Der Theologe Nr. 92, aktualisiert
am 29.1.2024
Jesus, der Zimmermann aus Nazareth, brachte die schlichte Lehre der Gottes- und Nächstenliebe. In seiner Bergpredigt begeisterte er viele Menschen, die entschlossen waren, ihr Leben grundlegend zu ändern. Doch seine Nachfolger, die Gemeinschaften des frühen Urchristentums, hatten zunächst nur kurze Zeit Bestand. "Schon im zweiten Jahrhundert hat tatsächlich eine tief greifende Veränderung stattgefunden, welche in einer bedenklichen Verflachung des Christentums-Verständnisses bestand" – so zum Beispiel der Theologe Walter Nigg in seinem Buch der Ketzer (Zürich 1986, S. 73). Und sein Kollege Gerhard Wehr (Esoterisches Christentum) bedauert, dass die "frei waltenden Geistesgaben" des frühen Christentums, etwa die Gottesprophetie oder die urchristliche Glaubensheilung, durch die "Amtsvollmacht" der Priesterkaste beseitigt wurden: "Spätestens seit der Mitte des 2. Jahrhunderts beginnt dieser Vorgang sich mit deutlichen Konturen innerhalb der Christengemeinden abzuzeichnen: Was einst aus ursprünglichem Geist-Erleben geschöpft war, wurde nun durch feste Bekenntnisformeln verdrängt" (Stuttgart 1995, S. 27). Doch hatten diese Vorgänge im 2. Jahrhundert überhaupt noch etwas mit Christus und einem so genannten "Christentum" zu tun? Oder wurde dafür nur sein guter Namen geraubt und bis heute missbraucht? Eines ist dabei gewiss: Nachfolger Jesu verfolgen niemals Andersdenkende, woraus sich ergibt: Wer solches in den kommenden Jahrhunderten tat oder bis heute als Teil seiner Geschichte betrachtet, war und ist mit der gegenteiligen Macht im Bunde.
Der Bürger David aus Gent im heutigen Belgien und seine Frau Levina wurden von der Papstkirche als "Ketzer" angeklagt und 1554 zu einem grausamen Foltertod durch Erwürgt- und Verbrannt-Werden verurteilt. Zusätzlich hängte man ihnen einen Sack explodierendes Schießpulver um den Hals, um eventuell noch "letzte Worte" zu verhindern. David und Levina glaubten nicht an die Wirksamkeit der kirchlichen Sakramente. David verteidigte sich auch damit, dass niemand beweisen könne, dass sein Glaube "Ketzerei" sei. Doch das hat die Anführer der totalitären Machtkirchen und die von ihnen abhängigen Kaiser, Könige und Fürsten noch nie gestört. Im Hintergrund ergötzen sich die Vertreter der Kirche an der grausamen Ermordung der aufrechten und mutigen Nachfolger Jesu. (Zeitgenössischer Kupferstich)
Was als Unterwanderung urchristlicher Gemeinden im 1. Jahrhundert begann, entwickelte sich noch im gleichen und den dann nachfolgenden Jahrhunderten zum massiven Gegensatz zu Jesus von Nazareth und seiner Botschaft vom kommenden Friedensreich. Und nachdem die Priesterkaste in jüdischer Gewandung, die sich zu Feinden des Juden Jesus von Nazareth erklärt und seine Hinrichtung betrieben hatten, nach der Zerstörung ihres Tempels durch die Römer im Jahr 70 zugrunde ging, etablierte sich die Priesterkaste bald neu – dieses Mal im katholischen Gewand, und sie knüpfte sehr bald an die Verfolgung der Nachfolger Jesu an.
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Während so genannten "Bischöfe" nach und nach die Macht übernahmen, drangen auch äußere Rituale und Kulte
aus antiken Götzenkulten in die Versammlungen ein – so etwa ein
kultisches Abendmahl an Stelle des
gemeinsamen "Liebesmahls" oder eine
rituelle Säuglingstaufe anstelle der
Geisttaufe Erwachsener.
Dieser schon im 1. Jahrhundert beginnende Prozess der Verdunkelung der ursprünglichen Lehre Christi bis hin zur
Verkehrung in ihr Gegenteil vollzog sich nicht ohne Kämpfe. Immer wieder
leisteten Einzelne oder Gruppen von Menschen Widerstand gegen die Entstehung
einer äußeren Machtkirche im Namen von Christus, obwohl Jesus, der Christus,
solches nie gewollt hatte. Dies bedeutet nicht,
dass die zahlreichen "Ketzer"-Bewegungen der Geschichte immer nahtlos an das frühe Christentum anknüpften. In einzelnen Aspekten waren auch sie Missverständnissen unterworfen oder schossen über das
angestrebte Ziel hinaus. Doch sie alle sind der Beweis dafür, dass die Sehnsucht nach einem Reich des Friedens,
das der mutige junge Mann aus Nazareth auf die Erde bringen wollte und das schon der
Prophet Jesaja angekündigt hatte, nicht aus den Herzen und den Seelen der Menschen verdrängt werden kann.
Sondern es ist verheißen, und es wird sein.
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Viele Überlieferungen über geschichtliche Ereignisse sind dabei aus der Sicht der mörderischen
Kirchenmacht verfasst und voller Verleumdungen und Rufmord. Doch in unserer
mächtigen Zeitenwende im 21. Jahrhundert lichten sich allmählich die Blicke auf die
Wahrheit. Immer mehr bis dahin unterdrückte und verschwiegene Mosaiksteine werden gefunden, und manches
bisher Verborgene dringt ans Tageslicht: Es waren Tausende, Zehntausende, ja
Hunderttausende von Gottsuchern, von Christen, die in den Strom des
Urchristentums zurück gefunden hatten und von der katholischen, orthodoxen oder
evangelischen Großkirche mit grausamster Gewalt, Folter, Mord und Kriegszügen ausgemerzt
wurden. Dies ist die größte und lang anhaltendste Christenverfolgung aller Zeiten
durch die Institutionen Kirche,
die sich bis zu Rufmordkampagnen der kirchlichen Sektenbeauftragten unserer Zeit fortsetzt.
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Bereits in den
von Paulus gegründeten Gemeinden setzte eine Entwicklung ein, die den Freien
Geist des Christus Gottes und das Prophetische Wort immer mehr zum Schweigen
brachte und durch starre vereinheitlichte Normen ersetzte. Dazu gehörte vor
allem die Einführung eines "Bischofs" als fest installiertem Gemeindeleiter
und Lehrautorität im
Gegensatz zum urchristlichen Prinzip der Gleichheit, das Jesus von Nazareth
brachte.
Viele der ersten Christen hatten sich bereits zunehmend an anderen Menschen
orientiert –
vor allem an solchen, die das "große Wort" führten –
statt an Christus. Und sie fanden zu wenig Halt bei Gott in ihrem Inneren, im
eigenen Seelengrund. Das aber wäre die Verwirklichung einer zentralen Botschaft
von Jesus von Nazareth gewesen, als Er unter anderem sagte:
"Das Reich Gottes ist inwendig in
euch."
Anstatt also mit Hilfe der inneren Gotteskraft, der
Christus-Erlöserkraft, immer
konsequenter nach den Geboten Gottes zu leben, erlaubte man sich zunehmend
Nachlässigkeiten, Trägheiten und Gleichgültigkeiten und ließ immer mehr Kompromisse zu.
Gerade als sich eine amtskirchliche Tradition herauszubilden begann, die den Geist der Freiheit und Einheit der Urgemeinden in veräußerlichte Rituale zwängen wollte, stand ein Kämpfer gegen diese Entwicklung auf: Markion. Um 85 in Sinope am Schwarzen Meer
– heute Sinop, ganz im Norden der heutigen Türkei – als Sohn eines christlichen Gemeindevorstehers geboren, hatte der begüterte junge Mann beim Lesen eines Evangeliumstextes
– damals gab es noch keine fest umgrenzte Bibel
(den so genannten "Kanon" der Bibel) wie heute – ein einschneidendes Erlebnis, über das er selbst berichtet:
"O Wunder ... und Staunen ist, dass man gar nichts
über das Evangelium sagen, noch über dasselbe denken, noch es mit irgend etwas
vergleichen kann." Markion war kein Prophet und wohl auch kein Mystiker, doch ein radikal die Wahrheit suchender Mensch, der erfasste, dass die Lehre
von Christus etwas geistig Revolutionäres, den ganzen Menschen Erfassendes und Verwandelndes ist. Markion fiel aber auch auf, dass in den ihm zur Verfügung stehenden Texten ganz unterschiedliche Gottesbilder zu finden waren: Auf der einen Seite der Gott der Liebe und Fürsorge, auf der anderen
ein "Gott" der Strafe, einer angeblichen ewigen Verdammnis und der Angst. Markion konnte sich dies nur so erklären, dass eine
"Verschwörung der Wahrheit" stattgefunden hatte, und zwar nicht nur in den Texten des
"Alten Testaments" (das damals noch nicht so genannt wurde), sondern auch in neueren Texten, die angeblich auf die Apostel zurückgingen.
Neuer Wein in neue Schläuche
Es ist das Verdienst Markions, als erster Mensch der neuen Zeitrechnung öffentlich auf die Widersprüche in der Bibel (vgl. Der Theologe Nr. 8) hingewiesen zu haben: Ein "Gott", der wie in den Büchern, die angeblich Mose verfasst haben soll, grausamen Völkermord und Tiermord befiehlt, der die Todesstrafe gegen ungehorsame Söhne oder den Priestern widersprechende Israeliten verhängt, kann kein Gott der Liebe sein. Markion ging im Jahr 140 nach Rom, vermachte sein Vermögen aus Reedereigeschäften der dortigen Christengemeinde und begann einen Überzeugungsfeldzug für den Gott der Liebe. Doch man wollte seine Kritik an der Überlieferung nicht hören und zwang ihn, die römische Kirche wieder zu verlassen – woraufhin der "erste Reformator" (Der Theologe Prof. Dr. Walter Nigg) der Christenheit kurzerhand eine eigene Kirche gründete. Denn es war eine Grundüberzeugung Markions, dass man den "neuen Wein" des ursprünglichen Christentums nicht in die "alten Schläuche" einer äußeren Kultreligion gießen konnte.
Vom Euphrat bis zur Rhone
Markion traf mit seiner Art der Wahrheitssuche und Verkündigung "offenbar die geheimen Sehnsüchte vieler Christenmenschen", so Gerd Lüdemann in seinem Buch Ketzer – die andere Seite des frühen Christentums (Stuttgart 1995, S. 169). Seine Gemeinden fanden sich im 2. und 3. Jahrhundert vom Euphrat im heutigen Irak bis zur Rhone in Frankreich. "Anhänger des Markion" werden teilweise bis ins 6. Jahrhundert hinein erwähnt; in Kleinasien, der heutigen Türkei, und in Armenien bilden sie eine der Wurzeln der späteren Christen, die in der katholischen Überlieferung Paulikianer genannt wurde und die sein Erbe fortsetzen werden.
Gewaltlos und vegetarisch
Die Materie als Teil des Fallgeschehens
Als das lebendige Urchristentum schon im ersten Jahrhundert und dann immer mehr bis zur Mitte des zweiten Jahrhunderts verflachte, in seiner Begeisterung nachließ und zunehmend von Machtmenschen unterwandert wurde, die Rituale an die Stelle der Erschließung des inneren Lebens setzten – etwa ein aus antiken Götzenkulten abgeschautes rituelles Abendmahl an die Stelle des "Liebesmahls" –, da gab es auch Proteste. Viele verließen die Gruppierungen, in denen sich Bischöfe und ursprüngliche Älteste zunehmend nach dem Vorbild von Priestern antiker Religionskulte gebärdeten, indem sie zu institutionellen Verwaltern des Glaubens wurden. Propheten gab es dort dann keine mehr, oder sie wurden ganz oder weitgehend zum Schweigen verurteilt.
War Markion (ca. 85 - ca. 160), der
Verfechter des liebenden und Gegner des angeblich strafenden Gottes, eher ein
rationaler und klarer Denker, so war sein Zeitgenosse Montanus, ebenfalls aus
Kleinasien stammend, ein etwas anderer Charakter: ein Visionär, ein Asket und Charismatiker. Markion und Montanus hatten bei allen
Unterschieden jedoch eines gemeinsam: Sie
erkannten, dass das Christentum in großer Gefahr war, zu einer Religion zu
verkommen, welche die Botschaft des Jesus von Nazareth zunehmend verrät. Um dem
entgegen zu wirken, muss es sich wieder auf seine Ursprünge besinnen und mit dem sittlichen Ernst und der
mitreißenden Begeisterung der Frühzeit die Vollkommenheit im Geiste Gottes
anstreben, wie es von Jesus von Nazareth in der Bergpredigt gelehrt wurde. Die neue Priesterkaste,
die aus den ursprünglichen Gemeindeältesten hervor gegangen ist und welche die
Gemeinden an ihr Gängelband nahm, hatte
die Geistesgaben des frühen Christentums bereits weitgehend zum Schweigen
gebracht: die Gabe des Heilens durch den Geist Gottes, die Gabe des Lehrens aus
innerer Vollmacht und nicht zuletzt die Gabe der prophetischen Rede.
"Im Montanismus rebellierte das prophetische Wort gegen den Amts-Charakter der
Kirche", schreibt der Kirchenhistoriker Walter Nigg (Prophetische Denker, S.
41).
Und an anderer Stelle (Das Buch der Ketzer, S. 119): "Das Wesen des Montanismus
besteht in der Wiederentdeckung des urchristlichen Enthusiasmus. Das
Geistesbrausen, das einst die Christen gleich Feuerflammen ergriffen hatte ...,
bemächtigte sich des Montanus."
Neben Montanus traten die Frauen
Priscilla (oder Priska), Maximilla und wohl in späteren Jahren Quintilla als
Wortträgerinnen des Geistes auf. In der Überlieferung nannte man die Bewegung
teilweise "neue Prophetie"
– wobei die "neue" Prophetie nichts anderes war als die so genannte "alte",
also auch der Gottesprophetie des Alten Bundes,
denn das Reich Gottes sprach immer durch Propheten zu den Menschen – und sie verkündeten das Nahen des Gottesreiches.
Die Prophetinnen dieser Zeit und Montanus erinnerten dazu an die Bergpredigt des Christus Gottes. Ausgehend von Phrygien,
einem gebirgigen Hochland im Zentrum der heutigen Türkei, wo die "große
Göttermutter" Kybele (Vorbild für den späteren katholischen Marienkult) verehrt
wurde und Alexander der Große den Gordischen Knoten zerschlagen haben soll,
verbreitete sich die prophetische Bewegung im gesamten damaligen Kulturkreis, nach Lyon, Rom,
Karthago, Alexandria. Jesus von Nazareth hatte es selbst angekündigt:
"Darum spricht auch die Weisheit Gottes: Ich will Propheten und Apostel zu ihnen
senden." (Lukas 11, 49). Gott selbst offenbart sich durch Menschen, die Er sich
als Instrumente selbst erwählt hat.
"Das Gute ist einfach und klar; verwirrend vielfältig aber ist das Schlechte. Einfach ist die Wahrheit; vielfältig ist die Lüge. Einfach ist die Gerechtigkeit; vielfältig sind die Möglichkeiten, sie zu erheucheln ... einfach ist Gottes Wort; vielfältig aber ist das Gott entfremdete Wort" (Vom Gebet, 2. Teil, XXI, 2). Mit diesen Worten sprach der große Denker Origenes bis heute gültige Wahrheiten aus.
Bereits im Verlauf des zweiten Jahrhunderts büßte das frühe Christentum seine innere Strahlkraft ein. Rituale wie die Säuglingstaufe, das rituelle Messopfer oder die von Priestern abgenommene Ohrenbeichte traten an die Stelle innerer Vorgänge wie der Geist-Taufe Erwachsener, wie das gemeinsame Liebesmahl oder die Aussöhnung zwischen Streitenden. "Funktionäre" wie die Kassenführer (Bischöfe genannt, von episkopos, Aufseher) oder die Verwalter (Diakone oder Priester) begannen, die Gemeinden zu beherrschen und waren vor allem an einem möglichst großem Zustrom zahlender "Schafe" interessiert. Der Glaube wurde verwässert, Christus zum Beispiel als eine Art antiker Mysterien-Gott hingestellt und damit kalt gestellt, der dem Menschen ohne eigenes Zutun alle Sünden in einem hierzu konstruierten Sakrament abnehmen könne – vermittelt eben durch die Religionsmächtigen, die Priester.
Ein entschiedener Kämpfer gegen diese Aushöhlung des ursprünglichen
urchristlichen Glaubens und Lebens war der aus Ägypten stammende Origenes (ca.
184-253). Er studierte die überlieferten Texte der Bibel kritisch und
unterschied mit seinem klaren Geist Ursprüngliches von Fälschungen und
Hinzufügungen. Für Origenes, genauer Origenes Adamantios, was
"der Diamantene"
bedeutet, war die sichtbare
Welt ebenfalls eine Folge des Abfalls einiger ursprünglich reiner Geistwesen von Gott.
Durch die Erlösertat Christi auf Golgatha hatten jedoch alle Menschen und Seelen – ohne
Ausnahme – die Möglichkeit erhalten, mit Christi Hilfe und durch ein Leben nach
den göttlichen Gesetzen wieder in die reinen Welten zurückzugelangen. Dieser
Rückweg kann in wiederholten Einverleibungen erfolgen –
Origenes lehrte also die
Möglichkeit der Reinkarnation. Er wandte sich nur gegen die Annahme einer "Seelenwanderung" von Menschenseelen etwa in Tierkörper. Auch eine ewige
Verdammnis lehnte er als unchristlich und als Irrlehre ab.
Doch in einer Zeit zunehmender Christenverfolgung – auch Origenes selbst fiel
ihr zum Opfer – konnte sich die wieder erweckte Lehre eines Geist- und
Tatchristentums nur vereinzelt gegen die Übermacht der Verflachungskräfte
durchsetzen. Ein gewaltiger Etappensieg für das äußere Macht- und
Scheinchristentum war der Pakt, den Kaiser Konstantin, ein brutaler
Machtpolitiker, im vierten Jahrhundert mit der römischen Kirche schloss. Und
wieder stand ein Verfechter eines inneren Christentums bereit, den geistigen
Kampf aufzunehmen: der ebenfalls aus Ägypten stammende Arius (ca. 260-336), der
unmittelbar an die Lehren des Origenes anknüpfte. Doch die Lehre des Arius,
insbesondere seine Ablehnung der völligen Gleichsetzung von Gott-Vater und
Christus in der amtskirchlichen Dreifaltigkeitslehre, wurde auf dem Konzil von
Nizäa (325) von Kaiser Konstantin verboten. Als Arius nach weiteren geistigen
Kämpfen schließlich dort rehabilitiert wurde, vergiftete man ihn kurzerhand in
Konstantinopel (336).
In der Machtkirche hätte man die Anhänger der Lehre des Origenes, die der frühchristlichen Lehre
entsprach, eigentlich "Origenisten" nennen können. Doch weil Origenes auch in
der Kirche noch immer großes Ansehen genoss, nannten die Theologen der Romkirche
die Anhänger seiner Lehre lieber "Arianer". Der Kampf zwischen Katholiken und Arianern ging im weströmischen Reich noch bis zum Ende des vierten Jahrhunderts
weiter. Teilweise fanden regelrechte Schlachten zum Beispiel um den Besitz von Kirchen
statt; die "Arianer" sanken dabei zum Teil auf das Niveau ihrer Gegner. Dann
sorgte "Kirchenvater" Ambrosius (ca. 333-397) für ihre gnadenlose Verfolgung und
für die Anwendung römischer Strafgesetze gegen sie: Beschlagnahmung von Gebäuden
und Vermögen, Aberkennung bürgerlicher Rechte, Verbannung, Tod. Der Spanier Priscillian, der ebenfalls
von Origenes überlieferte christliche Ideen vertrat, unter anderem eine
vegetarische Ernährung empfahl und das prophetische Wort schätzte, wurde 385 in
Trier enthauptet – der erste von der Rom-Kirche ermordete "Ketzer". Von nun an
war klar, was jedem anderen blühen konnte, der nicht den römisch-katholischen
Glauben annehmen wollte.
Doch über eine geografische "Hintertüre" bekamen die Gedanken des Origenes
neuen, ungeahnten Aufschwung: Der Gote Wulfilas (313-383), dessen Vorfahren aus
Kleinasien stammten, lernte in Konstantinopel die Lehre des Origenes kennen und
brachte sie den Goten nahe. Es entstand so etwas wie eine gotische Volkskirche,
die zwar nicht direkt als "urchristlich" bezeichnet werden kann – die Goten
waren wie alle Germanen – im Gegensatz zu Jesus von Nazareth – keine
Pazifisten, sondern in ihrer Mehrzahl eher kriegerisch geprägt. Die gotisch-arianische Kirche kannte
außerdem Priester und Bischöfe, obwohl Jesus solche
nicht eingesetzt hat. Doch diese mussten von ihrer Hände Arbeit leben und waren
verheiratet. Es gab keinen Papst, keinen Kirchenzehnt, keine Heiligen- oder
Reliquienverehrung, keinen Mutter-Gottes-Kult, keine Ohrenbeichte, keine
Kindertaufe, kein rituelles Abendmahl, sondern ein "Brudermahl" nach
urchristlichem Vorbild. Es gab zwar Klöster, aber deren Insassen blieben dort
nur "auf Zeit", also ohne lebenslange Gelübde.
Bemerkenswert ist auch die Toleranz der germanischen so
genannten Arianer: In den von ihnen
beherrschten Gebieten machten sie keine Missionierungsversuche und beließen in
der Regel den Katholiken ihre Kirchen. "Religion kann man nicht anbefehlen",
lautete der Grundsatz des in Italien herrschenden Ostgotenkönigs Theoderich
(393-451).
Intolerant gegenüber Katholiken waren zeitweise lediglich die Wandalen,
ebenfalls ein arianischer Germanenstamm, in Nordafrika. Die "Arianer" zeigten
selbst in Kriegszeiten Achtung vor ihren Gegnern, worin das Urchristentum des
Origenes noch hier und da nachwirkte, wenn auch die klare Linie des
urchristlichen Pazifismus dort verloren gegangen ist.
Eine Zeit lang sah es so aus, als würde die manichäische Bewegung die römisch-katholische Kirche an Bedeutung und Mitgliederzahl in den Schatten stellen. Doch dann wurde der Katholizismus im 4. Jahrhundert zur Staatsreligion im römischen Reich. Die Zeit der Christenverfolgung durch die katholische Machtkirche begann.
Wie kommt das Böse in die Welt? Und wie kann man es überwinden?
Diese Grundfragen der Menschheit bewegten gegen Ende des vierten Jahrhunderts
auch den nordafrikanischen Rhetoriklehrer Augustinus (354-430). Er fand zu einer
"katholischen" angeblichen Lösung dieser Frage: "Und so suchte ich, woher das Böse
kommt", schreibt er in seinen Bekenntnissen, "und ich suchte böse und sah das
Böse in meinem Suchen". Augustin verurteilt demnach jegliche Beschäftigung mit
dem Bösen: Dieses ist zu meiden und zu bekämpfen. Mit den Begriffen der heutigen
Psychologie könnte man sagen: Das Böse wird verdrängt. Aus dieser Verdrängung
resultiert dann die Projektion des eigenen Bösen auf den "bösen Anderen": den
Sündenbock, den "Ketzer", den Juden, die "Hexe". Das vermeintliche Heil findet
ein solcher Kirchenchrist in der Befolgung äußerer Regeln und Rituale:
Kirchgang, Beichte, Wallfahrten, Ablässe ...
Augustinus, der bis heute als größter Kirchenlehrer der Antike gilt, wurde
folgerichtig zu einem der ersten "großen" brutalen "Ketzer"-Verfolger
der Kirchengeschichte, der sogar die Folter rechtfertigte, die doch –
im Vergleich
zur angeblichen "ewigen Verdammnis" der Seele – für den Körper wie eine "Kur" wirke. Mit
besonderem Feuereifer ließ Augustinus eine Bewegung verfolgen, der er selbst
einmal angehört hatte: die von der Kirche "Manichäer" genannten Christen.
Neun Jahre lang (373-382) war der junge Nordafrikaner Augustinus Mitglied
bei den christlichen "Manichäern" gewesen – als auditor ("Hörer"), also einfacher Gläubiger. Es
war ihm dabei nicht gelungen, in den Rang eines "electus", eines Auserwählten,
aufzusteigen – so nannte man dort diejenigen, die tiefer in die praktische Leben des
urchristlichen Glaubens eingedrungen waren, dessen Grundsätze verwirklichten und andere darüber unterrichten
durften. Augustinus berichtet selbst über seine Gespräche mit dem Manichäer
Faustus (Contra Faustum), die ihm jedoch keine Antwort auf seine Zweifel und
bohrenden Fragen gebracht hätten. Seine notorischen "Zweifel" ließen ihn
schließlich ganz nach unten driften, indem der spätere Kirchenlehrer,
Kirchenvater und Kirchenheilige zum Beispiel
stets brennende und trotzdem nie sterbende Menschenleiber der Nichtkatholiken in
der Hölle lehrte.
Die christliche Lehre der so
genannten Manichäer über die Grundfragen des Lebens war
auch eine völlig andere als die katholische, wie sie Augustinus später vertrat. Hier wurde die
Beschäftigung mit dem Bösen nicht abgelehnt – sie wurde sogar als eine
Grundvoraussetzung für dessen Überwindung angesehen. Der Mensch muss das Böse in
der Welt und vor allem in sich selbst nüchtern betrachten, um es dann mit Hilfe
des inneren Lichtes, mit der Kraft des im Menschen wohnenden Christus Gottes,
auch "nous" genannt, zu überwinden. Vor dem Sieg des Lichtes über die Finsternis
steht also die Erkenntnis. Für Augustinus hingegen ist diese Erkenntnis
zweitrangig: "Credo, quia absurdum", ich glaube, weil es absurd ist, lautet ein
paradoxer Ausspruch, der von Tertullian stammt, jedoch auch mit dem Denken von
Augustinus in Verbindung gebracht wird.
Wir stehen hier also an einem geistesgeschichtlichen Scheideweg. Sichtbar ist der Grundunterschied zwischen einer äußeren Religion und einer
Gemeinschaft, die sich um innere Werte im Sinne des Freien Geistes sammelt: In der äußeren Religion geht es letztlich um Rituale und Dogmen, um
die Befolgung von äußeren Regeln, mit denen angeblich der Zugang zum jenseitigen
Heil
gesichert werden könne. In Bewegungen, die zuallererst eine Veränderung des
Menschen in seinem Inneren anstreben, geht es um die Wandlung des
inneren Menschen durch Einsicht, Reue, Vergebung, Umkehr und Änderung des Verhaltens.
Wer
waren nun diese "Manichäer" genannten christlichen Gemeinschaften, die zur Zeit des Augustinus zu einer
kraftvollen
Konkurrenz für die römische Machtkirche herangewachsen waren, deren Gemeinden in
späterer Zeit von Spanien bis ins ferne China nachgewiesen sind, auf die sogar
noch Marco Polo stieß, als er 1275 in die Mongolei kam? Das war rund tausend
Jahre nach dem Tod des Gründers der Bewegung, Mani.
Erst im 20. Jahrhundert gelang es aufgrund von sensationellen
Schriftenfunden vor allem in Ägypten, ein unabhängiges Bild dieses
Mannes und seiner Lehre zu zeichnen. Bis dahin war alles, was man
darüber wusste, von der eineinhalb Jahrtausende währenden Verketzerung und
Verfolgung alles "Manichäischen" durch die Kirche geprägt.
Mani, der am 14. April 216 nördlich von Babylon geborene Sohn persischer Adeliger, hieß
zunächst Quirbakhar. Sein Geburtsort liegt an der Schnittstelle der indischen,
persischen und babylonischen Kultur. Bereits im Alter von zwölf Jahren wird dem
Knaben eine erste Offenbarung zuteil: Ein Engelwesen legt ihm nahe, die
Glaubensgemeinschaft der Mandäer, der sein Vater angehört, zu verlassen. Mani
berichtet über diese Erscheinung: "Da kam der lebendige
Paraklet (der von Christus verheißene Tröster-Geist)
zu mir herab und sprach mit mir. Er offenbarte mir das verborgene Mysterium ...,
das Mysterium der Tiefe und der Höhe, ... des Lichtes und der Finsternis ... So
wurde mir alles ... durch den Parakleten geoffenbart."
Das Phänomen des Inneren Wortes, durch das der Geist Gottes zu
aufbereiteten Menschen spricht, um ihnen Botschaften für die Menschen zu
übermitteln, tritt in der Geschichte immer wieder auf. Der junge Perser wurde
zunächst zwölf Jahre lang durch diese Innenschau unterwiesen, ehe er durch das
Engelwesen, das sich "Al Taun", der Zwilling, nannte, zu öffentlicher
Wirksamkeit berufen wurde. Von da an erhielt er auch den Namen "Mani", was auf
Indisch so viel wie "Edelstein, Kristall" bedeutet und an das "Manas", das
Geist-Selbst, erinnert und auch mit "Mann" und "Mensch" sprachverwandt ist.
Durch Mani entsteht sehr rasch eine umfassende geistige Bewegung, die zeitweise
auch den persischen Königshof erreicht und von dort unterstützt wird. Kernpunkt
der Lehre ist, im Anklang an die alte persische Lichtreligion des Zarathustra,
der Kampf des Lichtes gegen die Finsternis. Man hat dem Manichäismus oft
vorgeworfen, er beinhalte einen absoluten "Dualismus" von Gut und Böse. Doch das
entspricht nicht der Wahrheit. Mani lehrte vielmehr sinngemäß, dass alles
ursprünglich vereint war, bis das Böse sich vom Guten abspaltete und eigene
Wege beschritt. In diesen kosmischen Kampf griff am Ende ein "Licht-Sohn" von
erhabenster Größe ein, der in das Reich der Finsternis hinabstieg, um mit der
Kraft Seiner Liebe das Böse in Gutes umzuschmelzen. Er verleibte sich in einen
besonderen Menschen ein und überwand den Tod.
Mani wies hier auf Christus und Sein Golgatha-Opfer hin. Für ihn war Christus
der Führer der Seelen zum Licht – und er war nicht der Auffassung, was ihm
ebenfalls später vorgeworfen wurde, Christus habe sich gar nicht wirklich
einverleibt (was in der Geschichte "Doketismus" genannt wird). Mani lehrte auch, dass der Geist Gottes auch in der
Materie, in jedem Stein, jeder Pflanze, jedem Tier gegenwärtig ist.
Die Idee einer Gemeinschaft im Sinne des Freien Geistes, die den Sieg des Lichtes über die Dunkelheit zum Ziel hat, lebte also weiter. Diese universelle, kosmische Idee kann niemand auslöschen. Manichäische Ideen begegnen uns sogar in Goethes Faust – der wohl nicht zufällig so heißt wie der von Augustinus geschmähte Manichäer Faustus. Faust, der durch alle Irrtümer hindurch "strebend sich bemüht", das Gute zu erkennen und zu tun, wird am Ende erlöst – nicht, weil er sich an äußere Rituale gehalten hat, sondern weil er auf seinem Erkenntnisweg aus seinen Fehlern gelernt hat.
Literatur:
Rudolf Kutzli, Die Bogumilen, Verlag Urachhaus
1977
Die Romkirche
ließ im Laufe der Spätantike immer wieder jede christliche Gemeinschaft
verfolgen und zerschlagen, die
Anschluss an das frühe Christentum suchte – seien es die von ihr in abwertender
Absicht so genannten "Markioniten",
"Montanisten",
"Origenisten" bzw. "Arianer" oder
"Manichäer". Sie wurden geächtet, enterbt,
ausgestoßen, ermordet, von Land zu Land gehetzt. Immer wieder jedoch entkamen
einzelne Gläubige oder ganze Gruppen den Nachstellungen der sie im Auftrag der
Macht-Kirche verfolgenden staatlichen Häscher, und sie flüchteten in
Nachbarregionen. In Anatolien, der heutigen Türkei, bildete sich aus den
Versprengten dort, wo einst vor allem die manchmal "neue Prophetie"
genannte Bewegung der "Montanisten"
wirkte, wieder ein christliches Volk, vom katholischen Klerus abschätzig
"Paulikianer" genannt und unter diesem Namen in der
Geschichtsschreibung bekannt, da sie sich unter anderem, ähnlich wie einst
Markion, an Schriften des
Apostels Paulus orientierten bzw. auch an Paulus von Samostata, dem ehemaligen
Bischof von Antiochien (260-268), für den Jesus von Nazareth nicht die zweite
"Person" der kirchlich erfundenen Dreieinigkeit-Konstruktion war, sondern Mensch
wie alle anderen auch, jedoch in Seinem Tun und Denken ganz mit Gott und dem
Göttlichen geeint, weswegen die Romkirche auch ihn schließlich als "Häretiker"
exkommunizierte und verfluchte.
Nach den Untersuchungen des Historikers Rudolf Kutzli waren auch zahlreiche so genannte "Mazdakisten" in dieser Zeit von Persien zunächst nach Armenien geflohen und schlossen sich teilweise den Christen in Kleinasien an. Die "Mazdakisten" beriefen sich auf Zarathustra (6. Jahrhundert vor Christus), und sie verkündeten eine Religion der universellen Brüderlichkeit: Jeder Mensch habe in gleicher Weise einen Anspruch auf ein menschenwürdiges Dasein. Diese Nachfolger des Zarathustra wurden – nach vorübergehender Duldung – von den persischen Königen scharf bekämpft, denn sie stellten das feudale Ausbeutungssystem des Großgrundbesitzes in Frage. Auch die Priesterkaste wurde von den so genannten Mazdakisten für überflüssig erklärt, wobei sie sich auf Texte des Zarathustra berufen konnten, wie zum Beispiel: "Euch frage ich, die ihr euer Heil Priestern und Fürsten anvertraut! Nun ist die Erde ihre Beute! ... Macht uns die Erde wieder frei! Ein Opfer ist sie jetzt für Rasende. Priester und Fürsten engen das Leben ein, aber mit dem Leben werden wir siegen!"
Diese Zeilen
über den schon damals beklagten Raubbau an der Mutter Erde klingen heute, im Zeitalter des
bevorstehenden Klimakollaps, sehr aktuell.
Zarathustra lebte fünf Jahrhunderte vor Christus, doch in vieler Hinsicht nahm
er Aspekte der Botschaft von Jesus von Nazareth vorweg – auch wenn, wie bei fast
allen großen Religionsgründern, seine Lehre später verfälscht und ebenfalls zu
einer ritualisierten äußeren Religion gemacht wurde. Den Mazdakisten ging es in
erster Linie um die innere Befreiung des Menschen, um seine Hinwendung zum
Inneren Licht: "Wann wird es aufgehen, das Morgenrot jener Tage, wo die
Menschheit sich wendet zum Inneren Licht, zum Lichte der Wahrheit? Doch sei,
wann es wolle ... Ich will mich mühen, als sei es schon Zeit." (Zarathustra)
Wir sehen an diesem Beispiel, dass es schwierig war, den Glauben und das geistige Wissen des ursprünglichen Christentums rein und unverfälscht durch die Wirren der zahlreichen Verfolgungen urchristlicher Glaubensbewegungen in der Antike und im Mittelalter hindurch zu retten, da die Kirchen-Macht gegenüber den ihr nicht Hörigen immer auf Zensur und Rufmord und letztlich immer wieder Ausmerzung aus war. Allerdings schlich sich auch in diese urchristliche Gemeinschaft so manche Abweichung oder Verwirrung ein. Das gilt zum Beispiel für die Frage der Gewaltanwendung. Die Paulikianer waren keine Pazifisten wie Jesus von Nazareth, sondern versuchten sich auch militärisch gegen die zahlreichen Angriffe und Ausrottungsversuche vor allem des byzantinischen Staates zu verteidigen, dessen Kaiser durch die Priesterkaste zur Verfolgung der "Häretiker" aufgestachelt wurden. Immer wieder wurden Tausende von Paulikianer gesteinigt, verbrannt, geköpft. Doch ist angesichts dieser exzessiven und grausamen Verfolgung auch besser verstehbar, wenn Christen die ihnen von Christus gebotene Gewaltlosigkeit nicht durchhielten, auch wenn sie damit – gemessen an der Botschaft des Jesus von Nazareth – dadurch einer Versuchung erlegen sind, für die sie letztlich auch die schwerwiegenden Folgen tragen mussten.
Im 8. Jahrhundert erhielten die Verfolgten allerdings eine Atempause. Die Paulikianer unterstützten Kaiser Leon III. (680-741) in der Frage des Bilderstreits, der das oströmische Byzanz über Jahrzehnte in Atem halten sollte. Wie der Kaiser waren sie der Auffassung, dass der Mensch sich keine Bildnisse von Gott machen oder diese gar anbeten sollte. Heiligenverehrung und den Marienkult lehnten sie ohnehin ab. Auch übernahm Kaiser Leon III. urchristliche Prinzipien in die Politik. Er löste teilweise den Großgrundbesitz auf, hob die Leibeigenschaft der Bauern auf, verteilte an sie Land und schuf Genossenschaften. Die Armen erhielten kostenlose Rechtsprechung, die Stellung der Frau wurde erheblich verbessert.
Welcher Geist
sprach nun aus den neuen Gesetzen? In ihnen steht zum Beispiel zu lesen:
"Gott hat
den Menschen geschaffen und mit Freiheit geschmückt ... Die Gerechtigkeit, die
Botin vom Himmel, ist das höchste irdische Gut, ... die höchste Sorge des
Kaisers"? Der Historiker Rudolf Kutzli ist der Ansicht, dass diese Gesetze
unverkennbar von paulikianisch-christlicher Ethik geprägt waren.
Einen Höhepunkt erreichte ihre blutige
Verfolgung im Jahr 843, nachdem Kaiserin Theodora II. (815-867) gleich nach ihrem
Amtsantritt in Konstantinopel die Verehrung der Bilder wieder einführte und die
Bekehrung der Christen zum katholisch-orthodoxen Kirchenglauben befohlen hatte. 100.000 Paulikianer, die sich nicht unter die Zucht des Baal und unter sein Machtkonglomerat
zwingen ließen und die ihren Glauben nicht widerriefen, wurden den Chroniken
zufolge grausam hingerichtet. So wird auch berichtet, dass der Vater von Karbeas, eines Anführers
der Paulikianer, gepfählt wurde.
Sie verzichteten auf alle äußeren Rituale und Zeremonien, weil sie Gott in ihrem Inneren fanden. Die Bewegung der Bogumilen konnte sich fast ein halbes Jahrtausend auf dem Balkan halten. Als auch sie auf Betreiben der Priesterkaste vernichtet wurde, hatte sie längst Samen ausgestreut ...
"Wenn aber ein armer Wandersmann von weit
her kommt und die Türme des Fürstenhofes erblickt, so verwundert er sich ... und
stellt Fragen ... Wenn er aber den Fürstenhof betritt und sieht die hohen
Paläste und Kirchen, außen mit Stein, Holz und Farbe, innen mit Marmor und
Kupfer reich verziert, so weiß er nicht, womit er das alles vergleichen soll,
denn in seinem Lande hat er nie etwas anderes als strohgedeckte Hütten gesehen,
und der Arme beginnt den Verstand zu verlieren."
So beschreibt ein Zeitzeuge die Kluft, die im 10.
Jahrhundert zwischen der einfachen Landbevölkerung Bulgariens und dem Zarenhof
in der Hauptstadt Preslav bestand
(zit. nach Katja Papasov, Christen oder
Ketzer – die Bogomilen, Ogham-Verlag, Stuttgart 1983, S. 122). Nicht nur die Fürsten und Bojaren, auch die
hohen Kleriker stützten sich nach byzantinischem Vorbild auf zahlreiche
Privilegien und umfangreichen Grundbesitz. Dies betraf auch viele der orthodoxen
Klöster:
"Die Mönche lebten in Saus und Braus, kleideten sich in prächtige
Gewänder, waren von zahlreichen Dienerschaften umgeben, aßen teure Speisen,
ritten schöne Pferde und plünderten ihre Untergebenen grausam aus. Die Bauern
mussten alle Staatssteuern in Sachwerten abliefern, die Bodensteuer, die
Herdsteuer, die Viehsteuer, die Bienensteuer und andere. Zusätzlich legte noch
die Kirche den Bauern beträchtliche Abgaben auf." (Papasov, S. 124)
So ist es kein Wunder, wenn sich angesichts dieser Zustände unter der
geplagten Landbevölkerung "verschiedene ketzerische Lehren" breit machten. Der
katholisch-orthodoxe Priester Kosma berichtet davon, natürlich in abfälliger Weise:
"Es geschah, dass zur Herrschaftszeit des
rechtgläubigen Zaren Peter ein Pope namens Bogumil (deutsch: Gottesfreund) in
den bulgarischen Landen auftauchte, der besser Bogunemil (der nicht von Gott
Geliebte) genannt werden sollte. Er war der erste, der ketzerische Lehren in
bulgarischen Gebieten predigte."
Der "ketzerische" Gemeindevorsteher (= Synekdemos) Bogumil lebte vermutlich von
913 bis 963 und begann sein öffentliches Wirken um 935. Er war eine
Persönlichkeit, die auch durch seinen Charakter und seine Ausstrahlung viele
Menschen überzeugte. Manche beziehen den Namen "Bogumilen" auf ihn. Doch
zutreffender ist, den Namen auf alle ehrlichen Mitstreiter zu beziehen, eben auf
die Bogumilen = Gottesfreunde, die das Reich Gottes, in sich erschließen
wollten, um es dann auch im Äußeren entstehen lassen zu können. So bildete sich
eine große Bewegung, die ein halbes Jahrtausend Bestand
hatte. Auch die
unerträglichen sozialen Verhältnisse Bulgariens trugen zu ihrem Anwachsen bei,
waren aber nicht ihre letzte Ursache,
sondern eher Auslöser und Verstärker einer Umwälzung, die "in der
Luft" lag.
Die Bulgaren sind ursprünglich ein turksprachiges Reitervolk, das, aus
Zentralasien kommend, im 7. Jahrhundert in den Balkanraum vordrang. Dort
vermischten sie sich allmählich mit den ansässigen Slawen und übernahmen deren
Sprache. In Asien hatten sie engen Kontakt zum Volk der Uiguren gehabt. Bei
diesen war die Lehre des christlichen Manichäismus lange Zeit verbreitet, zeitweise sogar als
"Staatsreligion". Auf dem Balkan wiederum trafen die Bulgaren unter anderem auf
die christlichen "Paulikianer", die man zu dieser Zeit als geistige Erben der
manichäischen Bewegung bezeichnen
könnte. Der Boden war also vorbereitet für eine Erneuerung des Urchristentums.
Die Gottesfreunde verbreiteten sich sehr rasch in Bulgarien und in den angrenzenden
Ländern Mazedonien, Serbien und Bosnien. Der Kern ihrer Lehre war, dass der
Mensch ohne Vermittlung einer äußeren Instanz oder Institution in ein
unmittelbares Verhältnis zu Gott treten kann. Deshalb bauten sie, jedenfalls in
der Anfangszeit, keine äußeren Kirchen, sondern trafen sich in schlichten
Versammlungsräumen. "Das Herz des Menschen ist die wahre Kirche Christi", sagte
ein Gottesfreund, als er vor einem Inquisitionsgericht verhört wurde. (Rudolf Kutzli,
Die Bogumilen, Verlag Urachhaus Stuttgart 1977, S. 159)
Die Bogumilen pflegten auch keine
Rituale oder liturgischen Zeremonien. Sie wollten das christliche Leben nicht
auf Tradition, sondern auf spirituelle Erfahrung gründen. Sie trafen sich zu
einer feierlichen Tischgemeinschaft nach dem Vorbild des urchristlichen
"Liebesmahls". Sie kannten keine Priesterhierarchie, sondern lediglich eine
Unterteilung ihrer Anhänger in "Vollkommene", "Glaubende" und "Zuhörer".
Letztere würde man heute als "Sympathisanten" bezeichnen; die "Glaubenden" waren
Vollmitglieder der bogumilischen Gemeinden. Die "Vollkommenen" zeichneten sich
durch eine enthaltsame Lebensweise aus, vor allem aber durch eine natürliche
Autorität, die allein auf ihrer inneren Entwicklung beruhte, auf dem
"Maße des
inneren Lichtes", das der Mensch "zum Leuchten gebracht hatte" (Kutzli, a.a.O.).
Zu einem "Vollkommenen" wurde man durch die "Geisttaufe" – das einzige
so genannte "Sakrament", das die Bogumilen kannten.
Die bulgarischen "Gottesfreunde", zumindest die "Vollkommenen" und die
"Glaubenden" unter ihnen, lebten vegetarisch und waren
gewaltlos. Sie wollten nicht das Göttliche, das in allem lebt, töten. Sie sahen
es als ihre Aufgabe an, nicht nur sich selbst mit der Hilfe des inneren Christus
zum Licht hin zu entwickeln, sondern auch das Böse in der Welt durch ihr Vorbild
und ihre Liebe allmählich mit zu erlösen. So wollten sie das kommende "Reich des
heiligen Geistes" vorbereiten. Sie glaubten an die Möglichkeit einer
Wiederverkörperung der Seele, nicht aber an eine ewige Verdammnis, wie es in der
Romkirche mittlerweile dogmatisiert war. Sie lehnten
die Verehrung des Kreuzes mit Korpus ab, hinterließen aber eine Fülle von Licht-
oder Lebenskreuzen ohne Korpus.
Das Böse war nach Auffassung der Bogumilen durch den Sturz "Satanaels" aus dem Himmel entstanden.
Aus diesem "Engelsturz" entstand auch die Materie und der Planet Erde. Weil aber Satanael den Menschen nicht das Leben einhauchen konnte, verlieh Gott jedem
Menschen einen "Geist-Funken" aus Seinem Licht. Daraus ergibt sich die innere
Zwiespältigkeit des Menschen: Äußerlich gehört er der Materie, innerlich Gott
an.
Die Anschuldigung kirchenkonformer
Theologen, die Bogumilen seien
Anhänger eines "radikalen" so genannten "gnostischen" Dualismus, wonach seit Urzeiten die
Prinzipien Gut und Böse angeblich gleichberechtigt nebeneinander bestehen würden,
zählt also zu der üblichen klerikalen Rufmord- und Verleumdungsstrategie gegen
Andersdenkende.
Was in der Geschichtsschreibung bei ihnen als "Dualismus" bezeichnet wird, ist
das Wissen um einen geistigen Kampf zwischen Gut und Böse, wonach Gott, die
Macht des Guten, der Ursprung allen Seins und
stärker als das Böse ist, das dereinst besiegt sein wird.
Wenn den Bogumilen bis heute auch unterstellt wird, sie hätten nur an
eine Schein-Existenz des Jesus von Nazareth auf der Erde und an eine
Schein-Kreuzigung geglaubt ("Doketismus" genannt), so beruht dies wie
ebenfalls auf den üblichen Verleumdungen bzw. einem gezielten Missverstehen-Wollen
der Nachfolger Jesu durch die Amtskirchen, um sie mit allen Mitteln
niederzumachen bis letztlich zu Folter und Hinrichtung. In Wirklichkeit glaubten
sie, dass der innere Kern der Persönlichkeit des Jesus
von Nazareth, sein Wesen, nämlich der Christus Gottes, der in den Menschen
Jesus inkarniert war, nicht von dieser Welt ist und deshalb
auch nicht getötet werden konnte.
Weil sie im Alten Testament der Bibel sehr viele Aussagen fanden, die sie mit
einem liebenden Gott nicht in Einklang bringen konnten, lehnten die Bogumilen
dieses Buch weitgehend ab, erkannten nur die Psalmen und die Bücher von sechs
Propheten als von Gott gegeben an, nicht aber beispielsweise die
Bücher, die fälschlicherweise Mose zugeschrieben wurden. Der Tatbestand, dass diese Bücher, wie so vieles
andere, auch noch viele Teilwahrheiten enthielten, aber von der damaligen Priesterkaste
und ihren Schriftgelehrten verfälscht worden waren, war ihnen
offenbar nicht mehr geläufig – hatte doch die Kirche die tiefschürfende
Textkritik zum Beispiel eines Origenes schon viele Jahrhunderte zuvor verketzert und
weitgehend ausradiert. So zogen die Bogumilen aus ihrer Sichtweise, das dort
Inspirationen des Teufels zu lesen sind (vgl. Der
Theologe Nr. 8), laut den Worten von Jesus von Nazareth dem
"Vater der Lüge, der ein Mörder war von Anfang an"
(Johannes 8, 44), den Schluss, einzelne Bücher entweder ganz anzuerkennen oder nicht.
Die Lehre und Lebensführung der Bogumilen war in ihrer
Schlichtheit und Klarheit nicht nur eine Gefahr für den Machtanspruch der
etablierten Kirche und deren Vereinnahmung von Christus, für
die römisch-katholische ebenso wie für die – seit 1054 von ihr getrennte – orthodoxe. Diese
Bewegung bedrohte auch die feudale staatliche Ordnung, die auf
Ausbeutung und Unterdrückung angelegt war: Sie entzog einer religiösen
Anschauung, die Sklaverei und Leibeigenschaft, Reichtum und Ausbeutung
rechtfertigte, den Boden. Und so kam es, wie es dem Wesen der inquisitorischen
Kirchenmacht nach sich abzeichnete: Während die
Bogumilen jeglichen Glaubenszwang ablehnten und die Freiheit des menschlichen
Willens betonten, brachten ihnen die kirchlichen und staatlichen Institutionen
das Gegenteil davon entgegen: Die bogumilische Bewegung wurde im byzantinischen
Reich, in Bulgarien, in Serbien immer wieder verketzert und grausam bekämpft. So
ließ der byzantinische Kaiser Alexios I. Komnenos (1018-1116) den bogumilischen
Gemeindevorsteher Basileios an den byzantinischen Hof nach Konstantinopel (heute
Istanbul) rufen, angeblich, um sein Anhänger zu werden. In Wirklichkeit ließ er
das Gespräch von hinter einem Vorhang versteckten Lauschern mitschreiben und die
angereiste Delegation der Bogumilen anschließend von einem Inquisitionsgericht
verurteilen und bei lebendigem Leib verbrennen.
Bereits vor Alexios hatte sein Vorgänger Basileios II. (976-1025) dreißig Jahre
lang Krieg gegen den westbulgarischen Zaren Samuel geführt, der mit den
Bogumilen sympathisierte und ihnen Glaubensfreiheit gewährte. Nach der blutigen
Schlacht von Kljutsch (1014) nahm das katholisch-byzantinische Heer des Basileios 14.000
bulgarische Soldaten gefangen. Auf Befehl dieses Kaisers wurden
allen Gefangenen die Augen ausgestochen – nur jedem Hundertsten wurde ein Auge
belassen, damit er die übrigen "heimführen" könne, so die zynische Begründung. Diese grausame Verstümmelung
sollte offenbar eine Verhöhnung der bogumilischen Lehre des "inneren Lichtes"
sein. Als Zar Samuel seine Soldaten so herankommen sah, starb er gebrochenen
Herzens. Und Kaiser Basileios II. erhielt den Beinamen "Bulgaroktos",
Bulgarenschlächter, worauf er auch noch stolz war. Bis heute erinnert ein
kleines Kloster am Vodoca-See (von "vadi oci", Augen ausreißen) in der Nähe des
Schlachtfeldes im heutigen Mazedonien an dieses grausame Kriegsverbrechen des
kirchengläubigen Herrschers.
Auch die spätere katholische Kirche, die seit 1054 aufgespalten ist in
katholisch und orthodox, bekämpfte die angebliche "Irrlehre" mit
allen ihren Kräften. Das Heer des
vierten Kreuzzugs, das später statt des "heiligen Landes" das orthodoxe Byzanz
erobern sollte, zog im Jahre 1202 von den Venezianern (die das Unternehmen
finanziert hatten) zunächst gegen die dalmatinische Stadt Zadar im heutigen
Kroatien – mit der Begründung, dort lebten "bogumilische Ketzer". Mehrfach ließ
der Papst "Ketzerkreuzzüge" gegen die Bogumilen ausrufen.
Trotz aller Verfolgungen verbreitete sich die Lehre der "Gottesfreunde" weiter. Zeitweise fand sie für einige Jahrzehnte staatlichen Schutz – so zu Beginn des 11. Jahrhunderts im westbulgarischen Reich (dem heutigen Mazedonien) um den Ohrid-See oder im 13. und 14. Jahrhundert in Bosnien. Dort bildeten die Gemeinschaften der Gottesfreunde auf dem Balkan zeitweise sogar eine Art Staatsreligion. Doch auch deren Tage waren gezählt. Als die Türken nach der Schlacht gegen die Serben auf dem Amselfeld (1389) auf dem Balkan weiter vordrangen, verweigerten die katholischen Nachbarn den bosnischen "Ketzern" jegliche Hilfe – es sei denn, sie wären zum Katholizismus übergetreten. Dazu waren die Bosnier jedoch nicht bereit. Die Türken rotteten die bosnische Oberschicht weitgehend aus; die einfachen Bauern begaben sich notgedrungen unter türkische Oberhoheit und nahmen in der Folgezeit fast alle den muslimischen Glauben an. Ihre Nachfahren sind die heutigen bosnischen Muslime.
Doch die Kirche ahnte selbst, dass der
bei den Bogumilen wieder auferstandene
Geist des Urchristentums nicht ausgelöscht werden kann. Papst Pius II. (1458-1464)
musste feststellen, dass die Kirche kaum jemals einer Bewegung so heftig und mit
solch scharfen Mitteln entgegengetreten sei. Dennoch sind alle inquisitorischen Anstrengungen
der Kirche gegen diese von ihr verleumdeten angeblich "schlechten Menschen", die sich
nur "gute Christen" nennen würden,
letztlich erfolglos geblieben.
Denn bereits lange vor dem Ende der Bogumilen auf dem Balkan hatte die
Lehre sich über ganz Europa verbreitet. Flüchtende Bogumilen setzten von
Albanien nach Italien über. Andere fanden in der Ukraine und in Russland eine
neue Heimat. Das berühmte orthodoxe Kloster auf dem Berg Athos in Griechenland
war lange Zeit – bis ins 14. Jahrhundert hinein – ein Bollwerk des Bogumilentums.
Große Gestalten der abendländischen Geistesgeschichte wie der römische
"Ketzer-Revolutionär" Arnold von Brescia, der kalabresische Abt
Joachim von Fiore,
der Dichter Dante Alighieri könnten von Nachklängen dieser Bewegung beeinflusst
worden sein. Sogar der von der katholischen Kirche vereinnahmte "Heilige"
Franziskus von Assisi zeigte in seiner Naturverbundenheit und Schlichtheit eher bogumilisch-urchristliche Züge – schließlich wurde
"sein" Orden der Franziskaner gegen seinen
Willen gegründet, und seine treuesten Schüler (Spiritualen oder
Apostelbrüder genannt) wurden zu
Hunderten ebenfalls auf den Scheiterhaufen der Inquisition der römischen
Papstkirche verbrannt.
Vor allem aber steht fest, dass es intensive Kontakte zwischen den Bogumilen des
Balkans und den Katharern Südfrankreichs und Italiens sowie den "Gottesfreunden"
des Rheinlands gab. In Deutschland wurde die Erinnerung an sie jedoch durch die
katholisch ausgerichtete und zensierte Geschichtsschreibung weitgehend
ausgemerzt. Sie ist teilweise noch enthalten in den Überlieferungen über die
Brüder und Schwestern des Freien Geistes, über die in den nächsten Kapiteln
weiter berichtet wird.
Lesen Sie dazu Der Theologe Nr. 77 – Auf den Spuren der Bogumilen, der Urchristen auf dem Balkan
Zwei Frauen, die allein unterwegs waren – das erregte Verdacht. Sie wurden aufgegriffen, verhört und – "überführt". Als man sie nämlich aufforderte, ein rasch herbeigebrachtes Huhn zu töten, weigerten sie sich. Ehe die Katharerinnen Séréna und Agnès de Châteauverdun auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden, verlangten sie als letzte Bitte nach frischem Wasser, um sich die Gesichter waschen zu können, die sie zur Tarnung geschminkt hatten. Sie wollten nicht so "bemalt" vor ihren Herrn treten.
Dies geschah in Toulouse, wahrscheinlich im Jahr 1247, also zu einer Zeit, als der
"Ketzerkreuzzug" (1209-1229)
des Papstes gegen die Katharer längst beendet, als auch die berühmte
Katharerfestung Montségur schon gefallen war (1244). Das einst so freie und tolerante Okzitanien
war unterworfen und Frankreich einverleibt. Inquisitoren durchkämmten nun
systematisch Dorf um Dorf, Straße um Straße, Haus um Haus, um die letzten
versprengten Christen aufzuspüren und auch diese zu ermorden.
Sie werden von den Häschern des Papstes "mit größter Freude"
niedergemetzelt – wie die
400 Katharer, die Anfang Mai 1211 in dem Pyrenäendorf Lavaur bei lebendigem Leib verbrannt werden,
nachdem sie das katholische Ave Maria nicht hersagen konnten. Die schwangere
Donna Geralda, Katharerin und Schlossherrin in dem "Ketzernest", wird in einen
Brunnen gestoßen und mit Steinen beworfen, bis man ihr Wimmern nicht mehr hört.
Ihr Bruder Améric von Montreal wird mit 80 Rittern, Edelleuten und Troubadouren
zum Richtplatz geführt. Améric wird als erster gehängt – doch der für 80
Verurteilte errichtete Riesengalgen bricht schon unter dieser ersten "Last" zusammen.
Die Zimmerleute hatten es falsch berechnet. Simon von Montfort, der
Oberbefehlshaber des vom Papst angeordneten Ketzerkreuzzugs, wollte aber "keine
Zeit verlieren". Er lässt die Ritter deshalb abstechen.
Das Hauptanliegen der Katharer und der Grund für ihre ernste Grundhaltung war der Kampf gegen das Böse, das nach ihrer Überzeugung hinter der Welt mit ihren Kriegen und Schlechtigkeiten aller Art stand und das alle äußere Materie durchdrang. Das Böse musste zunächst jedoch im Herzen jedes einzelnen selbst erkannt und bekämpft werden durch den Weg der inneren Reinigung. Nach dem Glauben der Katharer konnte Gott die Welt unmöglich so geschaffen haben, wie sie ist – sie ist vielmehr eine Folge des Abfalls von Gott vor langer Zeit. Wie dies genau vor sich gegangen war, darüber entstanden allerdings im Laufe der Zeit unterschiedliche Ansichten. Wie im Umfeld der Bogumilen und so genannten "Paulikianer" soll es hier unterschiedliche Vorstellungen gegeben haben, vor allem, dass das Böse nur eine "Abspaltung" vom guten Gott ist. Laut Beschuldigungen ihrer kirchlichen Gegner und deren Inquisition sollen aber viele auch daran geglaubt haben, dass das "Böse" angeblich schon immer bestanden habe, und sie wurden auch beschuldigt, angeblich sehr aggressiv aufzutreten. Doch die nachweisbaren Fakten sind genau umgekehrt: Es waren die Katholiken, welche die Urchristen auf grausamste Weise ausmerzten. Und auch die Wahrheit über den Glauben der Urchristen in Südfrankreich wurde von den Vertretern der katholischen Priesterkaste verbogen und durch Verleumdungen und Priesterlügen ersetzt. Ein besonders bösartiges Beispiel dafür ist der deutsche Franziskaner-Priester und Inquisitor Konrad von Marburg, der allen Ernstes behauptete, der Name "Katharer" (= die Reinen) würde sich von "Kater" ableiten und darauf hinweisen, dass die Urchristen, die auch Tierfreunde waren und meist auch kein Fleisch verzehrten, mit Katzen angeblich Geschlechtsverkehr pflegen (u.a. http://kops.uni-konstanz.de/). In Wirklichkeit entstammt diese Anschuldigung, die an die späteren "Hexenverfolgungen" erinnert, nur seiner eigenen perversen Phantasie. Und wer weiß schon, welche Formen der Sexualität alles bereits von damaligen Priestern ausgeübt wurden. Über die jüngere Vergangenheit ist ja im 21. Jahrhundert vieles ans Tageslicht gekommen, unter anderem auch solches, was der Inquisitor lügenhaft anderen unterstellte.
Doch
zurück von tiefsten Abgründen kirchlicher Degeneration zu dem urchristlichen
Leben der Katharer: Im
Gedächtnis blieb vor allem der unglaublichen Mut, mit dem
Hunderte von Katharer, keineswegs nur die "parfaits", nach Augenzeugenberichten
ohne Klagen und Angst, ja teilweise sogar singend und in ihrem Inneren mit Gott
verbunden, in den Tod gingen. War
ihnen dies möglich, weil sie mit ganzer Seele
auf die geistige Welt und auf Gott in ihnen, in ihrem eigenen Tempel aus Fleisch
und Blut, bezogen waren oder sich darum bemühten und von dort in einer Weise Kraft und Trost
empfingen, die für Außenstehende nicht nachvollziehbar war?
Die römische Kirche hat jedenfalls wegen dieser todesmutigen Katharer die
systematische Inquisition eingeführt. Und sie hat nicht nur einen grausamen
Vernichtungskrieg gegen sie (und gegen das gesamte südliche Frankreich) vom Zaun
gebrochen – sie hat die Vernichtung und Ausrottung Andersgläubiger auch durch
Päpste und Kirchenheilige (wie Bernhard von Clairvaux oder Thomas von Aquin)
ideologisch "rechtfertigen" lassen. Damit entlarvte sie sich einmal
mehr als maßgebliche Gewandung des "Systems Baal", das
man als Manifestation dämonischer Energien auf der Erde verstehen kann.
Der Buchautor Eugen Roll schrieb,
"dass die Häresie der Kirche
einen Schlag versetzt hatte, von dem sich diese nicht wieder erholen sollte"
(Eugen Roll, Die Katharer, Stuttgart 1979, S. 238), und hierbei kann man
auch an deren Entlarvung denken. Das heißt: Der
totalitäre Machtanspruch der Romkirche, die antichristlichen Inhalte ihrer Lehren und damit
ihr Missbrauch des Namens Christus wurden auch in der Folgezeit immer wieder
aufgedeckt, um den Menschen die Augen zu öffnen und sie zu ermutigen, diesem
ideologischen Stammbaum des Verbrechens den Rücken zu kehren.
Ein beliebtes Verleumdungsmittel der kirchlichen
Priesterkaste ist die Abwertung von Urchristen, indem man sie nicht als
"Christen" bezeichnet, die sie ja sind, sondern einen Namen erfindet, der meist
von der Person entlehnt wird, die man für den Anführer hält. So verspottete man
viele Christen im Norden Frankreichs auch als "Amalrikaner", lateinisch "Amauriani", in Anlehnung an den
französischen Gelehrten Amalrich von Bena, lateinisch Amaulricus.
Foto: Hinrichtung der Freunde von Amalrich von Bena – Jean Fouquet (1455-1460) aus der Grandes Chroniques de France (Ausschnitt)
Während die
Katharer den Süden
Frankreichs im urchristlichen Geist verändern, sammelte um 1200 im Norden
Amalrich von Bena, der auch Erzieher des französischen Thronfolgers war,
an der Universität und deren Umfeld weitere Lehrer um sich, die aufgrund
ihrer Erfahrungen davon überzeugt waren:
Gott ist der Freie Geist in allem Leben. Nach Amalrichs Tod zogen sie
ins Umland von Paris hinaus und klärten die Bevölkerung über
Konsequenzen aus dieser befreienden Botschaft auf, wozu gehört: Kirchensakramente sind
letztlich nutzlos,
und Heiligen- und Reliquienverehrung sind "Götzendienst". Dass die Tätigkeit
dieser Lehrer für ihr irdisches Leben gefährlich war, war ihnen bewusst. Einerseits suchten sie so
viele Menschen wie möglich mit ihrer Botschaft zu erreichen und fanden
vor allem Zuspruch bei den schlichten und unverbildeten Menschen.
Andererseits mussten sie aufgrund des Jahrhunderte alten mörderischen katholischen
Herrschaftssystems äußerst vorsichtig vorgehen, teils heimlich.
Kathedrale von Amiens – von der Papstkirche ab 1220 als Zeichen ihrer totalitären weltlichen Herrschaftsmacht erbaut – nach der Verbrennung des Urchristen Godinus in Amiens auf dem Scheiterhaufen im Jahr 1215
(Creative Commons Attribution 3.0 Unported license; Jean-Pol Grandmont 2012)
"Gott in uns", "Gott, der Freie Geist, in allen Lebensformen Seiner Schöpfung" – Die Brüder und Schwestern des Freien Geistes erlebten Gott als Licht und Kraft in ihrem Inneren und sie wussten, dass es Gottes Odem ist, der jeden Menschen, aber auch jedes Tier, ja jedes Lebewesen, jede Lebensform beatmet. Unter ihnen gab es auch Gottesprophetinnen und Gottespropheten, durch die das unverfälschte Wort Gottes wieder die Menschen erreichte. Für die Priester und Theologen der Institutionen Kirche mit ihren Dogmen und Sakramenten ist diese Erfahrung bis heute die größte Gefahr.
Amalrich von Bena und seine Schüler waren Brüder und Schwestern des Freien
Geistes in Frankreich, und ähnlich wie ihnen erging es in vielen Regionen
Europas den offenen Gemeinschaften der Brüder und Schwestern des
freien Geistes im 13. und 14. Jahrhundert, die durch die kirchliche
Ausmerzung beinahe in Vergessenheit geraten sind. Sie waren überzeugt, dass
jeder Mensch das Licht Gottes in sich trägt, das er durch einen mystischen
inneren Weg in sich erwecken kann, wozu es keiner Vermittlung durch Priester
bedarf, und sie fühlten sich an keine kirchliche Autorität gebunden.
Da der Lügenmoloch in Rom und seine Statthalter ihnen Dämonie und sittenlose Praktiken andichtete, gelang es
den Talarträgern,
wie Professor Dr. Walter Nigg schreibt, "dem bürgerlichen Christen vor diesen [angeblichen]
´Nihilisten des Mittelalters` das Gruseln beizubringen, das bis zum heutigen Tag
nachwirkt. Da ein Historiker nach dem anderen diese Lügen abschrieb, bis alle selbst
daran glaubten, wurden die Brüder des freien Geistes zu der am meisten
verleumdeten Bewegung der ganzen Kirchengeschichte." (Das Buch
der Ketzer, S. 274)
Sie glaubten, wie Walter Nigg schreibt, "an einer epochalen Wende der Zeit zu
stehen, in der alles bisher Gültige entwertet, gewandelt und ersetzt werde durch
wahre Erkenntnis, die zugleich die höchste Stufe der Religion und Offenbarung
des heiligen Geistes selbst ist". Zu ihrem Umfeld zählen auch die so
genannten Beginen bzw. Begarden, das waren Frauen bzw. Männer, die
ein Leben in Nächstenliebe außerhalb der Kirchenmauern anstrebten und immer in
Gefahr standen, als "Ketzer" ins Visier der Inquisition zu geraten und
die, als es der Romkirche mit der Zeit zu viele wurden, auch verfolgt und ermordet wurden, wenn sie sich nicht
doch einer
kirchlichen Organisation anschlossen.
Die in mehreren Ländern Europas verbreiteten "Brüder und Schwestern vom freien
Geist" waren bis ins 15. Jahrhundert hinein Verfolgungen ausgesetzt, zuletzt
1458 unter anderem in Mainz. Seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert ist nichts mehr von ihnen
bekannt. In einem "Gutachten" des Kirchenheiligen Albertus Magnus, der
das Göttliche und das Menschliche strikt trennte, werden die
Brüder und Schwestern mit den Worten von ihm angeklagt und verworfen:
"Zu sagen, dass die Seele aus
der Substanz Gottes genommen ist, ist Ketzerei der Manichäer." (Art. 7)
Ob diese Umschreibung ihres Glaubens wirklich den Inhalt trifft oder – wie
so oft – alles ein wenig oder ein wenig mehr verfälscht dargestellt wird, ist
wie immer nicht mehr genau zu ermitteln.
Auch den Mystiker, der unter dem Namen "Meister Eckhart" bekannt wurde
(um 1260-1328), hat man "häretischer" Überzeugungen in der Art der "Brüder und
Schwestern des Freien Geistes" verdächtigt und einem langwierigen Prozess
unterzogen. Ankläger war Kardinal Fournier, der spätere Papst Benedikt XII.
Eckhart selbst bestritt immer jede Nähe zu nichtkatholischem Gedankengut und
starb vor dem Abschluss des Inquisitionsverfahrens. Nach Eckharts Tod wurde das
Verfahren aber fortgesetzt und endete mit der Verurteilung der 28 Sätze. Während
der Papst verlauten ließ, Eckhart habe vor seinem Tod seine "Irrtümer"
vollständig widerrufen, wies er in Wirklichkeit nur allgemein mögliche
"häretische, glaubensfeindliche Fehldeutungen"
seiner Thesen zurück.
Wessen Seele mit Gott vereinigt ist, der lebt von sich aus im Willen Gottes und braucht deshalb auch keinen äußeren Druck durch Sittengesetze mehr, weswegen die Brüder und Schwestern des Freien Geistes von den inquisitorischen Talarträgern verdächtigt wurden, schrankenlos unmoralisch zu leben.
Die Kirche beauftragte den später heiliggesprochenen Franziskaner Giovanni de Capistrano (Foto rechts), alle Exemplare der Schrift Spiegel der einfachen Seelen, der den Weg zu Gott im eigenen Herzen aufzeigte (durch tätige Nächstenliebe und Überwindung des Ego), zu vernichten.
Ein weiterer Inquisitor der Franziskaner, der Jurist Johannes von Capistranus (1386-1456), musste nun im Auftrag des Papstes nach noch vorhandenen Exemplaren der für die Existenz der Kirche bedrohlichen Schrift über die Rückkehr der gefallenen Seelen in ihre ewige Heimat zu forschen, um diese zu beschlagnahmen und zu vernichten. Er wurde später von der Vatikankirche "kirchenheilig" gesprochen und gilt der Vatikankirche heute weltweit als "Patron aller Rechtsanwälte". Capistranus ließ auch Juden öffentlich verbrennen und ihre Kinder katholisch taufen, er rief zum Kreuzzug gegen die moslemischen Türken auf und ließ die Hussiten in Böhmen verfolgen. So wie es ein "treuer" Diener der mörderischen Priesterkaste eben tut, wofür er dann in deren "Heiligenhimmel" erhoben wurde.
Eigentlich hatten sie ja nur den stereotypen
Ablauf der katholischen Messen verbessern wollen, indem sie sich als kundige
"Laienprediger" anboten. Doch dann kamen den "Armen Christi", wie sie sich
selber nannten, erhebliche Zweifel und Fragen in Bezug auf das ganze Gehabe der
Kirche und ihrer Priester. Was Ende des 12. Jahrhunderts als innerkirchliche
Protestbewegung um den Lyoner Kaufmann Petrus Waldes bzw. Petrus Valdes
(+ vor 1218) begann, entwickelte
sich – nicht zuletzt aufgrund der brutalen Ablehnung und Verfolgung durch die
Kirche – zu einer der bedeutendsten "Ketzerbewegungen" des Mittelalters und
darüber hinaus.
Waldes verschenkte sein zum Teil unrechtmäßig erworbenes Vermögen aufgrund eines
Bekehrungserlebnisses spontan an die Armen, und er wollte der Bibel ein
stärkeres Gewicht verleihen und sie dazu in die Volkssprache übersetzen. Genau
das brachte ihn aber in Konflikt mit der Kirche, die er – im Gegensatz zu den
zeitgleich in Frankreich lebenden Katharern – ursprünglich gar nicht verlassen wollte.
Denn Menschen, die selbständig
denken, die in Eigenverantwortung ein ethisch hochstehendes Leben anstreben,
waren den Mächtigen in der Kirchenhierarchie schon immer ein Dorn im Auge. Wie die Katharer
führten die Waldenser ein einfaches Leben und waren in der Regel geschickte
Handwerker. Ihr Ideal war das Urchristentum, wie sie es aus den Evangelien und
der Apostelgeschichte ihrer Bibel entnehmen konnten.
Waldes und seine Anhänger wurden um 1180 auf Anordnung des Bischofs von Lyon
zunächst aus
der Stadt und ihrem Umkreis vertrieben. Doch damit sorgte die Kirche ungewollt
für die rasche Verbreitung der Bewegung. Bald fielen sie derselben blutigen
Verfolgung durch die kirchliche Inquisition zum Opfer wie die Katharer.
Unzählige von ihnen wurden auf den Scheiterhaufen auf Betreiben der Romkirche
verbrannt, Männer, Frauen, Kindern, wer von ihnen in die Fänge der
römisch-katholischen Inquisition und deren staatlichen Vasallen
geriet.
Wie Meister Eckhart
(um 1260-1328) in Deutschland gehörte
auch Girolamo (Hieronymus) Savonarola ca. 150 Jahre später
(1452-1498) in Italien dem Dominikaner-Orden an.
Er war Prior des Klosters San Marco in Florenz und wollte die Institution Kirche
von innen her im christlichen Sinne verändern, was letztlich wie immer zum Scheitern verurteilt war,
weil deren äußerlich christliches Gewand nur die Maskerade und Verkleidung eines vom Wesen
her baalistischen Systems ist.
Als der französische König Karl VIII. Italien im Krieg
eroberte, erreichte Savonarola in intensiven Gesprächen mit ihm, dass Florenz
verschont blieb. Im Gegenzug verbündete sich die Stadt mit Frankreich.
Die Bürger vertrauten Savonarola die Verhandlungen an, weil er in seinen
dramatischen Predigten dieses Ereignis sowie den Tod von Papst Innozenz VIII. im
Jahr 1492 richtig voraus gesagt hatte.
Der Historiker Jacob Burckhardt nennt ihn, obwohl ihm gegenüber kritisch
eingestellt, eine "völlig zu Feuer und Flamme gewordene Persönlichkeit".
Und der evangelische Theologe Walter Nigg schreibt, man werde
"nicht um die
Schlussfolgerung herumkommen, dass in Florenz nicht ein politisierender Mönch,
wohl aber ein wirklich von Gott gesandter Prophet verbrannt worden ist".
Nachdem Savonarola Briefe an die europäischen
Herrscher schrieb und sie aufforderte, ein Konzil einzuberufen, um Papst
Alexander VI. abzusetzen, der offensichtlich durch Ämterkauf an die Macht
gekommen war, drohte der Papst der ganzen Stadt Florenz den Kirchenbann an. Die
Kaufleute fürchteten nun um ihre Geschäfte in Rom, Bürger wurden gegen
Savonarola aufgehetzt und Mönche des Klosters wurden verhaftet und im Beisein
der Gesandten des Papstes gefoltert. Savonarola selbst und zwei Mitstreiter
wurden 1498 auf dem Marktplatz der Stadt öffentlich gehenkt und verbrannt und
ihre Asche in den Fluss Arno geworfen.
Girolamo Savonarola 1497 oder 1498,
kurz vor seiner grausamen Hinrichtung (Gemälde von Fra
Bartolomeo, Museum von San Marco, Florenz);
gemeinfrei nach Wikimedia Commons
Dass Savonarola auch mächtige Gegner in der
Stadt hatte, lag an seiner kompromisslosen und von vielen als fanatisch
empfundenen Art, die Bürger nicht nur freiwillig zu einem christlichen
Leben zu bewegen, sondern dessen Prinzipien auch mit entsprechendem Druck
durchzusetzen.
Dabei nahm er kein Blatt vor den Mund. Mutig warf er dem mächtigen Fürst Lorenzo
vor, die Gemeinschaftskasse geplündert zu haben, aus der ärmere Töchter der
Stadt ihre Mitgift bezogen. Und als Parteigänger des Fürsten ihn zur Mäßigung
ermahnen wollten, ließ er ihm ausrichten:
"Lorenzo kann tun, was er will, aber das mag er wissen: Ich bin fremd, und er
ist Bürger und der Erste der Stadt. Und doch bleibe ich hier, und er muss gehen.
Ich bleibe hier und nicht er."
Kurz darauf starb der Fürst mit nur 43 Jahren an der Gicht, was Savonarolas
Autorität noch einmal steigerte.
Unter der Führung Savonarolas fanden
bemerkenswerte Veränderungen statt: Die Streitigkeiten zwischen den reichsten
Familien und ihren Parteigängern ruhten für geraume Zeit; ein drohender
Bürgerkrieg wurde verhindert, denn Savonarola riet zu Amnestie statt Rache für
die Unterlegenen. Streitende versöhnten sich, Reiche gaben Gelder zurück, die
sie unrechtmäßig erworben oder unter Ausnützung einer Notlage mit Wucherzinsen
erpresst hatten. Die Reichen und der Mittelstand spendeten für die durch die
vorhergegangene brutale Besteuerung verarmte Unterschicht der Tagelöhner und
Besitzlosen. Ein Pfandleihhaus wurde eingerichtet, um ärmeren Mitbürgern
zinsgünstige Darlehen zu ermöglichen. Die direkten Steuern wurden weitgehend
abgeschafft. Stattdessen sollte der Grundbesitz, auch
derjenige der Kirchen und Klöster, mit einer zehnprozentigen Abgabe
belegt werden, was jedoch von der Priesterkaste hintertrieben wurde. Die
Mittelklasse, also Handwerker und Kaufleute, wurden durch die Schaffung eines
"Großen Rats" an den politischen
Entscheidungen beteiligt. Zuvor hatten die Reichen der Oberschicht alles unter
sich ausgemacht.
Savonarolas Hauptanliegen war jedoch die
sittliche Erneuerung der Stadt. Schon als junger Medizinstudent hatte er in
Bologna den ausschweifenden "Zeitgeist" der Renaissance erlebt und mit den
Worten beschrieben:
"Wenn einer nach ernsten Dingen und nach Weisheit strebt, ist er ein Phantast.
Wenn er keusch und bescheiden lebt, ist er ein Tor. Wenn er fromm ist, nennt man
ihn ungerecht. Wenn er gerecht sein will, gilt er für grausam. Wenn er Gottes
Größe verehrt und Glauben hat, ist er von blödem Geist." (zit.
nach Matthias Holzbauer, Verfolgte Gottsucher, Marktheidenfeld 2004, S. 88 f.)
Savonarolas Botschaft für die Menschen, die fast
täglich den Dom füllten, um ihn zu hören, war eine einfache: Jeder möge also
sein eigenes Bewusstsein erneuern, von den Herrschenden angefangen. Jeder möge
aus seiner Eigenheit herauskommen und dem Gemeinwohl zustreben. Der Egoismus
ist ein Zeichen des Verlorenseins. Und solche, die kein Gefühl für ihren
Nächsten haben, stehen außerhalb des göttlichen Kreislaufs.
Vergleichbar den alttestamentlichen
Gottespropheten ermahnte Savonarola die Bürger der Stadt, den Luxus und das
Wohlleben aufzugeben und stattdessen die Armen zu unterstützen. Er wandte sich
gegen das Glücksspiel auf offener Straße, gegen das überbordende Karnevalstreiben und
sexuelle Ausschweifungen. Offenbar um den sexuellen Missbrauch von Kindern
einzudämmen, vor allem von Jungen durch Männer, forderte er Strafen für Homosexuelle, die daraufhin Geldbußen
bezahlen mussten. Kurz vor seiner Hinrichtung ließ er, wie schon im Jahr zuvor,
am Beginn der Fastenzeit Karnevalszubehör wie Perücken und Masken öffentlich
verbrennen. Viele Bürger machte er sich dadurch auch zu Feinden. So fand er
eines Tages den Kopf eines getöteten Esels auf seinem Predigtplatz.
Vor allem aber wandte er sich gegen die
Priesterkaste, gegen die katholischen Priester und Mönche, die vielfach Frauen,
Mägde und Kinder vergewaltigten, eine Parallele zur jüngeren Kirchengeschichte
im 20. und 21. Jahrhundert: "Sie treiben sich in den Kneipen herum und huldigen
mit ihren Bauern dem Spiele. Sie nehmen Mädchen zum Tanze mit auf ihr Zimmer,
verbringen die Nächte mit schlechten Weibern und Buben, treten aber am Morgen
gleichwohl zum Altare des Herrn. Sie sind dem sodomitischen Laster ergeben,
vergewaltigen Frauen und Mägde, ja sogar Kinder." (zit. nach
Ernst Piper, Savonarola, München 2009, S. 72)
Auch die zwielichtigen Geldgeschäfte der
Institution Kirche prangerte er an: "Die Zeremonien, die man heute in der Kirche feiert, finden nicht mehr zu
Ehren Gottes statt, sondern um des Geldes willen ... Alle in der Kirche wollen Einkünfte und Pfründe ... Es gibt keine
Gnade des heiligen Geistes, die man nicht mit Geld erkaufen könnte ... Nur die
Armen, sie werden ausgepresst."
"Sieh
Rom an, das Haupt der Welt, und von dort sieh auf die Glieder! Da ist
von der Fußsohle bis zum Scheitel nichts Gesundes mehr. Wir leben unter
Christen, wir verkehren mit ihnen; aber sie sind keine Christen, sie sind´s
nur dem Namen nach; da wäre es wirklich
besser, wir wären unter Heiden." |
Während der Papst in Rom begann, mit dem ersten
geraubten Gold aus Amerika die Decke der Papstkirche Santa Maria Maggiore zu
verzieren, und der millionenfache Völkermord der katholischen Eroberer an den
Indianern immer grausamer wurde, rief der Mönch Savonarola in Florenz offen dazu
auf, "all die überflüssigen Kelche und Kreuze aus Gold und Silber"
einzuschmelzen und den Erlös an die Armen zu verteilen. Auch die kirchlichen
Zeremonien bezeichnete er als wirkungslos, solange nicht eine innere Umkehr und
Änderung des Lebens damit einherginge.
"Gott muss man suchen, nicht prächtige Tempel. Der wahre Tempel ist des Christen
Herz."
In dieser Zeit waren auch die Auswirkungen von
Krieg in Florenz gegenwärtig, und Hungersnot und Pest setzten der Bevölkerung zu.
Viele Bürger, auch in den Städten der Umgebung, änderten in dieser dramatischen
Situation ihr Leben, wurden friedvoller, lebten bescheidener, gaben das Trinken
oder Spielen auf. Wer aus der Umgebung in die Stadt kam, um Savonarolas
Ansprachen im Dom zu hören, wurde gastfreundlich aufgenommen und versorgt. Auch
Jugendliche änderten sich: Zuvor hatten sie Banden gebildet, die sich teils
blutige Straßenschlachten lieferten und die Gegend unsicher machten. Jetzt
entstanden Gruppen, die sich um Bedürftige kümmerten, wobei manches allerdings
angreifbar blieb: Wer kein Almosen gab, erhielt bisweilen Schläge, wer nicht
mitmachte, wurde denunziert und zur Rede gestellt. Damit wurde ein innerer Druck
aufgebaut, der nicht mit den urchristlichen Prinzipien übereinstimmt.
Manche Kirchengeschichtsschreiber kritisieren deshalb die angeblich neue
"Diktatur". Das stimmt aber schon deshalb nicht, weil
– aufgrund der alle zwei Monate neu erfolgenden "Urwahl" durch die Vollversammlung der wahlberechtigten
Bürger – Befürworter und Gegner Savonarolas einander in der Stadtregierung immer
wieder abwechselten. Und es gab weder Folter noch Hinrichtungen noch
andere brutale systematische Gewalt wie sonst unter der Herrschaft des
Katholizismus und später auch des Protestantismus.
In Deutschland knüpfte der 18jährige Hans Böhm, der Pfeifer von Niklashausen, an Girolamo Savonarola an. Der Bischof von Würzburg ließ ihn daraufhin heimtückisch entführen ermorden.
Im Gegensatz zur Romkirche und der mit den totalitären Obrigkeiten verbündeten "Reformatoren" Luther, Zwingli und Calvin lehnten die so genannten "Täufer" die kirchliche Säuglingstaufe ab. Sie begannen, wie im frühen Urchristentum, Erwachsene zu taufen, die sich für ein Leben in der Nachfolge Christi entschieden haben, weswegen sie "Täufer" genannt wurden.
Sie lehnten auch jede Form des Eides und des Kriegsdienstes ab und legten großen
Wert auf eine schlichte, gottgefällige Lebensführung. Ihre Treffen fanden in
schlichten Räumen, auf Dachböden, in Scheunen oder in der freien Natur statt.
Die katholische und protestantische Kirche, einander ansonsten verfeindet, waren
sich in einem einig: in der Bekämpfung und Ermordung der "Täufer" und auch der angeblichen
"Hexen".
Auf dem Reichstag zu Speyer im Jahr 1529 beschlossen ihre Abgesandten, mit
Gewalt gegen diese "Sekte" vorzugehen. Die Todesstrafe für die Menschen, die
urchristlich leben wollten, wurde "reichs-rechtlich" beschlossen.
Dieser Reichstag war auch die mit dem Blut von Urchristen erkaufte "Geburtsstunde"
für die "Protestanten" als eigenständiger Bewegung und, wenn man so will, das erste
"ökumenische" "Projekt". Mit "schwerer Strafe", womöglich auch der Todesstrafe,
wurden aber auch Katholiken und Protestanten bedroht, die Sympathie oder
Mitgefühl mit den von der Kirche verfolgten Christen hatten.
Der Artikel 7 des so genannten "Wiedertäufermandats" des Reichstags
lautete:
"Wer von den Amtspersonen nicht bereit ist, nach diesen Anordnungen streng zu
verfahren, muss mit kaiserlicher Ungnade und schwerer Strafe rechnen."
Der Bürger David aus Gent im heutigen Belgien und seine Frau Levina wurden von der Papstkirche als "Ketzer" angeklagt und 1554 zu einem grausamen Foltertod durch Erwürgt- und Verbrannt-Werden verurteilt. (Zeitgenössischer Kupferstich; näheres dazu am Beginn dieser Ausgabe)
Um die von der Zwangsreligion der Priesterkaste Abweichenden aufspüren und
niedermachen zu können, wurden in Bern in der Schweiz zum Beispiel "Täuferjäger"
eingesetzt, vergleichbar den heutigen kirchlichen Sektenbeauftragten. Die
Täufer, die sich nahe Bern im Emmental angesiedelt hatten, flohen über
Jahrzehnte, immer wieder zwischen Bern und Luzern pendelnd, vor ihren einmal
katholischen und dann wieder protestantischen Verfolgern und Mördern. Einige
dieser urchristlich lebenden Gemeinschaften zogen sich in den unwirtlichen
schweizerischen Jura zurück, wo zur damaligen Zeit der Winter bis zu sieben Monate
dauerte und wo sie den Sommer über das Land, das sie urbar machten, noch mit
Bären teilten. Sie entschieden sich für ein karges Leben, um nach den Geboten
Gottes leben
zu können. Ihre Nachfahren sind noch heute in diesen Regionen als Minderheiten
ansässig, und Ortsnamen und Gedächtnisplätze zeugen noch heute von ihrem
freiheitlichen urchristlichen Lebenswillen.
Noch im 17. Jahrhundert wandten die evangelisch-reformierten Städte Zürich und
Bern die meist mit einem schlimmen Tod endende Galeerenstrafe für urchristlich
gesinnte Männer an.
Meistens wurde das Todesurteil jedoch sofort vollstreckt. Der Täufer Felix Manz
wurde 1527 in Zürich ertränkt. Seine letzten überlieferten Worte gleichen den
Worten von Jesus am Kreuz: "In deine Hände, Herr, übergebe ich meinen Geist."
Im Todesurteil des unter der Herrschaft des Reformators Huldreich Zwingli
stehenden Rats der Stadt Zürich heißt es wörtlich:
"Genannter Felix Manz soll ... weil er gegen die christliche Regierung und die
bürgerliche Einheit gehandelt hat, dem Nachrichter
[= Scharfrichter] übergeben
werden, der ihm seine Hände binden, in ein Schiff setzen, zu dem unteren Hütly
bringen und auf dem Hütly die Hände gebunden über den Kopf streifen und einen
Knebel zwischen den Armen und Beinen durchstossen und ihn also gebunden in das
Wasser werfen soll, um ihn im Wasser sterben und verderben zu lassen."
Das also war die evangelische Reformation, die es gleich trieb wie ihr
katholischer Mutterkonzern, dem
beispielsweise der urchristliche Täufer Michael Sattler im
Jahr 1527 am Bischofssitz Rottenburg bei Stuttgart zum Opfer fiel. Er wurde
unter anderem beschuldigt, die katholischen Sakramente nicht anzuerkennen, die
angeblich ewige Jungfrau Maria
zu verachten und den Krieg gegen die Türken nicht zu befürworten.
In seiner Entgegnung führte Michael Sattler aus, dass er zwar Maria als Vorbild
des Glaubens achte, nicht aber an eine Mittlerfunktion Marias zwischen Mensch
und Gott glaube. Außerdem dürfen Christen niemanden das Leben nehmen, sie können
nur Gott um ihren Schutz anrufen. Wenn die Türken gegen Christen in den Krieg
zögen, so liege es daran, dass sie es als Muslime nicht besser wissen.
Die Folge seiner
Nachfolge Jesu war: Zuerst wurde ihm auf Betreiben der Talarträger die Zunge aus
dem Mund herausgerissen, dann wurden mit glühenden Schmiedeeisen Löcher in
seinen Leib gebrannt, danach wurde er ganz "zu Pulver" verbrannt. Drei Tage
später wurde seine Frau solange in den Neckar getaucht, bis sie ertrunken war.
Kaum ein Bürger, der mitbekommen hat, wie man Michael Sattler und seine Frau
zu Tode folterte, wagte es nun mehr, sein Kind nicht kirchlich taufen zu lassen.
Die Säuglinge wurden also bald wieder flächendeckend an ihrem Scheitel kirchlich
befeuchtet und mit diesem Ritual der jeweiligen Machtorganisation ungefragt und
zwangsweise einverleibt.
Auf diese Weise bildeten sich in der Folgezeit nun zwei "Volkskirchen",
da die Bevölkerung in Deutschland und auch in Nachbarländern wie der Schweiz
entweder der
einen oder der anderen Kirche angehören musste, um zu überleben.
Das nennt man heute "Tradition". In Wirklichkeit agitieren
und agitieren diese beiden Machtreligionen durch ihre Lügen und Inquisitionsmaßnahmen gegenüber
Andersdenkende gegen das Volk, sind also "Gegen-das-Volk-Kirchen".
In Asperen in den Niederlanden wurde der "Täufer" Dirk Willems 1569 bei
lebendigem Leib verbrannt. Er konnte nur hingerichtet werden, weil er einem
seiner Verfolger zuvor das Leben gerettet hatte. Dieser war bei der Verfolgung
von Dirk Willems durch das Eis eines zugefrorenen Sees eingebrochen und drohte im
eiskalten Wasser zu versinken. Dirk Willems lebte nach der Bergpredigt des Jesus
von Nazareth, in der es heißt "Tut Gutes denen, die Euch hassen". Deshalb kehrte
er um, als er das Unglück sah, anstatt weiter zu fliehen und sein Leben in
Sicherheit zu bringen. Und es gelang ihm tatsächlich, seinen Verfolger aus dem
Wasser zu ziehen und ihm so das Leben zu retten.
Aufgrund seiner Rückkehr an den Unglücksort wurde er allerdings von den anderen
Verfolgern eingeholt, sofort festgenommen und anschließend ermordet. Denn die
Kirche kannte auch in diesem Fall nicht die geringste Gnade, da es sich bei
ihrem Opfer um einen Mann handelte, der unter Berufung auf Jesus von Nazareth
die Säuglinge nicht mehr kirchlich taufen lassen wollte und sie damit vom
kirchlichen Herrschaftsbereich fernzuhalten versuchte, was die totalitäre
Machtbasis der Talarträger schwächt.
Der Christ Dirk Willems
rettet einen seinem Verfolger, der auf einem zugefrorenen See durch das Eis
gebrochen war, das Leben. Dadurch verlor er seinen Vorsprung und wurde von den
amtskirchlichen Mörderbanden gefangen genommen und einige Zeit danach lebendig
verbrannt.
Alles das und sehr vieles mehr sind Beweise für die Worte des Historikers
Karlheinz Deschner, der schreibt: "Nach intensiver Beschäftigung mit der
Geschichte des Christentums kenne ich in Antike, Mittelalter und Neuzeit ...
keine Organisation der Welt, die zugleich so lange, so fortgesetzt und so
scheußlich mit Verbrechen belastet ist wie die … Kirche, ganz besonders die
römisch-katholische Kirche."
(Die beleidigte Kirche, Freiburg 1986, S. 42 f.)
Die Liste der grässlichen Folterungen und Hinrichtungen von aufrichtigen und
friedfertigen Menschen, welche sich nicht den großen Machtkirchen unterworfen
oder ihnen gar widersprochen hatten, lässt sich schier endlos fortsetzen.
Es sind Zigtausende von Menschen, die für die Wahrheit das Eintreten für die
Ethik des Jesus von Nazareth einen grausamen Tod durch Priester- und
Pfarrerhand sterben mussten. Und die klerikale Hydra mutierte in dieser
Reformationszeit in Mitteleuropa von einem einköpfigen zu einem doppelköpfigen
Ungeheuer: nun mit einem katholischen Kopf und mit einem zweiten Kopf,
einem evangelischen.
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Die so genannten "Täufer" waren aufs Ganze keine einheitliche Bewegung. Unter dem
Druck der Verfolgung gaben einzelne Zusammenschlüsse die
Gewaltlosigkeit auf, und sie sollen sich ähnlich verhalten haben wie die zuvor dort herrschenden Katholiken,
so zumindest die von der Machtkirche infiltrierte Geschichtsschreibung. Als
Beispiel wird aber meist nur Münster genannt, wo
deren kurzzeitiges Stadt-Regiment von den Kanonen des Bischofs 1535 in Trümmer gebombt wurde
und die Einwohner anschließend zum großen Teil hingerichtet wurden. In
Wirklichkeit war diese Gruppe, so die katholische "Berichte" überhaupt zutreffen
und nicht manipuliert oder erlogen sind, nicht repräsentativ für die Bewegung.
Die allergrößte Mehrheit der Brüder und Schwestern in Christus waren Gottsucher in den Spuren des Jesus
von Nazareth, und sie lebten völlig friedfertig, wie zum Beispiel die
Gefolgsleute des 1536 in Innsbruck lebendig verbrannten Jakob Hutter. Sie
gründeten Lebens- und Arbeitsgemeinschaften, in denen sie die Gütergemeinschaft
der ersten Christen anstrebten: Ehrliche Arbeit ohne Müßiggang, gemeinsamer
Besitz, gemeinsame Kindererziehung und die Laienpredigt (also Ablehnung einer
Priesterkaste) waren die Grundpfeiler ihrer "Bruderhöfe".
Weil sie den Kriegsdienst – und übrigens auch jegliche Steuern für kriegerische
Zwecke – verweigerten, wurden sie immer wieder schikaniert, vertrieben oder
ermordet, mussten über Mähren, Siebenbürgen, Russland bis schließlich nach
Amerika ziehen, um nach ihren Überzeugungen friedlich leben zu können. Solche
Höfe der "Hutterer" und "Mennoniten" (benannt nach dem Niederländer Menno
Simons), die aus den damaligen Bewegungen hervorgingen, gibt es noch heute,
doch sie sind über die Jahrhunderte oftmals erstarrt, zum Beispiel aufgrund
eines wörtlichen Bibelglaubens oder durch eine rückwärtsgewandte Ablehnung von
Technik. Auch hielten manche von ihnen noch an der Erfindung jener Priesterlehre
fest, wonach Christus am Kreuz angeblich einen "Zorn" Gottes gesühnt hätte und
dass Seine Hinrichtung von Gott so gewollt und angeblich "heilsnotwendig" gewesen wäre.
Dabei ging es den Mördern von Jesus von Nazareth nur darum, ihn zum Schweigen zu
bringen und deshalb umzubringen.
Dieses kirchliche Sühnopfer-Konstrukt, um von den brutalen Fakten abzulenken,
haben sich vor allem heutige so genannte Baptisten (wörtlich "Täufer") zu Eigen
gemacht,
die aber mit den mutigen Nachfolgern Jesu im 16. und 17. Jahrhundert, die damals zu Tausenden ermordet wurden,
kaum viel mehr als den Namen gemeinsam haben und die sich längst mit der gegen
Christus gerichteten katholischen und evangelischen Kirchenmacht verbündet bzw. arrangiert
haben.
Einen anderen zentralen Verrat der Kirche an der Lehre Jesu hatten jedoch
diese Bewegungen zu allen Zeiten erfasst und folglich in ihren Reihen abgestellt: die Zwangschristianisierung ganzer Völker durch die Säuglingstaufe und
damit die Vereinnahmung schon der kleinen Kinder als Kirchenmitglieder – unter
Androhung von Todesstrafe und angeblich
ewiger Hölle bei Nichtbefolgung,
letzteres bis heute!
Ihre
langjährige Verfolgung beweist die Vehemenz, mit der die Kirche gegen alle Menschen vorging,
die es wie die Brüder und Schwestern in Christus halten wollten und die Taufe erst als eine freie
Willensentscheidung mündig gewordener Menschen befürworteten. Doch die Rache der
Kirche war gerade gegenüber diesen Menschen, denen man nichts anhängen konnte
außer einer Abweichung vom kirchlichen Glauben, bestialisch. Von ihrem
Taufsakrament lehren die Kirchenführer bis heute unter Androhung ewiger
Höllenstrafen verbindlich, dass es niemals rückgängig gemacht werden könne, was
auch durch das schlimme Sprichwort zum Ausdruck kommt, der den totalen
dämonischen Machtanspruch der Vatikankirche auch auf die Seele des Menschen dokumentiert und
lautet "Einmal katholisch, immer katholisch".
Doch immer mehr Menschen weigern sich, diese kirchliche Totalvereinnahmung ihres
Lebens zu tolerieren und fordern nach ihrem Kirchenaustritt auch ihre Streichung
aus den kirchlichen Taufregistern. Man müsse sich ja auch nicht gefallen lassen,
für alle Zeiten auf den Mitgliederlisten der Mafia registriert zu werden, wenn
man sich dort zu 100 % distanziert hat. Und mit dem lebendigen Gott, dem Ewigen,
hat die Kirchentaufe nichts zu tun. Nach nahezu 2000 Jahren ist nun die Zeit
gekommen, welche das Ende des Kirchenbetrugs markiert und immer mehr Menschen
erkennen, wie wahre Nachfolger Jesus in allen den Jahrhunderten den Weg für das
Wiederkommen von Christus vorbereiteten.
Zu diesem Thema siehe auch Der Theologe Nr. 107 –
Der "Pfeifer von Niklashausen",
ein ermordete Prophet
und Der Theologe Nr. 10 – Thomas Müntzer
und die Zwickauer Propheten. Auf den Spuren von Christus. Von Martin Luther und
Philipp Melanchthon verfolgt
Lesen Sie auch den spannenden Reisebericht in die Vergangenheit (und doch auch in die Gegenwart) des Urchristentums: Auf den Spuren der Bogumilen – eine Reise nach Dalmatien und Bosnien
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