Die Nachfolger des Jesus von Nazareth

Urchristentum im Freien Geist, von der Kirche verfolgt

Zerstörung von Familien, Folterqualen und Massenmord unter dem bösen Missbrauch des Namens "Christus"

Der Theologe Nr. 92, aktualisiert am 29.1.2024
 


Einleitung

Jesus, der Zimmermann aus Nazareth, brachte die schlichte Lehre der Gottes- und Nächstenliebe. In seiner Bergpredigt begeisterte er viele Menschen, die entschlossen waren, ihr Leben grundlegend zu ändern. Doch seine Nachfolger, die Gemeinschaften des frühen Urchristentums, hatten zunächst nur kurze Zeit Bestand. "Schon im zweiten Jahrhundert hat tatsächlich eine tief greifende Veränderung stattgefunden, welche in einer bedenklichen Verflachung des Christentums-Verständnisses bestand" – so zum Beispiel der Theologe Walter Nigg in seinem Buch der Ketzer (Zürich 1986, S. 73). Und sein Kollege Gerhard Wehr (Esoterisches Christentum) bedauert, dass die "frei waltenden Geistesgaben" des frühen Christentums, etwa die Gottesprophetie oder die urchristliche Glaubensheilung, durch die "Amtsvollmacht" der Priesterkaste beseitigt wurden: "Spätestens seit der Mitte des 2. Jahrhunderts beginnt dieser Vorgang sich mit deutlichen Konturen innerhalb der Christengemeinden abzuzeichnen: Was einst aus ursprünglichem Geist-Erleben geschöpft war, wurde nun durch feste Bekenntnisformeln verdrängt" (Stuttgart 1995, S. 27). Doch hatten diese Vorgänge im 2. Jahrhundert überhaupt noch etwas mit Christus und einem so genannten "Christentum" zu tun? Oder wurde dafür nur sein guter Namen geraubt und bis heute missbraucht? Eines ist dabei gewiss: Nachfolger Jesu verfolgen niemals Andersdenkende, woraus sich ergibt: Wer solches in den kommenden Jahrhunderten tat oder bis heute als Teil seiner Geschichte betrachtet, war und ist mit der gegenteiligen Macht im Bunde.

Der Bürger David aus Gent im heutigen Belgien und seine Frau Levina wurden von der Papstkirche als "Ketzer" angeklagt und 1554 zu einem grausamen Foltertod durch Erwürgt- und Verbrannt-Werden verurteilt. Zusätzlich hängte man ihnen einen Sack explodierendes Schießpulver um den Hals, um eventuell noch "letzte Worte" zu verhindern. David und Levina glaubten nicht an die Wirksamkeit der kirchlichen Sakramente. David verteidigte sich auch damit, dass niemand beweisen könne, dass sein Glaube "Ketzerei" sei. Doch das hat die Anführer der totalitären Machtkirchen und die von ihnen abhängigen Kaiser, Könige und Fürsten noch nie gestört. Im Hintergrund ergötzen sich die Vertreter der Kirche an der grausamen Ermordung der aufrechten und mutigen Nachfolger Jesu. (Zeitgenössischer Kupferstich)

Was als Unterwanderung urchristlicher Gemeinden im 1. Jahrhundert begann, entwickelte sich noch im gleichen und den dann  nachfolgenden Jahrhunderten zum massiven Gegensatz zu Jesus von Nazareth und seiner Botschaft vom kommenden Friedensreich. Und nachdem die Priesterkaste in jüdischer Gewandung, die sich zu Feinden des Juden Jesus von Nazareth erklärt und seine Hinrichtung betrieben hatten, nach der Zerstörung ihres Tempels durch die Römer im Jahr 70 zugrunde ging, etablierte sich die Priesterkaste bald neu – dieses Mal im katholischen Gewand, und sie knüpfte sehr bald an die Verfolgung der Nachfolger Jesu an.


Die so genannte Christenheit feiert Jahr für Jahr ihr Pfingstfest, und für alle anderen Bürger bedeutet dies auch freie Tage oder ein "verlängertes" Wochenende. Der "Heilige Geist" sei einst gekommen, so – grob gesprochen – die Bedeutung dieses Festes. Lesen Sie in dieser Ausgabe mehr über die Menschen, zu denen der "Heilige Geist" wirklich "gekommen" ist und die deshalb von der Kirchenmacht verfolgt, gefoltert und ermordet wurden, bis hin zur Verfolgung durch Rufmord in unserer Zeit!
Und wer bei diesem Thema mehr über die Ereignisse in Jerusalem vor 2000 Jahren wissen möchte, kann dies auf der Seite "Löscht den Geist aus! Kirche contra Pfingsten!" erfahren.
 

Während so genannten "Bischöfe" nach und nach die Macht übernahmen, drangen auch äußere Rituale und Kulte aus antiken Götzenkulten in die Versammlungen ein – so etwa ein kultisches Abendmahl an Stelle des gemeinsamen "Liebesmahls" oder eine rituelle Säuglingstaufe anstelle der Geisttaufe Erwachsener.
Dieser schon im 1. Jahrhundert beginnende Prozess der Verdunkelung der ursprünglichen Lehre Christi bis hin zur Verkehrung in ihr Gegenteil vollzog sich nicht ohne Kämpfe. Immer wieder leisteten Einzelne oder Gruppen von Menschen Widerstand gegen die Entstehung einer äußeren Machtkirche im Namen von Christus, obwohl Jesus, der Christus, solches nie gewollt hatte. Dies bedeutet nicht, dass die zahlreichen "Ketzer"-Bewegungen der Geschichte immer nahtlos an das frühe Christentum anknüpften. In einzelnen Aspekten waren auch sie Missverständnissen unterworfen oder schossen über das angestrebte Ziel hinaus. Doch sie alle sind der Beweis dafür, dass die Sehnsucht nach einem Reich des Friedens, das der mutige junge Mann aus Nazareth auf die Erde bringen wollte und das schon der Prophet Jesaja angekündigt hatte, nicht aus den Herzen und den Seelen der Menschen verdrängt werden kann. Sondern es ist verheißen, und es wird sein.


Die römisch- katholische Kirche – der selbst erklärte Todfeind
der Nachfolger des Jesus von Nazareth

"Die Ketzerei ist eine Sünde, durch welche man verdient, nicht nur von der Kirche durch die Exkommunikation, sondern auch von der Welt durch den Tod ausgeschlossen zu werden. Bliebt der Ketzer bei seinem Irrtum, so soll die Kirche es aufgeben, ihn zu retten und soll für das Heil der übrigen Menschen sorgen, indem sie ihn durch ein Exkommunikationsurteil aus ihrem Schoße ausschließt; das Übrige überlässt sie dem weltlichen Richter, damit er ihn durch den Tod von dieser Erde verbanne."

(Der heilig gesprochene Kirchenlehrer Thomas von Aquin (1225-1274) beschreibt den dämonischen "Transfer von Kirche und Staat" – indem die Kirche vom Staat verlangt, ihre kirchlichen Mord- und Hinrichtungsurteile durchzuführen – in Summa theologia, zit. nach Henry Charles Lea, Geschichte der Inquisition im Mittelalter, Band 1, Eichborn-Verlag, Köln 1997)


Viele Überlieferungen über geschichtliche Ereignisse sind dabei aus der Sicht der mörderischen Kirchenmacht verfasst und voller Verleumdungen und Rufmord. Doch in unserer mächtigen Zeitenwende im 21. Jahrhundert lichten sich allmählich die Blicke auf die Wahrheit. Immer mehr bis dahin unterdrückte und verschwiegene Mosaiksteine werden gefunden, und manches bisher Verborgene dringt ans Tageslicht: Es waren Tausende, Zehntausende, ja Hunderttausende von Gottsuchern, von Christen, die in den Strom des Urchristentums zurück gefunden hatten und von der katholischen, orthodoxen oder evangelischen Großkirche mit grausamster Gewalt, Folter, Mord und Kriegszügen ausgemerzt wurden. Dies ist die größte und lang anhaltendste Christenverfolgung aller Zeiten durch die Institutionen Kirche, die sich bis zu Rufmordkampagnen der kirchlichen Sektenbeauftragten unserer Zeit fortsetzt.

Auch der Hintergrund dafür erhellt sich zunehmend: Die widergöttliche Macht der Gegenspieler Gottes, auch "System Baal" genannt, hatte sich die Institutionen Kirche mit ihrer Priesterkaste als Machtbasis auserkoren, um von dort unter Missbrauch des Namens "Christus" zu allen Zeiten die wahren Christen zu bekämpfen, zu verfolgen und auszurotten. Jeder Zeitgenosse mit gesundem Menschenverstand kann dies für sich selbst erschließen, wenn er sich auch nur ansatzweise in das Leid der Opfer einfühlt und in ihr friedfertiges Leben, für das sie ermordet wurden; und wenn er sich auch in die Gedanken der Täter einzufühlen versucht. Doch mehr und mehr erliegen die heutigen Abkömmlinge der damaligen Verfolger in unserer Zeit den Wirkungen dieser ungesühnten Völkermorde und grässlichen Untaten. Auf der anderen Seite werden alle Opfer – Gottesprophetinnen und -propheten, gerechte Männer und Frauen und ihre Unterstützer –, die aufs Entsetzlichste von der kirchlichen Priesterkaste gequält wurden, Zug um Zug rehabilitiert. Lesen Sie mehr dazu in dieser Ausgabe von Der Theologe.
 


  1)  Wie sich die Dunkelheit in den urchristlichen Gemeinden verbreitete

  2)  Markion deckt auf – Verschwörung gegen die Wahrheit

  3)  Montanus und urchristliche ProphetieEine Stimme, die nie hätte verstummen dürfen"

  4)  Origenes und seine Schüler"Einfach ist die Wahrheit, vielfältig ist die Lüge"

  5)  Mani und die "Manichäer"Ein Kämpfer für die Veränderung des Menschen

  6)  Die Christen in Kleinasien, die "Paulikianer"Tausende "Begleiter des Volkes" gesteinigt, verbrannt, geköpft

  7)  Die Gottesfreunde, die BogumilenDas innere Licht zum Leuchten bringen

  8)  Die KatharerDas Gute durch das eigenen Leben bezeugen

  9)  Amalrich von Bena und seine SchülerDie Gegenwart Gottes in allem Sein erfahren

10)  Margarete Porete und die Brüder und Schwestern des Freien GeistesAn einer epochalen Wende der Zeit

11)  Waldenser, Jan Hus, "Hussiten"Sehnsucht nach dem wahren Urchristentum

12)  Girolama Savonarolaeine "zu Feuer und Flamme gewordene Persönlichkeit"

13)  Die ersten Opfer der ÖkumeneDie urchristlichen "Täufer", die "Brüder und Schwestern in Christus"

Lesen Sie dazu auch: Der "Pfeifer von Niklashausen" – ein ermordeter Prophet
 


(1) Niedergang durch die Bischöfe – Wie konnte das passieren?

Wie sich die Dunkelheit in den urchristlichen Gemeinden verbreitete

Bereits in den von Paulus gegründeten Gemeinden setzte eine Entwicklung ein, die den Freien Geist des Christus Gottes und das Prophetische Wort immer mehr zum Schweigen brachte und durch starre vereinheitlichte Normen ersetzte. Dazu gehörte vor allem die Einführung eines "Bischofs" als fest installiertem Gemeindeleiter und Lehrautorität im Gegensatz zum urchristlichen Prinzip der Gleichheit, das Jesus von Nazareth brachte.
Viele der ersten Christen hatten sich bereits zunehmend an anderen Menschen orientiert – vor allem an solchen, die das "große Wort" führten – statt an Christus. Und sie fanden zu wenig Halt bei Gott in ihrem Inneren, im eigenen Seelengrund. Das aber wäre die Verwirklichung einer zentralen Botschaft von Jesus von Nazareth gewesen, als Er unter anderem sagte: "Das Reich Gottes ist inwendig in euch."
Anstatt also mit Hilfe der inneren Gotteskraft, der Christus-Erlöserkraft, immer konsequenter nach den Geboten Gottes zu leben, erlaubte man sich zunehmend Nachlässigkeiten, Trägheiten und Gleichgültigkeiten und ließ immer mehr Kompromisse zu.

Weil viele Christen also zu wenig in Christus in ihrem Inneren und im Tun Seiner Lehre verwurzelt waren, entstanden auch immer mehr Uneinigkeiten darüber, was nun in konkreten Situationen richtig und was falsch sei. Dabei taten sich zunehmend intellektuell geprägte Meinungsbildner hervor, die für die Übernahme der "Verantwortung" bereit waren, welche andere Christen aus Trägheit und Bequemlichkeit von sich weg schoben. Die Ausrede dafür war meist, das könnten andere besser. Der lebendige "Gottesgeist", der die ersten Nachfolger von Jesus in ihrem Inneren und in der Gemeinschaft noch führte, wurde allmählich an den Rand gedrängt oder ist schließlich ganz verstummt. Stattdessen bekamen immer mehr auf ihr Ego bezogene und offen oder zumindest unterschwellig nach Macht strebende Personen das Sagen.

In der Folge bildeten sich neue Hierarchien heraus, und ein neues "Oben" und "Unten" entstand. Die ursprünglichen "Gemeinde-Ältesten", die ihre Aufgabe einzig aufgrund ihrer inneren Autorität ausüben sollten, wurden zu fest installierten Leitern, die sich an ihre Posten klammerten, was bedeutete: Diese Funktion behielten sie auch dann, wenn sie von ihrer Lebensweise nicht mehr für eine Gemeindeleitung geeignet waren und ein Wechsel dringend notwendig gewesen wäre. Man nannte sie bald "Bischöfe". Sie nahmen Sonderplätze ein und begannen, besondere Gewänder zu tragen wie die heidnischen Priester, und sie entschieden auch über die Finanzen. Unter der Führung dieser Bischöfe wurden aus einst weniger wichtigen Äußerlichkeiten und Symbolen immer mehr starre Vorschriften und Kulthandlungen, die Jesus nie gelehrt hat. Stattdessen wurden deren Inhalte auf die eine oder andere Weise den antiken Götzen-, Herrscher-, Blut- und Priesterkulten entnommen. Die früheren Baalspriester, gegen die bereits die Gottespropheten des Alten Bundes ihre Stimme erhoben, haben auf diese Weise unmerklich wieder die Macht übernommen, dieses Mal jedoch unter dem falschen Etikett "christlich".
 
Das einst dynamische und lebendige Urchristentum wurde bald nur noch in kleinen Gruppen außerhalb dieser sich herausbildenden immer mehr an äußerer Macht gewinnenden Kirche gelebt. Diese entwickelte sich hingegen zu einem religiös begründeten Gebilde, das man in der Geschichtsschreibung später "Frühkatholizismus" nennt und das manchmal unmerklich, zunehmend jedoch immer klarer in Gegensatz zum Christus Gottes trat. So hat sich die dunkle Macht allmählich in die urchristlichen Gemeinden geschlichen, dort verbreitet und diese unterwandert. Nachfolger Jesu in urchristlichen Gruppierungen, wo auch noch einzelne Gottesprophetinnen und -propheten wirkten, und die frühkatholische Kirche existierten noch eine Zeitlang nebeneinander, vor allem in 2. und 3. Jahrhundert, als in Rom noch so genannte heidnische Kaiser regierten, doch ein Miteinander war bald nicht mehr möglich, und die Wege gingen immer weiter auseinander. 
Als Kaiser Konstantin Anfang des 4. Jahrhunderts diese schließlich nur dem Namen nach "christliche" frühkatholische Kirche privilegiert hatte, war deren weitere Degeneration zur einzigen totalitären Staatsreligion, die ein beispielloses Blutvergießen auf dieser Erde anrichten sollte, nur noch eine Frage der Zeit. Und der über allem stehende Pontifex maximus, der oberste Priester, war nun nicht mehr der Kaiser in Rom, sondern der Papst in Rom.

 
 



(2) Markion deckt auf:

Verschwörung gegen die Wahrheit ...

Gerade als sich eine amtskirchliche Tradition herauszubilden begann, die den Geist der Freiheit und Einheit der Urgemeinden in veräußerlichte Rituale zwängen wollte, stand ein Kämpfer gegen diese Entwicklung auf: Markion. Um 85 in Sinope am Schwarzen Meer – heute Sinop, ganz im Norden der heutigen Türkei – als Sohn eines christlichen Gemeindevorstehers geboren, hatte der begüterte junge Mann beim Lesen eines Evangeliumstextes – damals gab es noch keine fest umgrenzte Bibel (den so genannten "Kanon" der Bibel) wie heute – ein einschneidendes Erlebnis, über das er selbst berichtet:
"O Wunder ... und Staunen ist, dass man gar nichts über das Evangelium sagen, noch über dasselbe denken, noch es mit irgend etwas vergleichen kann." Markion war kein Prophet und wohl auch kein Mystiker, doch ein radikal die Wahrheit suchender Mensch, der erfasste, dass die Lehre von Christus etwas geistig Revolutionäres, den ganzen Menschen Erfassendes und Verwandelndes ist. Markion fiel aber auch auf, dass in den ihm zur Verfügung stehenden Texten ganz unterschiedliche Gottesbilder zu finden waren: Auf der einen Seite der Gott der Liebe und Fürsorge, auf der anderen ein "Gott" der Strafe, einer angeblichen ewigen Verdammnis und der Angst. Markion konnte sich dies nur so erklären, dass eine "Verschwörung der Wahrheit" stattgefunden hatte, und zwar nicht nur in den Texten des "Alten Testaments" (das damals noch nicht so genannt wurde), sondern auch in neueren Texten, die angeblich auf die Apostel zurückgingen.

Neuer Wein in neue Schläuche

Es ist das Verdienst Markions, als erster Mensch der neuen Zeitrechnung öffentlich auf die Widersprüche in der Bibel (vgl. Der Theologe Nr. 8) hingewiesen zu haben: Ein "Gott", der wie in den Büchern, die angeblich Mose verfasst haben soll, grausamen Völkermord und Tiermord befiehlt, der die Todesstrafe gegen ungehorsame Söhne oder den Priestern widersprechende Israeliten verhängt, kann kein Gott der Liebe sein. Markion ging im Jahr 140 nach Rom, vermachte sein Vermögen aus Reedereigeschäften der dortigen Christengemeinde und begann einen Überzeugungsfeldzug für den Gott der Liebe. Doch man wollte seine Kritik an der Überlieferung nicht hören und zwang ihn, die römische Kirche wieder zu verlassen – woraufhin der "erste Reformator" (Der Theologe Prof. Dr. Walter Nigg) der Christenheit kurzerhand eine eigene Kirche gründete. Denn es war eine Grundüberzeugung Markions, dass man den "neuen Wein" des ursprünglichen Christentums nicht in die "alten Schläuche" einer äußeren Kultreligion gießen konnte.

Vom Euphrat bis zur Rhone

Markion traf mit seiner Art der Wahrheitssuche und Verkündigung "offenbar die geheimen Sehnsüchte vieler Christenmenschen", so Gerd Lüdemann in seinem Buch Ketzer – die andere Seite des frühen Christentums (Stuttgart 1995, S. 169). Seine Gemeinden fanden sich im 2. und 3. Jahrhundert vom Euphrat im heutigen Irak bis zur Rhone in Frankreich. "Anhänger des Markion" werden teilweise bis ins 6. Jahrhundert hinein erwähnt; in Kleinasien, der heutigen Türkei, und in Armenien bilden sie eine der Wurzeln der späteren Christen, die in der katholischen Überlieferung Paulikianer genannt wurde und die sein Erbe fortsetzen werden.

Gewaltlos und vegetarisch

Wir wissen allerdings nicht viel über das Leben der so genannten "Markioniten", die von der Amtskirche mit großem Hass verfolgt wurden. Schon in der von Katholiken geprägten Namensgebung "Markioniten" liegt die Abwertung und der Versuch, sie als Anhänger eines einzelnen Außenseiters auszugrenzen. Nur zum besseren Verständnis werden solche und ähnliche Namensgebungen hier teilweise übernommen. Es waren hier wie vielfach auch in anderen Gemeinschaften Christen, die schlichte ehrliche Gottesdienste feierten, bei denen auch einfache Gemeindeglieder nach Vereinbarung sprechen und Frauen gleichberechtigt mit Männern die Taufe vollziehen durften. Sie lebten gewaltlos, vegetarisch und tranken keinen Alkohol. 
Mehr ist noch über ihre Lehre bekannt: Markion bzw. Marcion, der gebildete Reeder vom Südufer des Schwarzen Meeres, wurde zum ersten Textkritiker der Bibel, der Fälschungen und Hinzufügungen aufdeckte und korrigierte. Er verwarf schließlich das Alte Testament völlig und ließ von den neueren Texten nur das Lukasevangelium und zehn Paulusbriefe gelten. Damit schuf er, der "Ketzer", auch den ersten so genannten "Kanon" der Bibel. Die römische Kirche beeilte sich daraufhin, einen eigenen Kanon zusammenzustellen, was sich allerdings noch bis Anfang des 4. Jahrhunderts hinzog, bis die klerikalen Machthaber darüber äußerlich eine Einigung erzielt hatten.

Offensichtlich war die Auswahl an verbindlichen Schriften, wie sie der Gottsucher Markion im Sinne des "Gottes der Liebe" festlegen wollte, zwar ein sinnvoller und letztlich notwendiger Versuch, der aber nicht wirklich geglückt ist. So verbannte er mit dem gesamten Alten Testament auch die dort noch auffindbaren Botschaften der wahren Gottespropheten, die sich zum Beispiel gegen die Tieropfer, gegen Krieg und gegen die bereits damals stattfindende Verfälschung der göttlichen Botschaft durch die Priesterkaste aussprachen, und er erkannte umgekehrt Paulusbriefe an, die bereits deutlich von Jesus von Nazareth abwichen. Gerade in den Schriften des Alten Testaments wahres Gotteswort von den nachträglichen Fälschungen der Priesterkaste (wovon z. B. Jeremia selbst spricht) zu unterscheiden, wäre eine Mammutaufgabe gewesen, an die er sich wohl nicht heranwagte.

Die Materie als Teil des Fallgeschehens

Teilweise fanatisch erscheint darüber hinaus auch die schroffe Abqualifizierung der "Welt" als sündhaft, falls man hier zeitgenössischen Berichten seiner Gegner glauben kann. Wahrscheinlich ist jedoch, dass diese es bewusst oder unbewusst falsch oder verzerrt darstellten. Denn Markion erkannte bereits, was auch den heutigen Urchristen durch das Prophetische Wort wieder bekannt ist: Dass die für die irdischen Augen sichtbare Welt, die verdichtete Materie, nicht die ursprüngliche Schöpfung Gottes ist, sondern eine Folge des Abfalls eines Teils der Geistwesen von Gott, also bereits eine Phase der Entwicklung des Fallgeschehens und der Degeneration. Inwiefern er wusste oder auch nicht, dass Gott, der Ewige, mit Seinem Schöpfergeist, dem göttlichen Odem, auch die Materie am Leben erhält und dass in der Natur ein Abglanz der himmlischen Formen erahnt werden kann, kann also heute nicht mehr klar gesagt werden. Während Paulus, den Markion – wie gesagt – sehr schätzte, es den Christen freistellte, ehelos oder verheiratet zu leben (wobei er bekanntlich die Ehelosigkeit empfahl), forderte Markion, so ist es überliefert, von allen Gemeindemitgliedern strikte Enthaltsamkeit, da er erkannt hatte, wie der Sinnesrausch zur Trübung des Bewusstseins und zu Abhängigkeiten bzw. Bindungen führte statt zur inneren Freiheit im urchristlichen Strom der Gottes- und Nächstenliebe. Die Gratwanderung liegt dabei darin, dass es nicht den Geboten Gottes entspricht, hier in den freien Willen der Christen einzugreifen. Womöglich wurden aber beim Versuch der wichtigen Disziplinierung der Sinne auch manche Verdrängungen und Fanatismus gefördert, was dann auch zu einem Anteil am späteren Niedergang der "markionitischen" Gemeinden führte.

Auf jeden Fall setzte der "größte Ketzer, der jemals aus dem Christentum hervorgegangen ist" (der österreichischer Philosoph und Journalist Egon Friedell, 1878-1938) einen frühen und wichtigen Kontrapunkt zur verheerenden kirchlichen Vorstellung eines strafenden, angeblich auf ewig verdammenden Gottes, die in den vergangenen 2000 Jahren unsagbares Leid und Unheil in die Welt brachte und noch bringt. Es ist auch sein Verdienst, dass die Begeisterung für den Gott der Liebe, der allen Menschen ungeteilt und uneingeschränkt zugetan ist, nie ganz aus dem Bewusstsein der Menschen verschwunden ist.

 



(3) Montanus, Priscilla, Maximilla, Quintilla und die urchristliche Prophetie

"Eine Stimme, die nie hätte verstummen dürfen"

Als das lebendige Urchristentum schon im ersten Jahrhundert und dann immer mehr bis zur Mitte des zweiten Jahrhunderts verflachte, in seiner Begeisterung nachließ und zunehmend von Machtmenschen unterwandert wurde, die Rituale an die Stelle der Erschließung des inneren Lebens setzten – etwa ein aus antiken Götzenkulten abgeschautes rituelles Abendmahl an die Stelle des "Liebesmahls" –, da gab es auch Proteste. Viele verließen die Gruppierungen, in denen sich Bischöfe und ursprüngliche Älteste zunehmend nach dem Vorbild von Priestern antiker Religionskulte gebärdeten, indem sie zu institutionellen Verwaltern des Glaubens wurden. Propheten gab es dort dann keine mehr, oder sie wurden ganz oder weitgehend zum Schweigen verurteilt. 

War Markion (ca. 85 - ca. 160), der Verfechter des liebenden und Gegner des angeblich strafenden Gottes, eher ein rationaler und klarer Denker, so war sein Zeitgenosse Montanus, ebenfalls aus Kleinasien stammend, ein etwas anderer Charakter: ein Visionär, ein Asket und Charismatiker. Markion und Montanus hatten bei allen Unterschieden jedoch eines gemeinsam: Sie erkannten, dass das Christentum in großer Gefahr war, zu einer Religion zu verkommen, welche die Botschaft des Jesus von Nazareth zunehmend verrät. Um dem entgegen zu wirken, muss es sich wieder auf seine Ursprünge besinnen und mit dem sittlichen Ernst und der mitreißenden Begeisterung der Frühzeit die Vollkommenheit im Geiste Gottes anstreben, wie es von Jesus von Nazareth in der Bergpredigt gelehrt wurde. Die neue Priesterkaste, die aus den ursprünglichen Gemeindeältesten hervor gegangen ist und welche die Gemeinden an ihr Gängelband nahm, hatte die Geistesgaben des frühen Christentums bereits weitgehend zum Schweigen gebracht: die Gabe des Heilens durch den Geist Gottes, die Gabe des Lehrens aus innerer Vollmacht und nicht zuletzt die Gabe der prophetischen Rede. "Im Montanismus rebellierte das prophetische Wort gegen den Amts-Charakter der Kirche", schreibt der Kirchenhistoriker Walter Nigg (Prophetische Denker, S. 41). Und an anderer Stelle (Das Buch der Ketzer, S. 119): "Das Wesen des Montanismus besteht in der Wiederentdeckung des urchristlichen Enthusiasmus. Das Geistesbrausen, das einst die Christen gleich Feuerflammen ergriffen hatte ..., bemächtigte sich des Montanus."

Neben Montanus traten die Frauen Priscilla (oder Priska), Maximilla und wohl in späteren Jahren Quintilla als Wortträgerinnen des Geistes auf. In der Überlieferung nannte man die Bewegung teilweise "neue Prophetie" – wobei die "neue" Prophetie nichts anderes war als die so genannte "alte", also auch der Gottesprophetie des Alten Bundes, denn das Reich Gottes sprach immer durch Propheten zu den Menschen – und sie verkündeten das Nahen des Gottesreiches. Die Prophetinnen dieser Zeit und Montanus erinnerten dazu an die Bergpredigt des Christus Gottes. Ausgehend von Phrygien, einem gebirgigen Hochland im Zentrum der heutigen Türkei, wo die "große Göttermutter" Kybele (Vorbild für den späteren katholischen Marienkult) verehrt wurde und Alexander der Große den Gordischen Knoten zerschlagen haben soll, verbreitete sich die prophetische Bewegung im gesamten damaligen Kulturkreis, nach Lyon, Rom, Karthago, Alexandria. Jesus von Nazareth hatte es selbst angekündigt: "Darum spricht auch die Weisheit Gottes: Ich will Propheten und Apostel zu ihnen senden." (Lukas 11, 49). Gott selbst offenbart sich durch Menschen, die Er sich als Instrumente selbst erwählt hat.
Die wahre Gottesprophetie, zeigte auf, dass die Verweltlichung der frühen katholischen Kirche, ihre Erstarrung in Äußerlichkeiten und ihre Hierarchie nicht der Wille Gottes sind, und sie gab gutwilligen Christen Orientierung für ihr Leben. Dies erfüllte die Nachfolger des Jesus von Nazareth mit Dank, mit Freude und mit großem Ernst. Sie führten ein diszipliniertes Leben und erwarteten das Ende des gegenwärtigen und den Beginn eines neuen Zeitalters mit dem Neuen Jerusalem auf der Erde, wie es schon der Gottesprophet Jesaja verheißen hatte.

Da sie das Gotteswort durch Prophetie empfingen und sich nicht der Zensur der Institutionsverwalter unterwarfen, wurden sie von der sich verfestigenden Machtkirche sogleich verleumdet und bekämpft. Doch vor allem Maximilla (+ 179) konnte die Urchristen noch eine Zeitlang mit dem Gotteswort begleiten. Laut einer der wenigen nicht unter Kaiser Konstantin vernichteten Überlieferungen über die "neue Prophetie" beschrieb sie die Situation einmal mit folgenden Worten: "Ich werde verfolgt wie ein Wolf unter den Schafen. Ich bin kein Wolf. Wort bin ich und Geist und Kraft." Es ist denkbar, dass sich Maximilla damit nicht selbst gemeint hat, sondern der Satz könnte Teil einer Offenbarung gewesen sein, in der Christus durch sie sprach, oder er macht eben die innere Einheit zwischen Christus und Seinem Instrument, der Prophetin deutlich. (Aus der Schrift einer Person mit dem Schutznamen Anonymos, überliefert bei Kirchenschriftsteller Eusebius, Histoire Ecclésiastique, ed.Gustave Bardy, V,16,17/LC 9, zit. nach Anne Jensen, Gottes selbstbewusste Töchter, Frauenemanzipation im frühen Christentum?, 2. Auflage, Münster 2003, S. 306)
Den Gläubigen sollte nur eine Ehe erlaubt sein. Sie sollten auch häufiger fasten und vor dem Martyrium der Christenverfolgungen nicht die Flucht ergreifen. Manches war dabei wohl auch auf das Äußere gerichtet, obwohl man gerade die Veräußerlichung der Institution Kirche bekämpfen wollte. Es war offenbar nicht so einfach, die zu diesem Zeitpunkt bereits verschüttete ursprüngliche Botschaft der Gottes- und Nächstenliebe des Jesus von Nazareth wieder zu beleben, die den Menschen durch Selbsterkenntnis und Bereinigung seiner Fehlhaltungen und Sünden von innen heraus befähigt, die Gebote Gottes einzuhalten. Der wahre Kern des so genannten "Montanismus" war die Betonung der unbedingten Entscheidung für Gott, die der Mensch zu treffen hat, will er dem Reich Gottes und damit seiner wahren Heimat, die nicht diese materielle Welt ist, wirklich zustreben. Denn jegliche Lauheit führt in die Irre. "Wer nicht für Mich ist, der ist gegen Mich", sagt Jesus. Walter Nigg spricht von einem ethischen "Maximalismus", der "eine der beachtenswertesten Erscheinungen innerhalb der christlichen Geistesgeschichte" sei. (Das Buch der Ketzer, S. 136)

Die Kirche nahm die Herausforderung einer Rückbesinnung auf die hohe Ethik der ersten Christen nicht an und entlarvte sich damit zunehmend als Irreführung unter dem fortschreitenden Missbrauch des Namens Christus. Sie entschied sich für einen ethischen Minimalismus, dem ethischen Mäntelchen, das die klerikalen Machtansprüche verdecken soll, so wie sie es bis heute tut, während unter ihren Talaren dann immer wieder Schlimmstes zum Vorschein kommt, was mit Ethik gar nichts mehr zu tun hat. Ebenso wie Markion duldete die frühkatholische Kirche auch Montanus und seine Gefolgsleute nicht in ihren Mauern – im Jahre 177 wurden die Urchristen, von der Kirche abwertend "Montanisten" genannt, ausgeschlossen, rund 20 Jahre nach dem ersten Auftreten des Montanus. Menschen, die höhere ethische Anforderungen an sich stellen wollten, wies die Kirche stattdessen den Weg in die von ihr nach und nach aufgebauten Klöster. Doch Einsiedelei und Abschottung von der Welt ist nicht der Weg des Nazareners. In der Abgeschiedenheit des Klosters geht der Mensch den meisten Konflikten auf dem Weg. So fehlt ihm die Möglichkeiten der Selbsterkenntnis und viele alltägliche Begegnungen mit seinem Nächsten, der ihm im Konflikt Spiegel seiner eigenen Sünden sein könnte.
"Mit der Ausscheidung der montanistischen Bewegung aus der Kirche verblasste auch das Prophetische in der Christenheit" so Professor Walter Nigg, der als Theologieprofessor allerdings immer noch die Kirche als Vertreterin des Christentums betrachtete. "Eine Stimme hörte auf zu reden, die niemals hätte verklingen dürfen, denn damit ging eine unmittelbare Lenkung von oben verloren, die durch keine noch so geschickte kirchliche Organisation wettgemacht werden kann." (Prophetische Denker, S. 43)

Die montanistische Bewegung breitete sich noch einige Jahrzehnte lang weiter aus, bis nach Frankreich und Nordafrika, wo sogar der kirchliche Jurist und "Ketzergegner" Tertullian (+ 220) zu ihr übertritt. Mit der systematischen Ketzerbekämpfung durch den römischen Staat auf Betreiben der katholischen Staatskirche ab Ende des 4. Jahrhunderts und im 5. Jahrhundert setzte wieder eine massive Verfolgung ein, welche diese Christen nicht überlebten.
Doch die prophetische Stimme hörte nicht auf zu reden. Nur innerhalb der Kirche war sie bis zum Mittelalter nicht mehr zu hören. Und auch dann, als durch Hildegard von Bingen, Marguerite Porete, Meister Eckhart, Katharina von Siena, Theresa von Àvila Aspekte der göttlichen Wahrheit zu den Menschen kamen, bekämpfte die Kirche diese Stimmen erneut und nahm sie nicht an und ließ viele von ihnen foltern und ermorden. Und auch wenn der eine oder andere dieser Mystiker umgekehrt "heilig" gesprochen wurde und man versuchte, ihn auf diese Weise für die Kirche und ihre Machtzwecke nachträglich zu vereinnahmen, so doch nur als Ablenkung von den widergöttlichen Bestrebungen, die Nachfolger des Jesus von Nazareth auszumerzen und das Wirken des Gottesgeistes auszulöschen.


 


 

(4) Origenes und seine Schüler

"Einfach ist die Wahrheit, vielfältig ist die Lüge"

"Das Gute ist einfach und klar; verwirrend vielfältig aber ist das Schlechte. Einfach ist die Wahrheit; vielfältig ist die Lüge. Einfach ist die Gerechtigkeit; vielfältig sind die Möglichkeiten, sie zu erheucheln ... einfach ist Gottes Wort; vielfältig aber ist das Gott entfremdete Wort" (Vom Gebet, 2. Teil, XXI, 2). Mit diesen Worten sprach der große Denker Origenes bis heute gültige Wahrheiten aus.

Bereits im Verlauf des zweiten Jahrhunderts büßte das frühe Christentum seine innere Strahlkraft ein. Rituale wie die Säuglingstaufe, das rituelle Messopfer oder die von Priestern abgenommene Ohrenbeichte traten an die Stelle innerer Vorgänge wie der Geist-Taufe Erwachsener, wie das gemeinsame Liebesmahl oder die Aussöhnung zwischen Streitenden. "Funktionäre" wie die Kassenführer (Bischöfe genannt, von episkopos, Aufseher) oder die Verwalter (Diakone oder Priester) begannen, die Gemeinden zu beherrschen und waren vor allem an einem möglichst großem Zustrom zahlender "Schafe" interessiert. Der Glaube wurde verwässert, Christus zum Beispiel als eine Art antiker Mysterien-Gott hingestellt und damit kalt gestellt, der dem Menschen ohne eigenes Zutun alle Sünden in einem hierzu konstruierten Sakrament abnehmen könne – vermittelt eben durch die Religionsmächtigen, die Priester.

Origenes, Arius und die "Arianer"

Ein entschiedener Kämpfer gegen diese Aushöhlung des ursprünglichen urchristlichen Glaubens und Lebens war der aus Ägypten stammende Origenes (ca. 184-253). Er studierte die überlieferten Texte der Bibel kritisch und unterschied mit seinem klaren Geist Ursprüngliches von Fälschungen und Hinzufügungen. Für Origenes, genauer Origenes Adamantios, was "der Diamantene" bedeutet, war die sichtbare Welt ebenfalls eine Folge des Abfalls einiger ursprünglich reiner Geistwesen von Gott. Durch die Erlösertat Christi auf Golgatha hatten jedoch alle Menschen und Seelen – ohne Ausnahme – die Möglichkeit erhalten, mit Christi Hilfe und durch ein Leben nach den göttlichen Gesetzen wieder in die reinen Welten zurückzugelangen. Dieser Rückweg kann in wiederholten Einverleibungen erfolgen – Origenes lehrte also die Möglichkeit der Reinkarnation. Er wandte sich nur gegen die Annahme einer "Seelenwanderung" von Menschenseelen etwa in Tierkörper. Auch eine ewige Verdammnis lehnte er als unchristlich und als Irrlehre ab.
Doch in einer Zeit zunehmender Christenverfolgung – auch Origenes selbst fiel ihr zum Opfer – konnte sich die wieder erweckte Lehre eines Geist- und Tatchristentums nur vereinzelt gegen die Übermacht der Verflachungskräfte durchsetzen. Ein gewaltiger Etappensieg für das äußere Macht- und Scheinchristentum war der Pakt, den Kaiser Konstantin, ein brutaler Machtpolitiker, im vierten Jahrhundert mit der römischen Kirche schloss. Und wieder stand ein Verfechter eines inneren Christentums bereit, den geistigen Kampf aufzunehmen: der ebenfalls aus Ägypten stammende Arius (ca. 260-336), der unmittelbar an die Lehren des Origenes anknüpfte. Doch die Lehre des Arius, insbesondere seine Ablehnung der völligen Gleichsetzung von Gott-Vater und Christus in der amtskirchlichen Dreifaltigkeitslehre, wurde auf dem Konzil von Nizäa (325) von Kaiser Konstantin verboten. Als Arius nach weiteren geistigen Kämpfen schließlich dort rehabilitiert wurde, vergiftete man ihn kurzerhand in Konstantinopel (336).

In der Machtkirche hätte man die Anhänger der Lehre des Origenes, die der frühchristlichen Lehre entsprach, eigentlich "Origenisten" nennen können. Doch weil Origenes auch in der Kirche noch immer großes Ansehen genoss, nannten die Theologen der Romkirche die Anhänger seiner Lehre lieber "Arianer". Der Kampf zwischen Katholiken und Arianern ging im weströmischen Reich noch bis zum Ende des vierten Jahrhunderts weiter. Teilweise fanden regelrechte Schlachten zum Beispiel um den Besitz von Kirchen statt; die "Arianer" sanken dabei zum Teil auf das Niveau ihrer Gegner. Dann sorgte "Kirchenvater" Ambrosius (ca. 333-397) für ihre gnadenlose Verfolgung und für die Anwendung römischer Strafgesetze gegen sie: Beschlagnahmung von Gebäuden und Vermögen, Aberkennung bürgerlicher Rechte, Verbannung, Tod. Der Spanier Priscillian, der ebenfalls von Origenes überlieferte christliche Ideen vertrat, unter anderem eine vegetarische Ernährung empfahl und das prophetische Wort schätzte, wurde 385 in Trier enthauptet – der erste von der Rom-Kirche ermordete "Ketzer". Von nun an war klar, was jedem anderen blühen konnte, der nicht den römisch-katholischen Glauben annehmen wollte.
Doch über eine geografische "Hintertüre" bekamen die Gedanken des Origenes neuen, ungeahnten Aufschwung: Der Gote Wulfilas (313-383), dessen Vorfahren aus Kleinasien stammten, lernte in Konstantinopel die Lehre des Origenes kennen und brachte sie den Goten nahe. Es entstand so etwas wie eine gotische Volkskirche, die zwar nicht direkt als "urchristlich" bezeichnet werden kann – die Goten waren wie alle Germanen – im Gegensatz zu Jesus von Nazareth – keine Pazifisten, sondern in ihrer Mehrzahl eher kriegerisch geprägt. Die gotisch-arianische Kirche kannte außerdem Priester und Bischöfe, obwohl Jesus solche nicht eingesetzt hat. Doch diese mussten von ihrer Hände Arbeit leben und waren verheiratet. Es gab keinen Papst, keinen Kirchenzehnt, keine Heiligen- oder Reliquienverehrung, keinen Mutter-Gottes-Kult, keine Ohrenbeichte, keine Kindertaufe, kein rituelles Abendmahl, sondern ein "Brudermahl" nach urchristlichem Vorbild. Es gab zwar Klöster, aber deren Insassen blieben dort nur "auf Zeit", also ohne lebenslange Gelübde.

Ideen und Ideale kann man nicht umbringen

Bemerkenswert ist auch die Toleranz der germanischen so genannten Arianer: In den von ihnen beherrschten Gebieten machten sie keine Missionierungsversuche und beließen in der Regel den Katholiken ihre Kirchen. "Religion kann man nicht anbefehlen", lautete der Grundsatz des in Italien herrschenden Ostgotenkönigs Theoderich (393-451). Intolerant gegenüber Katholiken waren zeitweise lediglich die Wandalen, ebenfalls ein arianischer Germanenstamm, in Nordafrika. Die "Arianer" zeigten selbst in Kriegszeiten Achtung vor ihren Gegnern, worin das Urchristentum des Origenes noch hier und da nachwirkte, wenn auch die klare Linie des urchristlichen Pazifismus dort verloren gegangen ist.

An dieser Stelle ein zeitlicher Sprung ins 6. Jahrhundert: Während der katholisch-byzantinische General Belisar 536 nach der Eroberung der von den Ostgoten verteidigten Stadt Neapel Plünderungen billigte und ein Blutbad anrichten ließ, bei dem selbst katholische Einwohner, welche die Religion der Eroberer teilten, nicht geschont wurden, ließ der Ostgote Totila alle Einwohner nach der Rückeroberung von Neapel 543 am Leben, versorgte sie mit Nahrung und ließ sie gehen, wohin sie wollten, stattete sie teilweise sogar mit Reisegeld aus.
Die meisten der Germanenstämme, die seinerzeit rund um das Mittelmeer siedelten, nahmen den arianischen Glauben an, der noch vielfach vom Urchristentum geprägt war. Erst die Vernichtungskriege Kaiser Justinians im 6. Jahrhundert gegen Wandalen und Ostgoten sowie die Unterwerfungs-Feldzüge der katholischen Franken gegen ihre germanischen Nachbarstämme im 7./8. Jahrhundert sorgten für den Sieg der römisch-katholischen Kirche über diese verhasste "Häresie". Im Jahre 543 ließ Kaiser Justinian die Lehren des Origenes verdammen, nicht zuletzt um die Religion seiner Kriegsgegner, der Ostgoten, in Verruf zu bringen.
Doch die Lehren des Origenes, die unter den Germanen – in freilich etwas abgewandelter Form – wie hier angedeutet über viele Jahrhunderte Bestand hatten, wichen nur vorübergehend der kirchlichen Gewalt. Es ist sicher kein Zufall, dass ehemals von Goten besiedelte Gebiete, nämlich Oberitalien, Südfrankreich, Bulgarien, Bosnien, in späterer Zeit zum Nährboden für die bogumilische und katharische Bewegung wurden – die dann ebenfalls von der Kirche verfolgt und ausgerottet wurden. Doch bereits zur Reformationszeit tauchten in Ungarn und Polen wieder Glaubensgruppen auf, die sich "Arianer" nannten und an den Glauben der längst besiegt Geglaubten wieder anknüpften. Menschen kann man umbringen – Ideen und Ideale nicht.

Während Origenes (geboren um 184 vor Christus) von Alexandria in Ägypten aus wirkte, kam nördlich von Babylon in der nächsten Generation im Jahr 216 ein weiterer Gottesbote zu Welt, dessen Einfluss noch weit über das 6. Jahrhundert hinausreichen sollte.

 


 

(5) Mani und die "Manichäer"

Kämpfer für die Veränderung des Menschen

Eine Zeit lang sah es so aus, als würde die manichäische Bewegung die römisch-katholische Kirche an Bedeutung und Mitgliederzahl in den Schatten stellen. Doch dann wurde der Katholizismus im 4. Jahrhundert zur Staatsreligion im römischen Reich. Die Zeit der Christenverfolgung durch die katholische Machtkirche begann.

Wie kommt das Böse in die Welt? Und wie kann man es überwinden? Diese Grundfragen der Menschheit bewegten gegen Ende des vierten Jahrhunderts auch den nordafrikanischen Rhetoriklehrer Augustinus (354-430). Er fand zu einer "katholischen" angeblichen Lösung dieser Frage: "Und so suchte ich, woher das Böse kommt", schreibt er in seinen Bekenntnissen, "und ich suchte böse und sah das Böse in meinem Suchen". Augustin verurteilt demnach jegliche Beschäftigung mit dem Bösen: Dieses ist zu meiden und zu bekämpfen. Mit den Begriffen der heutigen Psychologie könnte man sagen: Das Böse wird verdrängt. Aus dieser Verdrängung resultiert dann die Projektion des eigenen Bösen auf den "bösen Anderen": den Sündenbock, den "Ketzer", den Juden, die "Hexe". Das vermeintliche Heil findet ein solcher Kirchenchrist in der Befolgung äußerer Regeln und Rituale: Kirchgang, Beichte, Wallfahrten, Ablässe ...
Augustinus, der bis heute als größter Kirchenlehrer der Antike gilt, wurde folgerichtig zu einem der ersten "großen" brutalen "Ketzer"-Verfolger der Kirchengeschichte, der sogar die Folter rechtfertigte, die doch – im Vergleich zur angeblichen "ewigen Verdammnis" der Seele – für den Körper wie eine "Kur" wirke. Mit besonderem Feuereifer ließ Augustinus eine Bewegung verfolgen, der er selbst einmal angehört hatte: die von der Kirche "Manichäer" genannten Christen.
Neun Jahre lang (373-382) war der junge Nordafrikaner Augustinus Mitglied bei den christlichen "Manichäern" gewesen – als auditor ("Hörer"), also einfacher Gläubiger. Es war ihm dabei nicht gelungen, in den Rang eines "electus", eines Auserwählten, aufzusteigen – so nannte man dort diejenigen, die tiefer in die praktische Leben des urchristlichen Glaubens eingedrungen waren, dessen Grundsätze verwirklichten und andere darüber unterrichten durften. Augustinus berichtet selbst über seine Gespräche mit dem Manichäer Faustus (Contra Faustum), die ihm jedoch keine Antwort auf seine Zweifel und bohrenden Fragen gebracht hätten. Seine notorischen "Zweifel" ließen ihn schließlich ganz nach unten driften, indem der spätere Kirchenlehrer, Kirchenvater und Kirchenheilige zum Beispiel stets brennende und trotzdem nie sterbende Menschenleiber der Nichtkatholiken in der Hölle lehrte.

Äußere Religion oder Gemeinschaft im Sinne des Freien Geistes?

Die christliche Lehre der so genannten Manichäer über die Grundfragen des Lebens war auch eine völlig andere als die katholische, wie sie Augustinus später vertrat. Hier wurde die Beschäftigung mit dem Bösen nicht abgelehnt – sie wurde sogar als eine Grundvoraussetzung für dessen Überwindung angesehen. Der Mensch muss das Böse in der Welt und vor allem in sich selbst nüchtern betrachten, um es dann mit Hilfe des inneren Lichtes, mit der Kraft des im Menschen wohnenden Christus Gottes, auch "nous" genannt, zu überwinden. Vor dem Sieg des Lichtes über die Finsternis steht also die Erkenntnis. Für Augustinus hingegen ist diese Erkenntnis zweitrangig: "Credo, quia absurdum", ich glaube, weil es absurd ist, lautet ein paradoxer Ausspruch, der von Tertullian stammt, jedoch auch mit dem Denken von Augustinus in Verbindung gebracht wird.
Wir stehen hier also an einem geistesgeschichtlichen Scheideweg. Sichtbar ist der Grundunterschied zwischen einer äußeren Religion und einer Gemeinschaft, die sich um innere Werte im Sinne des Freien Geistes sammelt: In der äußeren Religion geht es letztlich um Rituale und Dogmen, um die Befolgung von äußeren Regeln, mit denen angeblich der Zugang zum jenseitigen Heil gesichert werden könne. In Bewegungen, die zuallererst eine Veränderung des Menschen in seinem Inneren anstreben, geht es um die Wandlung des inneren Menschen durch Einsicht, Reue, Vergebung, Umkehr und Änderung des Verhaltens.
Wer waren nun diese "Manichäer" genannten christlichen Gemeinschaften, die zur Zeit des Augustinus zu einer kraftvollen Konkurrenz für die römische Machtkirche herangewachsen waren, deren Gemeinden in späterer Zeit von Spanien bis ins ferne China nachgewiesen sind, auf die sogar noch Marco Polo stieß, als er 1275 in die Mongolei kam? Das war rund tausend Jahre nach dem Tod des Gründers der Bewegung, Mani.
Erst im 20. Jahrhundert gelang es aufgrund von sensationellen Schriftenfunden vor allem in Ägypten, ein unabhängiges Bild dieses Mannes und seiner Lehre zu zeichnen. Bis dahin war alles, was man darüber wusste, von der eineinhalb Jahrtausende währenden Verketzerung und Verfolgung alles "Manichäischen" durch die Kirche geprägt.
 
Mani, der am 14. April 216 nördlich von Babylon geborene Sohn persischer Adeliger, hieß zunächst Quirbakhar. Sein Geburtsort liegt an der Schnittstelle der indischen, persischen und babylonischen Kultur. Bereits im Alter von zwölf Jahren wird dem Knaben eine erste Offenbarung zuteil: Ein Engelwesen legt ihm nahe, die Glaubensgemeinschaft der Mandäer, der sein Vater angehört, zu verlassen. Mani berichtet über diese Erscheinung: "Da kam der lebendige Paraklet (der von Christus verheißene Tröster-Geist) zu mir herab und sprach mit mir. Er offenbarte mir das verborgene Mysterium ..., das Mysterium der Tiefe und der Höhe, ... des Lichtes und der Finsternis ... So wurde mir alles ... durch den Parakleten geoffenbart."

Mani wies auf Christus hin

Das Phänomen des Inneren Wortes, durch das der Geist Gottes zu aufbereiteten Menschen spricht, um ihnen Botschaften für die Menschen zu übermitteln, tritt in der Geschichte immer wieder auf. Der junge Perser wurde zunächst zwölf Jahre lang durch diese Innenschau unterwiesen, ehe er durch das Engelwesen, das sich "Al Taun", der Zwilling, nannte, zu öffentlicher Wirksamkeit berufen wurde. Von da an erhielt er auch den Namen "Mani", was auf Indisch so viel wie "Edelstein, Kristall" bedeutet und an das "Manas", das Geist-Selbst, erinnert und auch mit "Mann" und "Mensch" sprachverwandt ist.
Durch Mani entsteht sehr rasch eine umfassende geistige Bewegung, die zeitweise auch den persischen Königshof erreicht und von dort unterstützt wird. Kernpunkt der Lehre ist, im Anklang an die alte persische Lichtreligion des Zarathustra, der Kampf des Lichtes gegen die Finsternis. Man hat dem Manichäismus oft vorgeworfen, er beinhalte einen absoluten "Dualismus" von Gut und Böse. Doch das entspricht nicht der Wahrheit. Mani lehrte vielmehr sinngemäß, dass alles ursprünglich vereint war, bis das Böse sich vom Guten abspaltete und eigene Wege beschritt. In diesen kosmischen Kampf griff am Ende ein "Licht-Sohn" von erhabenster Größe ein, der in das Reich der Finsternis hinabstieg, um mit der Kraft Seiner Liebe das Böse in Gutes umzuschmelzen. Er verleibte sich in einen besonderen Menschen ein und überwand den Tod.
Mani wies hier auf Christus und Sein Golgatha-Opfer hin. Für ihn war Christus der Führer der Seelen zum Licht – und er war nicht der Auffassung, was ihm ebenfalls später vorgeworfen wurde, Christus habe sich gar nicht wirklich einverleibt (was in der Geschichte "Doketismus" genannt wird). Mani lehrte auch, dass der Geist Gottes auch in der Materie, in jedem Stein, jeder Pflanze, jedem Tier gegenwärtig ist.

Gewaltlos auch gegenüber Tieren

Mani selbst war auch ein begnadeter Künstler, der den Menschen als Musiker, Maler und Dichter die Schönheiten des Lebens nahe brachte. Er versah seine Bücher selbst mit Illustrationen. Seine Haupt-Botschaft war die Liebe, mit deren Kraft es möglich sei, das Finstere zu erlösen – vielleicht könne man auch sagen: das Finstere zu "zerlieben". Jeder Christ sollte mindestens für einen Menschen sorgen, der ohne ihn nicht leben könnte, also etwa für einen Behinderten oder Kranken.
Die Bewegung unter der Anleitung von Mani war keine feste Organisation im kirchlichen Sinne – denn nach ihrer Auffassung sollte sich der Mensch weder an äußeren Besitz noch an eine äußere Organisation binden; das schwäche den Geist im Menschen. Die dort versammelten Christen lebten wie ihre Vorgänger vegetarisch und gewaltlos und ihre Leiter blieben ehelos. Sie glaubten an die Wiederverkörperung und vertraten die Auffassung, dass jeder Mensch und jede Seele einst wieder zu Gott finden würde. Sie lehnten die Schriften des Alten Testamentes zum großen Teil ab, weil dort von einem Gott der Rache die Rede ist, und sie hielten sich stattdessen an die Bergpredigt Jesu.


Mani selbst wurde zum ersten Märtyrer seiner Bewegung, als neidische Magier des alten Zarathustra-Kultes gegen ihn intrigierten und er beim persischen Hof in Ungnade fiel. Er wurde grausam gefoltert und am 28. Februar 276 gekreuzigt. Die Bewegung, die er ins Leben rief, breitete sich jedoch rasch weiter aus. Erst als die römische Kirche zur Staatsreligion wurde und auf Betreiben von Augustinus und anderen Kirchenoberen die unbarmherzige Verfolgung aller konkurrierenden Religionen begann, wurden den "Manichäern" zunächst alle Versammlungen verboten. Dann wurden ihnen die gesellschaftlichen Rechte aberkannt, und schließlich wurden sie vertrieben, getötet, ihre Schriften vernichtet.
Flüchtende Manichäer gelangten allerdings von Nordafrika nach Italien und legten dort den Grundstein für den späteren Erfolg verschiedener "Ketzerbewegungen". Andere flüchteten nach Armenien. Sie bildeten dort – gemeinsam mit Anhängern des Markion und anderen "Ketzern" – das Volk der "Paulikianer" (siehe nächstes Kapitel), das wiederum zur Grundlage für die späteren Bewegungen der Bogumilen und Katharer wurde.

Das Licht wird siegen

Die Idee einer Gemeinschaft im Sinne des Freien Geistes, die den Sieg des Lichtes über die Dunkelheit zum Ziel hat, lebte also weiter. Diese universelle, kosmische Idee kann niemand auslöschen. Manichäische Ideen begegnen uns sogar in Goethes Faust – der wohl nicht zufällig so heißt wie der von Augustinus geschmähte Manichäer Faustus. Faust, der durch alle Irrtümer hindurch "strebend sich bemüht", das Gute zu erkennen und zu tun, wird am Ende erlöst – nicht, weil er sich an äußere Rituale gehalten hat, sondern weil er auf seinem Erkenntnisweg aus seinen Fehlern gelernt hat.

Literatur: Rudolf Kutzli, Die Bogumilen, Verlag Urachhaus 1977
 

 




(6) Die Christen in Kleinasien, die "Paulikianer"

Tausende "Begleiter des Volkes" gesteinigt, verbrannt, geköpft


Die Romkirche ließ im Laufe der Spätantike immer wieder jede christliche Gemeinschaft verfolgen und zerschlagen, die Anschluss an das frühe Christentum suchte – seien es die von ihr in abwertender Absicht so genannten "Markioniten", "Montanisten",
"Origenisten" bzw. "Arianer" oder "Manichäer". Sie wurden geächtet, enterbt, ausgestoßen, ermordet, von Land zu Land gehetzt. Immer wieder jedoch entkamen einzelne Gläubige oder ganze Gruppen den Nachstellungen der sie im Auftrag der Macht-Kirche verfolgenden staatlichen Häscher, und sie flüchteten in Nachbarregionen. In Anatolien, der heutigen Türkei, bildete sich aus den Versprengten dort, wo einst vor allem die manchmal "neue Prophetie" genannte Bewegung der "Montanisten" wirkte, wieder ein christliches Volk, vom katholischen Klerus abschätzig "Paulikianer" genannt und unter diesem Namen in der Geschichtsschreibung bekannt, da sie sich unter anderem, ähnlich wie einst Markion, an Schriften des Apostels Paulus orientierten bzw. auch an Paulus von Samostata, dem ehemaligen Bischof von Antiochien (260-268), für den Jesus von Nazareth nicht die zweite "Person" der kirchlich erfundenen Dreieinigkeit-Konstruktion war, sondern Mensch wie alle anderen auch, jedoch in Seinem Tun und Denken ganz mit Gott und dem Göttlichen geeint, weswegen die Romkirche auch ihn schließlich als "Häretiker" exkommunizierte und verfluchte.

 

Von Zarathustra über die "Mazdakisten" zu Christus
 

Nach den Untersuchungen des Historikers Rudolf Kutzli waren auch zahlreiche so genannte "Mazdakisten" in dieser Zeit von Persien zunächst nach Armenien geflohen und schlossen sich teilweise den Christen in Kleinasien an. Die "Mazdakisten" beriefen sich auf Zarathustra (6. Jahrhundert vor Christus), und sie verkündeten eine Religion der universellen Brüderlichkeit: Jeder Mensch habe in gleicher Weise einen Anspruch auf ein menschenwürdiges Dasein. Diese Nachfolger des Zarathustra wurden – nach vorübergehender Duldung – von den persischen Königen scharf bekämpft, denn sie stellten das feudale Ausbeutungssystem des Großgrundbesitzes in Frage. Auch die Priesterkaste wurde von den so genannten Mazdakisten für überflüssig erklärt, wobei sie sich auf Texte des Zarathustra berufen konnten, wie zum Beispiel: "Euch frage ich, die ihr euer Heil Priestern und Fürsten anvertraut! Nun ist die Erde ihre Beute! ... Macht uns die Erde wieder frei! Ein Opfer ist sie jetzt für Rasende. Priester und Fürsten engen das Leben ein, aber mit dem Leben werden wir siegen!"

Keine Priester, Hinwendung zum Inneren Licht und Urdemokratie

Diese Zeilen über den schon damals beklagten Raubbau an der Mutter Erde klingen heute, im Zeitalter des bevorstehenden Klimakollaps, sehr aktuell. Zarathustra lebte fünf Jahrhunderte vor Christus, doch in vieler Hinsicht nahm er Aspekte der Botschaft von Jesus von Nazareth vorweg – auch wenn, wie bei fast allen großen Religionsgründern, seine Lehre später verfälscht und ebenfalls zu einer ritualisierten äußeren Religion gemacht wurde. Den Mazdakisten ging es in erster Linie um die innere Befreiung des Menschen, um seine Hinwendung zum Inneren Licht: "Wann wird es aufgehen, das Morgenrot jener Tage, wo die Menschheit sich wendet zum Inneren Licht, zum Lichte der Wahrheit? Doch sei, wann es wolle ... Ich will mich mühen, als sei es schon Zeit." (Zarathustra)

Das urdemokratische Element der Mazdakisten zeigte sich später auch in der inneren Haltung der Paulikianer. Ihre geistigen Führer lehnten jede Machtausübung ab. Sie bezeichneten sich, wie ihre Vorläufer in den frühchristlichen Urgemeinden, als "Begleiter des Volkes", und sie wurden auch vom Volk gewählt. Sie unterschieden sich in Kleidung und Lebensweise nicht von anderen Gemeindemitgliedern. Jeder Christ war dazu aufgerufen, selbst das Neue Testament zu lesen und auszulegen und das wahre Christentum in sich zu ergründen, Gott in uns. Die einzelnen Glaubensinhalte der paulikianischen Christen sind nur indirekt zu erfahren, weil fast nur Berichte ihrer kirchlichen Gegner erhalten geblieben sind. Dies gilt übrigens für die meisten der von der Kirche verfolgten Gruppen. So sollen sie geglaubt haben, dass Christus nur scheinbar Mensch gewesen wäre und dass auch das Böse von Ewigkeit her Bestand gehabt hätte, doch ist dies wahrscheinlich eine bewusste Verzerrung und Verleumdung ihrer Botschaft, da Christus, der Sohn Gottes und Mitregent des Reiches Gottes, ja in dem irdischen Menschen Jesus von Nazareth inkarniert war, aber das Geistwesen Christus und der Mensch Jesus nicht identisch zu setzen sind. Und natürlich entstand das Böse aus dem Fallgeschehen heraus innerhalb der guten Schöpfung des urewigen Gottes, wurde also nicht später "erschaffen" und kann auch wieder in den göttlichen Ur-Strom umgewandelt werden.

 

Die Versuchung einer Verteidigung mit Gewalt
 

Wir sehen an diesem Beispiel, dass es schwierig war, den Glauben und das geistige Wissen des ursprünglichen Christentums rein und unverfälscht durch die Wirren der zahlreichen Verfolgungen urchristlicher Glaubensbewegungen in der Antike und im Mittelalter hindurch zu retten, da die Kirchen-Macht gegenüber den ihr nicht Hörigen immer auf Zensur und Rufmord und letztlich immer wieder Ausmerzung aus war. Allerdings schlich sich auch in diese urchristliche Gemeinschaft so manche Abweichung oder Verwirrung ein. Das gilt zum Beispiel für die Frage der Gewaltanwendung. Die Paulikianer waren keine Pazifisten wie Jesus von Nazareth, sondern versuchten sich auch militärisch gegen die zahlreichen Angriffe und Ausrottungsversuche vor allem des byzantinischen Staates zu verteidigen, dessen Kaiser durch die Priesterkaste zur Verfolgung der "Häretiker" aufgestachelt wurden. Immer wieder wurden Tausende von Paulikianer gesteinigt, verbrannt, geköpft. Doch ist angesichts dieser exzessiven und grausamen Verfolgung auch besser verstehbar, wenn Christen die ihnen von Christus gebotene Gewaltlosigkeit nicht durchhielten, auch wenn sie damit – gemessen an der Botschaft des Jesus von Nazareth – dadurch einer Versuchung erlegen sind, für die sie letztlich auch die schwerwiegenden Folgen tragen mussten.

Keine Bildnisse von Gott, Aufhebung des Leibeigenschaft

Im 8. Jahrhundert erhielten die Verfolgten allerdings eine Atempause. Die Paulikianer unterstützten Kaiser Leon III. (680-741) in der Frage des Bilderstreits, der das oströmische Byzanz über Jahrzehnte in Atem halten sollte. Wie der Kaiser waren sie der Auffassung, dass der Mensch sich keine Bildnisse von Gott machen oder diese gar anbeten sollte. Heiligenverehrung und den Marienkult lehnten sie ohnehin ab. Auch übernahm Kaiser Leon III. urchristliche Prinzipien in die Politik. Er löste teilweise den Großgrundbesitz auf, hob die Leibeigenschaft der Bauern auf, verteilte an sie Land und schuf Genossenschaften. Die Armen erhielten kostenlose Rechtsprechung, die Stellung der Frau wurde erheblich verbessert.

Welcher Geist sprach nun aus den neuen Gesetzen? In ihnen steht zum Beispiel zu lesen: "Gott hat den Menschen geschaffen und mit Freiheit geschmückt ... Die Gerechtigkeit, die Botin vom Himmel, ist das höchste irdische Gut, ... die höchste Sorge des Kaisers"? Der Historiker Rudolf Kutzli ist der Ansicht, dass diese Gesetze unverkennbar von paulikianisch-christlicher Ethik geprägt waren.

Bereits Ende des 8. Jahrhunderts jedoch begannen wieder grausame Verfolgungen der Paulikianer. Sie hatten zu dieser Zeit aber bereits auf dem Balkan Fuß gefasst. Andere Christen flüchteten an den Euphrat – wo sie der muslimische Emir wesentlich toleranter behandelte als der "katholische" Kaiser – oder über Nordafrika bis nach Frankreich. Ihr Wirken war wiederum der Same für weitere Gemeinschaften, welche zur Lehre von Christus zurückkehren wollten.


Von der kirchenheiligen Kaiserin befohlenes Massaker und qualvolle Foltertode


Einen Höhepunkt erreichte ihre blutige Verfolgung im Jahr 843, nachdem Kaiserin Theodora II. (815-867) gleich nach ihrem Amtsantritt in Konstantinopel die Verehrung der Bilder wieder einführte und die Bekehrung der Christen zum katholisch-orthodoxen Kirchenglauben befohlen hatte. 100.000 Paulikianer, die sich nicht unter die Zucht des Baal und unter sein Machtkonglomerat zwingen ließen und die ihren Glauben nicht widerriefen, wurden den Chroniken zufolge grausam hingerichtet. So wird auch berichtet, dass der Vater von Karbeas, eines Anführers der Paulikianer, gepfählt wurde.
Dabei wird dem Verurteilten entweder ein Pfahl durch die Brust gebohrt. Oder er wird auf einen abgerundeten und eingefetteten Pfahl gesetzt. Durch das Gewicht des menschlichen Körpers dringt dieser Pfahl dann langsam durch Anus oder Vagina ein, was zu einem qualvollen und langsamen Tode führt. Da der Pfahl abgerundet war, verletzte er keine lebensnotwendigen Organe, sondern schob sich langsam durch den ganzen Körper und verlängerte somit die extreme Qual. Kaiserin Theodora II., welche den Befehl zur grausamen Massenhinrichtung aller Andersdenkenden gab, wird bis heute in der orthodoxen Kirche als "Kirchenheilige" verehrt.
Die geflüchteten "Paulikianer" sammelten sich erneut und verbündeten sich unter anderem mit den arabischen Muslimen. Ca. 30 Jahre später wurden sie jedoch in weiteren Schlachten vernichtet. Nur einige Überlebende konnten auf den Balkan umsiedeln. Und dort wurde bald darauf ein weiterer Versuch unternommen, das Urchristentum wieder in die Tat umzusetzen.

 

 


 

(7) Die "Bogumilen", die Gottesfreunde auf dem Balkan

Das innere Licht zum Leuchten bringen

Sie verzichteten auf alle äußeren Rituale und Zeremonien, weil sie Gott in ihrem Inneren fanden. Die Bewegung der Bogumilen konnte sich fast ein halbes Jahrtausend auf dem Balkan halten. Als auch sie auf Betreiben der Priesterkaste vernichtet wurde, hatte sie längst Samen ausgestreut ...

Mönche der Kirche lebten in Saus und Braus

"Wenn aber ein armer Wandersmann von weit her kommt und die Türme des Fürstenhofes erblickt, so verwundert er sich ... und stellt Fragen ... Wenn er aber den Fürstenhof betritt und sieht die hohen Paläste und Kirchen, außen mit Stein, Holz und Farbe, innen mit Marmor und Kupfer reich verziert, so weiß er nicht, womit er das alles vergleichen soll, denn in seinem Lande hat er nie etwas anderes als strohgedeckte Hütten gesehen, und der Arme beginnt den Verstand zu verlieren."
So beschreibt ein Zeitzeuge die Kluft, die im 10. Jahrhundert zwischen der einfachen Landbevölkerung Bulgariens und dem Zarenhof in der Hauptstadt Preslav bestand (zit. nach Katja Papasov, Christen oder Ketzer – die Bogomilen, Ogham-Verlag, Stuttgart 1983, S. 122). Nicht nur die Fürsten und Bojaren, auch die hohen Kleriker stützten sich nach byzantinischem Vorbild auf zahlreiche Privilegien und umfangreichen Grundbesitz. Dies betraf auch viele der orthodoxen Klöster:
"Die Mönche lebten in Saus und Braus, kleideten sich in prächtige Gewänder, waren von zahlreichen Dienerschaften umgeben, aßen teure Speisen, ritten schöne Pferde und plünderten ihre Untergebenen grausam aus. Die Bauern mussten alle Staatssteuern in Sachwerten abliefern, die Bodensteuer, die Herdsteuer, die Viehsteuer, die Bienensteuer und andere. Zusätzlich legte noch die Kirche den Bauern beträchtliche Abgaben auf."
(Papasov, S. 124)


Anmerkung
: Die unterschiedliche Schreibweise "Bogumilen" oder "Bogomilen" ergibt sich aus unterschiedlichen Möglichkeiten der Transkription aus der kyrillischen in die lateinische Schrift: buchstabengetreu [o] oder aussprachegetreu [u].)

Umwälzung lag in der Luft

So ist es kein Wunder, wenn sich angesichts dieser Zustände unter der geplagten Landbevölkerung "verschiedene ketzerische Lehren" breit machten. Der katholisch-orthodoxe Priester Kosma berichtet davon, natürlich in abfälliger Weise: "Es geschah, dass zur Herrschaftszeit des rechtgläubigen Zaren Peter ein Pope namens Bogumil (deutsch: Gottesfreund) in den bulgarischen Landen auftauchte, der besser Bogunemil (der nicht von Gott Geliebte) genannt werden sollte. Er war der erste, der ketzerische Lehren in bulgarischen Gebieten predigte."

Der "ketzerische" Gemeindevorsteher (= Synekdemos) Bogumil lebte vermutlich von 913 bis 963 und begann sein öffentliches Wirken um 935. Er war eine Persönlichkeit, die auch durch seinen Charakter und seine Ausstrahlung viele Menschen überzeugte. Manche beziehen den Namen "Bogumilen" auf ihn. Doch zutreffender ist, den Namen auf alle ehrlichen Mitstreiter zu beziehen, eben auf die Bogumilen = Gottesfreunde, die das Reich Gottes, in sich erschließen wollten, um es dann auch im Äußeren entstehen lassen zu können. So bildete sich eine große Bewegung, die ein halbes Jahrtausend Bestand hatte. Auch die unerträglichen sozialen Verhältnisse Bulgariens trugen zu ihrem Anwachsen bei, waren aber nicht ihre letzte Ursache, sondern eher Auslöser und Verstärker einer Umwälzung, die "in der Luft" lag.

Die Bulgaren sind ursprünglich ein turksprachiges Reitervolk, das, aus Zentralasien kommend, im 7. Jahrhundert in den Balkanraum vordrang. Dort vermischten sie sich allmählich mit den ansässigen Slawen und übernahmen deren Sprache. In Asien hatten sie engen Kontakt zum Volk der Uiguren gehabt. Bei diesen war die Lehre des christlichen Manichäismus lange Zeit verbreitet, zeitweise sogar als "Staatsreligion". Auf dem Balkan wiederum trafen die Bulgaren unter anderem auf die christlichen "Paulikianer", die man zu dieser Zeit als geistige Erben der manichäischen Bewegung bezeichnen könnte. Der Boden war also vorbereitet für eine Erneuerung des Urchristentums.
Die Gottesfreunde verbreiteten sich sehr rasch in Bulgarien und in den angrenzenden Ländern Mazedonien, Serbien und Bosnien. Der Kern ihrer Lehre war, dass der Mensch ohne Vermittlung einer äußeren Instanz oder Institution in ein unmittelbares Verhältnis zu Gott treten kann. Deshalb bauten sie, jedenfalls in der Anfangszeit, keine äußeren Kirchen, sondern trafen sich in schlichten Versammlungsräumen. "Das Herz des Menschen ist die wahre Kirche Christi", sagte ein Gottesfreund, als er vor einem Inquisitionsgericht verhört wurde. (
Rudolf Kutzli, Die Bogumilen, Verlag Urachhaus Stuttgart 1977, S. 159)

Erfahrung statt Tradition

Die Bogumilen pflegten auch keine Rituale oder liturgischen Zeremonien. Sie wollten das christliche Leben nicht auf Tradition, sondern auf spirituelle Erfahrung gründen. Sie trafen sich zu einer feierlichen Tischgemeinschaft nach dem Vorbild des urchristlichen "Liebesmahls". Sie kannten keine Priesterhierarchie, sondern lediglich eine Unterteilung ihrer Anhänger in "Vollkommene", "Glaubende" und "Zuhörer". Letztere würde man heute als "Sympathisanten" bezeichnen; die "Glaubenden" waren Vollmitglieder der bogumilischen Gemeinden. Die "Vollkommenen" zeichneten sich durch eine enthaltsame Lebensweise aus, vor allem aber durch eine natürliche Autorität, die allein auf ihrer inneren Entwicklung beruhte, auf dem "Maße des inneren Lichtes", das der Mensch "zum Leuchten gebracht hatte" (Kutzli, a.a.O.). Zu einem "Vollkommenen" wurde man durch die "Geisttaufe" – das einzige so genannte "Sakrament", das die Bogumilen kannten.

Die bulgarischen "Gottesfreunde", zumindest die "Vollkommenen" und die "Glaubenden" unter ihnen, lebten vegetarisch und waren gewaltlos. Sie wollten nicht das Göttliche, das in allem lebt, töten. Sie sahen es als ihre Aufgabe an, nicht nur sich selbst mit der Hilfe des inneren Christus zum Licht hin zu entwickeln, sondern auch das Böse in der Welt durch ihr Vorbild und ihre Liebe allmählich mit zu erlösen. So wollten sie das kommende "Reich des heiligen Geistes" vorbereiten. Sie glaubten an die Möglichkeit einer Wiederverkörperung der Seele, nicht aber an eine ewige Verdammnis, wie es in der Romkirche mittlerweile dogmatisiert war. Sie lehnten die Verehrung des Kreuzes mit Korpus ab, hinterließen aber eine Fülle von Licht- oder Lebenskreuzen ohne Korpus.


Das Böse war nach Auffassung der Bogumilen durch den Sturz "Satanaels" aus dem Himmel entstanden. Aus diesem "Engelsturz" entstand auch die Materie und der Planet Erde. Weil aber Satanael den Menschen nicht das Leben einhauchen konnte, verlieh Gott jedem Menschen einen "Geist-Funken" aus Seinem Licht. Daraus ergibt sich die innere Zwiespältigkeit des Menschen: Äußerlich gehört er der Materie, innerlich Gott an.

Ablehnung der teuflischen Inspirationen in der Bibel

Die Anschuldigung kirchenkonformer Theologen, die Bogumilen seien Anhänger eines "radikalen" so genannten "gnostischen" Dualismus, wonach seit Urzeiten die Prinzipien Gut und Böse angeblich gleichberechtigt nebeneinander bestehen würden, zählt also zu der üblichen klerikalen Rufmord- und Verleumdungsstrategie gegen Andersdenkende. Was in der Geschichtsschreibung bei ihnen als "Dualismus" bezeichnet wird, ist das Wissen um einen geistigen Kampf zwischen Gut und Böse, wonach Gott, die Macht des Guten, der Ursprung allen Seins und stärker als das Böse ist, das dereinst besiegt sein wird.
Wenn den Bogumilen bis heute auch unterstellt wird, sie hätten nur an eine Schein-Existenz des Jesus von Nazareth auf der Erde und an eine Schein-Kreuzigung geglaubt ("Doketismus" genannt), so beruht dies wie ebenfalls auf den üblichen Verleumdungen bzw. einem gezielten Missverstehen-Wollen der Nachfolger Jesu durch die Amtskirchen, um sie mit allen Mitteln niederzumachen bis letztlich zu Folter und Hinrichtung. In Wirklichkeit glaubten sie, dass der innere Kern der Persönlichkeit des Jesus von Nazareth, sein Wesen, nämlich der Christus Gottes, der in den Menschen Jesus inkarniert war, nicht von dieser Welt ist und deshalb auch nicht getötet werden konnte.
Weil sie im Alten Testament der Bibel sehr viele Aussagen fanden, die sie mit einem liebenden Gott nicht in Einklang bringen konnten, lehnten die Bogumilen dieses Buch weitgehend ab, erkannten nur die Psalmen und die Bücher von sechs Propheten als von Gott gegeben an, nicht aber beispielsweise die Bücher, die fälschlicherweise Mose zugeschrieben wurden. Der Tatbestand, dass diese Bücher, wie so vieles andere, auch noch viele Teilwahrheiten enthielten, aber von der damaligen Priesterkaste und ihren Schriftgelehrten verfälscht worden waren, war ihnen offenbar nicht mehr geläufig – hatte doch die Kirche die tiefschürfende Textkritik zum Beispiel eines Origenes schon viele Jahrhunderte zuvor verketzert und weitgehend ausradiert. So zogen die Bogumilen aus ihrer Sichtweise, das dort Inspirationen des Teufels zu lesen sind (vgl. Der Theologe Nr. 8), laut den Worten von Jesus von Nazareth dem "Vater der Lüge, der ein Mörder war von Anfang an" (Johannes 8, 44), den Schluss, einzelne Bücher entweder ganz anzuerkennen oder nicht.

Schlicht und klar statt katholisch oder orthodox

Die Lehre und Lebensführung der Bogumilen war in ihrer Schlichtheit und Klarheit nicht nur eine Gefahr für den Machtanspruch der etablierten Kirche und deren Vereinnahmung von Christus, für die römisch-katholische ebenso wie für die – seit 1054 von ihr getrennte – orthodoxe. Diese Bewegung bedrohte auch die feudale staatliche Ordnung, die auf Ausbeutung und Unterdrückung angelegt war: Sie entzog einer religiösen Anschauung, die Sklaverei und Leibeigenschaft, Reichtum und Ausbeutung rechtfertigte, den Boden. Und so kam es, wie es dem Wesen der inquisitorischen Kirchenmacht nach sich abzeichnete: Während die Bogumilen jeglichen Glaubenszwang ablehnten und die Freiheit des menschlichen Willens betonten, brachten ihnen die kirchlichen und staatlichen Institutionen das Gegenteil davon entgegen: Die bogumilische Bewegung wurde im byzantinischen Reich, in Bulgarien, in Serbien immer wieder verketzert und grausam bekämpft. So ließ der byzantinische Kaiser Alexios I. Komnenos (1018-1116) den bogumilischen Gemeindevorsteher Basileios an den byzantinischen Hof nach Konstantinopel (heute Istanbul) rufen, angeblich, um sein Anhänger zu werden. In Wirklichkeit ließ er das Gespräch von hinter einem Vorhang versteckten Lauschern mitschreiben und die angereiste Delegation der Bogumilen anschließend von einem Inquisitionsgericht verurteilen und bei lebendigem Leib verbrennen.

Fotos – Oben: Radimlje Bosniens größtes Bogumilen-Steinfeld; Rechts: Ein Bogumilenstein, fotografiert in Kroatien Sonne, Mond und einfache Kreuze sind auf den Steinen zu sehen: Der Mensch als Gefäß soll die Kraft der inneren Sonne, die Christuskraft, in sich zum Leuchten bringen. Die Steine wurden womöglich zu einer Zeit gesetzt, als die Bogumilen bereits ihrer Vernichtung durch die Institution Kirche entgegen sahen.

Ausgestochene Augen und andere grausame Verfolgungen

Bereits vor Alexios hatte sein Vorgänger Basileios II. (976-1025) dreißig Jahre lang Krieg gegen den westbulgarischen Zaren Samuel geführt, der mit den Bogumilen sympathisierte und ihnen Glaubensfreiheit gewährte. Nach der blutigen Schlacht von Kljutsch (1014) nahm das katholisch-byzantinische Heer des Basileios 14.000 bulgarische Soldaten gefangen. Auf Befehl dieses Kaisers wurden allen Gefangenen die Augen ausgestochen – nur jedem Hundertsten wurde ein Auge belassen, damit er die übrigen "heimführen" könne, so die zynische Begründung. Diese grausame Verstümmelung sollte offenbar eine Verhöhnung der bogumilischen Lehre des "inneren Lichtes" sein. Als Zar Samuel seine Soldaten so herankommen sah, starb er gebrochenen Herzens. Und Kaiser Basileios II. erhielt den Beinamen "Bulgaroktos", Bulgarenschlächter, worauf er auch noch stolz war. Bis heute erinnert ein kleines Kloster am Vodoca-See (von "vadi oci", Augen ausreißen) in der Nähe des Schlachtfeldes im heutigen Mazedonien an dieses grausame Kriegsverbrechen des kirchengläubigen Herrschers.
Auch die spätere katholische Kirche, die seit 1054 aufgespalten ist in katholisch und orthodox, bekämpfte die angebliche "Irrlehre" mit allen ihren Kräften. Das Heer des vierten Kreuzzugs, das später statt des "heiligen Landes" das orthodoxe Byzanz erobern sollte, zog im Jahre 1202 von den Venezianern (die das Unternehmen finanziert hatten) zunächst gegen die dalmatinische Stadt Zadar im heutigen Kroatien – mit der Begründung, dort lebten "bogumilische Ketzer". Mehrfach ließ der Papst "Ketzerkreuzzüge" gegen die Bogumilen ausrufen.

Nachfahren wurden lieber Moslems als Katholiken

Trotz aller Verfolgungen verbreitete sich die Lehre der "Gottesfreunde" weiter. Zeitweise fand sie für einige Jahrzehnte staatlichen Schutz – so zu Beginn des 11. Jahrhunderts im westbulgarischen Reich (dem heutigen Mazedonien) um den Ohrid-See oder im 13. und 14. Jahrhundert in Bosnien. Dort bildeten die Gemeinschaften der Gottesfreunde auf dem Balkan zeitweise sogar eine Art Staatsreligion. Doch auch deren Tage waren gezählt. Als die Türken nach der Schlacht gegen die Serben auf dem Amselfeld (1389) auf dem Balkan weiter vordrangen, verweigerten die katholischen Nachbarn den bosnischen "Ketzern" jegliche Hilfe – es sei denn, sie wären zum Katholizismus übergetreten. Dazu waren die Bosnier jedoch nicht bereit. Die Türken rotteten die bosnische Oberschicht weitgehend aus; die einfachen Bauern begaben sich notgedrungen unter türkische Oberhoheit und nahmen in der Folgezeit fast alle den muslimischen Glauben an. Ihre Nachfahren sind die heutigen bosnischen Muslime.

Kirche kann Geist des Urchristentums nicht ausrotten

Doch die Kirche ahnte selbst, dass der bei den Bogumilen wieder auferstandene Geist des Urchristentums nicht ausgelöscht werden kann. Papst Pius II. (1458-1464) musste feststellen, dass die Kirche kaum jemals einer Bewegung so heftig und mit solch scharfen Mitteln entgegengetreten sei. Dennoch sind alle inquisitorischen Anstrengungen der Kirche gegen diese von ihr verleumdeten angeblich "schlechten Menschen", die sich nur "gute Christen" nennen würden, letztlich erfolglos geblieben.
Denn bereits lange vor dem Ende der Bogumilen auf dem Balkan hatte die Lehre sich über ganz Europa verbreitet. Flüchtende Bogumilen setzten von Albanien nach Italien über. Andere fanden in der Ukraine und in Russland eine neue Heimat. Das berühmte orthodoxe Kloster auf dem Berg Athos in Griechenland war lange Zeit – bis ins 14. Jahrhundert hinein – ein Bollwerk des Bogumilentums. Große Gestalten der abendländischen Geistesgeschichte wie der römische "Ketzer-Revolutionär" Arnold von Brescia, der kalabresische Abt Joachim von Fiore, der Dichter Dante Alighieri könnten von Nachklängen dieser Bewegung beeinflusst worden sein. Sogar der von der katholischen Kirche vereinnahmte "Heilige" Franziskus von Assisi zeigte in seiner Naturverbundenheit und Schlichtheit eher bogumilisch-urchristliche Züge – schließlich wurde "sein" Orden der Franziskaner gegen seinen Willen gegründet, und seine treuesten Schüler (Spiritualen oder Apostelbrüder genannt) wurden zu Hunderten ebenfalls auf den Scheiterhaufen der Inquisition der römischen Papstkirche verbrannt.
Vor allem aber steht fest, dass es intensive Kontakte zwischen den Bogumilen des Balkans und den Katharern Südfrankreichs und Italiens sowie den "Gottesfreunden" des Rheinlands gab. In Deutschland wurde die Erinnerung an sie jedoch durch die katholisch ausgerichtete und zensierte Geschichtsschreibung weitgehend ausgemerzt. Sie ist teilweise noch enthalten in den Überlieferungen über die Brüder und Schwestern des Freien Geistes, über die in den nächsten Kapiteln weiter berichtet wird. 

Lesen Sie dazu Der Theologe Nr. 77Auf den Spuren der Bogumilen, der Urchristen auf dem Balkan

 



(8) Die Katharer

Das Gute durch das eigene Leben bezeugen

Zwei Frauen, die allein unterwegs waren – das erregte Verdacht. Sie wurden aufgegriffen, verhört und – "überführt". Als man sie nämlich aufforderte, ein rasch herbeigebrachtes Huhn zu töten, weigerten sie sich. Ehe die Katharerinnen Séréna und Agnès de Châteauverdun auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden, verlangten sie als letzte Bitte nach frischem Wasser, um sich die Gesichter waschen zu können, die sie zur Tarnung geschminkt hatten. Sie wollten nicht so "bemalt" vor ihren Herrn treten.

Mit "größter Freude" verbrannt

Dies geschah in Toulouse, wahrscheinlich im Jahr 1247, also zu einer Zeit, als der "Ketzerkreuzzug" (1209-1229) des Papstes gegen die Katharer längst beendet, als auch die berühmte Katharerfestung Montségur schon gefallen war (1244). Das einst so freie und tolerante Okzitanien war unterworfen und Frankreich einverleibt. Inquisitoren durchkämmten nun systematisch Dorf um Dorf, Straße um Straße, Haus um Haus, um die letzten versprengten Christen aufzuspüren und auch diese zu ermorden.
Sie werden von den Häschern des Papstes "mit größter Freude" niedergemetzelt – wie die 400 Katharer, die Anfang Mai 1211 in dem Pyrenäendorf Lavaur bei lebendigem Leib verbrannt werden, nachdem sie das katholische Ave Maria nicht hersagen konnten. Die schwangere Donna Geralda, Katharerin und Schlossherrin in dem "Ketzernest", wird in einen Brunnen gestoßen und mit Steinen beworfen, bis man ihr Wimmern nicht mehr hört. Ihr Bruder Améric von Montreal wird mit 80 Rittern, Edelleuten und Troubadouren zum Richtplatz geführt. Améric wird als erster gehängt – doch der für 80 Verurteilte errichtete Riesengalgen bricht schon unter dieser ersten "Last" zusammen. Die Zimmerleute hatten es falsch berechnet. Simon von Montfort, der Oberbefehlshaber des vom Papst angeordneten Ketzerkreuzzugs, wollte aber "keine Zeit verlieren". Er lässt die Ritter deshalb abstechen.

Während die Ketzer brennen, erheben die Herren der Kirche ihr KruzifixWer sind diese Menschen, gegen die solche Grausamkeiten verübt werden? Wer sind sie, die niemanden, der noch über ein einigermaßen unverdorbenes Gewissen verfügte, gleichgültig ließen? Der "heilige" Bernhard von Clairvaux (1091-1153) rief gegen sie zum Völkermord auf:
"So also, meine Teuren, verfolgt sie, ergreift sie und zögert nicht, sie alle umkommen zu lassen!"
Doch selbst dieser grausame Scharfrichter musste zugeben, "dass es nichts Christlicheres gebe als diese Häretiker; was ihre Unterhaltung angehe, so könne nichts Tadelnswertes gefunden werden, und mit ihren Worten stimmten auch ihre Taten überein. Was die Sittlichkeit der Ketzer anbelange, so betrügen und bedrückten sie keinen, ihre Wangen seien bleich vom Fasten, und mit ihren Händen arbeiteten sie für ihren Lebensunterhalt." (Walter Nigg, Das Buch der Ketzer, Zürich 1986, S. 226)
Tatsächlich wurden viele Katholiken für Urchristen gehalten, wenn sie zu blass aussahen, und Johann Teisseire aus Toulouse musste, um einer Verurteilung als Häretiker zu entgehen, den Eid leisten: "Ich bin kein Ketzer, denn ich habe eine Frau und schlafe bei ihr, ich habe Kinder und esse Fleisch, ich lüge, schwöre und bin ein gläubiger Christ, so wahr mir Gott helfe!"


Machtdemonstration der katholischen Kirche gegen die Katharer in Südfrankreich.
Die Vorläufer der heutigen "Sektenbeauftragten" genießen ihren Triumph. Während die Jesusnachfolger auf den Scheiterhaufen grausam ermordet werden, erheben die Vertreter der Papstkirche ihr Kreuz mit dem ermordeten Jesus von Nazareth, der auf Betreiben ihrer Vorgänger, der damaligen Priesterkaste, gekreuzigt wurde.

Die Katharer erhielten vor allem in Südfrankreich großen Zulauf, wo ein freies, tolerantes Klima eine kulturelle Blüte ermöglichte. Die Troubadoure (die "Finder") konnten sich auf literarischem Gebiet ebenso entfalten wie die katharischen Wanderprediger auf religiösem Terrain. Die einfache Lebensweise und der sittliche Ernst der Katharer überzeugte das Volk mehr als die Prasserei und Verderbtheit eines großen Teils des römischen Klerus. Auch wenn die herrschenden Ritter, Grafen und Fürsten selbst keine Katharer wurden (als solche hätten sie die Waffen niederlegen müssen), so schlossen sich häufig ihre Frauen oder Töchter dieser Bewegung an. Viele Ritter waren empört über die Einmischung des Papstes in die freie Lebensart des Südens und versuchten, ihre politische und religiöse Freiheit gegen den absolutistischen und bis heute nur etwas verbrämten Machtanspruch der Romkirche zu verteidigen, die sich mit den Eroberungsgelüsten der französischen Herrscher Philipp II. August (1179-1223), Ludwig VIII. (1223-1226) und Ludwig IX. (1226-1270, später "kirchenheilig" gesprochen) in Paris liiert hatte. Der Kreuzzug gegen die Katharer war also ein religiöser und ein politischer Feldzug – der Süden Frankreichs verlor im Äußeren am Ende beide.

Doch ehe die Kirche zu diesem in ihren Reihen beliebten "letzten" Mittel der Vernichtung griff, konnte sich das urchristliche Leben der "Freunde Gottes", wie sie sich selbst nannten, unter dem Schutz seiner toleranten Herrscher im Süden Frankreichs entfalten. Bei den "Albigensern", wie sie nach einem ihrer Hauptorte, der Stadt Albi, auch bezeichnet wurden, sind drei Gruppierungen bekannt: In der Hauptverantwortung standen die parfaits, die "Vollkommenen" – vermutlich nur wenige hundert Männer und Frauen, die sich ganz in den Dienst der Verbreitung dieser Lehre stellten und auch ehelos lebten, um sich ganz ihrer Aufgabe widmen zu können. Sie trugen teilweise weiße Gewänder als Sinnbild des Strebens nach absoluter Reinheit in Gedanken, Worten und Taten. Die Gemeinde im engeren Sinne bildeten die croyants, die "Gläubigen". Sie trugen meist dunkle Gewänder – auch das ein Symbol, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass ihre Seele zwar im Körper einverleibt war, aber diese Welt nicht als ihre Heimat betrachtete. Die Gläubigen lebten zum Teil in der Ehe und hatten Kinder; auch in dem Bewusstsein, weiteren Seelen die Möglichkeit zur Inkarnation zu geben. Denn die Katharer glaubten, wie die ersten Christen, an die Reinkarnation, was auch Teil der Lehre von Jesus von Nazareth war und bis heute ist. Die dritte Gruppe bildeten – wie bei den Bogumilen – die auditores, die "Hörer", die man heute als "Sympathisanten" bezeichnen würde.

Die Gottesfreunde in Südfrankreich führten ein einfaches Leben, ernährten sich von ihrer Hände Arbeit, oft als Zimmerleute oder Weber. Viele der Frauen der Katharer kannten sich mit Heilkräutern und Nutzpflanzen aus. Sie bauten keine Kirchen, sondern trafen sich in der freien Natur oder in geschützten Höhlen, um gemeinsam zu beten oder über das Evangelium zu sprechen. Liturgische Rituale waren für sie ein "leeres, nichtiges Schauspiel". Anstelle des liturgischen "Opfermahls" der katholischen Kirche hielten sie ein feierliches gemeinsames Mahl, ähnlich dem "Liebesmahl" der Urkirche. Sie lehnten Kreuze mit Corpus ebenso ab wie die Fleischnahrung, wie die Kindertaufe und wie jegliche Art von Gewalt oder Krieg. Ein häufiges Symbol war ihnen die Taube – Symbol des Friedens und auch des heiligen Geistes. Gegenüber anderen Glaubensrichtungen war Toleranz für sie selbstverständlich.

Die Welt entstand durch den Fall

Das Hauptanliegen der Katharer und der Grund für ihre ernste Grundhaltung war der Kampf gegen das Böse, das nach ihrer Überzeugung hinter der Welt mit ihren Kriegen und Schlechtigkeiten aller Art stand und das alle äußere Materie durchdrang. Das Böse musste zunächst jedoch im Herzen jedes einzelnen selbst erkannt und bekämpft werden durch den Weg der inneren Reinigung. Nach dem Glauben der Katharer konnte Gott die Welt unmöglich so geschaffen haben, wie sie ist – sie ist vielmehr eine Folge des Abfalls von Gott vor langer Zeit. Wie dies genau vor sich gegangen war, darüber entstanden allerdings im Laufe der Zeit unterschiedliche Ansichten. Wie im Umfeld der Bogumilen und so genannten "Paulikianer" soll es hier unterschiedliche Vorstellungen gegeben haben, vor allem, dass das Böse nur eine "Abspaltung" vom guten Gott ist. Laut Beschuldigungen ihrer kirchlichen Gegner und deren Inquisition sollen aber viele auch daran geglaubt haben, dass das "Böse" angeblich schon immer bestanden habe, und sie wurden auch beschuldigt, angeblich sehr aggressiv aufzutreten. Doch die nachweisbaren Fakten sind genau umgekehrt: Es waren die Katholiken, welche die Urchristen auf grausamste Weise ausmerzten. Und auch die Wahrheit über den Glauben der Urchristen in Südfrankreich wurde von den Vertretern der katholischen Priesterkaste verbogen und durch Verleumdungen und Priesterlügen ersetzt. Ein besonders bösartiges Beispiel dafür ist der deutsche Franziskaner-Priester und Inquisitor Konrad von Marburg, der allen Ernstes behauptete, der Name "Katharer" (= die Reinen) würde sich von "Kater" ableiten und darauf hinweisen, dass die Urchristen, die auch Tierfreunde waren und meist auch kein Fleisch verzehrten, mit Katzen angeblich Geschlechtsverkehr pflegen (u.a. http://kops.uni-konstanz.de/). In Wirklichkeit entstammt diese Anschuldigung, die an die späteren "Hexenverfolgungen" erinnert, nur seiner eigenen perversen Phantasie. Und wer weiß schon, welche Formen der Sexualität alles bereits von damaligen Priestern ausgeübt wurden. Über die jüngere Vergangenheit ist ja im 21. Jahrhundert vieles ans Tageslicht gekommen, unter anderem auch solches, was der Inquisitor lügenhaft anderen unterstellte.

Ideen kann man nicht ermorden

Doch zurück von tiefsten Abgründen kirchlicher Degeneration zu dem urchristlichen Leben der Katharer: Im Gedächtnis blieb vor allem der unglaublichen Mut, mit dem Hunderte von Katharer, keineswegs nur die "parfaits", nach Augenzeugenberichten ohne Klagen und Angst, ja teilweise sogar singend und in ihrem Inneren mit Gott verbunden, in den Tod gingen. War ihnen dies möglich, weil sie mit ganzer Seele auf die geistige Welt und auf Gott in ihnen, in ihrem eigenen Tempel aus Fleisch und Blut, bezogen waren oder sich darum bemühten und von dort in einer Weise Kraft und Trost empfingen, die für Außenstehende nicht nachvollziehbar war?
Die römische Kirche hat jedenfalls wegen dieser todesmutigen Katharer die systematische Inquisition eingeführt. Und sie hat nicht nur einen grausamen Vernichtungskrieg gegen sie (und gegen das gesamte südliche Frankreich) vom Zaun gebrochen – sie hat die Vernichtung und Ausrottung Andersgläubiger auch durch Päpste und Kirchenheilige (wie Bernhard von Clairvaux oder Thomas von Aquin) ideologisch "rechtfertigen" lassen. Damit entlarvte sie sich einmal mehr als maßgebliche Gewandung des "Systems Baal", das man als Manifestation dämonischer Energien auf der Erde verstehen kann.
Der Buchautor Eugen Roll schrieb, "dass die Häresie der Kirche einen Schlag versetzt hatte, von dem sich diese nicht wieder erholen sollte" (Eugen Roll, Die Katharer, Stuttgart 1979, S. 238), und hierbei kann man auch an deren Entlarvung denken. Das heißt: Der totalitäre Machtanspruch der Romkirche, die antichristlichen Inhalte ihrer Lehren und damit ihr Missbrauch des Namens Christus wurden auch in der Folgezeit immer wieder aufgedeckt, um den Menschen die Augen zu öffnen und sie zu ermutigen, diesem ideologischen Stammbaum des Verbrechens den Rücken zu kehren.

Gedenkstein an die auf Betreiben der Papstkirche auf furchtbare Weise ermordeten Urchristen in der Nähe ihrer ehemaligen Burg Montsegur in Südfrankreich
(Yeza 2007; GNU Free Documentation Lizenz)

Das Urchristentum in Südfrankreich überlebte die Katastrophe von Montségur im Jahr 1244 noch um einige Zeit. Denn man hatte rechtzeitig einige Freunde Gottes aus der belagerten Festung hinausgeschleust – was später wohl zu der Legende geführt hat, man hätte einen "Schatz" in Sicherheit gebracht. Doch die katholischen Dominikaner und andere Inquisitoren hetzten sie mit Hunden durch Wälder und Höhlen der Pyrenäen, mauerten die letzten einige Jahrzehnte später in einer Höhle lebendig ein – womit ihre Verfolger und deren Auftraggeber in ihrem religiösen Grausamkeitswahn wieder einmal bewiesen, wem sie dienen. Denn Nachfolger Jesu haben niemals Andersdenkende verfolgt. Dies war immer ein Merkmal der Widersacher von Christus. Papst Urban IV. (1261-1264) hatte zum Dank für die Ausrottung der Katharer sogar das Fest Fronleichnam eingeführt, das noch heute von den Katholiken weltweit zelebriert und gefeiert wird.
Immerhin: Noch im 14. Jahrhundert gab es versprengte Katharer in Sizilien, und weltweit verlassen heute immer mehr Menschen das sinkende Kirchenschiff und suchen und finden Gott in sich und in allen Lebensformen, was sie viel sensitiver für alles Leben macht – wie bereits bei den Katharern damals.

Wesentlicher noch als das sichtbare Fortwirken der urchristlichen Bewegung der Katharer ist deshalb der urchristliche Strom, der unaufhaltsam weiter fließt. Man kann zwar die Menschen töten, doch das geistige Potenzial, das sie aufgebaut und vermehrt haben, bleibt erhalten. Es speist diesen Strom, der immer wieder auftaucht und Menschen berührt. So finden sich katharische Gedanken, symbolisch verschlüsselt, in den Bildern eines Hieronymus Bosch ebenso wie in der klaren Forderung der Waldenser oder Hussiten, der Mährischen Brüder oder der Brüder und Schwestern in Christus, auch Täufer genannt, nach einem konsequenten, einfachen christlichen Leben. Die Hugenotten waren nicht zufällig im Stammland der Katharer, in Südfrankreich, erfolgreich, so wie ein Savonarola nicht zufällig in Florenz an die Bestrebungen der "Patarener", wie die italienischen Urchristen genannt wurden, anknüpfen konnte.
Die Freunde Gottes in Südfrankreich haben ein Zeichen gesetzt: Dass es möglich ist, für die Botschaft vom Friedensreich einzutreten, die bereits durch die Gottespropheten des Alten Bundes und Jesus von Nazareth in die Welt kam, wenn es äußerlich fast aussichtslos zu sein scheint. Dass es sich lohnt, an das Gute nicht nur zu glauben, sondern es durch das eigene Leben zu bezeugen. Dass es sinnvoll ist, für das Licht zu kämpfen und in friedlicher Weise aufzuklären und, so wie es Jesus von Nazareth lehrte, bei sich selbst zu beginnen. Dass die geistige Energie dieses übermenschlichen Opfergangs nicht verloren ging, zeigt sich im weiteren Verlauf der Geschichte – nicht nur in religiöser, sondern auch in politischer Hinsicht: Auch die Aufklärung des 18. Jahrhunderts, von Papstanhängern noch im 21. Jahrhundert verleumdet, hätte ohne die Katharer wohl nicht in dieser Weise stattfinden können.

Mehr dazu: https://kirchenopfer.de/die-ausrottung-der-katharer/


 



(9) Amalrich von Bena und die französischen Christen

Die Gegenwart Gottes in allem Sein erfahren

Ein beliebtes Verleumdungsmittel der kirchlichen Priesterkaste ist die Abwertung von Urchristen, indem man sie nicht als "Christen" bezeichnet, die sie ja sind, sondern einen Namen erfindet, der meist von der Person entlehnt wird, die man für den Anführer hält. So verspottete man viele Christen im Norden Frankreichs auch als "Amalrikaner", lateinisch "Amauriani", in Anlehnung an den französischen Gelehrten Amalrich von Bena, lateinisch Amaulricus.

Amalrich von Bena (1140-1206) unterrichtete an der Universität in Paris die "Sieben Freien Künste" und lehrte, dass Gott in allen Kreaturen lebendig ist und alle Wesen einst zu Gott zurückkehren. Papst Innozenz III. verurteilte seine Lehre deshalb als "Häresie", was Amalrich, der eigens zu seiner Verteidigung nach Rom gereist war, sehr belastete und zu seinem baldigen Tod beitrug. Doch er hatte bis zu diesem Zeitpunkt schon viele Freunde gewonnen. Der Theologe Prof. Walter Nigg schreibt:
"Nachdem Amalrichs Anhänger in Paris einige Zeit einen kleinen Kreis gebildet hatten, wurde dieser denunziert und musste im Jahr 1209 ein blutiges Ketzergericht über sich ergehen lassen, in welchem eine Anzahl von ihnen dem Scheiterhaufen überantwortet und die anderen mit lebenslänglicher Kerkerhaft bestraft wurden." (Walter Nigg, Das Buch der Ketzer, S. 280)
Die Lehre von Amalrich von Bena wurde auf dem Laterankonzil 1215 in Rom dann offiziell verdammt und die Gebeine daraufhin aus dem Grab geholt und in "ungeweihter" Erde neu verscharrt. Hier handelte die Romkirche einmal mehr nach dem Prinzip, alles zu beseitigen, was an den "Ketzer" erinnern könnte.

Foto: Hinrichtung der Freunde von Amalrich von BenaJean Fouquet (1455-1460) aus der Grandes Chroniques de France (Ausschnitt)

Während die Katharer den Süden Frankreichs im urchristlichen Geist verändern, sammelte um 1200 im Norden Amalrich von Bena, der auch Erzieher des französischen Thronfolgers war, an der Universität und deren Umfeld weitere Lehrer um sich, die aufgrund ihrer Erfahrungen davon überzeugt waren: Gott ist der Freie Geist in allem Leben. Nach Amalrichs Tod zogen sie ins Umland von Paris hinaus und klärten die Bevölkerung über Konsequenzen aus dieser befreienden Botschaft auf, wozu gehört: Kirchensakramente sind letztlich nutzlos, und Heiligen- und Reliquienverehrung sind "Götzendienst". Dass die Tätigkeit dieser Lehrer für ihr irdisches Leben gefährlich war, war ihnen bewusst. Einerseits suchten sie so viele Menschen wie möglich mit ihrer Botschaft zu erreichen und fanden vor allem Zuspruch bei den schlichten und unverbildeten Menschen. Andererseits mussten sie aufgrund des Jahrhunderte alten mörderischen katholischen Herrschaftssystems äußerst vorsichtig vorgehen, teils heimlich.
 
Doch der tödliche Angriff der totalitären Kirchenmacht erfolgte an einer Stelle, mit der sie nicht gerechnet hatten. Das Machtkonglomerat von Kirche und Staat schleuste in die urchristliche Bewegung nämlich zwei katholische Priester als Spione ein. Sie handelten im Auftrag einer Gruppe von Theologen, die gemeinsam mit dem Bischof eine Kommission zur angeblich fachlichen Begutachtung der christlichen Bewegung gebildet hatten. Mit vorgetäuschten persönlichen Erfahrungen der Gegenwart Gottes erschlichen sich die von der Kommission beauftragten Spione das Vertrauen der Christen, und sie sammelten "Belastungsmaterial" für einen im Geheimen bereits geplanten Inquisitionsprozess gegen sie. Dafür versprachen die ihnen vorgesetzten Religionsvertreter den Spitzeln "Vergebung ihrer Sünden".

Was das Verhalten der Christen betrifft, erlebten die von der Machtkirche beauftragten falschen "Brüder" nun viele Tugenden der von ihnen Ausspionierten. Denn vorbildliche Ehrenhaftigkeit und Charakterstärke zeichnete die so genannten "Amalrikaner" aus. Eine Handlung ist dann zulässig, wenn sie in der Tugend der Liebe geschieht, so ihre Botschaft, die im Volk immer mehr Zustimmung erfuhr, und: Gott spricht auch durch Philosophen, wenn sie die Wahrheit sagen. Alles, was in Liebe geschieht, ist keine Sünde. Ein neues Zeitalter beginnt, das vom Gottesgeist geprägt wird. Hierbei beriefen sie sich auf die Botschaft vom Zeitalter des Geistes, die sich, ausgehend von dem italienischen Abt Joachim von Fiore, in Europa verbreitete. Eine Priester- und Kirchenhierarchie mit ihren Höllenlehren wird abgelehnt. Alle Seelen können für sich den Weg finden, auf dem sie zu Gott zurückkehren werden.

Nachdem der zuständige Erzbischof die Berichte der verdeckten Inquisitionshelfer zur Kenntnis genommen hatte, beendete er die perfide Attacke, zog die Priester zurück und verlangte aufgrund der gesammelten "Beweise" über die angeblich "teuflischen Erfindungen" der Schüler Amalrichs allerhärteste mögliche Strafen. Damit gab die Priesterkaste den ihr Hörigen im Staat einmal mehr das Todesurteil vor, was diese immer vollziehen mussten, um nicht selbst in den Verdacht nichtkatholischer Lehren zu geraten und ebenfalls ihre Ermordung zu riskieren. Es ist der bis heute in manchen Varianten praktizierte "Transfer von Kirche und Staat", bei dem die Kirche wie ein Reiter agiert, welche das Staatsross nach seinen Zwecken lenkt. Die Romkirche hatte durch Papst Innozenz dem III. zuvor im Jahr 1198 ihr Dogma entwickelt, dass der Staat wie der Mond sei, der von der Sonne, der Papstkirche, beschienen werde und nur, indem sich der Staat und seinen Bevollmächtigten an die Autorität der päpstlichen Gewalt "anhängen", erhalten sie von dort ihren Glanz und ihre Würde, also ihre teuflische Macht in dieser Welt. Einige Jahrzehnte später verlangte die Romkirche dann auch unverbrämt und gnadenlos von den Staatsvertretern komplette Unterwerfung, was manche Könige bis dahin ohnehin schon getan hatten.

Im Jahr 1210 schlug die Papstmacht dann in Frankreich in einer Art Razzia zu und verhaftete im Mai oder Juni 14 Lehrer des Freien Geistes an verschiedenen Orten. Während der Papst im Jahr 1209 den totalen Vernichtungskreuzzug gegen die urchristlichen Katharer im Süden ausgerufen hatte, gegen Männer, Frauen und Kinder, erwogen die katholischen Kleriker im Norden, ob hier nicht die Ermordung der Wortführer "genügen" würde, um die Bewegung auszurotten. So wurden 1210 zehn der verhafteten Männer der auch als "Sekte des Freien Geistes" verspotteten Christen auf einem Scheiterhaufen außerhalb der Stadtmauern von Paris aneinander gebunden. Keiner hat widerrufen, woraufhin sie in Anwesenheit des kirchenunterwürfigen Königs bei lebendigem Leib verbrannt wurden (siehe Gemälde oben).
Anderen Christen versprach man unter der Bedingung Schonung, wenn sie alle Schriften Amalrichs vernichten und sich erneut der Romkirche unterwerfen. Das Lesen von Schriften Amalrichs wurde fortan auch an der Universität verboten.

Die Einschüchterung zeigte bei vielen Wirkung, doch nicht bei allen, und es kam zu weiteren Hinrichtungen. Ein Magister namens Godinus sammelte überlebende treue Christen, bis das Inquisitionskommando auch ihn festnahm. Im Jahr 1212 wurde Godinus in Amiens, einer Hochburg der päpstlichen Hydra im Norden Frankreichs, auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Und von der christlichen Lehre, wie sie von Amalrich von Bena verfasst wurde und wie sie von Theologen bis heute als "Pantheismus" abgetan wird, blieben nur noch die rufmörderischen Überlieferungen ihrer kirchlichen Gegner enthalten. 1215 wurde sie dann auf dem bekannten und bis heute in der Papstkirche hochverehrten Laterankonzil in Rom offiziell als "höchst pervers" und vom "Vater der Lüge" stammend verdammt.
Doch wo ist der "Vater der Lüge" in Wirklichkeit am Werk? Mit diesem Rufmord projizierte die Kirchenmacht ihr eigenes inneres Wesen und der Macht, der sie dient, auf die Brüder und Schwestern in Christus im nördlicheren Frankreich. In Amiens, wo zuletzt die Scheiterhaufen brannten, ließ dann die päpstliche Hydra dann im Zeitraum von 1220-1269 eine neue furchteinflößende Kathedrale dieser Schreckensreligion errichten, bis heute beliebter Anziehungspunkt für Touristen und Priesterhörige aller dunklen Schattierungen.

Kathedrale von Amiens von der Papstkirche ab 1220 als Zeichen ihrer totalitären weltlichen Herrschaftsmacht erbaut nach der Verbrennung des Urchristen Godinus in Amiens auf dem Scheiterhaufen im Jahr 1215 (Creative Commons Attribution 3.0 Unported license; Jean-Pol Grandmont 2012)

Ehemalige Schüler Amalrichs am Königshof in Paris unterwarfen sich wieder der Romkirche, um ihre Macht am Hof nicht zu verlieren, und der neue König Ludwig VIII., einst von Amalrich geschult, ordnete nun im Jahr 1226 die Verbrennung auf dem Scheiterhaufen für alle Christen an, die in Zukunft von der Doktrin der Papstkirche und ihren Forderungen abweichen. Der König hat sich damit gegen seinen Lehrer gestellt und dem Papst unterworfen, wodurch er mit entsprechendem Kirchenruhm belohnt wurde und sein Sohn Ludwig IX., der in den väterlichen Fußspuren auch einen weiteren Kreuzzug (1270) ausrief, bei dem er ums Leben kam, gar mit der späteren Kirchenheiligkeit.
So wurde bereits unter Ludwig VIII. die urchristliche Bewegung im Zentrum Frankreichs
"vollständig ausgelöscht". Die Vertreter der Romkirche und ihre Vasallen im Staatsgewand feierten die Ermordung der Urchristen und die Vernichtungen aller ihrer Schriften. "Dank ´Gottes` Gnade" sei das "Unkraut" einmal mehr "ausgejätet" worden, was bedeutet: Aufgrund des teuflischen Wütens der mörderischen Kirchenreligion wurde eine herrliche Pflanze im Garten Gottes und alle ihre Blüten ausgemerzt, sodass die Zeit des wuchernden Unkrauts weiter andauerte.

Doch das Reich Gottes schickte erneut Seine Boten auf die Erde, um das Wesen des "Vaters von unten" und seiner Stützpunkte auf der Erde in den Institutionen Kirche und andernorts zu entlarven und alle ehrlich Gott suchenden Menschen aus dem kirchlichen Joch mit seinen grausamsten Feuersbrünsten im Diesseits – und angedroht auch im Jenseits – zu befreien. Und mag die eiskalte steinerne Religionsmacht auch noch so drohen, ihre Zeit ist im 21. Jahrhundert abgelaufen. Und zu den Wegbereitern der neuen Zeit gehören auch Amalrich von Bena und seine mutigen Schüler in Frankreich Anfang des 13. Jahrhunderts. 100 Jahre später lehrte als nächste in der langen Reihe der Gottesboten und -botinnen Margarete Porete im Norden Frankreichs den Inneren Weg zurück in die ewige Heimat aller Seelen und beseelten Menschen, frei von Kirchendogma und Glaubenszwang (siehe im nächsten Kapitel).

 


 

(10) Margarete Porete und die Brüder und Schwestern des Freien Geistes

An einer epochalen Wende der Zeit

"Gott in uns", "Gott, der Freie Geist, in allen Lebensformen Seiner Schöpfung" – Die Brüder und Schwestern des Freien Geistes erlebten Gott als Licht und Kraft in ihrem Inneren und sie wussten, dass es Gottes Odem ist, der jeden Menschen, aber auch jedes Tier, ja jedes Lebewesen, jede Lebensform beatmet. Unter ihnen gab es auch Gottesprophetinnen und Gottespropheten, durch die das unverfälschte Wort Gottes wieder die Menschen erreichte. Für die Priester und Theologen der Institutionen Kirche mit ihren Dogmen und Sakramenten ist diese Erfahrung bis heute die größte Gefahr.

"Am meisten verleumdete Bewegung der Kirchengeschichte"

Amalrich von Bena und seine Schüler waren Brüder und Schwestern des Freien Geistes in Frankreich, und ähnlich wie ihnen erging es in vielen Regionen Europas den offenen Gemeinschaften der Brüder und Schwestern des freien Geistes im 13. und 14. Jahrhundert, die durch die kirchliche Ausmerzung beinahe in Vergessenheit geraten sind. Sie waren überzeugt, dass jeder Mensch das Licht Gottes in sich trägt, das er durch einen mystischen inneren Weg in sich erwecken kann, wozu es keiner Vermittlung durch Priester bedarf, und sie fühlten sich an keine kirchliche Autorität gebunden.

Da der Lügenmoloch in Rom und seine Statthalter ihnen Dämonie und sittenlose Praktiken andichtete, gelang es den Talarträgern, wie Professor Dr. Walter Nigg schreibt, "dem bürgerlichen Christen vor diesen [angeblichen] ´Nihilisten des Mittelalters` das Gruseln beizubringen, das bis zum heutigen Tag nachwirkt. Da ein Historiker nach dem anderen diese Lügen abschrieb, bis alle selbst daran glaubten, wurden die Brüder des freien Geistes zu der am meisten verleumdeten Bewegung der ganzen Kirchengeschichte." (Das Buch der Ketzer, S. 274)
Sie glaubten, wie Walter Nigg schreibt, "an einer epochalen Wende der Zeit zu stehen, in der alles bisher Gültige entwertet, gewandelt und ersetzt werde durch wahre Erkenntnis, die zugleich die höchste Stufe der Religion und Offenbarung des heiligen Geistes selbst ist". Zu ihrem Umfeld zählen auch die so genannten Beginen bzw. Begarden, das waren Frauen bzw. Männer, die ein Leben in Nächstenliebe außerhalb der Kirchenmauern anstrebten und immer in Gefahr standen, als "Ketzer" ins Visier der Inquisition zu geraten und die, als es der Romkirche mit der Zeit zu viele wurden, auch verfolgt und ermordet wurden, wenn sie sich nicht doch einer kirchlichen Organisation anschlossen.

Die in mehreren Ländern Europas verbreiteten "Brüder und Schwestern vom freien Geist" waren bis ins 15. Jahrhundert hinein Verfolgungen ausgesetzt, zuletzt 1458 unter anderem in Mainz. Seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert ist nichts mehr von ihnen bekannt. In einem "Gutachten" des Kirchenheiligen Albertus Magnus, der das Göttliche und das Menschliche strikt trennte, werden die Brüder und Schwestern mit den Worten von ihm angeklagt und verworfen: "Zu sagen, dass die Seele aus der Substanz Gottes genommen ist, ist Ketzerei der Manichäer." (Art. 7)
Ob diese Umschreibung ihres Glaubens wirklich den Inhalt trifft oder – wie so oft – alles ein wenig oder ein wenig mehr verfälscht dargestellt wird, ist wie immer nicht mehr genau zu ermitteln.
Auch den Mystiker, der unter dem Namen "Meister Eckhart" bekannt wurde (um 1260-1328), hat man "häretischer" Überzeugungen in der Art der "Brüder und Schwestern des Freien Geistes" verdächtigt und einem langwierigen Prozess unterzogen. Ankläger war Kardinal Fournier, der spätere Papst Benedikt XII. Eckhart selbst bestritt immer jede Nähe zu nichtkatholischem Gedankengut und starb vor dem Abschluss des Inquisitionsverfahrens. Nach Eckharts Tod wurde das Verfahren aber fortgesetzt und endete mit der Verurteilung der 28 Sätze. Während der Papst verlauten ließ, Eckhart habe vor seinem Tod seine "Irrtümer" vollständig widerrufen, wies er in Wirklichkeit nur allgemein mögliche "häretische, glaubensfeindliche Fehldeutungen" seiner Thesen zurück.

Margarete Porete und der mystische Weg der Seele

Wessen Seele mit Gott vereinigt ist, der lebt von sich aus im Willen Gottes und braucht deshalb auch keinen äußeren Druck durch Sittengesetze mehr, weswegen die Brüder und Schwestern des Freien Geistes von den inquisitorischen Talarträgern verdächtigt wurden, schrankenlos unmoralisch zu leben.
Ähnliches wurde der wegen "Ketzerei" verbrannten Mystikerin Margareta Porete (1250/1260-1310) vorgeworfen, die dem Umfeld der "Brüder und Schwestern vom freien Geist" und manchmal den Beginen zugerechnet wird, Frauen die außerhalb der kirchlichen Bevormundung und des Kirchenzwangs Gutes tun wollten. In ihrem Werk Spiegel der einfachen Seelen erklärt Margareta bzw. Margarete oder Marguerite, dass die mit Gott vereinte Seele – verkürzt gesagt – deswegen keine Vorschriften und Frömmigkeitspraktiken mehr beachten muss, weil der in ihr wirkende gute Wille Gottes dafür sorgt, dass sie automatisch das Gute tut. Diese Lehre wurde also von der verlogenen Inquisition bewusst verdreht.
Hinzu kam bei Margareta Porete ihr Verzicht auf eine "Absicherung" durch das namentliche Zitieren kirchlich anerkannter theologischer Autoritäten. Sie legte dar, durch welches Verhalten die Seele allmählich Gott näher kommt. Sie betrachtete diesen Weg als eine Rückkehr in einen Ursprungszustand, in dem sich die Seele ursprünglich befand, bevor sie sich von Gott trennte. Um wieder dorthin zu gelangen, müsse sich die Seele von allen Abhängigkeiten befreien, die sie noch in Knechtschaft halten. Margareta bezeichnete Gott bzw. die mit ihm gleichgesetzte Liebe als den eigentlichen Autor des Buches. Nach Seinem Willen solle es denen, für die es bestimmt sei, dazu verhelfen, das vollkommene Leben und den Zustand des Friedens besser zu schätzen.


Foto oben
@ Maryanne Bilham (USA) for Divine Eros: Die Gottesprophetin Marguerite Poréte wurde 1310 in Paris auf dem Scheiterhaufen bei lebendigem Leib verbrannt.

Der Aufstieg der Seele ist ein Prozess, der sich in sieben Etappen oder Stufen vollzieht, welche Margareta als "sieben Seinsweisen im edlen Sein" bezeichnet. Dieser Prozess führt die Seele "aus dem Tal auf den Gipfel des Berges, der so vereinzelt dasteht, dass man dort außer Gott nichts sieht".
Auf der fünften Stufe erlangt die Seele die Freiheit. Margareta betonte, dass es zwischen der freien Seele und Gott keine Vermittlung braucht, da sie nun ganz unmittelbar in Verbindung stehen.
Die freie Seele hat sich dann zwar innerlich von allem, was geschaffen ist, gelöst, doch bedeutet das keine äußere Abwendung von der Welt. Vielmehr könnte sie mit ihrer Erfahrung bei Bedarf sogar ein Land regieren. Obwohl Margareta ihre Kirchenkritik zurückhaltend äußerte, hielt sie ganz offenkundig nicht viel von den Priestern und ihrem Absolutheitsanspruch.

Als sie sich auch noch weigerte, einer Vorladung der Inquisition Folge zu leisten, wurde sie verhaftet. Nachdem sie schon 1 ½ Jahre eingekerkert war, lehnte sie es auch im Inquisitionsverfahren ab, sich vor den katholischen Priestermännern zu rechtfertigen oder zu verteidigen. Die Untersuchungskommission befand daraufhin die Angeklagte der "Häresie" schuldig und daher zum Tode zu verurteilen. Als Grund der Hinrichtung wurden "theologische Irrtümer" insbesondere hinsichtlich der Eucharistie genannt. Am Pfingstsonntag des Jahres 1310 wurde das Todesurteil verkündet, am Pfingstmontag wurde Margareta auf der Place de Grève in Paris auf dem Scheiterhaufen bei lebendigem Leib verbrannt.
Als Konsequenz des von ihr gelehrten mystischen Wegs verbot das Konzil von Vienne (1311–1312) den Beginen, die sich nicht der Kirchenhierarchie unterwarfen, jede Art der theologischen Betätigung. Weiterhin hatte der Generalinquisitor die Vernichtung aller Exemplare ihres Buches Spiegel der einfachen Seelen angeordnet und seinen Besitz unter Strafe der Exkommunikation verboten.
Im 15. Jahrhundert identifizierte der Franziskaner-Inquisitor Bernhardin von Siena den durch Margareta Porete vermittelten Schulungsweg als identisch mit der Lehre der in Italien aktiven "Brüder und Schwestern des freien Geistes". Es sei die gleiche "Häresie".
Man sieht ihm an, dass er Finsteres im Sinn hat

Die Kirche beauftragte den später heiliggesprochenen Franziskaner Giovanni de Capistrano (Foto rechts), alle Exemplare der Schrift Spiegel der einfachen Seelen, der den Weg zu Gott im eigenen Herzen aufzeigte (durch tätige Nächstenliebe und Überwindung des Ego), zu vernichten.

Ein weiterer Inquisitor der Franziskaner, der Jurist Johannes von Capistranus (1386-1456), musste nun im Auftrag des Papstes nach noch vorhandenen Exemplaren der für die Existenz der Kirche bedrohlichen Schrift über die Rückkehr der gefallenen Seelen in ihre ewige Heimat zu forschen, um diese zu beschlagnahmen und zu vernichten. Er wurde später von der Vatikankirche "kirchenheilig" gesprochen und gilt der Vatikankirche heute weltweit als "Patron aller Rechtsanwälte". Capistranus ließ auch Juden öffentlich verbrennen und ihre Kinder katholisch taufen, er rief zum Kreuzzug gegen die moslemischen Türken auf und ließ die Hussiten in Böhmen verfolgen. So wie es ein "treuer" Diener der mörderischen Priesterkaste eben tut, wofür er dann in deren "Heiligenhimmel" erhoben wurde.


 


 

(11) Waldenser, Jan Hus und die "Hussiten"

Sehnsucht nach dem wahren Urchristentum

Eigentlich hatten sie ja nur den stereotypen Ablauf der katholischen Messen verbessern wollen, indem sie sich als kundige "Laienprediger" anboten. Doch dann kamen den "Armen Christi", wie sie sich selber nannten, erhebliche Zweifel und Fragen in Bezug auf das ganze Gehabe der Kirche und ihrer Priester. Was Ende des 12. Jahrhunderts als innerkirchliche Protestbewegung um den Lyoner Kaufmann Petrus Waldes bzw. Petrus Valdes (+ vor 1218) begann, entwickelte sich – nicht zuletzt aufgrund der brutalen Ablehnung und Verfolgung durch die Kirche – zu einer der bedeutendsten "Ketzerbewegungen" des Mittelalters und darüber hinaus.

Waldes verschenkte sein zum Teil unrechtmäßig erworbenes Vermögen aufgrund eines Bekehrungserlebnisses spontan an die Armen, und er wollte der Bibel ein stärkeres Gewicht verleihen und sie dazu in die Volkssprache übersetzen. Genau das brachte ihn aber in Konflikt mit der Kirche, die er – im Gegensatz zu den zeitgleich in Frankreich lebenden Katharern – ursprünglich gar nicht verlassen wollte. Denn Menschen, die selbständig denken, die in Eigenverantwortung ein ethisch hochstehendes Leben anstreben, waren den Mächtigen in der Kirchenhierarchie schon immer ein Dorn im Auge. Wie die Katharer führten die Waldenser ein einfaches Leben und waren in der Regel geschickte Handwerker. Ihr Ideal war das Urchristentum, wie sie es aus den Evangelien und der Apostelgeschichte ihrer Bibel entnehmen konnten.

Waldes und seine Anhänger wurden um 1180 auf Anordnung des Bischofs von Lyon zunächst aus der Stadt und ihrem Umkreis vertrieben. Doch damit sorgte die Kirche ungewollt für die rasche Verbreitung der Bewegung. Bald fielen sie derselben blutigen Verfolgung durch die kirchliche Inquisition zum Opfer wie die Katharer. Unzählige von ihnen wurden auf den Scheiterhaufen auf Betreiben der Romkirche verbrannt, Männer, Frauen, Kindern, wer von ihnen in die Fänge der römisch-katholischen Inquisition und deren staatlichen Vasallen geriet.

Die Geschichte ihrer Bewegung ist ein Beleg dafür, dass es der Romkirche im Grunde um totalitäre Macht samt dem dazu gehörigen irdischen Reichtum geht, denn sonst hätte sie nicht eine Bewegung fast ausgerottet, die ihr gegenüber gar keine eine Alternative im Glauben anstrebte, aber dafür eine Alternative in der ethischen Lebensführung darstellte und vertrat. Die Bewegung der Waldenser ist zugleich ein Beweis dafür, dass die Sehnsucht des Menschen nach einem Leben im Einklang mit den urchristlichen Idealen der Gleichheit, Freiheit, Einheit, Brüderlichkeit und Gerechtigkeit sich immer wieder neu Bahn brach, auch wenn für sie das geistige Wissen aus dem Reich Gottes, das die Katharer und Bogumilen noch in hohem Maße besaßen, nicht mehr unmittelbar verfügbar war oder von ihnen nur teilweise übernommen wurde. Einen traurigen Eindruck, weit entfernt von diesen Anfängen, hinterlassen vor allem heutige so genannte "Waldenser", die sich teilweise mit den evangelischen Kircheninstitutionen vereinigt haben, die ab dem 16. Jahrhundert ihre eigene grausame Inquisitionsgeschichte neben dem katholischen Machtapparat aufgebaut hatten, siehe z. B. gegenüber den so genannten "Täufern".

Eine nach wie vor gewisse Kirchennähe in der Lehre trifft auch für weitere Bewegungen zu, die zum Teil auf dem Glaubensgut versprengter Waldenser aufbauten. Im 15. Jahrhundert vertrat in Böhmen der Priester Johannes Hus bzw. Jan Hus die Lehre von einer "unsichtbaren Kirche" Jesu Christi, die er in Gegensatz zur sichtlich verdorbenen und gespaltenen Kirche setzte, die er erlebte. Auch Hus verwies auf das frühe Christentum und forderte ein einfaches und geradliniges Leben nach den ethischen Maßstäben der Bergpredigt, geißelte den Amtsmissbrauch und die Bereicherung des Klerus.

Um die Auseinandersetzungen zu klären, wurde Jan Hus auf das Konzil von Konstanz (1414-1418) geladen, wofür man ihm freies Geleit für Anreise, für die Zeit auf dem Konzil und für die Heimreise zugesichert hatte. Doch schon während des Konzils wurde Hus in Konstanz ins Gefängnis geworfen und furchtbar gequält: Tagsüber gefesselt, nachts in einem Verschlag eingesperrt, dem Gestank einer Kloake ausgesetzt und nur mangelhaft ernährt. Da sich die katholische Priesterkaste jedoch von einem Widerruf von Hus mehr Vorteile versprach als von seinem Siechtum und Tod, wurden die Haftbedingungen zunächst etwas erleichtert.
Doch dann ging es im Frühjahr und Sommer 1415 zur Sache. Das Kirchenkonzil verurteilte unter anderem den angeblichen "Irrtum" des bereits verstorbenen englischen "Ketzers" John Wiclif bzw. John Wyclif (1330-1384) über die Machtbefugnisse der Priesterkaste, welcher lautete: "Ein Bischof oder Priester, der in der schweren Sünde lebt, weiht nicht, verwandelt nicht (in der heiligen Messe), bringt das Sakrament nicht zustande, tauft nicht." (Neuner-Roos, Der Glaube der Kirche, Nr. 499)
Jan Hus wurde gefragt, ob er das auch so sehe wie John Wiclif. Da er bejahte und auch seine anderen Anschauungen nicht widerrief, wurde bei einer "feierlichen Vollversammlung" der Bischöfe im Münster zu Konstanz sein Feuertod beschlossen, verkündet und noch am gleichen Tag vollstreckt: Verbrennung bei lebendigem Leib trotz Zusicherung freien Geleits.

Hier kam wieder der Leitsatz von Papst Innozenz III. zum Tragen, der lehrte: "Treu und Glauben braucht einem Ketzer [gegenüber] nicht gehalten zu werden, und der Betrug, gegen ihn geübt, wird geheiligt." (zit. nach Matthias Holzbauer, Der Steinadler und sein Schwefelgeruch, Marktheidenfeld 2003, S. 50)
Auch durch ein solches Vorgehen entlarvt sich die Machtkirche und derjenige, der hinter ihr am Steuer sitzt und über den Jesus von Nazareth sprach: "Der ist ein Mörder von Anfang an und steht nicht in der Wahrheit; ... denn er ist ein Lügner und der Vater der Lüge."
(Johannes  8, 44)

Anders als für John Wiclif und Jan Hus gilt in der römisch-katholischen Kirche bis heute: Auch wenn ein Bischof oder Priester in "schwerer Sünde" lebt, also beispielsweise kurz vor der Eucharistiefeier in der Sakristei oder in seinem Schlafzimmer ein Kind vergewaltigt hat, könne er trotzdem gleich anschließend das Kirchensakrament katholisch voll gültig vollziehen, also auf priesterliches Kommando hin angeblich "Gott" dazu bewegen, sich in die von ihm, dem Priester präparierten Weizengebäckstücke auf dem Altar einzuschließen, und er, dieser Priester könne zum Beispiel auch den Eltern des vergewaltigten Kindes gleich darauf angeblich im Namen Gottes deren Sünden vergeben.
In seinem Abschiedsbrief an seine Freunde schrieb Hus: "Das aber erfüllt mich mit Freude, dass sie meine Bücher doch haben lesen müssen, worin ihre Bosheit geoffenbart wird. Ich weiß auch, dass sie meine Schriften fleißiger gelesen haben als die Heilige Schrift, weil sie in ihnen Irrlehren zu finden wünschten."

Jan Hus hinterließ jedoch keine einheitliche religiöse Bewegung. Die "Hussiten" sind eher ein historischer Sammelbegriff für unterschiedliche Gruppierungen, die zunächst vor allem der Protest gegen diesen Justizmord der Romkirche in Konstanz und der mit ihr verbündeten Herrscher vereinte. Es kam zu Kriegen.
Es gab jedoch auch pazifistische Hussiten wie Petr Chelčický (ca. 1380-1455), der in seinen Schriften dem ansonsten von ihm verehrten Magister Hus vorwarf, die Tür zu einer Rechtfertigung des Krieges nicht verschlossen zu haben.

Chelčický gilt wiederum als geistiger Vater der späteren "Böhmischen Brüdergemeinde", wozu auch der bekannte Pädagoge Johann Amos Comenius (1592-1670) gehörte. Dieser vertrat den Grundsatz der Gleichheit aller Menschen und sah die Natur als einen Gesamtorganismus, den es zu achten gilt. Am Ende seines Lebens schrieb er: "Ich danke meinem Gott, dass er mich mein ganzes Leben hindurch einen Mann der Sehnsucht hat sein lassen." Er nannte es die "Sehnsucht nach dem Licht". Andere nannten es die Sehnsucht nach dem wahren "Jerusalem", darunter viele der urchristlichen so genannten Täufer, die auf grausamste Art von der katholischen  und neuen evangelischen Kirche verfolgt wurden.
Am Ende des 30-jährigen Krieges duldete man nur noch die drei mörderischen Hauptkonfessionen Katholisch, Lutherisch und Calvinistisch. Die Brüdergemeinde wurde gezwungen, sich aufzulösen, was jedoch nicht verhinderte, dass ein katholisches Heer im "Dienst" der Gegenreformation den Wohnort von Comenius (damals in Polen) überfiel und die Bewohner, die nicht wie zuvor Comenius fliehen konnten, ermordete.

 


 

(12) Girolamo Savonarola

Eine "zu Feuer und Flamme gewordene Persönlichkeit"

Wie Meister Eckhart (um 1260-1328) in Deutschland gehörte auch Girolamo (Hieronymus) Savonarola ca. 150 Jahre später (1452-1498) in Italien dem Dominikaner-Orden an. Er war Prior des Klosters San Marco in Florenz und wollte die Institution Kirche von innen her im christlichen Sinne verändern, was letztlich wie immer zum Scheitern verurteilt war, weil deren äußerlich christliches Gewand nur die Maskerade und Verkleidung eines vom Wesen her baalistischen Systems ist.
Als der französische König Karl VIII. Italien im Krieg eroberte, erreichte Savonarola in intensiven Gesprächen mit ihm, dass Florenz verschont blieb. Im Gegenzug verbündete sich die Stadt mit Frankreich. Die Bürger vertrauten Savonarola die Verhandlungen an, weil er in seinen dramatischen Predigten dieses Ereignis sowie den Tod von Papst Innozenz VIII. im Jahr 1492 richtig voraus gesagt hatte. Der Historiker Jacob Burckhardt nennt ihn, obwohl ihm gegenüber kritisch eingestellt, eine "völlig zu Feuer und Flamme gewordene Persönlichkeit". Und der evangelische Theologe Walter Nigg schreibt, man werde "nicht um die Schlussfolgerung herumkommen, dass in Florenz nicht ein politisierender Mönch, wohl aber ein wirklich von Gott gesandter Prophet verbrannt worden ist".
Nachdem Savonarola Briefe an die europäischen Herrscher schrieb und sie aufforderte, ein Konzil einzuberufen, um Papst Alexander VI. abzusetzen, der offensichtlich durch Ämterkauf an die Macht gekommen war, drohte der Papst der ganzen Stadt Florenz den Kirchenbann an. Die Kaufleute fürchteten nun um ihre Geschäfte in Rom, Bürger wurden gegen Savonarola aufgehetzt und Mönche des Klosters wurden verhaftet und im Beisein der Gesandten des Papstes gefoltert. Savonarola selbst und zwei Mitstreiter wurden 1498 auf dem Marktplatz der Stadt öffentlich gehenkt und verbrannt und ihre Asche in den Fluss Arno geworfen.

Girolamo Savonarola 1497 oder 1498, kurz vor seiner grausamen Hinrichtung (Gemälde von Fra Bartolomeo, Museum von San Marco, Florenz); gemeinfrei nach Wikimedia Commons

Dass Savonarola auch mächtige Gegner in der Stadt hatte, lag an seiner kompromisslosen und von vielen als fanatisch empfundenen Art, die Bürger nicht nur freiwillig zu einem christlichen Leben zu bewegen, sondern dessen Prinzipien auch mit entsprechendem Druck durchzusetzen.
Dabei nahm er kein Blatt vor den Mund. Mutig warf er dem mächtigen Fürst Lorenzo vor, die Gemeinschaftskasse geplündert zu haben, aus der ärmere Töchter der Stadt ihre Mitgift bezogen. Und als Parteigänger des Fürsten ihn zur Mäßigung ermahnen wollten, ließ er ihm ausrichten: "Lorenzo kann tun, was er will, aber das mag er wissen: Ich bin fremd, und er ist Bürger und der Erste der Stadt. Und doch bleibe ich hier, und er muss gehen. Ich bleibe hier und nicht er." Kurz darauf starb der Fürst mit nur 43 Jahren an der Gicht, was Savonarolas Autorität noch einmal steigerte.

Unter der Führung Savonarolas fanden bemerkenswerte Veränderungen statt: Die Streitigkeiten zwischen den reichsten Familien und ihren Parteigängern ruhten für geraume Zeit; ein drohender Bürgerkrieg wurde verhindert, denn Savonarola riet zu Amnestie statt Rache für die Unterlegenen. Streitende versöhnten sich, Reiche gaben Gelder zurück, die sie unrechtmäßig erworben oder unter Ausnützung einer Notlage mit Wucherzinsen erpresst hatten. Die Reichen und der Mittelstand spendeten für die durch die vorhergegangene brutale Besteuerung verarmte Unterschicht der Tagelöhner und Besitzlosen. Ein Pfandleihhaus wurde eingerichtet, um ärmeren Mitbürgern zinsgünstige Darlehen zu ermöglichen. Die direkten Steuern wurden weitgehend abgeschafft. Stattdessen sollte der Grundbesitz, auch derjenige der Kirchen und Klöster, mit einer zehnprozentigen Abgabe belegt werden, was jedoch von der Priesterkaste hintertrieben wurde. Die Mittelklasse, also Handwerker und  Kaufleute, wurden durch die Schaffung eines "Großen Rats" an den politischen Entscheidungen beteiligt. Zuvor hatten die Reichen der Oberschicht alles unter sich ausgemacht.

Savonarolas Hauptanliegen war jedoch die sittliche Erneuerung der Stadt. Schon als junger Medizinstudent hatte er in Bologna den ausschweifenden "Zeitgeist" der Renaissance erlebt und mit den Worten beschrieben: "Wenn einer nach ernsten Dingen und nach Weisheit strebt, ist er ein Phantast. Wenn er keusch und bescheiden lebt, ist er ein Tor. Wenn er fromm ist, nennt man ihn ungerecht. Wenn er gerecht sein will, gilt er für grausam. Wenn er Gottes Größe verehrt und Glauben hat, ist er von blödem Geist." (zit. nach Matthias Holzbauer, Verfolgte Gottsucher, Marktheidenfeld 2004, S. 88 f.)

Savonarolas Botschaft für die Menschen, die fast täglich den Dom füllten, um ihn zu hören, war eine einfache: Jeder möge also sein eigenes Bewusstsein erneuern, von den Herrschenden angefangen. Jeder möge aus seiner Eigenheit herauskommen und dem Gemeinwohl zustreben. Der Egoismus ist ein Zeichen des Verlorenseins. Und solche, die kein Gefühl für ihren Nächsten haben, stehen außerhalb des göttlichen Kreislaufs. Vergleichbar den alttestamentlichen Gottespropheten ermahnte Savonarola die Bürger der Stadt, den Luxus und das Wohlleben aufzugeben und stattdessen die Armen zu unterstützen. Er wandte sich gegen das Glücksspiel auf offener Straße, gegen das überbordende Karnevalstreiben und sexuelle Ausschweifungen. Offenbar um den sexuellen Missbrauch von Kindern einzudämmen, vor allem von Jungen durch Männer, forderte er Strafen für Homosexuelle, die daraufhin Geldbußen bezahlen mussten. Kurz vor seiner Hinrichtung ließ er, wie schon im Jahr zuvor, am Beginn der Fastenzeit Karnevalszubehör wie Perücken und Masken öffentlich verbrennen. Viele Bürger machte er sich dadurch auch zu Feinden. So fand er eines Tages den Kopf eines getöteten Esels auf seinem Predigtplatz. 

Gegen die Frauen und Kinder vergewaltigenden Priester

Vor allem aber wandte er sich gegen die Priesterkaste, gegen die katholischen Priester und Mönche, die vielfach Frauen, Mägde und Kinder vergewaltigten, eine Parallele zur jüngeren Kirchengeschichte im 20. und 21. Jahrhundert: "Sie treiben sich in den Kneipen herum und huldigen mit ihren Bauern dem Spiele. Sie nehmen Mädchen zum Tanze mit auf ihr Zimmer, verbringen die Nächte mit schlechten Weibern und Buben, treten aber am Morgen gleichwohl zum Altare des Herrn. Sie sind dem sodomitischen Laster ergeben, vergewaltigen Frauen und Mägde, ja sogar Kinder." (zit. nach Ernst Piper, Savonarola, München 2009, S. 72)
Auch die zwielichtigen Geldgeschäfte der Institution Kirche prangerte er an: "Die Zeremonien, die man heute in der Kirche feiert, finden nicht mehr zu Ehren Gottes statt, sondern um des Geldes willen ... Alle in der Kirche wollen Einkünfte und Pfründe ... Es gibt keine Gnade des heiligen Geistes, die man nicht mit Geld erkaufen könnte ... Nur die Armen, sie werden ausgepresst."

 

"Sieh Rom an, das Haupt der Welt, und von dort sieh auf die Glieder! Da ist von der Fußsohle bis zum Scheitel nichts Gesundes mehr. Wir leben unter Christen, wir verkehren mit ihnen; aber sie sind keine Christen, sie sind´s nur dem Namen nach; da wäre es wirklich besser, wir wären unter Heiden."
(Der Mönch Girolamo Savonarola aus Florenz, vom Papst als "Häretiker" exkommuniziert, später mehrfach gefoltert und auf der Piazza della Signoria am 23.5.1498 gleichzeitig gehängt und verbrannt, zit. nach tagesspiegel.de/autoren/girolamo-savonarola/; Savonarola wollte die Kirche anfangs noch erneuern, doch immer mehr Menschen erkennen: Sie war noch nie christlich, sondern von Anfang an gegen Ihn, den Christus Gottes, der niemals Priester oder Pfarrer eingesetzt hatte)

Goldene und silberne Kelche und Kreuze einschmelzen und Erlös den Armen geben

Während der Papst in Rom begann, mit dem ersten geraubten Gold aus Amerika die Decke der Papstkirche Santa Maria Maggiore zu verzieren, und der millionenfache Völkermord der katholischen Eroberer an den Indianern immer grausamer wurde, rief der Mönch Savonarola in Florenz offen dazu auf, "all die überflüssigen Kelche und Kreuze aus Gold und Silber" einzuschmelzen und den Erlös an die Armen zu verteilen. Auch die kirchlichen Zeremonien bezeichnete er als wirkungslos, solange nicht eine innere Umkehr und Änderung des Lebens damit einherginge. "Gott muss man suchen, nicht prächtige Tempel. Der wahre Tempel ist des Christen Herz."

Savonarola ließ keinen Zweifel daran, dass nach seiner Überzeugung Gott ihn als Propheten erwählt habe, auch wenn er sich anfangs – wie alle Propheten – dagegen gewehrt hatte. Christus, so berichtete er, habe ihm sinngemäß gesagt, es müssen nach dem Muster der apostolischen Urzeit "auch jene Dinge aufgebaut werden, die den Geist bewahren und nähren, und jene Dinge, mit denen der Geist regiert. So soll es in Florenz geschehen, damit diese Stadt gut wird. Es soll ein Staat aufgebaut werden, der das Gute bewahrt, wenn die Stadt Florenz gut sein will."

Hungernot und Pest setzten der Bevölkerung zu

In dieser Zeit waren auch die Auswirkungen von Krieg in Florenz gegenwärtig, und Hungersnot und Pest setzten der Bevölkerung zu. Viele Bürger, auch in den Städten der Umgebung, änderten in dieser dramatischen Situation ihr Leben, wurden friedvoller, lebten bescheidener, gaben das Trinken oder Spielen auf. Wer aus der Umgebung in die Stadt kam, um Savonarolas Ansprachen im Dom zu hören, wurde gastfreundlich aufgenommen und versorgt. Auch Jugendliche änderten sich: Zuvor hatten sie Banden gebildet, die sich teils blutige Straßenschlachten lieferten und die Gegend unsicher machten. Jetzt entstanden Gruppen, die sich um Bedürftige kümmerten, wobei manches allerdings angreifbar blieb: Wer kein Almosen gab, erhielt bisweilen Schläge, wer nicht mitmachte, wurde denunziert und zur Rede gestellt. Damit wurde ein innerer Druck aufgebaut, der nicht mit den urchristlichen Prinzipien übereinstimmt.
Manche Kirchengeschichtsschreiber kritisieren deshalb die angeblich neue "Diktatur". Das stimmt aber schon deshalb nicht, weil aufgrund der alle zwei Monate neu erfolgenden "Urwahl" durch die Vollversammlung der wahlberechtigten Bürger Befürworter und Gegner Savonarolas einander in der Stadtregierung immer wieder abwechselten. Und es gab weder Folter noch Hinrichtungen noch andere brutale systematische Gewalt wie sonst unter der Herrschaft des Katholizismus und später auch des Protestantismus.

"Tatsächlich war die Stadt selten vorher so glücklich gewesen", schreibt der Kulturhistoriker Will Durant über die Zeit unter der geistigen Führung von Savonarola. Selbst Intellektuelle wie Pico della Mirandola und Künstler wie Botticelli und Michelangelo waren von der Persönlichkeit und dem Auftrag des asketischen Mönches beeindruckt.
Die Polarisierung, die noch heute in der Beurteilung des "Experiments Neues Jerusalem" in Florenz spürbar ist, traf die Zeitgenossen jedoch in vollem Ausmaß. Savonarolas Vision war: Von Florenz werde das Licht Gottes über ganz Italien, ja, in die ganze Welt strahlen, sogar die Anhänger Mohammeds würden sich bekehren, wenn die Einwohner von Florenz den Anfang machten und zu leuchtenden Vorbildern eines Lebens nach den göttlichen Geboten würden.

Die Priester waren bei diesem geistigen Kampf – wie immer, so auch hier – die Hauptgegner der Verfechter der Gottesgebote, und zwar nicht nur die mit den Dominikanern innerkirchlich konkurrierenden Franziskaner, von denen ein Frater einen Teil der Bevölkerung einmal gegen Savonarola aufgewiegelt hatte. Auch in Savonarolas eigenem Orden, den Dominikanern, wollten viele, dass alles beim Alten bleibt. Die Kirchenoberen wollten vor allem nicht, dass die Kirche besteuert wird, so wie sie dies noch heute [2023] mit wachsender Dreistigkeit zu verhindern wissen trotz immer mehr aufgedeckter Verbrechen in ihren Reihen und einem rapiden Mitgliederverlust.
Das gewaltsame Ende der prophetischen Bewegung besorgte aber der Papst selbst. Nachdem Savonarola sich von Papst Alexander VI. nicht zum Kardinal befördern lassen wollte und einer italienischen Kriegskoalition gegen Frankreich im Wege stand, beschloss der Pontifex maximus in Rom seine "Ausmerzung".

Doch der "Ketzer von San Marco", wie Savonarola auch genannt wird, war aus katholischer Sicht eigentlich gar keiner, denn er leugnete die Lehre der Kirche nicht. Sonst hätte sie einen viel kürzeren Prozess mit ihm gemacht und ihn schneller "beseitigen" lassen. Auf diese Weise war es ihm möglich, innerhalb der katholischen Machtstruktur einige Weichen in eine andere Richtung zu stellen. Doch jeder ehrliche und dauerhafte Versuch, auch innerhalb der Vatikankirche nach der christlichen Wahrheit leben zu wollen, würde logisch und ganz zwangsläufig früher oder später zu deren Ende führen, da sie seit ihren Anfängen an nie im Willen Gottes war und bis heute auch nicht ist.
Weil also jeder ernsthafte Versuch, dem Christus Gottes auch in der Kirche Gehör zu verschaffen, bereits den Keim für die Auflösung der Machtkirche enthält, ist nachvollziehbar, dass die Priesterkaste früher oder später mit Gewalt dagegen vorging, auch wenn das Dogmenkonstrukt von den von ihr Verfolgten nicht ausdrücklich angegangen wird.
Seine Hinrichtung sah Savonarola sieben Jahre zuvor im Jahr 1491 voraus, und er prophezeite: "Die Gottlosen werden zum Heiligtum gehen, mit Axt und Feuer werden sie die Tore sprengen und verbrennen und die gerechten Männer gefangen nehmen und am Hauptplatz der Stadt verbrennen. Und was das Feuer nicht verzehrt und der Wind nicht fort bläst, wird ins Wasser geworfen."

(übersetzt und neu zusammengestellt und formuliert aus italienischen Quellen von Dr. Maria Andreucci)

In Deutschland knüpfte der 18jährige Hans Böhm, der Pfeifer von Niklashausen, an Girolamo Savonarola an. Der Bischof von Würzburg ließ ihn daraufhin heimtückisch entführen ermorden.


 


 

(13) Die urchristlichen "Täufer", die "Brüder und Schwestern in Christus"

Die ersten Opfer der Ökumene

Im Gegensatz zur Romkirche und der mit den totalitären Obrigkeiten verbündeten "Reformatoren" Luther, Zwingli und Calvin lehnten die so genannten "Täufer" die kirchliche Säuglingstaufe ab. Sie begannen, wie im frühen Urchristentum, Erwachsene zu taufen, die sich für ein Leben in der Nachfolge Christi entschieden haben, weswegen sie "Täufer" genannt wurden.

Sie lehnten auch jede Form des Eides und des Kriegsdienstes ab und legten großen Wert auf eine schlichte, gottgefällige Lebensführung. Ihre Treffen fanden in schlichten Räumen, auf Dachböden, in Scheunen oder in der freien Natur statt. Die katholische und protestantische Kirche, einander ansonsten verfeindet, waren sich in einem einig: in der Bekämpfung und Ermordung der "Täufer" und auch der angeblichen "Hexen".
Auf dem Reichstag zu Speyer im Jahr 1529 beschlossen ihre Abgesandten, mit Gewalt gegen diese "Sekte" vorzugehen. Die Todesstrafe für die Menschen, die urchristlich leben wollten, wurde "reichs-rechtlich" beschlossen. Dieser Reichstag war auch die mit dem Blut von Urchristen erkaufte "Geburtsstunde" für die "Protestanten" als eigenständiger Bewegung und, wenn man so will, das erste "ökumenische" "Projekt". Mit "schwerer Strafe", womöglich auch der Todesstrafe, wurden aber auch Katholiken und Protestanten bedroht, die Sympathie oder Mitgefühl mit den von der Kirche verfolgten Christen hatten.
Der Artikel 7 des so genannten "Wiedertäufermandats" des Reichstags lautete:
"Wer von den Amtspersonen nicht bereit ist, nach diesen Anordnungen streng zu verfahren, muss mit kaiserlicher Ungnade und schwerer Strafe rechnen."

Der erste "ökumenische" Inquisitionsfeldzug der Machtblöcke Katholisch und Evangelisch wurde in ganz Mitteleuropa sehr grausam geführt, vor allem auch in der Schweiz, Österreich und in den Niederlanden sowie dem heutigen Belgien. Begründet wurde er unter anderem mit der Beschuldigung, die Verfolgten würden die öffentliche Ordnung bedrohen, die Obrigkeit missachten und Aufruhr anstiften, was in den allermeisten Fällen nicht annähernd stimmte und Rufmord war wie nahezu alles, was die Kirche in ihrer ca. 1900 jährigen Geschichte den Nachfolgern Jesu vorwarf, in der sie sich zur größten Christenverfolgerin der Geschichte entwickelte.
Die Gefahr für Nachfolger Christi, ermordet zu werden, war zu dieser Zeit auch deshalb besonders groß, da die Reformatoren die "besseren" Kirchenführer sein wollten als die katholischen Bischöfe und deshalb oft besonders verlogen und grausam gegen Abweichungen vorgingen, um ihren eigenen angeblich "rechten" Glauben damit unter Beweis zu stellen.

Der Bürger David aus Gent im heutigen Belgien und seine Frau Levina wurden von der Papstkirche als "Ketzer" angeklagt und 1554 zu einem grausamen Foltertod durch Erwürgt- und Verbrannt-Werden verurteilt. (Zeitgenössischer Kupferstich; näheres dazu am Beginn dieser Ausgabe)

Um die von der Zwangsreligion der Priesterkaste Abweichenden aufspüren und niedermachen zu können, wurden in Bern in der Schweiz zum Beispiel "Täuferjäger" eingesetzt, vergleichbar den heutigen kirchlichen Sektenbeauftragten. Die Täufer, die sich nahe Bern im Emmental angesiedelt hatten, flohen über Jahrzehnte, immer wieder zwischen Bern und Luzern pendelnd, vor ihren einmal katholischen und dann wieder protestantischen Verfolgern und Mördern. Einige dieser urchristlich lebenden Gemeinschaften zogen sich in den unwirtlichen schweizerischen Jura zurück, wo zur damaligen Zeit der Winter bis zu sieben Monate dauerte und wo sie den Sommer über das Land, das sie urbar machten, noch mit Bären teilten. Sie entschieden sich für ein karges Leben, um nach den Geboten Gottes leben zu können. Ihre Nachfahren sind noch heute in diesen Regionen als Minderheiten ansässig, und Ortsnamen und Gedächtnisplätze zeugen noch heute von ihrem freiheitlichen urchristlichen Lebenswillen.

Noch im 17. Jahrhundert wandten die evangelisch-reformierten Städte Zürich und Bern die meist mit einem schlimmen Tod endende Galeerenstrafe für urchristlich gesinnte Männer an.
Meistens wurde das Todesurteil jedoch sofort vollstreckt. Der Täufer Felix Manz wurde 1527 in Zürich ertränkt. Seine letzten überlieferten Worte gleichen den Worten von Jesus am Kreuz: "In deine Hände, Herr, übergebe ich meinen Geist."
Im Todesurteil des unter der Herrschaft des Reformators Huldreich Zwingli stehenden Rats der Stadt Zürich heißt es wörtlich:
"Genannter Felix Manz soll ... weil er gegen die christliche Regierung und die bürgerliche Einheit gehandelt hat, dem Nachrichter [= Scharfrichter] übergeben werden, der ihm seine Hände binden, in ein Schiff setzen, zu dem unteren Hütly bringen und auf dem Hütly die Hände gebunden über den Kopf streifen und einen Knebel zwischen den Armen und Beinen durchstossen und ihn also gebunden in das Wasser werfen soll, um ihn im Wasser sterben und verderben zu lassen."

Das also war die evangelische Reformation, die es gleich trieb wie ihr katholischer Mutterkonzern
, dem beispielsweise der urchristliche Täufer Michael Sattler im Jahr 1527 am Bischofssitz Rottenburg bei Stuttgart zum Opfer fiel. Er wurde unter anderem beschuldigt, die katholischen Sakramente nicht anzuerkennen, die angeblich ewige Jungfrau Maria zu verachten und den Krieg gegen die Türken nicht zu befürworten.
In seiner Entgegnung führte Michael Sattler aus, dass er zwar Maria als Vorbild des Glaubens achte, nicht aber an eine Mittlerfunktion Marias zwischen Mensch und Gott glaube. Außerdem dürfen Christen niemanden das Leben nehmen, sie können nur Gott um ihren Schutz anrufen. Wenn die Türken gegen Christen in den Krieg zögen, so liege es daran, dass sie es als Muslime nicht besser wissen.

Die Folge seiner Nachfolge Jesu war: Zuerst wurde ihm auf Betreiben der Talarträger die Zunge aus dem Mund herausgerissen, dann wurden mit glühenden Schmiedeeisen Löcher in seinen Leib gebrannt, danach wurde er ganz "zu Pulver" verbrannt. Drei Tage später wurde seine Frau solange in den Neckar getaucht, bis sie ertrunken war.
Kaum ein Bürger, der mitbekommen hat, wie man Michael Sattler und seine Frau zu Tode folterte, wagte es nun mehr, sein Kind nicht kirchlich taufen zu lassen. Die Säuglinge wurden also bald wieder flächendeckend an ihrem Scheitel kirchlich befeuchtet und mit diesem Ritual der jeweiligen Machtorganisation ungefragt und zwangsweise einverleibt. Auf diese Weise bildeten sich in der Folgezeit nun zwei "Volkskirchen"
, da die Bevölkerung in Deutschland und auch in Nachbarländern wie der Schweiz entweder der
einen oder der anderen Kirche angehören musste, um zu überleben. Das nennt man heute "Tradition". In Wirklichkeit agitieren und agitieren diese beiden Machtreligionen durch ihre Lügen und Inquisitionsmaßnahmen gegenüber Andersdenkende gegen das Volk, sind also "Gegen-das-Volk-Kirchen".

In Asperen in den Niederlanden wurde der "Täufer" Dirk Willems 1569 bei lebendigem Leib verbrannt. Er konnte nur hingerichtet werden, weil er einem seiner Verfolger zuvor das Leben gerettet hatte. Dieser war bei der Verfolgung von Dirk Willems durch das Eis eines zugefrorenen Sees eingebrochen und drohte im eiskalten Wasser zu versinken. Dirk Willems lebte nach der Bergpredigt des Jesus von Nazareth, in der es heißt "Tut Gutes denen, die Euch hassen". Deshalb kehrte er um, als er das Unglück sah, anstatt weiter zu fliehen und sein Leben in Sicherheit zu bringen. Und es gelang ihm tatsächlich, seinen Verfolger aus dem Wasser zu ziehen und ihm so das Leben zu retten.
Aufgrund seiner Rückkehr an den Unglücksort wurde er allerdings von den anderen Verfolgern eingeholt, sofort festgenommen und anschließend ermordet. Denn die Kirche kannte auch in diesem Fall nicht die geringste Gnade, da es sich bei ihrem Opfer um einen Mann handelte, der unter Berufung auf Jesus von Nazareth die Säuglinge nicht mehr kirchlich taufen lassen wollte und sie damit vom kirchlichen Herrschaftsbereich fernzuhalten versuchte, was die totalitäre Machtbasis der Talarträger schwächt.


Der Christ Dirk Willems rettet einen seinem Verfolger, der auf einem zugefrorenen See durch das Eis gebrochen war, das Leben. Dadurch verlor er seinen Vorsprung und wurde von den amtskirchlichen Mörderbanden gefangen genommen und einige Zeit danach lebendig verbrannt.

Alles das und sehr vieles mehr sind Beweise für die Worte des Historikers Karlheinz Deschner, der schreibt: "Nach intensiver Beschäftigung mit der Geschichte des Christentums kenne ich in Antike, Mittelalter und Neuzeit ... keine Organisation der Welt, die zugleich so lange, so fortgesetzt und so scheußlich mit Verbrechen belastet ist wie die … Kirche, ganz besonders die römisch-katholische Kirche." (Die beleidigte Kirche, Freiburg 1986, S. 42 f.)

Die Liste der grässlichen Folterungen und Hinrichtungen von aufrichtigen und friedfertigen Menschen, welche sich nicht den großen Machtkirchen unterworfen oder ihnen gar widersprochen hatten, lässt sich schier endlos fortsetzen. Es sind Zigtausende von Menschen, die für die Wahrheit das Eintreten für die Ethik des Jesus von Nazareth einen grausamen Tod durch Priester- und Pfarrerhand sterben mussten. Und die klerikale Hydra mutierte in dieser Reformationszeit in Mitteleuropa von einem einköpfigen zu einem doppelköpfigen Ungeheuer: nun mit einem katholischen Kopf und mit einem zweiten Kopf, einem evangelischen.


Die Brüder und Schwestern in Christus

Die Täufer lehnten im 16. Jahrhundert die Zwangstaufe von Säuglingen ebenso ab wie Kriege und Kriegsdienst. Sie wollten als freie Bruderschaften ohne Priester und Hochgestellte nach der Lehre des Jesus von Nazareth leben. Damit zogen sie den Zorn der großen Religionskonglomerate Katholisch und Evangelisch auf sich, welche sie gnadenlos verfolgen und ermorden ließen.
Sie wurden denunziert, außer Landes verwiesen, als Sklaven auf Galeeren angekettet, in Verliese geworfen, grausam gefoltert, enthauptet, ertränkt, lebendig verbrannt, manche mitsamt ihres Hauses. Oder, wie ein Geschichtsforscher im Rückblick auf die Verfolgung in Belgien schrieb: "Groß ist die Zahl der Schlachtopfer, welche für ihre Ketzereien auf Befehl des Kaisers lebendig begraben wurde. Grauen und Entsetzen ergreift einen …"
Welche Ängste und welche furchtbare Not mussten die Täufer erleiden, alleine dafür, dass sie Christus aufrichtig nachfolgen wollten! Sie wurden zu Schlachtopfern der kirchlichen Priesterkaste für deren grausamen Religionskult, einschließlich der "reformierten" Protestanten in der Schweiz, obwohl deren mörderischer "Reformator" Zwingli die Täufer dafür lobte, "dass ihr Leben vortrefflich ist".
Als ein Helfer der Inquisition in den Niederlanden bei der Verfolgung eines Täufers im Eis eines Weihers einbrach, kehrte der Fliehende um und rettete dem Verunglückten das Leben. Daraufhin wurde er von weiteren Verfolgern gefangen und ohne Gnade später lebendig verbrannt.
"Täufer" oder "Wiedertäufer" wurden die Christen von ihren Gegnern genannt, weil sie sich als Entscheidung für eine freie Nachfolge Christi erneut taufen ließen. Sie selbst nannten sich oft "
Brüder und Schwestern in Christus" oder "Gemeinde Gottes". Und bis auf wenige Ausnahmen waren es friedfertige Urchristen, die Kriege, Priestertum, in Reichtum schwelgende Kirchenmänner und deren Kulte ebenso ablehnten wie Versklavung und Unterdrückung der Armen durch Fürsten, Bischöfe und Klöster. Und auch Kirchenvertreter ihrer Zeit mussten zugeben, dass bei ihnen "Demut, Geduld, Treue, Sanftmütigkeit, Wahrheit ... und allerlei Aufrichtigkeit gespürt und vernommen wird, also dass man meinen sollt, sie hätten den hl. Geist Gottes".
 


Die so genannten "Täufer" waren aufs Ganze keine einheitliche Bewegung. Unter dem Druck der Verfolgung gaben einzelne Zusammenschlüsse die Gewaltlosigkeit auf, und sie sollen sich ähnlich verhalten haben wie die zuvor dort herrschenden Katholiken, so zumindest die von der Machtkirche infiltrierte Geschichtsschreibung. Als Beispiel wird aber meist nur Münster genannt, wo deren kurzzeitiges Stadt-Regiment von den Kanonen des Bischofs 1535 in Trümmer gebombt wurde und die Einwohner anschließend zum großen Teil hingerichtet wurden. In Wirklichkeit war diese Gruppe, so die katholische "Berichte" überhaupt zutreffen und nicht manipuliert oder erlogen sind, nicht repräsentativ für die Bewegung.
Die allergrößte Mehrheit der Brüder und Schwestern in Christus waren Gottsucher in den Spuren des Jesus von Nazareth, und sie lebten völlig friedfertig, wie zum Beispiel die Gefolgsleute des 1536 in Innsbruck lebendig verbrannten Jakob Hutter. Sie gründeten Lebens- und Arbeitsgemeinschaften, in denen sie die Gütergemeinschaft der ersten Christen anstrebten: Ehrliche Arbeit ohne Müßiggang, gemeinsamer Besitz, gemeinsame Kindererziehung und die Laienpredigt (also Ablehnung einer Priesterkaste) waren die Grundpfeiler ihrer "Bruderhöfe".
Weil sie den Kriegsdienst – und übrigens auch jegliche Steuern für kriegerische Zwecke – verweigerten, wurden sie immer wieder schikaniert, vertrieben oder ermordet, mussten über Mähren, Siebenbürgen, Russland bis schließlich nach Amerika ziehen, um nach ihren Überzeugungen friedlich leben zu können. Solche Höfe der "Hutterer" und "Mennoniten" (benannt nach dem Niederländer Menno Simons), die aus den damaligen Bewegungen hervorgingen, gibt es noch heute, doch sie sind über die Jahrhunderte oftmals erstarrt, zum Beispiel aufgrund eines wörtlichen Bibelglaubens oder durch eine rückwärtsgewandte Ablehnung von Technik. Auch hielten manche von ihnen noch an der Erfindung jener Priesterlehre fest, wonach Christus am Kreuz angeblich einen "Zorn" Gottes gesühnt hätte und dass Seine Hinrichtung von Gott so gewollt und angeblich "heilsnotwendig" gewesen wäre. Dabei ging es den Mördern von Jesus von Nazareth nur darum, ihn zum Schweigen zu bringen und deshalb umzubringen.
Dieses kirchliche Sühnopfer-Konstrukt, um von den brutalen Fakten abzulenken, haben sich vor allem heutige so genannte Baptisten (wörtlich "Täufer") zu Eigen gemacht, die aber mit den mutigen Nachfolgern Jesu im 16. und 17. Jahrhundert, die damals zu Tausenden ermordet wurden, kaum viel mehr als den Namen gemeinsam haben und die sich längst mit der gegen Christus gerichteten katholischen und evangelischen Kirchenmacht verbündet bzw. arrangiert haben.
Einen anderen zentralen Verrat der Kirche an der Lehre Jesu hatten jedoch diese Bewegungen zu allen Zeiten erfasst und folglich in ihren Reihen abgestellt: die Zwangschristianisierung ganzer Völker durch die Säuglingstaufe und damit die Vereinnahmung schon der kleinen Kinder als Kirchenmitglieder – unter Androhung von Todesstrafe und angeblich ewiger Hölle bei Nichtbefolgung, letzteres bis heute!
Ihre langjährige Verfolgung beweist die Vehemenz, mit der die Kirche gegen alle Menschen vorging, die es wie die Brüder und Schwestern in Christus halten wollten und die Taufe erst als eine freie Willensentscheidung mündig gewordener Menschen befürworteten. Doch die Rache der Kirche war gerade gegenüber diesen Menschen, denen man nichts anhängen konnte außer einer Abweichung vom kirchlichen Glauben, bestialisch. Von ihrem Taufsakrament lehren die Kirchenführer bis heute unter Androhung ewiger Höllenstrafen verbindlich, dass es niemals rückgängig gemacht werden könne, was auch durch das schlimme Sprichwort zum Ausdruck kommt, der den totalen dämonischen Machtanspruch der Vatikankirche auch auf die Seele des Menschen dokumentiert und lautet "Einmal katholisch, immer katholisch". Doch immer mehr Menschen weigern sich, diese kirchliche Totalvereinnahmung ihres Lebens zu tolerieren und fordern nach ihrem Kirchenaustritt auch ihre Streichung aus den kirchlichen Taufregistern. Man müsse sich ja auch nicht gefallen lassen, für alle Zeiten auf den Mitgliederlisten der Mafia registriert zu werden, wenn man sich dort zu 100 % distanziert hat. Und mit dem lebendigen Gott, dem Ewigen, hat die Kirchentaufe nichts zu tun. Nach nahezu 2000 Jahren ist nun die Zeit gekommen, welche das Ende des Kirchenbetrugs markiert und immer mehr Menschen erkennen, wie wahre Nachfolger Jesus in allen den Jahrhunderten den Weg für das Wiederkommen von Christus vorbereiteten.

 



Zu diesem Thema siehe auch Der Theologe Nr. 107 – Der "Pfeifer von Niklashausen", ein ermordete Prophet
und Der Theologe Nr. 10 – Thomas Müntzer und die Zwickauer Propheten. Auf den Spuren von Christus. Von Martin Luther und Philipp Melanchthon verfolgt

Lesen Sie auch den spannenden Reisebericht in die Vergangenheit (und doch auch in die Gegenwart) des Urchristentums: Auf den Spuren der Bogumilen – eine Reise nach Dalmatien und Bosnien

Links:

 


Der Text  kann wie folgt zitiert werden
:
"Der Theologe", Herausgeber Dieter Potzel, Ausgabe Nr. 92, Matthias Holzbauer, Dieter Potzel – Urchristentum im Freien Geist, von der Kirche verfolgt, Wertheim 2015, zit. nach
theologe.de/urchristentum_christenverfolgung-durch-kirche.htm, Fassung vom 29.1.2024, Copyright © und Impressum siehe hier.

Die Ausgabe Nr. 92 ist teilweise eine überarbeitete und erweiterte Fassung einzelner Aufsätze in dem Buch
Verfolgte Gottsucher von Matthias Holzbauer, Marktheidenfeld 2004. Einige Beiträge wurden in den Jahren 2017 bis 2019 neu geschrieben und seither bis heute [2024] weiter aktualisiert.
 

 

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