulus lehrt
im Unterschied zum Alten Testament nun aber das Heil durch "Glauben", weil niemand die Vorschriften
dieses "Gesetzes" alle
erfüllen könne (Römerbrief 3, 9-28; Galaterbrief 2, 16). (3) Davon
aber hat Jesus nicht gesprochen. Dem Mann aus Nazareth ging es immer um das
rechte Tun, man könnte es auch "aktiven Glauben" nennen, und nicht um ein "Heil", das man sich durch eine bestimmte
mehr passive
Glaubenseinstellung erwerben könne.
Daran, an dem also, was Paulus stattdessen lehrt, wird im 16. Jahrhundert vor allem Martin Luther anknüpfen.
Und Martin Luther lehnt später nicht nur die
Ethik des Alten Testaments als einen Weg zu Gott ab, wie es Paulus tut, sondern
auch die Ethik des Jesus von Nazareth, nämlich das schrittweise Erfüllen seiner
Lehre, wie sie z. B. in der Bergpredigt dargelegt ist. Nur der rechte Glaube
führe nach Paulus und später Luther angeblich zum "Heil" und zu Gott, nicht das Halten von Geboten
gleich welcher Art (mehr
dazu in Der Theologe Nr. 1 und in
Der Theologe Nr. 35). Und
Paulus hat die Bergpredigt von Jesus, wenn überhaupt, dann vermutlich auch nur teilweise
gekannt und selbst wenn, dann kaum verstanden.
Paulus legt mit seiner Glaubenslehre nun die Fundamente für eine Volkskirche, die
bald Kulthandlungen für das von Paulus entwickelte "Heilsgeschehen"
und den angeblich notwendigen Glauben daran zelebrieren
wird. Diese werden wiederum aus den antiken Götterkulten entlehnt. Und
vielleicht noch Paulus selbst oder sehr wahrscheinlich ein Paulusschüler der ersten Generation macht Jesus, den Christus,
gar zum
"Hohenpriester" (im Hebräerbrief der Bibel), dessen Blut "unser Gewissen
reinigt", wie zuvor angeblich "das Blut von Böcken und Stieren und die Asche
von der Kuh durch Besprengung die Unreinen heiligt" (9, 13). Welch
ein Gegensatz, ja ein Hohn zu dem Jesus von Nazareth, der die Tierhändler aus dem Tempel
trieb! Und bald werden dem angeblich neuen "Hohenpriester" Theologen und
neue Schriftgelehrte als eine Art "Assistenzpriester" beigestellt.
Priester nehmen also das geistige Erbe des Jesus in die Hand, wodurch sie es
verfälschen, bzw. sie vereinnahmen
es in ihre Fängen und biegen es sich für ihre Zwecken zurecht. Und bald werden auch wieder Riten und Zeremonien,
Talare, Kanzeln und Altäre eingeführt – ganz so, wie es die Leute in ihren
bisherigen Religionen gewöhnt waren und wofür sie sich auch nicht besonders
anzustrengen brauchten. Jesus wollte aber nicht als ein kultischer "Hohepriester" verstanden
werden. Sonst hätte er sich auch gleich in diese Funktion
erheben lassen können. Doch nichts dergleichen. Jesus arbeitete als Zimmermann
und er lehrte seine Nachfolger das Gebot "Bete und arbeite", und er hat keinen einzigen
Priester eingesetzt, geschweige denn sich selbst, und er hat auch keinerlei Kult
begründet. Doch ganz anders Paulus, der zwar selbst kein geweihter Priester war,
der jedoch noch voll im priesterlichen Denken verhaftet war, so dass Friedrich
Nietzsche im übertragenen Sinne zurecht schlussfolgern kann:
"Mit Paulus wollte nochmals
der Priester zur Macht." (in: Der Antichrist, Teil 2;
Kapitel über den Unsterblichkeitsglauben)
Mit Jesus, dem Christus, hat das aber nichts zu
tun, doch es wurde nun zum Fundament für die neu entstehende katholische Kirche.
Und mit ihr kam nun mithilfe des faktischen Kirchengründers Paulus tatsächlich der Priester zu einer noch
nie da gewesenen Machtfülle in der Geschichte der Zivilisation. Und Jahr für Jahr fügte diese Kirche
ihrem Glaubensgebäude weitere Anleihen aus
den antiken Priesterkulten und der Vielgötterei hinzu.
Und die spätere
Auseinandersetzung zwischen "katholisch" und "evangelisch" hat
einige Jahrhunderte später einen ihrer
Gründe darin, dass die evangelische "Reformation" – wohl ganz im Sinne des
Paulus – den Katholizismus von vielen dieser "heidnischen" Zutaten aus den Götzenkulten wieder
befreien wollte. "Christlich" wurde die Lehre dadurch aber nicht; nur hier und
da akzeptabler für mehr nüchterne Zeitgenossen. Denn auch der Protestantismus
pflegt einen Kult mit Pfarrern, Sakramenten, Altar usw., wenn auch gegenüber den
Katholiken in deutlich "abgespeckter" Form. Bei Jesus, dem
Christus, und seinen Nachfolgern sind Priester und äußere Rituale
jedoch ganz überflüssig geworden, da die Menschen damit begonnen hatten, das Reich Gottes in sich
selbst zu erschließen, wovon Jesus selbst sprach: "Das Reich Gottes ist
in euch" (Lukasevangelium 17, 21). Bei den Nachfolgern Jesu
gab es folglich auch keine Höhergestellten und erst recht
keine "Mittler" zu Gott wie faktisch in der katholischen Kirche, auch
wenn man dies theologisch meist feinsinniger umschreibt. Die ersten Urchristen bauten die Verbindung
zu Gott in sich auf, und sie wurden von Christus unmittelbar geführt, wenn er
sich durch Prophetenmund offenbarte, was auch dem von Jesus immer mehr wegdriftenden Paulus und seinen Schülern noch
bekannt ist (siehe z. B. Epheserbrief 4, 11
ff.).
Paulus gilt als der erste Schriftgelehrte, der
in eine hauptverantwortliche Position für die Urgemeinden gelangt, für deren
Zerstörung er letztlich hauptverantwortlich ist. Allerdings
ließ sich Paulus noch nicht wie die
späteren Theologen und Priester für ein "geistliches Amt" bezahlen, sondern
er arbeitete als
Zelt- bzw. als Teppichmacher (siehe Apostelgeschichte 18, 1-3; 20, 34; 1.
Brief an die Korinther 4, 12; 1. Brief an die Thessalonicher 2, 9), und er
legte ausdrücklich Wert darauf, "niemandem unter euch zur Last zu fallen"
(1. Thessalonicher 2, 9), auch keinem Steuerzahler, so wie dies heute
bei den kirchlichen Theologen üblich geworden ist, die sich nicht einmal
genieren, sich sogar vielfach von staatlichen Subventionen entlohnen zu lassen. Hier tat Paulus
zwar im Äußeren, was Jesus mit seiner Lehre von "Bete und Arbeite" wollte, doch bedingt durch
seine pharisäische Ausbildung war Paulus vor allem auch ein kopflastiger Denker, eben
ein "Theologe" im negativen Wortsinn. Dabei
hat er seinen intellektuellen Wissens-Vorsprung
gegenüber den ehemaligen Fischern und Zimmerleuten unter den Aposteln ebenfalls
geschickt genutzt. Diese sind
z. B. viel ungeübter im Disputieren und können auch anderweitig nicht verhindern,
wie Paulus sein theologisches "Wissen" als Schriftgelehrter einfließen lässt und
die christliche Lehre
damit offensichtlich oder unmerklich verändert. Die gravierendste Veränderung
ist dabei, wie oben schon angesprochen, dass Paulus wieder auf die von Jesus richtig gestellten ("Ich aber sage euch
...") Verfälschungen im Alten Testament zurück greift (Römerbrief 7, 12;
sie seien "heilig, gerecht und gut ..."),
während er diese Situation wegen der von ihm so geglaubten Unerfüllbarkeit aber gleichzeitig als "Fluch" deutet (Galaterbrief 3,
10 ff.). Dieser "Fluch" würde nun aber angeblich dadurch neutralisiert, dass
Christus selbst gemäß des Alten Testaments ebenfalls zum "Fluch" geworden sei (mehr dazu
siehe hier). Im übertragenen Sinne:
Zweimal "Minus" soll hier laut dem Denksystem von Paulus "Plus" ergeben. Diese komplizierte
Gedankenkonstruktion nennt man heute zurecht
"Theologie des Paulus", und diese schriftgelehrte
Theorie hat ebenfalls nichts mit Jesus von Nazareth zu tun. Und erst recht nicht
die Schlussfolgerung des Paulus aus all´ den Konstruktionen, dass letztlich jeder Mensch "durch den Glauben"
"gerecht wird" (z. B. Römerbrief 3, 28). Denn Jesus lehrte im Gegensatz
dazu – wie bereits dargelegt – immer das rechte Tun.
Doch Paulus verirrt sich noch weiter in seiner teilweise abstrusen theologischen
Gedankenwelt, die eben noch vielfach seine Vorstellungen als ehemaliger "Pharisäer
und Schriftgelehrter" beinhaltet. So lehrt er der Gemeinde in Rom auch eine
Prädestination (Kapitel 9; "Gott erwählt und verstockt, wen er will"),
was wiederum nichts, aber auch gar nichts mit Jesus zu tun hat, sondern ein
dämonisch inspirierter Unsinn ist, mit dem Paulus Jesus ins Gesicht schlägt. Und auch, was er in
einem Brief an die Gemeinde in Korinth über den "natürlichen Menschen" schreibt, stammt nicht von Jesus: "Der natürliche Mensch vernimmt
nichts vom Geist Gottes" (2, 14), so Paulus, es müsse "geistlich
beurteilt werden". Damit spricht er anscheinend dem unverbildeten
und teilweise kindlichen Verstand der
einfachen "natürlichen" Menschen die Möglichkeit der Gotteserkenntnis z. B. in
der Natur ab. Und er spricht diese Erkenntnis stattdessen dem "geistlichen"
Menschen zu und selbstbewusst auch sich selbst. So schreibt er an anderer Stelle: "Wenn einer meint, er sei ein Prophet
oder vom Geist erfüllt, der erkenne, dass es des Herrn Gebot ist,
was ich euch schreibe. Wer aber das nicht anerkennt, der wird auch nicht
anerkannt" (1. Korinther 14, 37-38). Das ist, gelinde gesagt, kühn,
doch offenbar setzte sich Paulus auch mit dieser Anmaßung in immer mehr Gemeinden durch. Später erklärt die Kirche, aufbauend auf Paulus, dass man
nur noch durch sie, die
Kirche, den
Geist Gottes empfangen könne, und ihre Amtsträger lässt sie nun "Geistliche" nennen. Jesus lehrte
aber ganz anders. Z. B.: "Wenn ihr nicht
umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nichts ins Himmelreich kommen."
(Matthäus 18, 3)
Robert Kehl schreibt in seinem Büchlein
Jesus, der
größte Betrogene aller Zeiten: "Etwas Schlimmeres konnte Jesus wohl nicht
widerfahren, als dass ein vollblütiger Pharisäer seine Sache in die Hand nehmen würde,
auch wenn er es gutgläubig tat" (S. 11). Paulus handelte also
seinem Bewusstsein entsprechend in bester Absicht, doch seine Aufgabe wäre es gewesen, sein Denken und Empfinden
zuerst von den kultischen, intellektuellen und pharisäischen Denkmustern und von den herrschsüchtigen
römischen Traditionen zu
befreien (wozu auch Sätze wie obige gehören: "Wer aber das nicht anerkennt, der
wird auch nicht anerkannt"), bevor er als Lehrer durchs Land zieht. Paulus tut es nicht.
Wie in seiner römischen Umwelt üblich, wertet Paulus folglich auch die Frau
ab, obwohl sie bei Jesus als gleichwertig geachtet war. Sie soll in den Versammlungen
schweigen und zu Hause den Mann fragen (1. Korintherbrief 14, 33-35). Christus ist bei Paulus das Haupt nur
des Mannes, "der Mann aber ist das Haupt der Frau" (1.
Korintherbrief 11, 3).
Und: "Der Mann ... ist Gottes Bild und Abglanz; die Frau aber ist das
Mannes Abglanz" (V. 7). Und weiter: "Der Mann ist nicht geschaffen um der Frau willen,
sondern die Frau um des Mannes willen."
(V. 9)
Diese Lehre wird von den Schülern des Paulus weiter ausgebaut. So heißt es
z. B. im Epheserbrief: "Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie
dem Herrn. Denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der
Gemeinde ist, die er als seinen Leib erlöst hat. Aber wie nun die Gemeinde sich
Christus unterordnet, so sollen sich auch die Frauen ihren Männern unterordnen
in allen Dingen" (5, 22-24; nach
konservativen Bibelauslegern stammen diese beiden Briefe sogar direkt von
Paulus).
Und in seiner Staatslehre passt Paulus das Christentum vollends dem
Imperium Romanum an, indem er erklärt, dass der Christ der Obrigkeit dieser Welt
gehorchen müsse, da diese von Gott eingesetzt, angeordnet und "Gottes Dienerin"
sei, die mit dem Schwert auch ein gerechtes "Strafgericht" vollziehe
(Römerbrief 13) –
eine Lehre mit verheerender Wirkung in den folgenden fast 2000 Jahren. Jesus von Nazareth und die Apostel lehrten
auch solches nicht. Bei
ihnen heißt es diplomatisch: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gott
gebührt" (Markus 12, 17). Oder für den Konfliktfall: "Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen."
(Apostelgeschichte 5, 29)
Zwar spekulieren einzelne Fürsprecher von Paulus aus dem
zeitgenössischen "Theologen-Strom" um das Jahr 2000, dass die Stelle im
Römerbrief auch eine Fälschung bzw. Überarbeitung eines Paulus-Schülers sein könnte, genauso
wie seine Anordnung im 1. Korintherbrief, dass die Frauen in der Gemeinde
schweigen sollen. Doch selbst wenn dies stimmen würde, würde dies den Sachverhalt insgesamt nur wenig ändern. Es würde nur die
Gewichtungen verschieben. "Paulus" als Person würde dann an diesen
Stellen zu Lasten des überlieferten "Paulus" wieder
näher an Jesus heran gerückt, was ihm natürlich persönlich zu wünschen wäre.
Selbst wenn also Paulus als Person auch teilweise Opfer
seiner fälschenden Schüler geworden wäre, so lassen sich die vielen anderen Widersprüche und
Unterschiede zu Jesus damit nicht erklären. Außerdem hält die theologische Wissenschaft
die Stelle im Römerbrief über die Obrigkeit fast einhellig für ein echtes Pauluswort, während allerdings auch von
dieser Seite manchmal angezweifelt wird, ob es Paulus selbst war, der den Frauen ein
Schweigegebot auferlegt hatte. Aber warum sollte er ausgerechnet hier von seiner
patriarchalisch-römischen Linie abweichen? Man merkt den Wunsch mancher heutiger
Theologen und Paulusanhänger, dass es doch schön wäre, wenn es so sei.
Diese
Problematik braucht hier allerdings nicht vertieft zu werden. Man kann "Paulus" auch
einfach so nehmen, wie er sich in den von ihm verfassten Briefen in der Bibel
bzw. den von der wissenschaftlichen Theologie als "authentisch" anerkannten
Briefen darstellt – so im
Wesentlichen auch unsere Position. Und dabei kann man bewusst auch offen lassen, ob einige Sätze daraus
womöglich auf das Konto seiner
Nachfolger gehen (siehe dazu auch Der Theologe Nr.
14 – Hieronymus und die Entstehung der Bibel).
Zurück zur Staatslehre: Durch seine Anpassung an das römische System billigen Paulus
und seine Anhänger mehr
oder weniger auch die Sklaverei (Brief an Philemon), und in der Konsequenz
dieser Lehre offensichtlich auch den Kriegsdienst (aus Römerbrief 13) – die Kirche
und ihre Theologen haben ihn jedenfalls immer so
verstanden. Der Gegenentwurf zur Friedenslehre des Jesus von Nazareth nimmt
unter der Regie des Paulus immer mehr Form an.
"Wer also den Obrigkeiten huldigt, der huldigt
Paulus, und wer also an Paulus glaubt, der glaubt nicht an Christus." |
Den Auftrag Israels, den Bund mit Gott zu erfüllen und Vorbild für alle
Völker zu werden (1. Mose 12, 3), sieht Saulus gleich Paulus unwiderruflich als gescheitert an, und er kehrt ihn
einfach um.
Die christlich werdenden Völker sollen jetzt Vorbild für Israel sein. Durch Israels Fall
"ist den Heiden das Heil widerfahren, damit Israel ihnen nacheifern sollte".
(Römerbrief
11, 11)
Geplant war auch das von Jesus etwas anders: Zwar sollte auch den "Heiden"
das Angebot der Nachfolge offen stehen, so dass sich ein Volk aus vielen Völkern aufbaut.
Doch sollte die Jerusalemer Urgemeinde die Keimzelle bleiben, von wo aus das Reich Gottes auf
Erden allmählich Gestalt annimmt. Und nach wie vor stand zuerst das Volk Israel in der
Pflicht des Bundes mit Gott. Von dieser Überlieferung und ihrem
"Heilsweg" grenzt sich Paulus bald aber scharf ab. "Ich erachte es für Dreck",
so seine Worte (Philipperbrief 3, 8). Und auch wenn er dabei vor allem deren
Verirrungen im Blick haben mag, das ist eine egomane verhöhnende Kampfansage an
die jüdische Überlieferung. Doch nicht einmal die Zehn Gebote stellt er mehr in den
Mittelpunkt seiner Lehre.
Zusammenfassend kann man sagen: Mit seiner
teilweisen Abtrennung der jüdischen Wurzeln, mit der bequemen Botschaft, dass
der Glaube genüge und mit der Anlehnung an den totalitären römischen Staat
schafft Paulus die Voraussetzung dafür, dass das von ihm gelehrte angebliche Christentum in
kurzer Zeit zur Staats- und Volksreligion des Römischen Weltreiches aufsteigen
kann.
Friedrich Nietzsche sagt es auch hier wieder treffend, wenn er Paulus als den "Erfinder der
Christlichkeit" bezeichnet.
Wie ist die Entwicklung weiter gegangen?
Im Jahr 70 n. Chr. wird Jerusalem von
römischen Truppen erobert und dem Imperium Romanum einverleibt. Dieses blutige
Ereignis ist auch ein Spiegel und ein Symbol für das Schicksal der ersten
urchristlichen Gemeinden. Denn auch Jerusalem als geistiger Mittelpunkt des Urchristentums
lässt sich nicht mehr halten. Die Apostel und Urchristen fliehen zunächst von
Jerusalem nach Pella im Westjordanland und bald verliert sich ihre Spur. Die
Jünger Jesu und Jesus-Nachfolger leisteten zwar Widerstand gegen die
Unterwanderung durch Paulus und seine Anhänger, doch offenbar gelang es ihnen
nicht, dies im Geist von Christus zu tun, was die Urgemeinden geschützt hätte.
So aber wurden sie zerstört. Im 1. Jahrhundert und später gab es auch in Rom
noch viele aufrechte Urchristen, die dort verfolgt wurden. Doch hier etabliert
sich mit der Zeit parallel dazu ein griechisch-römisches Christentum, das bald
katholische Kirche nannte und sich zu Unrecht auf Christus beruft. Denn es
handelt sich um eine neue Religion, als dessen Religionsgründer Paulus mit Recht angesehen
werden kann. Im Geist des Saulus vollzieht sich in diesem Milieu ein
allmählicher Anpassungsprozess an das Imperium, was den Herrschaftsallüren des
Religionsgründers Paulus entspricht. Im Laufe des 4. Jahrhunderts war dieser
Prozess in gewisser Weise abgeschlossen. Wurden die Urchristen einst noch
verfolgt, bot sich das frühe Kirchen-System nun als willfährige Verfolgungsmacht
und Bedränger im Dienst der kaiserlichen Herrschaft an. Und nach Erhebung
des griechisch-römischen bzw. paulinischen Christentums gar zur Staatsreligion im Jahr 380 wird nun
bald das Blut ihrer Gegner in Strömen vergossen. Wer nicht mitmacht, der
soll hingerichtet werden. Immer auch unter Berufung auf Paulus: "Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat ... denn
sie trägt das Schwert nicht umsonst: Sie ist Gottes Dienerin und vollzieht das
Strafgericht an dem, der [angeblich] Böses tut" (Römerbrief, 13, 1.4).
Dies gilt von nun an viele Jahrhunderte lang ... Man könnte es so deuten: Der
Dämon hat dieses Christentum vollends übernommen.
Als die ersten Christen zusammenkamen, um in der Gemeinschaft zu essen und zu trinken, mussten keine Tiere dafür sterben. Sie "brachen das Brot hin und dort in den Häusern" (Apostelgeschichte 2, 46; vgl. V. 2), aber sie aßen kein Fleisch. Denn Jesus von Nazareth hatte seine Nachfolger auch über das Empfinden der Tiere aufgeklärt und ihnen aufgetragen, keine Tiere zu schlachten (so z. B. in der apokryphen Schrift Das Evangelium Jesu (6); siehe hier und in anderen antiken Schriften außerhalb der Bibel; siehe Der Theologe Nr. 7). Auch Mose hielt es bereits so. Doch die Priester verfälschten die durch den Propheten Mose gegebenen Botschaften aus der geistigen Welt. Jesus von Nazareth stellte alles wieder richtig, doch dann kam der Schriftgelehrte Paulus, und die Zeiten für die Tiere wurden schlimmer als je zuvor.
Teil 2 dieser Studie mag für viele Leser
noch wie Neuland sein. Denn Jahrhunderte lang hat man gelernt, die Bibel mit einer bestimmten
– durch das
anthropozentrische (= "auf den Menschen zentrierte") Weltbild der Kirche
geformten – Brille zu lesen. Dadurch ist vor allem der Blick auf die
Mitgeschöpfe des Menschen, die Tiere, verloren gegangen. Dass diese genauso leiden
können wie Menschen, wird von der Kirche bestritten. Im 21. Jahrhundert rächt
sich nun Jahr für Jahr die sich immer noch steigernde Barbarei an diesen
Geschöpfen Gottes. Und der Mensch muss allmählich erkennen, dass seine Tyrannei
an der Mutter Erde und an allen ihren Lebensformen mehr und mehr auf ihn selbst zurück fällt.
|
Die Israeliten
aßen in den Jahrhunderten vor Christus und um die Zeitenwende wenig Fleisch. Und
im ursprünglichen Schöpfungsbericht der Bibel ist noch eindeutig festgelegt, dass der
Fleischkonsum überhaupt nicht zur Schöpfungsordnung gehörte (1. Mose 1,
29-34). Es waren die Priester, welche die alten Schriften überarbeitet
hatten und nach der Sintflut Gott die Erlaubnis zum Fleischverzehr in den Mund
schoben (1. Mose 9, 2-4). Das Fleischessen wurde auf diese Weise ein
Bestandteil des priesterlichen Opferkults, der angeblich durch Mose eingesetzt
worden war, ihm in Wirklichkeit ebenfalls nur unterstellt wurde.
Einen klaren Beweis für die
Fälschungen der Priester im Alten Testament der Bibel gibt z. B. der Prophet
Jeremia. Denn in Jeremia 7, 22 steht im Hinblick auf Tieropfer das genaue Gegenteil der
Vorschriften der Mosebücher. Gott spricht demnach durch den Propheten
Jeremia: "Ich aber habe euren Vätern an dem Tage, als ich sie aus
Ägyptenland führte, nichts gesagt noch geboten von Brandopfern und
Schlachtopfern; sondern dies habe ich ihnen geboten: ´Gehorcht meinem Wort, so
will ich euer Gott sein, und ihr sollt mein Volk sein ...`"
Diese Botschaft macht
deutlich, dass die dem Mose zugeschriebenen Tieropfer-Anordnungen niemals von
dem Gott stammen, der durch die Propheten Israels gesprochen hat und spricht. Und
es
bedeutet letztlich: Die Priestermänner selbst führten
einen Kult
mit grausamen Tieropfern und anschließendem Fleischverzehr in Israel ein. Doch dagegen standen immer wieder die Propheten Israels auf, wie es
auch in den Bibeln vielfach bezeugt ist. Neben Jeremia z. B. durch den Propheten Jesaja: "Wer
einen Stier schlachtet, gleich dem, der einen Mann erschlägt." (66,
3; Lutherübersetzung)
Von einem "weltlichen",
nicht religiösen "Fleischmarkt" ist dabei noch nichts bekannt. Die Priester Israels
waren in der Regel die Schlächter, und sie selbst wachten darüber, welche Arten von Fleisch das Volk wann
essen durfte und welche nicht. Auch ordneten sie an, wie alles zubereitet werden
musste und welche Anteile sich die Priester zum eigenen Verzehr auf die Seite
legen durften.
Immerhin könnte diese Anbindung des Fleischkonsums an die Religion
grundsätzlich noch einen Rest an Achtung vor dem Leben der Tiere enthalten, die
dann jedoch durch das religiöse Opferhandeln in Bestialität verkehrt wird. Als
Jesus die Tierhändler aus dem Tempel zu Jerusalem trieb, war dieser auch ein
riesiger Schlachthof, aus dem das Blut Tausender getöteter Tiere in die
Abwässerkanäle floss, und Jesus nannte ihn eine "Räuberhöhle".
Und nur wenige Jahre nach seiner Zeit auf der Erde ergeht es Jesus ähnlich
wie Mose. Auch seine Botschaft wird verfälscht, vor allem durch Saulus, der sich bald Paulus
nennt. Dieser weiß allem Anschein nach nichts oder nur wenig von dem, was Jesus über die Tiere lehrte
und wie
er auch diese Geschöpfe Gottes liebte (siehe in Der
Theologe Nr. 7) oder wie er die Tierhändler aus dem Tempel trieb. Und in der
griechisch-römischen Welt gab es neben dem israelitischen Opferkult auch
vergleichbare mit Fleischkonsum verknüpfte Opferkulte anderer Religionen sowie
offenbar ansatzweise einen "weltlichen" Fleischmarkt. Und hier lehrt Paulus nun, dass ein Christ alles, "was auf dem Fleischmarkt verkauft
wird", essen könne (1. Korintherbrief 10, 25), unabhängig von der
Herkunft des Fleisches.
Und andere Schreiber
des Neuen Testaments erzählen den Gemeinden sogar von den angeblich "unvernünftigen
Tieren, die von Natur dazu geboren sind, dass sie gefangen und geschlachtet
werden".
(2. Petrusbrief 2, 12)
"Das letzte Abendmahl", wie es Lucas Cranach malte – Jesus, Martin Luther, Philipp Melanchthon und protestantische Fürsten verspeisen eine Ente. (Gemälde in der Schlosskirche in Dessau)
Paulus ist zwar Jude, erkennt aber die jüdischen Gebote und Gesetze, zu
denen auch die Tieropfer- und Speisevorschriften gehören, nicht mehr als "Heilsweg" zu Gott an.
Zwar seien sie von Gott gegeben und "gut"
(Römerbrief 7, 12), doch könne sie niemand erfüllen, so
die Meinung von Paulus. Deshalb macht
er sich frei davon und beruft sich dabei auf Christus. Doch das tut er zu
Unrecht. Denn Jesus hob niemals
von Gott gegebene Gebote
auf, im Gegenteil (siehe Matthäus 5, 17). Jesus korrigierte mit seinem "Ich aber sage
euch" nur die Verfälschungen der
Gebote, und er verdeutlichte und vertiefte vieles, was bereits durch Mose und die anderen Propheten gegeben
wurde. Dass z. B. die Tiere "Übernächste" sind und Freunde des Menschen sein wollen, die
man nicht verspeisen soll, wie man in "apokryphen" Evangelien außerhalb der
Bibel auch nachlesen kann (siehe Der Theologe Nr. 7 – Jesus und die
ersten Christen waren Vegetarier); oder dass auch Tiere, wenn man sie quält und tötet, große
Schmerzen erdulden müssen. Dies spielt jedoch weder bei den jüdischen Vorschriften
noch bei Paulus eine Rolle.
Paulus ist als Jude nun aber auch römischer Bürger und
als solcher vertraut mit den
Gepflogenheiten der
wohlhabenden römischen Oberschicht, für die Fleisch vor allem bei festlichen Anlässen
gelegentlich auf dem Speiseplan steht. Und dies wird wohl auch für das
gemeinsame Essen und Trinken in den von Paulus betreuten Gemeinden erwogen bzw. übernommen. Denn
die ersten Christen
trafen sich, so weit möglich, meist abends zum gemeinsamen Abendessen oder in besonders
feierlicher Form zu einem "Abendmahl".
Dieses Gemeinschaftserlebnis wird in der Kirche später durch das Zerkauen einer
"Hostie" (einer Backoblate) ersetzt, die man sich am Altar von einem Priester
oder Pfarrer geben lässt, so dass das heutige Kirchenmitglied kaum mehr eine
Vorstellung davon hat, wie Jesus und die ersten Christen auch hier ihren Alltag
miteinander teilten – in Dankbarkeit gegenüber Gott für die Gaben aus Gottes
guter Schöpfung und als Stärkung für Leib und Seele.
Bei einem Besuch von Petrus und anderen Abgesandten der Urgemeinde Jerusalem
in einer von Paulus gegründeten Gemeinde kommt es eines Tages zum Konflikt. Die Jerusalemer
verweigern die Mahlgemeinschaft. Aus diesem Grund werden sie von Paulus zur Rede gestellt
und gescholten (Bibel, Galaterbrief 2). Den Hinweisen auf die Autorität der Apostel begegnet
Paulus selbstbewusst bzw. selbstherrlich mit den Worten: "Von denen aber, die das Ansehen hatten
– was sie früher
gewesen sind, daran liegt mir nichts; denn Gott achtet das Ansehen der Menschen
nicht." (2, 6)
Paulus stellt den Konflikt nun so dar, als
würden Petrus und seine Begleiter auf der Einhaltung der jüdischen
Speisevorschriften auch für nichtjüdische Nachfolger von Jesus bestehen.
Doch diese Darstellung muss angezweifelt werden, wenn man die
Berichte der apokryphen
Schriften mit einbezieht. Wahrscheinlicher ist demnach, dass sie überhaupt kein Fleisch essen
wollten; so, wie sie von Jesus aufgeklärt worden waren – noch dazu, wenn in diesem Rahmen
auch das Abendmahl gefeiert würde,
bei dem man sich bewusst macht, dass Christus
lebt und gegenwärtig ist.
Das
Einhalten der jüdischen Speisevorschriften war vor diesem Hintergrund
vielleicht ein
Kompromissvorschlag, den jemand gemacht haben könnte, der nach einem gemeinsamen
"Nenner" für die unterschiedlichen Vorstellungen suchte. Denn mit der
Berücksichtigung der jüdischen Tradition hätte man zumindest einem
bedenkenlosen
Fleischverzehr Einhalt gebieten können. Kompromisse sind jedoch nicht das, was
Jesus wollte.
"Simon Kephas war ...
der vorzüglichste der Apostel, was
Wissen, Frömmigkeit und Bildung anbetrifft, nur dass Paulus sein Werk trübte und
sich zu seinem Genossen machte und die Grundlagen seines Wissens verwirrte und
es mit dem Kalam (´Streitgespräch`) der Philosophen und den Einflüsterungen
seines Denkens vermischte."
|
Immerhin sind nach den Speisevorschriften des Alten Testaments manche Tiere, wie
z. B. Hase oder Schwein, vor Schlachtungen geschützt (siehe
hier). Und auch in dem jüdischen Gebot, keine Blutprodukte
zu essen, spiegelt sich zumindest noch ein Rest an Achtung vor anderen Lebensformen, die Mose den
Israeliten vermittelt hatte (und die durch das
spätere Schächtgebot allerdings völlig
pervertiert wird). So schreibt auch die Apostelgeschichte im Neuen Testament, dass
man "den Heiden, die sich zu Gott bekehren", lediglich auferlegte, sich "von
Götzendienst, von Unzucht, von nicht ausgeblutetem Fleisch und von Blutgenuss"
(Apostelgeschichte
15, 5) zu enthalten. Aus dieser Anweisung geht nun aber auch hervor: Es handelt sich bei der Ernährungsfrage ausdrücklich nicht um eine belanglose
Randerscheinung, was die Umgangsformen betrifft, wie es heute oft dargestellt
wird, sondern um etwas Wesentliches: Kein Berührung mit dem Blut der Tiere,
in denen das Leben war – diese Anweisung steht in einer Reihe mit "Kein
Götzendienst" und mit "Keine Unzucht".
Doch
Paulus hält – gelinde gesagt – nicht mehr viel von dieser Überlieferung (dem
"Dreck" nach Philipper 3, 8). Er ist innerlich ganz der "aufgeklärte",
selbstbewusste und hochmütige Römer, dem auch das Bewusstsein für das Leid der Tiere fehlt. Und so verhält er sich im Verlauf der Auseinandersetzung als
gewiefter Diplomat und nicht
als einer, der es zulässt, dass auch er einmal infrage gestellt wird. Dabei betrachtet er es
als Fortschritt im Sinne der von ihm neu gelehrten "Freiheit", dass man gar
nicht zu wissen brauche, ob das beim
Mahl in den christlichen Gemeinden aufgetragene Fleisch zuvor bei Kulthandlungen heidnischen Göttern geweiht wurde.
Paulus greift erst
ein, als einige Gemeindeglieder sowohl am gemeindlichen Abendmahl als auch an Kult-Mahlen anderer
Religionsgemeinschaften teilnehmen, und er erklärt schließlich die Unvereinbarkeit beider
Tischgemeinschaften. Doch immerhin ist er selbst bereit, auf Fleisch beim Mahl zu verzichten
–
allerdings nicht der Tiere wegen, sondern aus "Rücksicht" auf die in seinen
Augen im Glauben "schwachen" Vegetarier; bzw. aus Rücksicht auf
diejenigen "Schwachen im Glauben", die Skrupel vor dem Verzehr von Fleisch
haben, das zuvor durch die Hände heidnischer Priester gegangen ist (1.
Korinther 10, 23-33).
In der
kirchlichen Theologie wird diese Thematik heute jedoch so dargestellt, dass es dabei
ausschließlich um
kultische Fragen ging. In Wirklichkeit wird es jedoch beide
Motive für den Fleischverzicht, sowohl das kultische Motiv als auch das tierfreundliche,
gegeben haben. Ist von diesen beiden Seiten jedoch kein "Ärger" zu
erwarten, spricht aus der Sicht von Paulus nichts gegen das Fleischmahl.
Doch wie ist es heute? Die Lehre des Paulus hätte in
der Gemeinde bzw. späteren Kirche dazu
führen müssen, das Fleisch dennoch zu verbannen, solange es nämlich auch nur einen
(!)
in der Gemeinde gibt, der daran Anstoß nimmt, aus welchen
Motiven auch immer. Damit hätte man befolgt, was Paulus einst geboten hatte und wie er es
selbst hielt: Er war bereit, unter diesen Umständen auf Fleisch zu verzichten.
Und da es heute Tausende von "Gemeindegliedern" gibt, die aufgrund von
brutalster Massentierhaltung und Hungersnöten (die auch durch Verfütterung
von Getreide an das "Vieh der Reichen" bedingt sind) Anstoß nehmen, müssten
die Paulus-Anhänger in den Kirchen heute auf den
Fleischkonsum verzichten, wenn sie sich Paulus wirklich zum Vorbild nehmen
würden.
Doch das Gegenteil ist der Fall. Auch blendet man heute in diesem Zusammenhang
meist die Umstände
aus, unter denen Paulus seine einstigen Aussagen machte. Denn keineswegs ermunterte er die
Gemeinden, sich aus Gaumenlust gewohnheitsmäßig Fleisch zu besorgen und dieses
zuzubereiten, wie dies heute im Kirchenchristentum üblich ist, sondern es ging
z. B. um das rechte Verhalten, wenn einem als Gast ein Gastgeber Fleisch
serviert (10, 27-29) – immer mit dem Ziel, den Gastgeber oder andere
Mitmenschen deswegen nicht zu verärgern (10, 32-33), sondern für den
neuen Glauben zu gewinnen.
Das Bewusstsein für das Leid der Tiere und für die
Einheit der Schöpfung hat Paulus noch nicht oder nur wenig erschlossen, was
aber notwendig gewesen wäre, um seine Aufgabe im Sinne von
Christus zu erfüllen (vgl. hier). So aber
überschätzt sich Paulus in seiner inneren Entwicklung. Und er setzt sich damals mit seiner grundsätzlichen Haltung des bedenkenlosen
und grenzenlosen Fleischkonsums durch, was vor allem bei solchen Menschen gerne gehört
wurde, deren Bewusstsein noch abgestumpfter war als das seine. Und die Gewissensnöte der angeblich "Schwachen im Glauben"
und die Rücksicht der anderen auf diese Gewissensbisse, die Paulus
ausdrücklich auch lehrt, versanken in den Gemeinden und in der Kirchenchristenheit
bald in völliger Bedeutungslosigkeit.
Und so schreibt der Paulusschüler Lukas in
seiner Apostelgeschichte z. B. auch, dass der Apostel Petrus eine
Gottesvision erhalten haben soll, in der es im Hinblick auf kultisch "unreine"
Tiere heißt: "Steh auf, Petrus, schlachte und
iss!" (10, 13) Nachdem sich Petrus erst gewehrt habe, hätte die Stimme
gesagt: "Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht verboten" (10,
15). Angeblich hatte Petrus in der Vision also zunächst die oben bereits genannten kultischen Bedenken
gegenüber dem Schlachten und
Essen bestimmter Tiere, und eine Stimme hätte sie ihm anschließend zu nehmen versucht. Im
unmittelbaren Zusammenhang geht es jedoch gar nicht um Tiere,
sondern um die Erkenntnis, dass es keine "unreinen" Menschen (!) gibt.
Im Kern lautet also die Botschaft dieser Vision: So wie es keine "unreinen
Tiere" gibt, so gibt es auch keine "unreinen" Menschen.
Während dies für die
davon betroffenen Menschen jedoch ein Vorteil ist, da sie dann nicht mehr als
Menschen zweiter Klasse behandelt werden, bedeutet "Reinheit" für die bis dahin
"unreinen" Tiere in der Folge ein furchtbares Todesurteil.
Die Einzelheiten dieser Vision entsprechen dabei
wiederum der
Lehre des Paulus, dass ein Christ alles, "was auf dem Fleischmarkt verkauft
wird", essen könne. (1. Korintherbrief 10, 25)
Von daher ist
es möglich, dass es Paulus selbst gewesen sein könnte, der sich ursprünglich ein
solches Gleichnis ausgedacht hat, und später wäre es dann zu einer Petrusvision
umgearbeitet worden, um die Konflikte zwischen Paulus und Petrus zu
kaschieren bzw. zu harmonisieren. Eine Gottesvision war es sehr wahrscheinlich nicht
(Mehr dazu siehe unter (4)).
Außerbiblischen Quellen zufolge
sind bei Petrus zudem ethische Bedenken gegenüber dem Schlachten anzunehmen und
keine kultischen. Vielleicht trifft aber auch beides zu. Das Tückische dieses
Gleichnisses besteht darin, dass ein bestimmter Fortschritt ("Die jüdischen
Kultvorschriften sind nicht mehr verbindlich") mit einer Unwahrheit verknüpft wird
("Gott habe dem Menschen die Tiere zum Schlachten gegeben") – ein Gemisch, auf
das sich die Kirchen bis heute berufen. So trägt also auch das biblische "Schlachte und iss" aus jenem Gleichnis bis heute
dazu bei, das Gewissen von Metzgern und Fleischessern abzutöten.
Der nächste Schritt in diese
verhängnisvolle Richtung ist im
1. Timotheusbrief
der Bibel dokumentiert, den wahrscheinlich ein Paulusschüler verfasst hat. Dort ist von
Verführern die Rede, die gebieten, "Speisen zu meiden, die Gott geschaffen hat, dass
sie mit Danksagung empfangen werden von den Gläubigen und denen, die die Wahrheit
erkennen [damit ist wahrscheinlich das Essen von Fleisch gemeint]. Denn alles, was Gott
geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird;
denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet." (4, 1-5)
Diese Bibelstelle wird heute von den Kirchen bevorzugt zur Rechtfertigung des
Fleischkonsums zitiert. Doch könnte ein Kannibale mit dieser Bibelstelle theoretisch genauso gut den
Verzehr von Menschenfleisch rechtfertigen, wenn man dabei das vorausgehende Tischgebet nicht
vergisst.
Andersdenkende werden im 1.
Timotheusbrief sogar der "teuflischen Lügenreden" bezichtigt.
Eine verhängnisvolle Auseinandersetzung nimmt nun ihren Lauf: Die ursprünglichen
Paulusgemeinden verfestigen sich und verrohen immer mehr, und einige Generationen später entsteht daraus eine
Staatskirche, die Abweichler in der Folgezeit immer häufiger hinrichten lässt – so wie
man Generationen zuvor das Schaf, den Stier und die Tauben töten lässt. Und ein
Abweichler von der reinen katholischen Lehre ist eben auch ein Mensch, der aus
Tierliebe kein Fleisch essen möchte.
So lehrt die Synode von Toledo im Jahr 447:
"Wer sagt
oder glaubt, man müsse sich vom Fleisch der Vögel oder des Viehs, das zur Speise
gegeben ist, nicht nur um der Züchtigung des Leibes willen enthalten, sondern es
verabscheuen, anathema sit (= der sei verflucht)" (zit. nach Denzinger/Hünermann,
Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, 42.
Auflage, Freiburg 2009, Lehrsatz Nr. 207). Und dieser Fluch gegenüber allen
Menschen, die aus Liebe zu den Tieren das Fleischessen verabscheuen, bedeutete
für die Menschen damals ein Todesurteil und die Verurteilung zu angeblich ewiger
Hölle. Doch die Verrohung der Menschen gegenüber den Mitgeschöpfen unter dem
Einfluss kirchlichen Denkens erreicht erst in unserer Zeit neue Höhepunkte.
Während im 21. Jahrhundert das Gespür für das Leiden der Tiere
bei vielen Menschen allmählich wächst und sie sich für das Ende der Massentierhaltungen,
der grausamen Tierversuche, der Tiertransporte, der Schlachtungen und der Jagd einsetzen, halten
sich die Kirchenführer weiterhin an die "Unbedenklichkeitserklärung" des Paulus
gegen den Fleischkonsum. Und die Kirche segnet sowohl die Massentierhaltungen
als auch die Schlachthöfe, die Tierversuchlabors und die Jagden sowie den
bedenkenlosen Fleischkonsum. Und dies geschieht weltweit. Dabei blenden die
kirchlichen Obrigkeiten und Theologen völlig aus, dass Paulus bei Einwänden
innerhalb der Gemeinschaft für den Verzicht (!) plädierte – wenn auch aus einer
falschen Selbstsicherheit heraus, doch immerhin; und zwar bereits dann, wenn nur
ein Gemeindeglied Anstoß daran nimmt (siehe
oben).
Doch wie ist es heute? Wenn heute ein Kirchenchrist Einwände z. B. gegenüber der österlichen
Fleischweihe im katholischen "Gottesdienst" erhebt oder gegenüber dem Schinken am
Erntedankaltar oder gegen die Steaks oder die Bratwürste beim Kirchweihfest oder
gegen das Weißwurstfrühstück mit dem Kirchenrat, dann wird das Verhalten des
Paulus ignoriert. Für den Kirchenchristen, der Bedenken anmeldet, kann es
stattdessen sehr ungemütlich werden; vor allem dann, wenn der
Metzger der Freund des Pfarrers ist oder der Geflügelzüchter im Kirchenvorstand
sitzt. Auf Paulus kann sich die Kirche dann aber nicht mehr berufen, geschweige denn
auf Jesus, den Christus. Es zeigt sich dann nur noch ein sich selbst entlarvender
Götzenkult im christlichen Mäntelchen.
Dazu eine weitere Momentaufnahme:
Auch bei der Unterzeichnung der "Gemeinsamen
Erklärung zur Rechtfertigungslehre" von katholischen und evangelischen
Kirchenoberen (Allein der Glaube mache angeblich "gerecht" vor Gott;
Augsburg, 31.12.1999) wieder das typische Bild: Es fährt ein LKW einer Metzgerei vor, voll
beladen mit Fleisch und Wurst, um
die Amtsträger aus dem Vatikan und vom Lutherischen Weltbund nach der Zeremonie
tierkannibalisch zu
verköstigen – frei nach dem aus dem Gesamtzusammenhang gerissenen Paulussatz: "Alles, was auf dem Fleischmarkt verkauft wird, das
esst, und forscht nicht nach, damit ihr das Gewissen nicht beschwert."
So halten sie
es seit nunmehr fast 2000 Jahren. Doch bei Paulus gab es noch keine Tierquälerei
in Massentierställen und keine Massenfleischproduktion im Überfluss einerseits
und damit zusammenhängende Hungerkatastrophen andererseits und manches mehr.
Doch was muss eigentlich noch alles geschehen, damit das Gewissen der
selbstherrlichen Theologen berührt wird? Eigentlich müsste das Gewissen auch ohne intensive Nachforschung bereits
schwerer und immer schwerer werden, wenn die Betroffenen überhaupt noch ein
Gewissen haben.
Doch: Immer mehr Menschen verlassen das sinkende
Götzenopferschiff Kirche. Sie sehen die Erde als ein Ganzes, als ihre Ernährerin, als einen
Teil ihres eigenen Lebens. Sie ernähren sich von dem, was die Erde Menschen und
Tieren bereitwillig schenkt, so wie es von Anfang der Schöpfung an geplant war
(1. Mose 1, 29-31) und so wie es im kommenden Friedensreich wieder sein
wird, wo selbst die Löwen wieder Stroh essen wie die Rinder (Jesaja 11, 7).
Und die Menschen bereiten die Früchte der Erde auch entsprechend sorgsam zu, so wie es Jesus von Nazareth seinen Nachfolgern lehrte.
Über diese Zeit spricht auch der Seher Johannes in seiner Offenbarung:
"Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr
sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein" (21, 4).
Und dies
gilt selbstverständlich auch im Hinblick auf die Tiere und ihr Schreien in den Schlachtfabriken.
Weitere Darlegungen
zu diesem Thema in: Der Theologe Nr. 7
– Jesus und die
ersten Christen waren Vegetarier.
Der Hinduist Mahatma Gandhi, gewaltfreier Vorkämpfer für die Unabhängigkeit Indiens, war von der Lehre des Jesus von Nazareth fasziniert. Die Lehre des Paulus lehnte er jedoch ab. Ob Gandhi auch geahnt hat, was Jesus mit dem Wort meinte "Mein Reich ist nicht von dieser Welt", als er immer mehr in die gewaltsamen politischen Verstrickungen des indischen Unabhängigkeitskampfes hinein geriet? Was steht hierzu in den Briefen von Paulus? Paulus bzw. seine Schüler sind deutlich von Jesus abgerückt, wenn sie der Diktatur des Imperium Romanum – wie jedem anderen Staat auch – zubilligen, das "Schwert Gottes" zu führen, und wenn dem Untertan Gehorsam geboten wird (Römerbrief 13, 1.4; vgl. hier). Das hat Jesus sicher nicht gemeint, als er erklärte: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist." Diesen und weitere Unterschiede bzw. massiven Gegensätze zu Jesus hat auch der Wissenschaftler Dr. Robert Kehl im Blick, wenn er sagt, eine "zweite Geburt des Christentums" sei nötig durch die Befreiung von unchristlichen Gedanken und Lehren des Paulus.
Saulus aus Tarsus, später Paulus genannt, stammt aus einer
wohl situierten Gelehrtenfamilie in Tarsus/Kleinasien, der heutigen Türkei, die das
römische Bürgerrecht besaß. Als Mitglied der streng-religiösen jüdischen Bewegung der
Pharisäer hatte er möglicherweise auch "vorteilhafte" Beziehungen zum Hof des
Herodes in Jerusalem und zum Gefolge Neros in Rom (vgl.
Robert Eisenmann, Jakobus, der
Bruder von Jesus, München 1998, S. 788 f.). Sein Wissen über
Jesus stammt vor allem aus seiner Zeit als "Sektenbeauftragter" der Pharisäer,
als er die Urgemeinde in Jerusalem beobachtete und verfolgte. Denn auch nach seiner Umkehr
blieb er bewusst in einer offensichtlichen Distanz zu den Aposteln und Jüngern von Jesus, die ihm
vieles über den Mann aus Nazareth hätten sagen können, das Paulus nicht wusste und ihn
leider auch nicht besonders interessierte.
Paulus geht von Anfang an seinen eigenen ichbezogenen Weg, wobei er sich
weltlicher Herrschaftsgedanken bediente – was bald zu erheblichen
Unstimmigkeiten und zu massivem Streit im Urchristentum führt. Der Mann aus Tarsus reklamiert für sich
darüber hinaus den
direkten Kontakt zu Gott und beruft sich auf eigene Offenbarungen. Doch wer sind
die Inspiratoren?
In einigen von Paulus gegründeten Gemeinden verbreitet sich
bei manchen Gemeindegliedern bald auch das Phänomen des "Zungenredens"
(auch "Glossolalie" genannt), angeblichen
Lobpreisungen Gottes oder gar prophetischen Offenbarungen in Fremdsprachen, die zur
"Erbauung" der Gemeinde von einem anderen Gemeindeglied ausgelegt
werden (1. Korintherbrief 12, 10). Sowohl "Prophet" als auch Ausleger sind ansonsten dieser
Fremdsprache nicht mächtig, und dieses Phänomen gibt es auch heute in so
genannten charismatischen bzw. pfingstkirchlichen Kirchengemeinden. Jesus und seine Jünger praktizierten jedoch solches
ausdrücklich nicht.
Doch das Phänomen war im Unterschied dazu in der antiken heidnischen Umwelt weit verbreitet.
Parapsychologischen Untersuchungen und Beobachtungen zufolge handelt es sich dabei
in der Regel um
"Einsprachen" von Seelen aus dem Jenseits, die sich der Gehirnzellen von Menschen
und auch deren Kraft bedienen. Diese Erklärung ist überzeugend. Da diese
Hintermänner (bzw. "Hinterfrauen") also auch von der Energie der Medien zehren,
kann es bei diesen Menschen deswegen sogar zu
Depressionen kommen, wenn diese "Gabe" häufig bzw. stetig angewandt wird.
Auch dafür gibt es zahlreiche Belege bzw. Berichte von Betroffenen. Die
Qualität bzw. der Wahrheitsgehalt dieser Einsprachen ist dabei völlig ungewiss.
So können sich diese Seelen durch ihre Einsprachen wichtig machen, oder sie
können den Menschen sogar "foppen", indem sie sich als "Christus", als "Maria" oder
als andere bekannte und in diesem Milieu verehrte Persönlichkeiten ausgeben.
Um dieses okkulte
Phänomen zu durchschauen und den falschen Christus dahinter zu erkennen, hätte es
allerdings der schrittweisen Läuterung des Einzelnen nach dem Maßstab der Bergpredigt bedurft. Doch
Paulus und so manche seiner Mitstreiter erfreuen sich lieber an den
medialen "Erfolgserlebnissen" anstatt ihren herrschsüchtigen oder
hochmütigen Vorstellungen und
Gedanken auf den Grund zu kommen und diese abzulegen. Und so sind diese "Erfahrungen" mit in
die "christliche" Botschaft
eingeflossen, wie sie Paulus entsprechend lehrte. Dementsprechend ist das Verhalten von Paulus. Er tritt vielfach
aufgrund seiner Ego-Anteile mit großem Selbstbewusstsein auf und fordert sogar dazu auf,
seinem "Beispiel" zu folgen. (z. B. 1. Korintherbrief 11, 1; mehr
zu diesem Thema in Der Theologe Nr. 74 – Kirche contra Pfingsten: "Löscht den Geist aus!"
und in
Der Theologe Nr. 99 –
Zungenreden ist
unchristlicher Vulgärspiritismus, der Gottesgeist spricht verständlich)
Geschickt kokettiert Paulus mit der Demut und weist auf seine
"Schwachheit" hin, um dann an anderer Stelle zu sagen: "Ich sollte von euch gelobt
werden" oder: "Wenn ich mich rühmen wollte, wäre ich nicht töricht, denn ich
würde die Wahrheit sagen. Ich enthalte mich aber dessen, damit nicht jemand mich höher
achte, als er an mir sieht oder von mir hört" (2. Korintherbrief 12, 5-6). Ist dies echte Demut?
Oder ist es vor allem die Brillanz eines Intellekts – von einem Menschen, der weiß, dass er eigentlich demütig
sein sollte?
Ein "schlechter Redner" sei er, doch was laut der Apostelgeschichte der
jüdische König Agrippa über Paulus sagt, dürfte der Wahrheit näher kommen: "Es
fehlt nicht viel, so wirst du mich noch überreden und einen Christen aus mir machen",
so der König zu Paulus (26, 28). Und Paulus setzt sofort nach und ergänzt: "... nicht allein du, sondern alle,
die mich heute hören", sollten das werden, "was ich bin". Dabei gibt Paulus
immer vor, den Willen Gottes zu erfüllen und alles Christus zu Ehren zu tun. Er
kennt die christliche Theorie hier gut. Doch hat er sie auch in seinem
Unterbewusstsein verinnerlicht? Oder ist er dort immer noch der alte "Saulus"?
Der
Historiker Karlheinz Deschner kommt nach dem
Studium der Paulusschriften zu einem wenig schmeichelhaften Ergebnis: Paulus "duldete
keine selbständig denkende Menschen um sich". Und der Theologe
Giuseppe Riciotti führt aus:
"Apollos, der Denker mit
den originellen Ideen, bleibt nicht lange, ebenso wenig wie der gereifte Barnabas"
(nach Deschner,
Abermals krähte der Hahn, Reinbek 1972, S. 192
f.). Und auch Johannes Markus trennte sich von Paulus
(siehe Apostelgeschichte 15, 37-40). Und Barnabas, "ein bewährter Mann,
voll Heiligen Geistes und Glaubens" (Apostelgeschichte 11, 24),
hatte im Auftrag der Urgemeinde in Jerusalem wohl ursprünglich die Aufgabe,
Paulus von Antiochien aus allmählich an die Urgemeinde heran zu führen.
Doch der Plan scheitert. Paulus wird übermächtig und "sie kamen scharf aneinander, sodass sie
sich trennten" (15, 39). Paulus lässt sich nun erst recht von keinem mehr etwas
sagen. (5) Das Unheil nimmt seinen Lauf.
Sein Umgang mit den Aposteln und Jüngern, den Paulus in der Bibel selbst beschreibt, stützt diese Deutung. Während Paulus zur brüderlichen Zucht an anderen auffordert, entzieht er sich selbst geschickt der Korrektur durch die Gemeinschaft. Damit bleibt er im Grunde ein Einzelgänger und in seinem Charakter zu einem großen Teil der alte. Paulus ist sich seiner Sache dabei so sicher, dass er Andersdenkende in der Gemeinde ohne Skrupel als "falsche Brüder" bezeichnet und sich sogar dazu hinreißen lässt, Kritikern seiner Linie mit den Worten zu kontern "der sei verflucht" (Galaterbrief 1, 8). Dieser Satz wird in späteren Jahrhunderten bei den Verdammungsurteilen der kirchlichen Inquisition zur Standardaussage. Paulus scheut sich auch nicht, "Unzüchtige" dem "Satan" zu übergeben "zum Verderben des Fleisches, damit der Geist gerettet werde am Tag des Herrn" (1. Korintherbrief 5, 5). Was er damit genau gemeint hat, ist unklar. Bereitwillig haben allerdings die kirchlichen Inquisitoren späterer Jahrhunderte bei ihrem furchtbaren Morden auf diesen Aussagen von Paulus aufgebaut und damit die Hinrichtungen von Andersgläubigen begründet – auch ganz gezielt mit dem von Paulus abgeleiteten Nachsatz, dass auf diese Weise vielleicht deren Seele gerettet werden könne.
Dass sich die Paulusgemeinden im damaligen römischen Weltreich durchsetzen,
während die christlichen Urgemeinde und anderswo zerstört wurden, hat aber nicht
nur mit dem Durchsetzungswillen und dem starken menschlichen Ego des Paulus zu tun.
Wie in den Urgemeinden über Paulus gedacht und gesprochen wurde, entsprang
vielfach auch nicht dem Geist der selbstlosen Liebe, wie es Jesus von Nazareth
seine Nachfolger lehrte. Auch Kompromisse führen zu Schwächungen, auch auch
damals schon ging es um Finanzen. So ist Paulus bestrebt, es trotz aller
Gegensätze und Unterschiede nicht ganz zum Bruch mit der Urgemeinde in Jerusalem kommen zu lassen. So lässt
er als Zeichen seiner Unterstützung mehrfach
Geld für die Urgemeinde sammeln und er setzt sich für diesen Dienst an den
"Heiligen" sehr ein, was ihm zugute gehalten werden kann, wenn es
nicht auch ein taktisches Manöver war, um dort auch an Einfluss zu gewinnen. Den äußeren Niedergang der Jerusalemer haben diese
von Paulus erwähnten Finanzspritzen jedenfalls nicht aufhalten können. Der
Dauerstreit mit Paulus, ob offen oder schwelend, war wohl letztlich
ausschlaggebend. Nach Pella im heutigen Jordanien sei die Gemeinde ausgewandert, als sich die Urchristen nicht
am jüdischen Aufstand gegen Rom in den 60er-Jahren beteiligen wollten (vgl.
dazu hier). So ist es
überliefert. Dort im Jordanland
verliert sich dann ihre Spur, und in Rom wurde offenbar so mancher
aufrichtige Christ
Opfer der Verfolgung und nicht so sehr der "Frühkatholik". Und die Spur findet sich
bezeichnenderweise wieder in den ersten
"Ketzerberichten", welche im 2. Jahrhundert in der so genannten "frühkatholischen"
Kirche kursieren, die sich aus den Paulusgemeinden heraus entwickelt. Es gebe da z. B.
einige Irrlehrer, die einen "Sühneopfertod" von Jesus, wie er von Paulus
verkündigt wird, leugnen; die auch die Lehre von eine angeblichen Heilsbedeutung des Blutes leugnen sowie
die angebliche Jungfrauengeburt und in späterer Zeit die angebliche Erbsünde. Diese "Ketzer" und "Irrlehrer"
– da
sind sie also wieder, die
verstreuten getreuen Nachfolger von Jesus.
Doch auch die Spur des Paulus verliert sich. Es heißt, er wäre bei der
Christenverfolgung in Rom unter Kaiser Nero (37-68; Kaiser seit 54) ums Leben gekommen, was vermutlich stimmt.
Der Kirchenschriftsteller Eusebius datiert um das Jahr 200 den Tod des Paulus in
das Jahr 67 zurück. Er wäre außerhalb Roms an einem abgelegenen Ort an der Via Ostiense durch Enthauptung hingerichtet worden, was denkbar ist. Alles weitere
sind katholische Legenden, einschließlich des angeblichen Fundes von
Leichenresten des Paulus im Jahr 2009.
Aus einer "Neuoffenbarung" der Gegenwart stammt der bedenkenswerte Hinweis, dass
Paulus in späterer Zeit seine Fehler erkennt und in den letzten Lebensjahren
schließlich doch zum treuen
Streiter und Werkzeug für Christus wird
(Heimholungswerk
Jesu Christi, Innsbruck, 9.11.1980, (6)). Paulus
hätte aber nicht mehr verhindern können, dass
vieles, was er einst niedergeschrieben hatte, weiter als seine Lehrüberzeugung
verbreitet wird. Während
Paulus vermutlich in Rom von der Obrigkeit, deren "gehorsamer Untertan" man laut seines
Briefes an die Römer sein soll (13, 1), verfolgt und schließlich
ermordet wird, wachsen unzählige falsche Samen, die er gesät hatte, an zahlreichen Orten des
Imperium Romanum zur Institution Kirche heran.
Ca. 250 Jahre später sondert die mittlerweile zur
alleinigen Staatsreligion
aufsteigende Institution Kirche (Enteignungen von Urchristen zugunsten der
Kirche ab 326 unter Kaiser Konstantin; alleinige Staatsreligion der Kirche und
Hinrichtung von Andersdenkenden ab 380 unter Kaiser Theodosius I.) alle Schriften der Paulusgegner aus. Die Paulusschriften
hingegen, die der Mann aus Tarsus demnach nicht mehr korrigieren konnte, werden
in die kirchliche Bibel aufgenommen und ausnahmslos zum "Wort Gottes" erklärt. Dabei ist
– wie oben bereits angedeutet – nachgewiesen, dass man dem gefeierten "Apostel" manches unterschiebt.
So sind die meisten
Theologen und Religionswissenschaftler heute
davon überzeugt, dass einige Paulusbriefe in der Bibel gar nicht von Paulus, sondern von
seinen Schülern geschrieben worden sind (die beiden Briefe an Timotheus, der
Brief an Titus, der Brief an die Epheser, der Brief an die Kolosser und der 2. Brief an
die Thessalonicher). Möglicherweise werden auch Korrekturen,
die Paulus selbst noch vorgenommen hatte, bewusst ignoriert. Doch kurz vor seinem Tod wird Paulus
– dem oben zitierten und zumindest in sich stimmigen Text zufolge – von
Christus in einer Vision getröstet, dass die Zeit kommen wird, in der seine Irrtümer richtig gestellt
werden. Dies wäre auch ein hoffnungsvoller Abschluss eines Lebens, das wie
selten ein anderes die abendländische Geschichte und ihre Epochen geprägt hat.
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(1) Der eigene
Bericht des Paulus in seinem Brief an die Galater gilt unumstritten
als historisch zuverlässiger als die Darstellung in der einige Jahrzehnte später
entstandenen Apostelgeschichte, in der sich der Paulusschüler Lukas darum
bemüht, die Konflikte zwischen Paulus und den anderen Aposteln nachträglich zu harmonisieren.
In der Apostelgeschichte heißt es, Paulus wäre bei seinem Erlebnis
erblindet. Dann hätte er sich drei Tage "bei den Jüngern in Damaskus"
aufgehalten, wäre geheilt worden und hätte sich dann dort taufen lassen. Danach
wäre er nach
Jerusalem gezogen, was er selbst aber im Galaterbrief ausdrücklich bestreitet. In
Jerusalem hätte er der Version der Apostelgeschichte zufolge versucht, "sich zu den Jüngern zu halten"
(9, 26). Da er jedoch in Lebensgefahr geschwebt haben soll, hätten
ihn die Jünger von sich aus zurück nach Tarsus geschickt (V. 30).
Paulus jedoch
stellt denselben Sachverhalt im Galaterbrief ganz anders dar und schreibt: "Da besprach ich mich nicht erst mit
Fleisch und Blut, ging auch nicht hinauf nach Jerusalem zu denen, die vor mir
Apostel waren, sondern zog nach Arabien [PS: Was wollte er dort?] und kehrte
wieder zurück nach Damaskus. Danach, drei Jahre später, kam ich hinauf nach
Jerusalem, um Kephas kennen zu lernen, und blieb fünfzehn Tage bei ihm. Von den
anderen Aposteln aber sah ich keinen außer Jakobus, des Herrn Bruder (Galater
1, 16-19) ... Danach, vierzehn Jahre später, zog ich abermals hinauf nach
Jerusalem ..." (2, 1)
(2) Nicht einmal bei der in ihrer Ursprünglichkeit ohnehin umstrittenen Bibelstelle in Markus 10, 45 ist ein "zorniger Gott" als Empfänger eines "Lösegelds" genannt. Und selbst wenn diese Bibelstelle authentisch wäre, Jesus von Nazareth also tatsächlich so gesprochen hätte, müsste man wohl den Gegenspieler Gottes als Empfänger eines dort genannten "Lösegelds" annehmen.
(3) Die
Gesetzesvorschriften des Alten Testaments sind für Paulus einerseits "heilig"
(Römer 7, 12), andererseits jedoch "unerfüllbar" (z. B. Römer 3, 9 ff.).
Diese Situation empfindet er als "Fluch", "der den
Tod bringt" bzw. "zur Verdammnis führt".
Deshalb schreibt Paulus: "Denn die aus den Werken
des Gesetzes leben, die sind unter dem Fluch. Denn es steht geschrieben (5.
Mose 27, 26): ´Verflucht sei jeder, der nicht bleibt bei alledem, was
geschrieben steht in dem Buch des Gesetzes, dass er´s tue.`" (Galater 3, 10)
Mit seinen intellektuellen Überlegungen versucht Paulus nun, sich aus dieser
gedanklichen Verstrickung heraus zu winden. Und er versucht es mit folgender
akrobatischer Gedankenkonstruktion: Da im
"Gesetz" (den fünf "Mosebüchern" im "Alten Testament") auch stehe "Verflucht ist
jeder, der am Holz hängt" (5. Mose 21, 23), wäre ja Christus demnach
auch ein Verfluchter gewesen, da er ja bei seiner Hinrichtung auch "am
Holz hing". Gleichzeitig wäre Christus dabei aber von Gott angeblich "als Sühne in seinem
Blut" hingestellt worden (Römer 3, 25). Aus diesen beiden
Glaubenssätzen konstruiert
Paulus nun einen neuen, eine neue dritte Glaubenstheorie, die dann wörtlich lautet: "Christus aber hat uns erlöst von dem Fluch des
Gesetzes, da er zum Fluch wurde für uns" (Galater 3, 13).
Das ist hartgesottene intellektuelle Virtuosität, hat aber mit der Lehre von Christus
selbst nichts zu tun.
Auch an anderer Stelle bemüht
Paulus diese seine "Theologie". So spielt er mit der Formulierung "Buchstaben in
Stein gehauen" (2. Korinther 3, 7) ausgerechnet auf die Zehn Gebote an,
die durch den wahren Gottespropheten Mose den Menschen gegeben wurden und die
sich positiv von unzähligen kultischen Konstrukten von Priestern und von diesen
erfundenen grausamen Tierschlacht-Anordnungen im Alten Testament abheben. Und er
versteigt sich dann weiter in das paradoxe Konstrukt, dass es sich hier um einen "Dienst"
handle, "der den Tod bringt", aber dennoch "Herrlichkeit hatte".
Hier könnte jeder Leser, der seinen gesunden Menschenverstand nicht ausschaltet,
eigentlich schon einhaken, vielleicht mit dem Zwischenruf "So ein Unsinn!"
In
diesem (Un-)Sinn fabuliert Paulus dann aber noch auf paradoxe Art weiter: "Wenn der Dienst, der zur Verdammnis führt, Herrlichkeit
hatte, wie viel mehr hat der Dienst, der zur Gerechtigkeit führt,
überschwängliche Herrlichkeit" (Vers 9). Doch welcher Gottsucher soll
mit einer solchen Gedankenkonstruktion seine
Gehirnzellen belasten?
Dies lässt sich geradezu so
interpretieren, als ob ein Leben nach den Zehn Geboten Gottes in Tod und Verdammnis führe.
Das stimmt nicht, doch genau das ist eben das Denken von Paulus: weil angeblich unerfüllbar,
deshalb Fluch, und deshalb schließlich sogar Verdammnis. Ein solches Denken ist aber gegen Gott, den Ewigen, gerichtet, der die Gebote
den Menschen
gegeben hat, damit sie danach leben und ihre Schritte zur Lebensbemeisterung und
zum Glücklichsein tun können. Und deshalb hat ja auch Jesus von Nazareth dem reichen
jungen Mann schlicht geraten: "Willst du aber
zum Leben eingehen, so halte die Gebote ... Du sollst nicht töten; du sollst
nicht ehebrechen ... usw." (Matthäus 19, 17)
Man könnte Paulus natürlich
zugute halten, dass es ihm
offenbar weniger um ein intellektuelles Bekenntnis zu einer bestimmten Lehre
geht, sondern letztlich um ein Leben im Geiste Gottes, das auch nach seiner
Überzeugung in den "Herzen" der Menschen
lebt (Vers 3). So zitiert er in diesem Zusammenhang auch eine allgemeine
Wahrheit, die lautet: "Der
Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig" (Vers 6).
Das erinnert an den Gottespropheten Jeremia, durch den der Gott des Alten
Bundes bereits angekündigt hatte: "Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in
ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein"
(33, 31). Aber so, wie diese Wahrheit von Paulus in sein Denken eingebaut
wurde, werden seine gesamten Zeilen dann zu einer komplizierten
theologischen Kopfgeburt, welche nicht der Wahrheit dient. Und das gesamte Konstrukt,
wonach Aspekte göttlicher Herrlichkeit sogar zur Verdammnis führen sollen, wird dann von seinen Nachfolgern
auch noch als angeblich "unfehlbares Gotteswort" in ihre Bibeln
hinein zementiert, wodurch es selbst zu einem Werk "tötender Buchstaben" wurde, auf die sich
Heerscharen von Theologen seit 1900 Jahren berufen und womit sie nicht selten
auch Kriege, Judenverfolgungen und "Ketzerverbrennungen" rechtfertigten. Aber dann
sollen sich alle miteinander vielleicht "paulinisch" nennen, aber auf
jeden Fall nicht mehr "christlich"
(siehe dazu auch die nachfolgende Anmerkung 3a). Denn für wen "Pauluswort"
gleich "Gotteswort" ist, der hat damit faktisch Paulus zu seinem "Gott" gemacht,
auch wenn das viele nicht gerne hören und auch von Paulus selbst gar nicht so
gewollt war.
(3a)
Dies alles, was der Theologe Paulus hier lehrt, ist eine erhebliche Verbiegung und Veränderung der schlichten Botschaft des Jesus
von Nazareth. Jesus lehrte die Menschen, dass ein
großer Teil des "Gesetzes" ("Ihr habt gehört ...") nicht von Gott stammt,
sondern von den Priestern, weswegen er diese Verfälschungen der Priester wieder richtig stellte ("Ich aber sage euch
...").
Und Jesus von Nazareth lehrte weiter, die echten Gottesgebote zu halten und nicht
die von den Priestern erfundenen Gesetzesvorschriften, welche die damaligen
Theologen und Religionsführer ebenfalls Gott
unterschoben hatten und die bis heute ein Teil des so genannten "Alten
Testaments" sind.
Als Zusammenfassung gab Jesus dazu die Goldene Regel: "Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun
sollen, das tut ihnen auch. Das (!) ist (!) das Gesetz und die
Propheten" (Matthäus 7, 12). Das bedeutet auch: Das
ursprünglich von Gott durch die Prophetie des Mose gegebene Gesetz im Alten Bund und die Botschaft von Jesus
von Nazareth sind identisch, sind gleich. Und von dieser Grundlage her
betrachtet kann man auch einen großen Teil
der Fälschungen im Alten Testament erkennen.
Zur Goldenen Regel kommt praktisch das Liebegebot hinzu: "´Du sollst
den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von
ganzem Gemüt.` Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem
gleich: ´Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.` In diesen beiden
Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten." (Matthäus 22, 37-40)
(4) In dieser Vision gibt es zwei Bedeutungen bzw.
zwei Ebenen oder Themen, zu denen die Vision Aussagen macht. Im
Zusammenhang der Apostelgeschichte geht es zunächst gar nicht um das
Verhalten gegenüber den Tieren, sondern um das Verhalten gegenüber Menschen. Die
Vision soll für Petrus nämlich ein Gleichnis dafür gewesen sein, dass, so wie es
keine "unreinen" Tiere gibt, es auch keine "unreinen" Menschen
(!) gibt. Und so habe Petrus auch die Schlussfolgerung gezogen, sich von einem
römischen Hauptmann mit Namen Kornelius einladen zu lassen, da dieser eben nicht
"unrein" sei, obwohl er Römer ist. Denn: "Gott hat mir
gezeigt, dass ich keinen Menschen meiden oder unrein nennen soll"
(Apostelgeschichte 10, 28). Das ist in der Tat eine urchristliche Botschaft.
Und wenn das die einzige Lektion aus diesem Gleichnis sein sollte, dann hätte es
damit auch seinen Zweck erfüllt.
Merkwürdig ist allerdings, wenn Petrus eine solche "Lektion" noch nicht
gelernt hätte, als er mit Jesus von Nazareth durch das Land gezogen war. Denn Jesus hat zum
Beispiel auch in Gegenwart des Petrus einen Diener des römischen Hauptmanns von Kapernaum geheilt (Lukas
7, 1-9). Und er hat seinen Jüngern auch bei vielen anderen Begegnungen klar
gemacht, dass es bei Gott die Unterscheidung in "reine" und "unreine" Menschen
bzw. kultische Barrieren im Umgang mit den Nächsten nicht gibt. Es sind also
erhebliche Zweifel angebracht, dass Petrus immer noch solche gravierenden
Unterschiede zwischen "reinen" und "unreinen" Menschen gemacht haben
soll, als es zu
der Begegnung mit dem römischen Hauptmann gekommen ist, falls sie überhaupt in
dieser Form stattgefunden hat. Und so ist es auch von
daher schon höchst zweifelhaft, ob Petrus in einer solchen Vision
tatsächlich unschuldige Tiere hätte schlachten sollen, um aufgrund dieser
Barbarei angeblich endlich zu verstehen,
dass alle Menschen gleich sind vor Gott, nachdem er es vorher, als er von Jesus
von Nazareth unterrichtet wurde, folglich nicht verstanden hätte.
Und hier ist nun die zweite Bedeutungsebene angesprochen, das Verhalten gegenüber
den Tieren. Denn diese Petrus-Vision wird von Kirchenmitgliedern auch
zur Rechtfertigung von unbeschränktem Fleischkonsum heran gezogen. Der Inhalt dieser Vision entspricht dabei der Lehre des
Paulus, dass ein Christ alles, "was auf dem Fleischmarkt verkauft wird", essen
könne. (1. Korintherbrief 10, 25)
Doch die Vision für sich genommen rechtfertigt
keine Schlachtungen. Denn
auch Jesus hat in seinen Gleichnissen manchmal Geschichten aus dem Alltag der
Menschen erzählt, ohne dass das Verhalten der dort Handelnden damit
gerechtfertigt wurde. Es diente nur als Rahmen, innerhalb dessen etwas
Bestimmtes erklärt werden soll; wie z. B. im "Gleichnis von den Talenten", wo
von einem "Fürst" erzählt wird, einem "harten Mann", der "nimmt", was er nicht
angelegt hat und der seinen Dienern eine bestimmte Anzahl von Talenten
anvertraut (Lukas 19, 11 f.). Dieser "harte Mann" darf hier
aber keinesfalls mit
Gott verglichen werden, und er ist in diesem Gleichnis auch gar nicht als Vorbild
gedacht. Sondern die Geschichte aus der Alltagserfahrung der Menschen dient ausschließlich
dem Erkenntnisgewinn für die Zuhörer von Jesus, die ihre Talente nicht
vergraben, sondern vermehren sollen. Und dazu wurde von Jesus eben gleichnishaft
etwas
erzählt, was den Zuhörern aus ihrem persönlichen Lebensumfeld her bekannt war.
Während man aber davon ausgehen kann, dass Jesus dieses Gleichnis tatsächlich
erzählt hat, ist diese Petrus-Vision wahrscheinlich keine echte Gottes- oder
Christus-Vision. Sie stammt wohl entweder von Paulus oder – vergleichbar
einem Traum – aus dem Unterbewusstsein oder tieferen "Seelenschichten" von Petrus,
der es dann später aus seinem Bewusstsein heraus erzählt hätte. Oder es stammt
eben von vorne herein von jemand anderem, der es so geträumt oder sich
ausgedacht hat und es dann anschließend dem Petrus unterschob, um es damit aufzuwerten.
(5) Auch die vom Paulus-Schüler Lukas geschriebene
Apostelgeschichte lässt an einigen Stellen noch die heftigen Konflikte
durchscheinen, die Paulus immer mehr von der Urgemeinde in Jerusalem entfernen
und ihn im Ergebnis zum Gewährsmann einer
frühkatholischen Kirche im Gegensatz zu
Jesus von Nazareth machen.
Unscheinbar zunächst die Notiz in 13, 13:
"Johannes aber trennte sich von ihnen [Paulus und Barnabas] und kehrte zurück
[in die Urgemeinde] nach Jerusalem." Die Brisanz wird erst in 15, 36 ff.
deutlich: "Nach einigen Tagen sprach Paulus zu Barnabas. Lass uns wieder
aufbrechen ... Barnabas aber wollte, dass sie auch Johannes mit dem Beinamen
Markus mitnähmen. Paulus aber hielt es nicht für richtig, jemanden mitzunehmen,
der sie in Pamphylien verlassen hatte und nicht mit ihnen ans Werk gegangen war.
Und sie kamen scharf aneinander (!), so dass sie sich trennten. Barnabas nahm
Markus mit sich und fuhr nach Zypern. Paulus aber wählte Silas ..." Zunächst
ging also Johannes nicht mehr mit Paulus mit, dann streikte auch Barnabas, der
"bewährte Mann, voll Heiligen Geistes" (11, 24).
Warum?
Mögliche Antworten finden sich oben in dieser Ausgabe des Theologen. Ein nahe
liegender Auslöser könnte dabei die Begebenheit gewesen sein, die nach dem Bericht der
Apostelgeschichte dem Weggang von Johannes Markus voraus ging. Paulus verfluchte
in Zypern einen jüdischen "Zauberer" und missbrauchte
hier die Kräfte, über die er verfügte,
offenbar für schwarze Magie. Die Apostelgeschichte gibt die Worte des
Paulus und ihre Auswirkungen wie folgt wieder: "Die Hand des Herrn komme über dich, und du sollst blind sein
und die Sonne eine Zeitlang nicht sehen! Auf der Stelle fiel Dunkelheit und
Finsternis auf ihn." (13, 11)
Dieses Verhalten hat mit Jesus von Nazareth
nichts zu tun, der keinen seiner Gegner auf diese Weise gesundheitlich
geschädigt hatte. Offenbar ist Paulus immer mehr "abgehoben" und steigert sich im
Bewusstsein seiner "Kräfte" hier in eine Art magischen Ego-Rausch hinein. Für Johannes
Markus könnte damit der Zeitpunkt gekommen sein, wo er nicht mehr hinter Paulus stehen
konnte. Und alleine mit Paulus stand auch Barnabas Paulus gegenüber auf verlorenem Posten. So gab
auch er auf, Paulus zu disziplinieren, trennte sich von ihm, und die Dinge nahmen ihren Lauf.
Dass sich auch noch Apollos von Paulus und seiner Arbeit zurückzog, wie der
Theologe Guiseppe Riciotti schreibt (siehe oben im Text),
dafür sprechen die Hinweise von Paulus selbst in seinem 1. Korintherbrief.
So versuchte Paulus zunächst, gewisse Spannungen in Korinth mit folgenden Worten
zu schlichten: "Denn wenn einer sagt: Ich gehöre zu Paulus, der andere aber: Ich
zu Apollos – ist das nicht nach Menschenweise geredet? Wer ist nun Apollos? Wer
ist Paulus? Diener sind sie, durch die ihr gläubig geworden seid ..."
(3, 4-5)
Das klingt zunächst unverfänglich. Doch am Ende des Briefes schreibt Paulus dann
doch kritisch über Apollos: "Von Apollos, dem
Bruder, aber sollt ihr wissen, dass ich ihn oft ermahnt habe, mit den Brüdern zu
euch zu kommen; aber es war durchaus nicht sein Wille, jetzt zu kommen; er wird
aber kommen, wenn es ihm gelegen sein wird." (16, 12)
(6) Die Kirche lehnt alle wahren Gottespropheten seit Jesus von
Nazareth ab, durch die auch nach deren Selbstverständnis Christus bzw. der
Schöpfergott sich "offenbaren". Es sei denn, diese "Neuoffenbarung"
würde genau mit ihren Kirchenlehren übereinstimmen. Die
Propheten wurden oft hingerichtet, z. B.
Savonarola in Florenz im 15.
Jahrhundert. Die Kirche behauptet, die Offenbarungen
wären mit Christus abgeschlossen, und sie widerspricht damit sowohl Jesus von Nazareth
als
auch Paulus, die beide von kommenden (!) Propheten sprechen oder von dem
prophetischen Wort in den Urgemeinden (z. B. Matthäus 7, 20
(Unterscheidung der falschen von den richtigen), Lukas 11, 49 und Johannes 16, 12-16
sowie 1. Korintherbrief, Kapitel 12). Der Autor dieser Untersuchung geht davon
aus, dass es auch heute echte "Gottesprophetie" wie z. B. in der Zeit des Alten
Testaments gibt.
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