Der Theologe Nr. 9, aktualisiert am 11.9.2023
Die Opfer der Kirche, die
in früheren Zeiten auf den Scheiterhaufen der Inquisition verbrannten oder
anderweitig hingerichtet wurden,
galten ihren Richtern meist als vom "Teufel" oder von Dämonen besessen. Unter Folter hatte man den Menschen zuvor
meist entsprechende Geständnisse
abgepresst. Und der Glaube, dass vor allem Andersgläubige mit dem "Teufel" im Bunde
sein könnten, ist auch heute noch in der kirchlichen Bevölkerung verbreitet
– allerdings weniger als Vorstellung,
dass die "Mächte des Bösen" hier personhaft, direkt
und unmittelbar am Werk seien. Sondern man wähnt "Teufel" und "Dämonen"
mehr im Hintergrund.
Als jedoch die 23jährige Anneliese Michel aus Klingenberg am Main im unterfränkischen Landkreis
Miltenberg am 1.Juli 1976 starb, glaubten viele Katholiken, diese junge
Frau wäre tatsächlich vom "Teufel"
und von leibhaftigen Dämonen besessen gewesen. Anders als
die gefolterten und hingerichteten "Hexen"
früherer Zeiten war Anneliese Michel jedoch eine überzeugte Katholikin. Und anders als bei den
"Besessenen" früherer Zeiten,
die man seither überwiegend in einer vermeintlich ewigen Hölle vermutet, überwiegt im Hinblick auf
Anneliese Michel der Glaube, sie hätte nach ihrem Tod die "ewige
Seligkeit" erreicht. Und so möchten wir einmal der Frage nachgehen: Was ist hier
eigentlich passiert? Wie hat Anneliese
Michel gelebt? Und wie ist sie gestorben?
Als die junge Frau starb, wog sie nur noch 31 kg. Zuletzt verweigerte sie die Nahrungsaufnahme. Als die Tragödie öffentlich wurde, fragten sich viele: Hätte sie verhindert werden können? Und nicht der "Teufel" geriet jetzt ins Visier der Ermittler, sondern diejenigen, die ihn "austreiben" wollten. So ist z. B. eine wesentliche Frage: Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Tod von Anneliese Michel und dem offiziellen römisch-katholischen Exorzismus, der in den Monaten vor ihrem Tod 67 mal an ihr durchgeführt wurde? Der Würzburger Bischof Josef Stangl hatte die "Teufelsaustreibung" an der Pädagogikstudentin eigens kirchenamtlich genehmigt. Doch was als "Gottes" Hilfe gedacht war, hat offensichtlich alles nur noch schlimmer gemacht. Untersucht man nun die näheren Umstände dieses Schicksals, zeigt sich, dass der römisch-katholische Glaube der jungen Frau für sie eine Sackgasse war, aus der schließlich kein Weg zurück ins Leben mehr möglich war.
Anneliese Michel starb mit 23 Jahren an den Folgen des katholischen Exorzismus. Eine andere engagierte Katholikin kam mit 24 Jahren ums Leben, nachdem sie sich komplett der Kirche unterworfen hatte, die kurz darauf "heilig" gesprochene Elisabeth von Thüringen und Ungarn, verstorben an völliger Entkräftung und wohl indirektem Suizid. Lesen Sie dazu den spannenden biografischen Artikel: Elisabeth von Thüringen – was trieb die "Heilige" in den frühen Tod? elisabeth_von_thueringen.htm |
Dass in Klingenberg nur die Spitze eines Eisbergs sichtbar
wurde, deutet der Exorzismus-Experte Pater Adolf Rodewyk an, der im Auftrag
der römisch-katholischen Kirche die "Teufelsaustreibungen" an Anneliese Michel
geprüft hatte und diese aus vatikanischer Sicht nicht beanstandete. Und der Jesuit gab weiterhin zu:
"Sie können annehmen, dass es immer Fälle von Besessenheit gibt. Sie
kommen wenig in die Öffentlichkeit, aber es läuft immer was"
(Main-Echo, 7.4.1978). Und auf die Frage, ob
es auch schon ähnliche Fälle mit tödlichem Ausgang gegeben habe, antwortete
der Exorzist Rodewyk: "Ja, natürlich."
Außerhalb Deutschlands wird anscheinend offener über das Thema gesprochen. "In
Frankreich werden allein im Großraum Paris jährlich etwa 1500
Exorzismen durchgeführt", so der
Jesuit und ehemalige katholische Weltanschauungsbeauftragte des Bistums Würzburg, Alfred Singer, in einem
Interview 31
Jahre nach dem Tod von Anneliese Michel
(Main-Post, 9.7.2007). Doch auch in Deutschland finden weiterhin
kirchliche
"Teufelsaustreibungen" statt
(siehe z. B. aktuell unten,
auch im Protestantismus).
Unterschiedlichen
Veröffentlichungen
über Anneliese Michel (1952-1976) –
Die US-amerikanische Anthropologin Felicitas D. Goodman vertritt (trotz
ihrer offiziell protestantischen Konfession) die Sichtweise
der katholischen Exorzisten, während der deutsche evangelische Theologe
Uwe Wolff die
Ereignisse tiefenpsychologisch deutet. Das Heft Voodoo auf Katholisch der
"Freien Christen" (als
PDF-Datei) veranschaulicht allgemein zahlreiche Parallelen zwischen
dem Voodoo-Kult und den katholischen Lehren und Praktiken. Ein weiteres 2014
erschienenes Buch von Petra Ney-Hellmuth zum
Thema entspricht der Sichtweise der Diözese Würzburg und verliert sich in
mühsamen Detailhinweisen. Da es gleichzeitig aber die "Doktorarbeit" der
Autorin ist, wurde es vom gesellschaftlichen "Main-Stream" zum angeblichen "Standardwerk"
zu diesem Thema stilisiert.
PS: Das auf dem Umschlag des Buches von Felicitas D. Goodman links
oben sichtbare Foto zeigt den Würzburger Bischof Josef Stangl (1907-1979),
der seine Genehmigung des Exorzismus nach dem Tod der jungen Frau
verleugnete. Ein Dreivierteljahr später weihte er noch Joseph Ratzinger
zum Erzbischof von München und Freising. Kurz darauf soll er dann in
"geistige Umnachtung" gefallen sein. Die Stadt Würzburg ehrt ihn mit einem
Bischof-Stangl-Platz. Zwei weitere Fotos bzw. Bilder von Anneliese Michel
siehe hier.
Der Evangelische Theologe und Exorzismus-Forscher Uwe Wolff nannte sein Buch zu diesem Thema Das bricht dem Bischof das Kreuz – Die letzte Teufelsaustreibung in Deutschland 1975/76 (1). Doch ist dem für den Exorzismus verantwortlichen Würzburger Bischof tatsächlich – im übertragenen Sinn – das Kreuz gebrochen? Nur kurze Zeit nach den schicksalhaften Ereignissen in Klingenberg ist Bischof Josef Stangl zwar gestorben (1979), doch weder er noch die römisch-katholische Kirche wurden bis heute für den Tod der jungen Frau zur Verantwortung gezogen. Die nachfolgende Studie zeigt jedoch auf, wie Anneliese Michels römisch-katholischer Glaube und ihre Bindung an die römisch-katholische Kirche für sie zur Todesfalle werden. (10)
Anneliese Michel wird am 21. September 1952 in Leiblfing bei Straubing in Niederbayern
in der Heimat ihrer Mutter geboren. Sie entstammt einem streng katholischen
Elternhaus und Milieu in dem Weinort Klingenberg am bayerisch-fränkischen Untermain.
Ihr Vater sollte nach dem Wunsch seiner Mutter eigentlich Priester werden
und
drei ihrer Tanten sind Nonnen. Ihre Mutter Anna Michel, geborene Fürg, bringt das uneheliche Mädchen Martha mit in die Ehe,
das gezeugt und 1948 geboren wurde, als sie schon mit Josef Michel verlobt
war. Doch dieser ist nicht der Vater. Das Kind stirbt bereits 1956 im Alter
von acht Jahren an einem
Nierentumor. Der Vater des Kindes soll ein katholischer Priester sein. So
wird es
vermutet
(Wolff, S. 48). Die Michels selbst geben darüber keine Auskunft.
Dort gilt ja die uneheliche Zeugung des
kleinen Mädchens als "schwere Sünde" bzw. "Todsünde", und Annelieses Mutter
darf ihren Vater deshalb 1950 in der katholischen Kirche auch nicht "in Weiß", sondern nur mit
schwarzem Schleier heiraten. Das erste gemeinsame und eheliche Kind
Anneliese bringt sie dafür "Gott" als "Sühnopfer" für ihren vorehelichen "Fehltritt" dar – eine gewaltige Bürde für das neugeborene Kind, fast wie
ein Fluch. "Anneliese"
ist dabei eine Namenskombination aus den beiden Kirchenheiligen Anna (der
Mutter Marias, der Mutter von Jesus) und Elisabeth (der Mutter Johannes des Täufers). Später
werden drei weitere Mädchen geboren, G. (1954),
B. (1956) und R. (1957). Als
Jugendliche besucht Anneliese, die gerne Klavier spielt, das musische Karl-Theodor-von-Dalberg-Gymnasium in der
Grünewaldstraße im nahe gelegenen Aschaffenburg. Dort gilt sie als
hochintelligent, fällt aber bereits durch nervliche Probleme auf, wie
sich manche ihrer früheren Lehrer erinnern. Ihr Elternhaus gilt dabei als
sehr streng. "Öfter einmal fanden die Schwestern Anneliese weinend in ihrem
Zimmer, weil die Mutter schon wieder verboten hatte, dass sie zum Tanzen
gehe. ´Die anderen dürfen das alle`, schluchzte sie. ´Ich bin doch kein Kind
mehr.`" Doch Annelieses Mutter hat Angst um ihre Tochter. "Ihre Töchter
sollten unberührt in die Ehe gehen. Unberührt wie die Jungfrau Maria" (Goodman,
S. 35). Und anders als sie, die Mutter, die ja bei ihrer kirchlichen
Trauung von der Kirche für ihre vorehelichen sexuellen Erfahrungen mit einem
schwarzen Schleier "abgestraft" wurde.
Anneliese Michel scheut den Konflikt mit dem Elternhaus, bleibt anfangs
jedoch noch einigermaßen souverän und hat einen ersten heimlichen Freund.
Gleichzeitig vertieft sie sich jedoch weiter in den römisch-katholischen
Glauben. So ist auch – anders als
bei den meisten ihrer Altersgenossinnen – ihre Bindung an die Kirche
besonders stark. Sie geht mehrmals wöchentlich zur Messe,
betet regelmäßig Rosenkränze und versucht noch mehr als das zu tun, was die
Kirche von ihren Gläubigen verlangt. So schläft sie z. B. zur "Sühne" für
Rauschgiftsüchtige, die sie am Aschaffenburger Hauptbahnhof beobachtet hat,
manchmal auf dem Fußboden, selbst im Winter; so, als ob die "Sühnopfer"-Vorstellung ihrer Mutter tatsächlich auch in ihr wirksam ist. Dabei ist ihr Glaube für sie
selbst auch wie eine Droge, von dem die Jugendliche mit der Zeit extrem abhängig
wird und mit dem
sie ganz offenbar alles andere als im Reinen ist.
Und hier liegen auch die
Wurzeln für das weitere Geschehen: Bald gleiten dem Mädchen auch
die Zügel seines eigenen Lebens mehr und mehr aus der Hand. Im Jahr 1968
beißt sie sich z. B. bei einem Krampfanfall in die eigene Zunge. Ein
Neurologe diagnostiziert eine Epilepsie vom Typ Grand Mal (also einen
schweren epileptischen Anfall), wogegen sie erstmals anti-epileptische
Mittel erhält. Doch diese helfen nicht gegen eine religiöse Gedanken- und
Bilderwelt, die sich immer mächtiger in ihr aufbaut und die Anneliese Michel
immer weniger kontrollieren kann. So erscheinen ihr beim Gebet z. B.
katholische "Heilige" oder "Dämonen", die sie schließlich bis kurz vor ihrem Tod quälen und verfolgen.
Auch hört sie Stimmen, die ihr vorhersagen, sie werde in der ewigen
Verdammnis landen, in der nach römisch-katholischer Lehre z. B. alle
Menschen enden, welche wesentliche Glaubenslehren der katholischen Kirche
nicht befürworten oder auch nur "beharrlich" daran zweifeln (siehe dazu
Der Theologe Nr. 18 über den "Glauben der
Kirche" oder
Der Theologe Nr. 68 speziell über die Verdammungsflüche der Kirche).
An ihrem Todestag, dem 1. Juli 1976, ordnet der Staatsanwalt eine Obduktion der
Leiche an, bei welcher die Ärzte zu dem Ergebnis kommen: "Annelieses Leben
wäre zu retten gewesen, wenn man die Kranke vor den krankmachenden Faktoren
ihrer Umwelt abgeschirmt hätte."
(Wolff, S. 15)
Doch Anneliese Michel gelingt es nicht, sich aus ihrem streng
katholischen Umfeld zu befreien im Gegenteil: in ihren
schwersten Krisen lässt sie sich nahezu hilflos in das Milieu hineinfallen, in dem
die
maßgeblichen Wurzeln der Tragödie
liegen.
Der erste Exorzismus beginnt neun Monate vor ihrem Tod.
Und kurz vor dem Tod wirkt sie selbstzerstörerisch und
selbstverstümmelnd an ihrem für dieses irdische Leben endgültigen Zusammenbruch
mit. Ein Arzt hätte hierbei nicht zusehen dürfen. Doch der als
Exorzist tätige katholische Priester Arnold Renz steigert sich mit dem Kruzifix in
der Hand so in die
katholische Exorzismus-Liturgie hinein, dass er einfachste
Grundregeln der Ersten Hilfe nicht beachtet. Währenddessen erhoffen die Eltern bis zuletzt
die entscheidende Hilfe von dem Mann bzw. den Männern der Kirche.
Doch wieso entwickelt sich das Geschehen bei Anneliese Michel in diese völlig
verfahrene Richtung? Und warum geschieht Vergleichbares
ausschließlich oder überwiegend bei Betroffenen aus dem kirchlichen Milieu? Bei den meisten anderen Menschen jedoch
nicht. Wie lässt sich die Lebenssituation der jugendlichen Anneliese Michel
charakterisieren?
Bei den Exorzismen kommen zunächst verstärkt die ungelösten Kindheits- und Jugendprobleme von Anneliese Michel zum Vorschein. Ein Beispiel: Jeden Morgen um 6 Uhr wird sie als Kind zur Frühmesse geweckt. "Die Oma hat sie in die Kirche hineingeschleift. Sie war sechs Jahre alt. Die Oma hat sie fast jeden Tag vom Bett herausgezogen", sagt einer der "Dämonen" durch Anneliese vorwurfsvoll im Jahr 1975 (Wolff, S. 53 f.). Die Bauersfrau und "Seherin" Barbara Weigand (1858-1943) aus dem benachbarten Rück-Schippach, die sich jeden Morgen zu Fuß in die Aschaffenburger Kapuzinerkirche aufmachte (Wolff, S. 39), jeden Tag ca. 25 km hin und 25 km wieder zurück, um dort die laut ihrem Glauben angeblich in den "Leib Christi" verwandelte Oblate zu sich zu nehmen, gilt in der Familie als Vorbild – was sich für einen Außenstehenden auch mit dem Verhalten eines Drogensüchtigen vergleichen lässt, der seine Zeit zu einem großen Teil damit verbringt, sich die für ihn notwendige Dosis "Stoff" zu besorgen bzw. zu "verdienen". Doch was baut sich dabei in dem kleinen Mädchen, das trotz seiner Bereitschaft zum Kirchgang natürlich auch gerne ausgeschlafen hätte, innerlich auf? Anneliese wagt vieles im Laufe ihres kurzen Lebens nicht selbst auszusprechen, was dann später die "Dämonen" durch sie umso heftiger zum Ausdruck bringen. Der Konflikt bahnt sich früh an: Bereits dem kleinen Mädchen wird manchmal vom Weihrauch in der Messe übel, vielleicht, weil sie das alles sprichwörtlich "zum K... findet". Die Großmutter deutet dies jedoch als ungutes Zeichen dafür, dass der Teufel angeblich ihre "reine Mädchenseele" fangen will. (Wolff, S. 54 f.)
Zur katholischen Kirche in Klingenberg muss man emporsteigen. Als Kind musste Anneliese Michel dort eine Zeitlang jede Frühmesse besuchen und manchmal wurde ihr bereits vom Weihrauch "übel".
Und an dieser Stelle entfaltet der Katholizismus besonders seine
destruktiven Kräfte. Das Mädchen wird früh in dem Glauben erzogen, dass
Abweichler später in eine "ewige Hölle" müssen.
Kein Wunder also, dass die älteste von vier Schwestern besondere Anstrengungen
unternimmt, um zeitlebens ein "liebes", gehorsames und korrekt-katholisches Kind zu sein. Sie kümmert
sich oftmals rührend um andere Familienmitglieder und fügt sich ein in alle
vorgegebenen Traditionen und Gebräuche. So wird beispielsweise der 13.
eines jeden Monats in der Familie als "Tag der Jungfrau von Fatima" in Ehren
gehalten. "Das ist ihr Scheiß-Tag", so später einmal ein "Dämon" aus Anneliese über
den 13.10.1975 im Hinblick auf die Jungfrau von Fatima (Wolff, S. 46). In der Ich-Form hätte Anneliese Michel solches
nicht zu sagen
gewagt. Denn sie ist voller Angst, den Anforderungen des katholischen
Glaubens nicht zu genügen. Also sucht sie mit ihrem Intellekt nach anderen
Erklärungen für ihren Widerstand gegen diesen Glauben, der manchmal
unvermittelt aus ihr heraus bricht; so z. B. auch bei einer Wallfahrt ins
italienische San Damiano, als sie ein Glas mit "geweihtem Heilwasser"
wegstößt.
Schon früh glaubt Anneliese deshalb, eine Verfluchung wäre angeblich der Grund für ihre
Seelenkämpfe. Eine fremde Frau hätte diesen Fluch
bei ihrer Geburt über sie ausgesprochen. Diese Vorstellung ermöglicht ihr, dass sie viele ihrer Gedanken,
Gefühle und Empfindungen nicht zulässt und als ihre eigenen annimmt.
Dann hätte sie nämlich daraus andere Schlussfolgerungen für ihr Leben
ziehen können als die angebliche Wirksamkeit einer Verfluchung. So aber begleitet sie das Gefühl der Verworfenheit und
Verdammnis, seitdem in ihrer Pubertät wie bei jedem Jugendlichen Gefühle verrückt
gespielt haben und normalerweise auch rebellische
Gefühle gegen die Welt der Erwachsenen auftreten. Von sich selbst sagt
Anneliese Michel, dass sie etwa seit ihrem 13. Lebensjahr besessen
gewesen sei, also zeitweise nicht mehr in der Lage, ihr Leben mit ihrem
Oberbewusstsein eigenverantwortlich kontrollieren zu können.
In einem Brief an
Pfarrer Ernst Alt, einen der beiden Exorzisten, schreibt sie z. B. im Jahr 1974:
"Ich heulte oft abends für mich
... Von Gott fühlte ich mich irgendwie total verlassen. Damals war
ich schon ziemlich umsessen."
[Anmerkung:
"Umsessen"
sein ist eine sinnvolle Umschreibung für eine Vorstufe zu einer womöglichen
"Besessenheit". In diesem Stadium spürt der Betroffene
bereits die Nähe
von als
"fremd"
erlebten Mächten, wird aber noch nicht von ihnen beherrscht.]
Und weiter: "Ich wollte mich immer umbringen. Dortmals hatte ich höllische Angst,
wahnsinnig zu werden vor Verzweiflung ..."
(Goodman, S. 91).
Offenbar hat hier der nicht eingestandene kindliche
und jugendliche Widerstand gegen
die katholischen Normen, mit denen sie aufgewachsen ist, bereits angefangen,
sich zu
verselbstständigen. Und dass der strenge katholische Gott ihrer Kindheit ihr
nicht dabei hilft, ihre eigene innere Mitte zu finden und
ein glücklicher junger Mensch zu werden, ergibt sich zwangsläufig daraus, dass dieser kirchliche Gott weder
für Zweifel an ihm Verständnis hat noch für eventuelle "Sünden" aus
jugendlichem Übermut, die bei einem Jugendlichen in der Sturm-und-Drang-Zeit
eben vorkommen. Stattdessen hätte der "Heiland" ihr später das "Angebot"
gemacht bzw. von ihr verlangt, für das, was sie anderen "angetan" habe, zu
leiden, um dadurch "reiner" zu werden. So weist sie z. B. als Zehntklässlerin
während einer Geburtstagsparty den Annäherungsversuch eines Mitschülers verständlicherweise zurück, da sie ihn
"nicht leiden" konnte. Später
schreibt sie aber darüber: "Ich spürte doch auch, dass er Hilfe suchte. Hier
liegt mein Versagen. Ich wollte lieber mit einem anderen tanzen, statt dass
ich mich Aug in Aug mit ihm unterhalten hätte" (Goodman, S. 161)
– ein zwar edel
gemeinter Gedanke, der
sich aber bei Anneliese destruktiv gegen die eigene Person richtet, weil sie
sich ihre eigenen Empfindungen nicht zugesteht bzw. ihre verständliche
Abneigung gegenüber dem Annäherungsversuch nicht akzeptiert. Stattdessen bekämpft sie ihre Gefühle und verzweifelt schließlich aufgrund ihres
katholischen Glaubens an dem, wozu sie sich verpflichtet fühlt, nämlich dem jungen
Mann durch ein Gespräch vermeintlich zu "helfen".
Offensichtlich hat Anneliese Michel
also große Schwierigkeiten, diese unter Jugendlichen üblichen Erfahrungen
richtig zu verarbeiten und verstrickt sich in überzogene katholische
Schuld-Komplexe anstatt ein gesundes Selbstvertrauen trotz des Bewusstseins
eigener Mängel zu entwickeln. Auch als Studentin ist dieses Thema
gegenwärtig, und Mechthild Westiner, eine Kommilitonin, erinnert sich, dass
Anneliese Michel im Unterschied zu zwei anderen überzeugten Katholikinnen
hierbei auch ganz natürlich sein konnte. So erklären die beiden anderen
einmal im Studentenwohnheim: "´Unser
Ziel ist, heilig zu werden`. Da hat sie [Anneliese] angefangen, [mir] mehr und
mehr zuzuzwinkern zwischendrin. Sie hat schon gezeigt, dass sie nicht ganz
einverstanden ist." (Satan lebt, WDR 2006)
Denkbar ist, dass
Anneliese Michel dann aber dazu neigt, in eine gedankliche Harmoniewelt,
also in eine Art heile
Bilderwelt, zu flüchten anstatt die Probleme praktisch und im Einklang mit
ihrem Gefühl bzw. ihrem inneren Wesen zu lösen und dafür auch die volle
persönliche Verantwortung zu übernehmen. Und ein solches Ausweich- oder gar
Fluchtverhalten ist nicht
ungefährlich, wenn es zum Dauerzustand wird, und hier könnte mit eine
Erklärung dafür liegen, wenn sich innere Widersprüche in einem Menschen
allmählich verselbstständigen, wie dies schließlich bei Anneliese Michel
geschieht.
So können – allgemein gesprochen – längere gedankliche Abwesenheiten eine
"Umsessenheit"
vorbereiten. Und diese hat ein Betroffener unter Umständen eben dadurch selbst verursacht, dass er über Jahre hinweg immer wieder
gedanklich in
eine Phantasie- und Bilderwelt eingetaucht bzw. geflohen ist. So kann es
passieren, dass sich die Persönlichkeit im Laufe der Zeit allmählich aufspaltet. Denn die Gedanken bzw. die
Aufmerksamkeit des Menschen, der sich immer wieder in bildhafte Traumwelten
flüchtet, befinden sich dann ja nicht bei
seinem Körper und im
Geschehen der Gegenwart, sondern eben in der selbst geschaffenen
tagträumerischen Bilderwelt.
Und nun kann man weiter fragen: Wenn ein Mensch immer häufiger gedanklich
seinen Körper sozusagen "verlässt" und in eine Phantasie-Wunschwelt
abtaucht, könnte es dann nicht sein, dass sich andere Kräfte mit der Zeit
dieses Körpers bemächtigen können? Denn der Körper ist dann ja "frei", wenn ihn die Seele
des Menschen, die ihn normalerweise durchdringt, gedanklich verlassen hat, um
auf diese Weise der Wirklichkeit zu entfliehen. Dann wäre aus einer "Umsessenheit" eine
"Besessenheit" geworden. Und so könnte man auch
erklären,
dass "Besessenheit" – vorausgesetzt, dass es sie gibt – einen Menschen nicht
aus heiterem Himmel überfällt, sondern als langfristige Folge eigenen Verhaltens.
Nachweisbar ist, dass Anneliese Michel irgendwann nicht mehr in der Lage
ist, die Abwesenheiten mit ihrem Oberbewusstsein zu kontrollieren und durch
einen disziplinierten Willensentschluss zu
beenden. Dies könnte der Beginn der "Besessenheit" gewesen sein. Bei
Anneliese Michel steigert es sich schließlich im Laufe der Zeit so weit, dass sich dann
kurz vor ihrem Tod z.
B. Stimme, Gesichtsausdruck, Körperhaltung und sogar der Körpergeruch
verändert. Die Stimme wird tiefer bzw. gellend und ein anderes "Ich" beginnt
zu reden. Die Augen bekommen einen bedrohlichen Glanz, der ganze Körper wird
steif und beginnt, unangenehm zu riechen, begleitet von heftigen
Schweißausbrüchen. Und die Hände formen sich krallenartig, wie Zeugen der
Anfälle darlegen. Es ist
offensichtlich, dass das andere "Ich" kein friedfertiges Wesen ist,
sondern sich über den Körper der jungen Frau in einer Weise ausdrückt,
welche die meisten Menschen nur aus Horror-Filmen kennen. Doch ist das andere
"Ich" wirklich
ein völlig fremdes, das nichts mit der Person zu tun hat, durch das es sich
äußert?
Ein solches Szenario entsteht ja nicht über Nacht.
Sondern es hat mit voran
gegangenen Weichenstellungen im Leben zu tun.
Ein weiteres Beispiel:
Wie alle junge Mädchen interessiert sich
Anneliese Michel z. B. für die aktuelle Hitparade oder für Mode. Dass sie – wie andere junge Frauen
– Hosen tragen darf, vor allem im
Winter, wenn es draußen kälter ist, wird ihr jedoch von den Eltern nicht erlaubt.
Anstatt entweder sich durchzusetzen und den Konflikt durchzustehen oder eben den Eltern
durch eine bewusste Entscheidung
nachzugeben, hält sich Anneliese harmoniebedürftig an einer angeblichen
Marieneingebung fest.
Ihre Mutter erzählt: "Da hat die Muttergottes mit ihr gesprochen und hat
gesagt, sie sollte keine Hosen tragen, da wär man wie ein Mann und sie
möchte das nicht haben. Da hat Anneliese keine mehr angezogen."
(Wolff, S. 69)
Marienstatue in Klingenberg am Main – Die "Muttergottes"
hatte zu Anneliese gesagt, sie solle keine Hosen anziehen. "Da wär man wie ein
Mann ..."
So wird also dieser Konflikt durch eine angebliche Einsprache Marias
"gelöst", und
bereits hier ist es nicht mehr das Mädchen Anneliese, das selbst entscheidet,
sondern eine dritte "Kraft". Und wer immer hinter dieser
katholisch geglaubten "Maria" auch
steckte, die Seele der Mutter von Jesus von Nazareth war es mit höchster
Wahrscheinlichkeit nicht.
Als kirchlich ergebenes Kind gehorcht sie jedenfalls dieser "Einsprache",
die sie als eine Weisung Marias deutet.
Doch auch
andere Kräfte bzw. "Interessengruppen" entdecken wohl mehr und mehr diesen offenbar
medialen "Kanal", durch
den sie Einfluss auf das
Mädchen nehmen können. Und so hat sie mit ihrem "gehorsamen" Verhalten
vermutlich die
Voraussetzung für weitere fremde Einflüsse auf ihre Person bzw. weitere
Einflüsterungen geschaffen. Und in einigen Jahren
werden deshalb noch ganz andere Instanzen auf diese Weise auf Anneliese einwirken als eine der Mode
widersprechende vermeintliche "Muttergottes".
In einem Gespräch äußert sie im Jahr 1975: "Ich hatte oft Angst, die
eigentlich unbegründet war, und war deshalb oft schweißgebadet. Ich hatte
schon immer dunkle Vorahnungen und musste schon damals an Neujahr oder
meinem Geburtstag weinen, da ich immer Schlimmes auf mich zukommen sah.
Bereits 1973, als ich Abitur machte, hatte ich den Gedanken, verdammt zu
sein"
(Wolff, S. 191). Von da an hatte sie noch ca. drei Jahre als Mensch zu
leben.
Auch von manchen anderen Menschen wird berichtet, dass sie dunkle Vorahnungen
hatten. Wer dabei aber diese Ahnungen oder Ängste in erster Linie als Warnungen verstand, konnte
sie oft überwinden, auch wenn es manchmal einige Zeit dauerte. Dies
war möglich, weil insofern auf die Warnungen gehört wurde, als der Betroffene
etwas in seinem Leben änderte.
Doch was auch für Anneliese Michel eine massive Warnung hätte sein können,
um innezuhalten und die
Botschaft ihrer Ängste und Ahnungen zu verstehen und manches noch rechtzeitig wenden zu
können, wird nicht als eine solche Botschaft verstanden. Sie ist blockiert
durch ihre Angst vor einer ewigen Verdammnis, welche ihr von der Kirche
indoktriniert wurde und welche sie nicht hinterfragte. Und so bahnt sich tatsächlich von Tag zu Tag mehr ein schweres Schicksal
an. Die höllische Drohbotschaft der Kirche an
Sünder, Zweifler und mögliche Abtrünnige steckt dabei wie ein giftiger
Pfahl in der Seele des Mädchens. Und dieser Umstand verhindert wohl, dass Anneliese Michel
auch andere
Seiten an sich entdeckt und praktisch erfährt als das "Idealbild" aus ihrem
Oberbewusstsein, eine ergebene junge Katholikin zu sein, welche die
Anforderung der Kirche an die Gläubigen sogar übertrifft. Ihr katholischer
Glaube blockiert ihre Selbsterkenntnis, und sie glaubt, einer angeblich
drohenden "ewigen Verdammnis" entgehen zu können, indem sie sich innerlich "zurecht" prügelt. Später übernehmen diese Rolle dann die Exorzisten.
Einmal während der Abiturprüfung kann die junge
Frau Michel keinen klaren Gedanken mehr fassen. Stattdessen hört sie in
ihrem Inneren in ständiger Wiederholung: "Du
bist verdammt! Du bist verdammt! Du bist verdammt!"
(Wolff, S. 97)
Als ihr Freund Peter Himsel, der im selben katholischen Studentenwohnheim in Würzburg wohnt wie sie
(im Ferdinandeum in der Schlörstraße 2, wo übrigens auch schon Bischof
Josef Stangl, der bald den Exorzismus anordnen wird, als Student wohnte), rückblickend nach der Herkunft
dieser bedrängenden Stimmen
fragt, bezichtigt sich Anneliese Michel ohne Selbstbewusstsein selbst: "Ich
hätte mehr beten müssen. Ich bin selbst daran mitschuldig"
(Wolff, S. 190).
Anneliese beklagt aber nicht, Warnungen verdrängt zu haben oder
andere wichtige Hinweise aus ihrem Alltag, sondern sie klagt sich einmal mehr an, die katholischen Normen zu verfehlen
und deshalb von der Hölle bedroht zu sein. Ein Mitstudent berichtet später
über einen Besuch in ihrem Studentenzimmer: "Es brannten über 30 Kerzen, man
ernährte sich von Apfelbrei und Mineralwasser ... Heute würde man sagen, sie
war magersüchtig oder litt an Bulimie" (zit. nach Main-Echo,
23.7./24.7.2016).
Und nach dem Besuch eines Nervenarztes notiert
dieser: "Sie habe keine Entscheidungskraft"
(Wolff, S. 99).
Anneliese nennt sich selbst "Schlange". Und zu einer Bekannten sagt sie: "Wenn
Sie wüssten, was ich alles gegen Gott getan habe! Ich kann nicht beichten.
Wenn Sie wüssten, was ich für eine bin, was ich für eine Schuldige bin!"
(Wolff, S. 116)
Hier ist sie nahe daran,
das "Versteckspiel" aufzugeben und sich zu womöglich geheimen Gedanken-Bildern, geheimen
Wünschen oder verborgenen Taten bzw. unverarbeiteten Erfahrungen zu bekennen, was eine große Chance für einen verantwortlichen Umgang damit hätte sein können.
"Wenn Sie wüssten", worum es sich dabei handelt, so Anneliese Michels
Worte zu der Bekannten.
Nahe liegend ist der Bereich der Sexualität, wie z. B. auch die Selbstbezeichnung
"Schlange" vermuten lässt.
Allgemein ist
bekannt, dass in der Regel immer wieder verdrängte sexuelle Wünsche mit der Zeit heftiger werden. Und nicht immer
wird dabei – allgemein gesprochen – der eigene Freund oder Partner begehrt,
so dass "Schlange" – allgemein gesprochen – auch das Thema "Untreue" beinhalten kann.
Ihre Mutter hatte
sich ja einst auf eine sexuelle Affäre mit einem Mann eingelassen,
der nicht ihr Verlobter war, eventuell war es der Dorfpriester, und Annelieses
Halbschwester Martha ging aus dieser Verbindung hervor. Und ausgerechnet die
eheliche Zeugung und Geburt von ihr, Anneliese, sollte diesen "Fehltritt"
der Mutter "sühnen". Und jetzt ist sie, Anneliese, selbst noch im
ausgehenden Alter des Sturm
und Drang und – wie damals ihre Mutter – nicht verheiratet, und sie hat einen
festen Freund. Aber vor allem als Studentin ist sie auch von anderen jungen Männern umgeben
und als strenge Katholikin auch immer wieder von Priestern, ausschließlich
Männern, die bekanntlich vielfach selbst ein schwer gestörtes Verhältnis zur eigenen Sexualität
haben, diese "Störung" jedoch nicht selten als besondere "Berufung"
verbrämen.
Im Jahr 2016, 40 Jahre nach ihrem Tod, äußert die Regionalzeitung
Main-Post, dann dazu einen Verdacht: "Gab es damals sexuellen Missbrauch?"
(10.10.2016)
Und dieser Verdacht hatte sehr konkrete Anhaltspunkte. Denn kurz zuvor war bekannt worden, dass ihre beiden Exorzisten
gegenüber anderen Personen des
sexuellen Missbrauchs beschuldigt werden. Im März 2016 dokumentiert der
Missbrauchsbeauftragte der Diözese Würzburg, Professor Klaus Laubenthal,
einen entsprechenden länger zurück liegenden Vorwurf gegen Exorzisten-Pater Arnold Renz. Und zu Ernst Alt heißt es dort:
"Auch der zweite am Exorzismus beteiligte Pfarrer, der ein besonderes
Vertrauensverhältnis zu Anneliese Michel gehabt haben soll, wird von einer
anderen Frau des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Dieser Fall wurde aber
nicht mehr von Laubenthal bearbeitet."
Und weiter: "Zu beiden zeitlich und örtlich völlig unabhängig voneinander
vorgebrachten Vorwürfen meint Professor Laubenthal, dass künftige
Forschungen zum Fall Anneliese Michel auch den Aspekt des sexuellen
Missbrauchs in Erwägung ziehen sollte."
Fakt ist auf jeden Fall, dass Anneliese Michel des Öfteren allein beim
Priester und "Seelsorger" Ernst Alt im Pfarrhaus in Ettleben weilte
und möglicherweise auch über Nacht – Anneliese also allein mit dem Priester und
das auch noch in einem
Gemäuer, in dem einer der Vorgänger von Pfarrer Alt, der
mehrere uneheliche Kinder zeugte, auch gemordet und geschlagen hat. Über das
innerkirchliche Verhör von Pfarrer Alt wurde jedoch bisher öffentlich nicht berichtet,
wie immer in der Vatikankirche, in der selbst schlimmste Sexualverbrechen
vertuscht werden und nach dem
bis 2019 geltenden
Päpstlichen Geheimhaltungsgesetz bei Androhung der Exkommunikation
Jahrzehnte lang nach
außen auch vertuscht werden mussten. Der Verdacht, dass die junge Frau
womöglich von ihrem "Seelsorger" oder ihren "Seelsorgern" auch sexuell
genötigt wurde, ist also nicht entkräftet, und erst im Jahr 2019 kam in
größerem Ausmaß ans Licht der Öffentlichkeit, wie oft junge Katholikinnen,
vor allem Nonnen, über Jahrzehnte von Priestern vergewaltigt und zur
Prostitution bzw. zu Abtreibungen gezwungen wurden. Das Teuflische ist also
– allgemein gesprochen – möglicherweise gar nicht so jenseitig wie von vielen vermutet;
wie gesagt, allgemein gesprochen, denn weder von Pfarrer Alt noch in den
bekannt gewordenen Aufzeichnungen von Anneliese Michel gibt es
veröffentlichte Aussagen in diese Richtung.
Doch was immer auch Anneliese Michel ihrer Meinung nach "gegen Gott"
getan habe, sie benutzt es zu ihrer Selbstverurteilung – auch wenn sie dabei
womöglich nur einer weiteren Indoktrination aufgesessen ist.
Nach der
katholischen Lehre verführte die Schlange – als Symbol für Satan, auch
"Luzifer" genannt, bzw. die dunkle Macht – die
Frau, die anschließend den Mann verführt. In der biblischen Sündenfallgeschichte, auf die sich die
katholische Kirche beruft, steckt auch viel sexuelle
Symbolik, z. B. in 1. Mose 3, 7, wenn es heißt, "... sie
[Adam und Eva] wurden gewahr, dass sie nackt waren". Deshalb gilt die Schlange auch als
Ur-Bild der sexuellen Verführung.
Und später wird "Luzifer", die
personifizierte "Schlange", einer der "Dämonen" sein, der aus
Anneliese spricht. Und es mutet wie eine makabre Fortsetzung der biblischen
Geschichte an, wenn Anneliese sich unter seinem Einfluss später oftmals "gezwungen"
fühlt, sich vor anderen nackt auszuziehen – eine Spätfolge womöglich von immer brutalerer Selbstkasteiung
und gleichzeitig wohl ein gellender Hilferuf bzw. ein Protest und eine Anklage
gegen die bigotte Prüderie bzw. sexuelle Verkorkstheit in ihrem katholischen Umfeld.
Ebenfalls unter
dem Einfluss dieses "Dämons" nimmt sie ihren
Angaben zufolge in
ihren Empfindungen z. B.
einzelne sexuelle
"Verfehlungen" von
Bürgern am Rande des Klingenberger Festplatzes während des Volksfestes wahr.
Sie selbst hält sich in dieser Zeit aber in einiger räumlichen Entfernung zu den Geschehnissen in ihrer Wohnung auf.
Vielleicht spielen bei Anneliese Michels Selbstanklagen auch
unausgesprochene Vorwürfe an ihre Eltern eine Rolle, die sie den Berichten
zufolge sehr gern hat,
von denen sie sich jedoch kaum verstanden fühlt und die ihr Leben
einschränken. Unter dem "Zwang" der "Dämonen" startet sie später manche
wilde Kuss-Attacke auf ihren Vater, bzw. sie springt ihn mit "obszönen
Gesten" an – auch hier Handlungsweisen einer völlig aus dem Ruder laufenden
Körperlichkeit bzw. Sexualität. Dabei ist nahe
liegend, dass es bei all´ den
dramatischen Ereignissen umfassender auch um das Aufbegehren gegen den katholischen
Kinderglauben geht, der ja immer auch mit einer sehr strengen Sexualmoral
verbunden ist. In klaren Augenblicken ist sich Anneliese selbst bewusst,
dass sie den Anforderungen des katholischen Glaubens und ihrer katholischen
Erziehung vielfach nicht entspricht, während sie nach außen krampfhaft den
Schein zu wahren versucht, was sich körperlich womöglich bis hin zu den
unkontrollierten Verkrampfungen der epileptischen Anfälle zeigt, welche die
Ärzte diagnostizieren.
[Anmerkung: "Besessenheit" oder "Epilepsie" sind für den
Autor nicht zwei Alternativen, die sich bei der Deutung von Anfällen
gegenseitig ausschließen müssen. Sie könnten unter Umständen – jedoch nicht
generell – auch zwei unterschiedliche Aspekte des gleichen Komplexes
sein; siehe dazu auch weiter unten].
Ob es also im wesentlichen diese hier dargelegten Komponenten sind, aus denen sich Anneliese
Michels Schuldbewusstsein
zusammensetzt oder ob es noch weitere gibt, kann man
nicht genau wissen. Denn ihr Tagebuch, das einen detaillierteren
Aufschluss über ihren Seelenzustand geben könnte, geht nach ihrem Tod in
kirchlichen Kreisen "verloren". Wohl aus gutem Grund.
Möglicherweise enthalten sie Aspekte oder gar handfeste Beweise des von Professor Laubenthal in
Erwägung gezogenen "sexuellen Missbrauchs". Und zum anderen könnte man aus ihren
Aufzeichnungen vielleicht noch mehr über ihre verschwiegenen Gefühle
gegenüber der Kirche erfahren; und eventuell mehr über die mit ihrer Selbstverurteilung
verbundene panische Angst vor einer angeblichen ewigen Verdammnis. Und das würde
ein noch schlechteres Licht auf die römisch-katholische Kirche und ihre
Amtsträger werfen, welche ihr
das tödliche Gift dieser Vorstellung eingeträufelt hat.
Doch auch so scheint klar: Um diese grausamste aller Vorstellungen abzuwehren, spaltet Anneliese in sich das aufkeimende
Nicht-Katholische mehr und mehr ab als nicht zu ihr gehörig, und sie liefert somit einen idealen Nährboden für die
"Dämonen".
Am Ende ihres Lebens ist Anneliese nicht mehr nur "schizoid", sondern
wohl bereits innerlich geteilt, d. h. in mindestens zwei Hälften gespalten. In dieser
Situation erlebt sie verstärkt, wie nun offenbar fremde
Kräfte sich immer mehr der gegensätzlichen bzw. unterschiedlichen Persönlichkeitsanteile in ihr bemächtigen. Und diese
Kräfte kann sie immer weniger selbst steuern.
Und nicht nur das: Unter extremen
Zwangsgefühlen vollzieht
Anneliese zudem Perversitäten, bei denen man sich fragen kann, ob
und wie viel dies noch mit
Persönlichkeitsanteilen von ihr zu tun hat. Der Zusammenhang zu ihrem Leben
ist zwar herstellbar, wenn sie z. B. "gezwungen" wird, endlos auf den Knien
Rosenkränze zu beten oder sich die Kleider vom Leib zu reißen und nackt auf
dem Boden zu schlafen. Doch wie ist es, wenn sie "gezwungen" wird, bis zum
körperlichen Zusammenbruch Kniebeugen zu machen, zwei Tage lang unter dem Tisch
zu jaulen oder zu bellen wie ein Hund?
Und schlimmer noch: Sie "muss" z. B. Spinnen essen, einem toten Vogel auf dem Dachboden den Kopf
abbeißen, Kohlen kauen, sich im Kohlenstaub wälzen oder ihren eigenen
Urin vom Boden aufschlürfen. So scheint sie fast nach Belieben in
Niederungen tiefster Degeneration hineingesteuert
werden zu können. Doch warum entzieht sich die junge Frau nicht
diesen ekelhaften und monströsen "Zwängen" bzw. "Befehlen"?
Ihren eigenen Aussage zufolge, weil sich ihr "Ich" wie gelähmt fühlt und
sie nicht die Kraft in sich verspürt, sich dem zu widersetzen.
Selbst der Intellekt der jungen Frau weiß in wachen Stunden nicht mehr, wie
er alles deuten soll. Während Anneliese Michel manchmal glaubt, der "Heiland"
würde ihr diese und jene furchtbaren Befehle geben, wird sie von den Exorzisten belehrt,
"dass der Teufel auch in der Gestalt des Engels erscheinen und natürlich
auch dessen Stimme nachäffen kann" (Goodman, S. 193). Dies sagen die
Priester jedoch nur, wenn der "Heiland" sich nicht in ihrem Sinne äußert.
Falls er jedoch etwas sagt, was diese hören wollen, gilt der "Heiland" den
Exorzisten als echt. Währenddessen nimmt die Tragödie der jungen
Lehramtsstudentin ihren Lauf.
Anneliese Michel z. B. wörtlich über den Zwang, sich auszuziehen:
"Ich wollte mich ins Bett legen, und dann fing es an: ausziehen! Das ist
plötzlich da: ausziehen! ... Und dann ging es noch los, dass ich da hinüber
gehen soll ... Dann konnte ich mich wieder anziehen ... Ja, also, es ist
wirklich wahr, da befiehlt ein anderer! Und zwar muss es deswegen von dort
unten sein. Aber das Komische ist immer noch: Ich soll jetzt das und das
machen, soll mich jetzt ausziehen, das merke ich erstens, und zweitens höre
ich es auch ein bisschen. Und dann meine ich immer, das wäre der Heiland."
Welche Gedanken und Gefühle mögen hier bei einer streng gläubigen
Katholikin ausgelöst werden, wenn vielleicht gar der "Heiland" selbst
möchte, dass sich eine Frau auszieht; vielleicht, um womöglich in einer
gedanklichen Bilderwelt sexuelle Handlungen vorzubereiten,
ihr womöglich im Rahmen eines gedanklichen Kokons vielleicht sogar die "Jungfrauschaft" zu nehmen oder gar ein Kind mit ihr zu zeugen?
Welche Empfindungen werden also ausgelöst, eventuell einmal mehr
uneingestanden oder mehr schemenhaft bzw. ansatzweise? Vielleicht auch
einfach einmal,
indem der "Heiland" eine gläubige Katholikin in ihrer körperlichen Nacktheit
betrachtet – ein Thema, das in Anneliese Michels familiärem und religiösem Umfeld ein
angstbesetztes Tabu ist.
Hier ist also im konkreten Beispiel der Zusammenhang zwischen der
Einsprache und den eigenen Persönlichkeitsanteilen sehr nahe liegend. Und
wer kann schon wissen, welche Gedankenphantasien bei einem Menschen in der
Zeit zuvor
möglicherweise aufgebaut worden sind?
Ein andermal
spricht Anneliese Michel auch über den Zwang, sich in viel zu engen Schuhen die Haut
aufzuschürfen, was sie dann auch zwanghaft und masochistisch tut:
"Also, jedenfalls muss ich es so machen, ob es jetzt der Heiland ist oder
der ´Andere` [= Luzifer]. Ich muss es machen! Da kann ich mich überhaupt
nicht dagegen wehren. Ich wehre mich zwar, aber das hilft nicht ´die Bohne`.
Je mehr ich mich dagegen wehre und sträube und will es absolut nicht machen,
umso schlimmer wird es nämlich." (Goodman, S. 191 ff.)
Und Heilung bzw. Befreiung
von diesen massiven Zwangsvorstellungen und "Befehlen" erhofft sich Anneliese Michel nun ausgerechnet von der römisch-katholischen Kirche, an deren Lehre sie
innerlich erkrankt ist. Vermutlich hätte es ihr geholfen, wenn jemand
rechtzeitig versucht hätte, ihr den Katholizismus – im übertragenen Sinne –
"auszutreiben" und ihr die Möglichkeit gegeben hätte, einmal frei über ihre verdrängten Gefühle bzw.
unverdauten Erfahrungen zu sprechen, ohne sie dabei allerdings zu drängen oder zu nötigen. Denn
jeder Mensch soll ja frei in seiner Entscheidung sein. So aber willigt
Anneliese Michel immer wieder ein, dass an ihr der römisch-katholische Exorzismus
nach dem Rituale Romanum von 1614 durchgeführt wird, das von Papst Pius XII.
im Jahr 1954 erweitert worden war. Und sie setzt sich dabei z. B. nachfolgendem
Ritual aus:
"Ich beschwöre dich, unreiner Geist, jeden
Einfluss des bösen Feindes, jedes Gespenst und jede teuflische Heerschar, im
Namen unseres Herrn Jesus Christus: Verschwinde und fahre aus von diesem
Geschöpf Gottes!" "Weichet von mir, ihr Verfluchten in das ewige Feuer, das
dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist! Du Gottloser, und deine Engel
werden Würmer sein ... [Euch] wird ein unauslöschliches Feuer bereitet, da
du der Anstifter des schimpflichen Mordes bist, der Meister der schlimmsten
Frevel, der Lehrmeister aller Gotteslästerung, der Lehrer der Irrlehrer, du
Unzüchtiger. Weiche also, Gottloser! Weiche, Verruchter! Weiche mit all
deinen Täuschungen!" (Agape Satana! Das Brevier der Teufelsaustreibung mit Rituale Romanum,
Genf 1975, S. 207; zit. nach Wendezeit Nr. 2/2006, S. 34)
Mit solchen Beschwörungsformeln
versuchten katholische Exorzisten seit Jahrhunderten, "Dämonen" auszutreiben
–
nach dem Desaster von Klingenberg in
Deutschland unter noch größerer Geheimhaltung als zuvor; umso häufiger jedoch auch
öffentlich z. B. in Italien, Spanien und in Ländern der Dritten Welt.
Nach der Intensivierung der katholischen Exorzismus-Ausbildung durch Papst
Benedikt XVI. seit Sommer 2005 könnte sich dies aber auch in Deutschland
bald wieder geändert haben. Denn die Ereignisse von Klingenberg liegen jetzt [2021] schon
ca. 45 Jahre zurück.
Die beiden Exorzisten, Pfarrer Ernst Alt aus Ettleben bei Schweinfurt, und Pater Arnold Renz aus dem benachbarten Rück-Schippach,
der im Auftrag des damaligen Bischofs von Würzburg, Josef Stangl
(1907-1979, Bischof seit 1957), den
katholischen Exorzismus durchführt, bringen es auf 67 Sitzungen. Dabei gibt
Pfarrer Alt offenbar maßgeblich die Strategie vor und führt auch die
Verhandlungen mit dem Bistum Würzburg. Die erste Exorzismus-Sitzung dauert über
viereinhalb Stunden. 42 Sitzungen werden auf Tonband aufgenommen, so dass die
Prozeduren umfassend dokumentiert sind.
Die "Dämonen", die aus Anneliese sprechen, nennen sich Kain, Nero, Judas,
Luzifer oder Hitler, wobei hauptsächlich "Luzifer" und "Judas" tätig
geworden sein sollen. Zudem seien Vertreter der katholischen "Fraktion"
anwesend wie der 1999 "selig" gesprochene Franziskanerpater Pio (1887-1968)
oder die in der Familie
verehrten Katholikinnen Barbara Weigand (1858-1943) und Therese von Konnersreuth
(1898-1962). Oder es melden sich Seelen, die
sich als "Joseph", "Maria" oder gar als der "Heiland" selbst ausgeben.
Diese Seelen benützen ihrerseits die "Dämonen", indem sie diesen auftragen,
was sie durch ihr Medium, Anneliese Michel, durchgeben sollen. So sind auch die
"Dämonen"
ihrerseits mehr oder weniger "Medien", wenn sie im Auftrag der "anderen
Seite", in diesem Fall der katholischen, sprechen. Dabei müssen sie auch in Worte
fassen, was die römisch-katholische Kirche über sie lehrt. Z. B.: "Ich bin
verdammt in alle Ewigkeit, verdammt, verdammt." Oder "der Teufel muss
bekennen, dass er an die unbefleckte Jungfrau Maria glaubt". (Pater Arnold Renz in einer
Filmaufnahme aus dem Jahr 1976; Satan lebt, WDR 2006) (9)
Das gruselige Szenario hat auch starken Symbol-Charakter. Denn die beiden Seiten
haben nicht irgendwelche "Vertreter" "geschickt", sondern jede Seite gibt
vor, mit ihren "Spitzenkräften" anwesend zu sein, so wie dies im
Katholizismus geglaubt wird. Auf der einen Seite der "Heiland" und "Maria", auf der anderen Seite
"Luzifer" und "Judas", wobei sich auch die übrigen
Gestalten als "hochkarätige" Instanzen vorstellen. Dies kann nun –
unabhängig von der wahren Identität der "Dämonen" und angeblichen
Lichtgestalten – vor allem als ein Symbol für die extrem gegensätzlichen
Kräfte verstanden werden, die in Anneliese Michel mittlerweile wirken, wie
es extremer gar nicht mehr vorstellbar ist. Die inneren Spannungen sind nun
so stark, dass die junge Frau kurz davor steht, völlig zerrissen zu werden.
Anneliese Michel versteht sich bei
diesen gespenstischen Sitzungen jeweils als Objekt fremder Kräfte.
Zu ihrem Freund Peter sagt sie: "Ich spreche da überhaupt nicht mehr. Meine
Stimme wird einfach benutzt. Ich höre mir praktisch zu. Ich bin das
überhaupt nicht. Ich höre interessiert zu, und diese Bewegungen da und wie
ich mich wehre, das mache ich auch nicht, das geschieht einfach mit mir. Ich
stehe über der Sache und bin Beobachter."
(Wolff, S. 218 f.)
Was Anneliese Michel hier berichtet, klingt glaubhaft. Mittlerweile gibt es viele Erfahrungsberichte ähnlicher Art. Diese
sind zumindest
ein Indiz dafür, dass "Besessenheit" möglich ist
und unter Umständen als geistiger Hintergrund auch mit dem
Krankheitsbild einer
Epilepsie
in Verbindung stehen könnte, was jedoch nicht so sein muss. (Näheres dazu finden Sie
hier.)
Anneliese Michels Schilderungen würden
dann darauf hinweisen, dass sich ihre eigene Seele tatsächlich ganz oder teilweise außerhalb des
Körpers befindet (und von dort das Geschehen an ihr
"beobachtet"), während hauptsächlich die fremden Seelen durch ihren
Körper agieren und dabei die extrem gegensätzlichen Persönlichkeitsanteile
in ihr benutzen, die sich bereits verselbstständigt haben.
Es greift ganz offensichtlich zu kurz, ihr Verhalten
–
ergänzend zur Epilepsie-Deutung
–
als hysterisch bzw. als Hysterie oder
"hysterische
Psychose"
diagnostizieren zu wollen.
Dies erfolgt von Seiten der Schulmedizin
gelegentlich bei Menschen mit ähnlichem Verhalten (offenbar
häufiger als die Diagnose Epilepsie); und vor allem dann, wenn man die Möglichkeit einer
Besessenheit ausschließt. Zwar sind einige mögliche Ursachen bei beiden
Deutungen identisch (so z. B. eine übersteigerte Religiosität, eine starke
Empfänglichkeit für Suggestion, verdrängte Sexualität, ausgeprägte
Schuldgefühle und starke Gewissenskonflikte), aber es ist eben ein
entscheidender Unterschied, ob man selbst eine Art
"Inszenierung"
in die Wege leitet wie bei einer Hysterie oder ob man sich als Opfer einer
Fremdsteuerung erlebt wie bei einer Besessenheit, wobei es nahe liegend ist,
dass beides miteinander zu tun hat. Dabei ist auch die
Möglichkeit
fließender Übergänge sehr wahrscheinlich. Demnach würde es Phasen geben, wo das menschliche Ich agiert und am ehesten ein Psychotherapeut
oder ein Psychiater bzw. Nervenarzt ein helfender Begleiter sein könnte. Doch diese Phasen wechseln sich ab
mit anderen, wo
bereits andere Kräfte das eigene Ich bzw. einzelne Komponenten des Ichs beherrschen und das medizinische Wissen
nicht ausreicht.
So mag man als schulmedizinisch orientierter Zeitgenosse
mit mehr oder weniger Recht Überlegungen zu Hysterie oder zu stark
schizoiden bis schizophrenen Verhaltensweisen (oder
auch zu Epilepsie oder zu neuropsychiatrischen Erkrankungen) anstellen und
kann doch alleine damit die dahinter stehenden geistigen Kräfte nicht
erfassen.
Umgekehrt kann der in religiösen oder esoterischen Kategorien
denkende Mensch von Besessenheit, negativer Telepathie, schwarzer Magie
sprechen, von
Dämonen oder Seelen, und er landet doch letztlich bei einer
psychologischen Problematik des betroffenen Menschen, die den Phänomenen als
deren Wurzel zugrunde liegt.
Dabei kann der eine Bereich nicht vom anderen
isoliert werden, und es wird hier die These aufgestellt: Das
menschliche Ich steht immer in der Gefahr, von anderen Kräften manipuliert
oder gesteuert zu werden. Und umgekehrt: Der manipulierte oder gesteuerte
(bzw. besessene) Mensch muss, um gesunden zu können, früher oder später zu den psychischen
Wurzeln zurückgeführt werden, die dieser Manipulation oder Besessenheit
einst den Weg geebnet hatten. Dabei gibt es eben nicht nur die
beiden Typen
"Selbst
handelnd"
und
"Besessen",
sondern auch verschiedene Mischformen.
Zu diesen Mischformen würden auch die Handlungen gehören, die Menschen in
einer Art Trance durchführen. So konnten durch Hypnose-Experimente z.
B. körperliche Reaktionen beim Menschen hervor gerufen werden, die den
Phänomenen bei einer Besessenheit teilweise gleichen, wobei auch Kräfte frei gesetzt
wurden, über die der betreffende Mensch normalerweise nicht verfügt.
Lehnt man die
Möglichkeit einer Besessenheit ab, würde sich der Betroffene nach diesem
Erklärungsmuster in einer Art Selbstsuggestion bzw. Selbsthypnose in
das Phänomen der
"Besetzung"
hinein steigern, was dann durch die Beschwörungsformeln des Exorzisten noch
weiter verfestigt würde.
Diese Deutung kommt dem Sachverhalt zumindest etwas
näher als die Hysterie-Theorie, weil es den völlig anderen Bewusstseinsstand
des Betroffenen im Zustand der
"Besessenheit"
berücksichtigt. Doch lässt sich vieles, was der
"Besessene"
tut und sagt, eben nicht mit Selbstsuggestion erklären, weil eine Suggestion
mit diesen Inhalten in diesen Fällen schlicht nicht stattgefunden hat (z. B.
wenn ein
"Besessener"
in einer Sprache redet, die er nie gelernt hat und vieles mehr). Und
außerdem wird damit nicht erklärt, dass
"Anfälle"
eben auch ohne vorherige Suggestion erfolgen, so dass man auch von aktiven Kräften ausgehen kann, die zwar
–
wie bereits oben beschrieben
–
in enger Beziehung zum
"Besessenen"
stehen, aber nicht identisch mit ihm sind.
Betrachtet man die unterschiedlichen Deutungen, lässt sich
–
allgemein
gesprochen
–
zudem feststellen, dass ein möglicherweise identisches Phänomen von
verschiedenen Schulrichtungen mit
unterschiedlichen Interpretationen belegt wird. So kennt man in der Medizin mittlerweile
auch die
"multiple
Persönlichkeit"
(aus einem Menschen sprechen unterschiedliche Ichs bzw. verschiedene
Personen, die abwechselnd den Menschen steuern), was offenbar identisch mit einer
"Besessenheit"
ist.
Die möglichen geistigen Hintergründe hinter den vordergründigen Phänomenen könnten dann allgemein
und in aller Kürze wie folgt skizziert
werden:
Man
würde zunächst davon ausgehen, dass beim Tod eines Menschen jeweils die unsterbliche Seele ihre
sterbliche Hülle, den Körper, verlässt. Die unsterbliche Seele lebt im Jenseits
dann in dem Bewusstsein weiter, in dem der Mensch, in dem sie inkarniert
war, verstorben ist. Dabei suchen manche
Seelen wieder den Kontakt zur Erde und ihren Bewohnern. Und über Menschen, die sich für solche Einflüsse
freiwillig oder unfreiwillig öffnen,
so genannte Medien, kann eine Seele aus dem Jenseits nun auch mit unserer diesseitigen Welt Kontakt aufnehmen. Dies ist jedoch
den Erfahrungsberichten zufolge nicht beliebig möglich. Die jenseitigen Kräfte werden vor allem dort tätig, wo sie
bei einem Menschen bereits Gleiches oder Ähnliches vorfinden wie das, was sie
dann durch ihr Medium durchgeben. Es handelt sich also um eine Art
"geistigen Magnetismus" nach der Art "Gleiches zieht zu Gleichem".
Dies würde erklären, warum Annelieses "Dämonen"
teilweise genaue Anweisungen geben, welchen Kurs die römisch-katholische Kirche einzuschlagen hat, was sich in diesen Fällen mit
Annelieses eigenen Anschauungen oder denen ihrer Eltern oder der Exorzisten deckt. Z. B. fordert ein Dämon, die Hostie dürfe dem Gläubigen beim
Abendmahl nicht in die Hand gegeben werden (die so genannte "Handkommunion"), sondern müsse ihm wie die Jahrhunderte zuvor weiterhin in den Mund gesteckt
werden (die so genannte "Mundkommunion"), so wie es der Exorzistenpater Arnold Renz auch glaubt. Die Gläubigen
im Umfeld von Anneliese Michel deuten die Geschehnisse dann so wie die
Freundin Thea Hein (12), die von einem
Exorzismus u. a. berichtet: "Der Teufel hat gesagt, er muss noch allerhand
sagen im Auftrag des Nazareners." (Satan lebt, WDR 2006)
Doch mit dem Mann aus Nazareth haben diese Besessenheits-Phänomene nichts zu
tun, und es wird hier klar verneint, dass eine der beteiligten Seelen tatsächlich
Christus bzw. der "Heiland" gewesen sein könnte, wie er manchmal genannt wird. Denn Jesus, der Christus, nötigt weder einen
"Teufel" noch einen "Dämon", irgendetwas in seinem Auftrag mithilfe eines furchtbar leidenden Mediums
zu sagen, und solches ist auch
nirgends im Neuen Testament zu finden. Und schon gar nicht vertritt er
konservativ-katholische Vorstellungen, die mit ihm nichts zu
tun haben (vgl. z. B.
Der Theologe Nr. 25).
Hier stecken andere Kräfte dahinter,
und darunter eben auch ein falscher "Heiland".
Und auch bei den "Dämonen" muss bezweifelt werden, dass es sich bei ihnen wirklich um die Seelen von Adolf Hitler, Kaiser Nero, Judas,
Kain oder Luzifer handelte, als die sie sich ausgegeben haben. Hier könnte es
sich zumindest überwiegend um Wichtigtuerei handeln. Sehr wahrscheinlich
könnte sich jedoch tatsächlich die Seele von Pfarrer
Valentin Fleischmann bemerkbar gemacht
haben, die sich auch als solche vorstellte. Valentin Fleischmann war einer der Vorgänger des Exorzisten Ernst Alt auf der
Pfarrstelle in Ettleben,
der mehrere
uneheliche Kinder zeugte. (8)
Dabei scheint
hier eines
gewiss, auch für den, der diese mögliche Deutung nicht befürwortet:
Die
"Dämonen" aus Anneliese äußern
sich nicht beliebig.
Sondern sie spiegeln die mittlerweile extrem gegensätzlichen Persönlichkeitsanteile
der jungen Frau wieder, sowohl die
katholischen als auch die der katholischen Kirche gegenüber zutiefst feindlichen und aggressiven. So lehren die
"Dämonen"
im Auftrag ihrer katholischen "Hintermänner" einerseits: "Theologen müssen sich bessern", sprich
"bessere" Katholiken werden. Und andererseits zerreißt ein "Dämon"
dann in eigener Sache durch
Anneliese immer wieder Rosenkränze, oder er wehrt sich mit unflätigen Sprüchen oder wütendem
Schreien gegen den Exorzisten, oder er tut es mit der Selbstbehauptung "Ich bin nicht unrein".
Einen solchen Widerspruch gegen die katholische Lehre hätte die junge Frau
Michel in Ich-Form niemals gewagt, weil sie Angst vor den Konsequenzen eines Widerspruchs hatte.
Denn dann hätte sie sich aus ihrem von der Kindheit her vertrauten sozialen
Umfeld ausgeschlossen und hätte nach römisch-katholischer Lehre später ewig in die Hölle
gemusst. Und genau in dieser indoktrinierten Furcht davor liegt die
Hauptwurzel des ganzen Übels.
Und so scheinbar menschlich hart das in diesem Zusammenhang auch
klingt: Welche andere Möglichkeit hatten die aus dieser Furcht heraus abgespaltenen Persönlichkeitsanteile Annelieses, um sich Gehör zu verschaffen?
So verbündeten sie sich eventuell mit
fremden Seelen bzw. Mächten, um dann durch diese aus der jungen Frau
mit aller Wucht zu schreien. Anneliese Michel gibt diesen Empfindungen in ihr womöglich keine andere Chance und muss
einen grausamen Preis dafür zahlen.
So zwängt sie sich – trotz gegensätzlicher Empfindungen – immer wieder in
das enge Korsett ihrer römisch-katholischen Glaubenswelt zurück. Und damit
schafft sie vermutlich die Voraussetzung, dass sich auch "die jenseitigen Vertreter des
Katholizismus" dieser "Dämonen" bedienen können, die sich bei
Anneliese Michel den medialen "Kanal" geschaffen haben, durch den sie sich mitteilen
können.
Und hier treiben nun einige der "Dämonen" mit der Angst der engagierten Katholikin, der Kirche zu widersprechen, sich mit ihrem sozialen Umfeld zu überwerfen und am Ende ewig verdammt zu werden, ihre makabren und obszönen Spiele (Dauerkniebeugen, jaulen, nackt herumtoben, Spinnen essen und Urin trinken usw.; siehe oben). Und Anneliese Michel gehorcht immer – ein Leben lang und bis zum bitteren Ende. Ob bei klarem Bewusstsein oder unter dem von ihr als "Zwang" erlebten "Besessen-Sein". Sie gehorcht – sowohl der Kirche und ihren Drahtziehern als auch ihren "Dämonen".
In diesem Haus im fränkischen Weinland versuchten die beiden Priester Renz und Alt, die "Dämonen" aus der Studentin auszutreiben. Einen Tag nach dem 67. Exorzismus ist Anneliese Michel dort gestorben.
Die Austreibungsformeln des kirchenamtlichen Rituale Romanum, gesprochen durch
den Exorzisten Arnold Renz, der mal auf Deutsch, mal auf Latein beschwört,
tun ihr Übriges und geben der Studentin ganz offenbar den Rest. Und so wie in
nachfolgendem Beispiel geht es während des Exorzismus schier endlos hin und her.
"Pater Renz: ´Wir werden die drei Mächte bitten, dass sie euch in die Hölle stoßen.
Wir werden zu den Armen Seelen beten,
zu den Schutzengeln, zu den Heiligen ...` Pater Renz beginnt mit dem Vater Unser.
´Nein, nein, nein, nein, nein!`, schreit es aus Anneliese.
´Heiliger Erzengel Michael
... du Fürst der himmlischen Heerscharen, wolltest du den Satan und die anderen
bösen Geister, die zum Verderben der Seelen in der Welt umherschweifen, mit Gottes Kraft in die Hölle hinab stoßen
...`"
Felicitas D. Goodman, aus deren Buch Anneliese Michel und ihre Dämonen
(2) diese Zitate stammen, schreibt weiter:
"Endlich wehren sich die Dämonen:
´Wir bleiben noch!` knurrt einer.
´Wer erlaubt euch das?`
´Die Dame!`, bellt er.
Pater
Renz fängt von neuem an zu beten und versucht eine andere Taktik: ´Es muss euch doch eine Qual sein, hier zu bleiben! Ihr
solltet doch eigentlich mit Freuden ausfahren!`
´Nein!`
´Warum geht ihr nicht?`
´Weil´s dort viel schlimmer ist!`"
(Goodman, S. 165 f.)
Diese makabren Dialoge offenbaren dem, der es wahrnehmen will, eine einfache Wahrheit. Vorausgesetzt, Anneliese
Michel wurde
tatsächlich als Folge ihrer schizoiden Lebenshaltung von jenseitigen Seelen besessen,
nämlich "ihren Dämonen", dann ist es doch
verständlich, dass diese nicht in eine angeblich ewige Hölle wollen. Dahin hatte sie die katholische Kirche schon
oft
zu schicken versucht, und dahin wollen sie die kirchlichen Amtsträger nun
einmal mehr wieder verbannen.
Doch wer will schon
freiwillig in ein unendliches Grauen, in ewige
Qualen? Niemand will dorthin. Und eventuell ist es für diese Seelen ein
jenseitiges Aha-Erlebnis, dass man
auch keineswegs dorthin muss! Lieber
besetzen sie weiterhin ihr Opfer und schreien ihren Protest durch ihr Medium heraus ein Protest, der für die
kirchlichen Exorzismus-Vollstrecker natürlich gotteslästerlich klingt. Dabei sind die Schreie der
"Dämonen" manchmal nichts anderes
als eine Fundamental-Kritik an dieser scheinheiligen und furchtbaren römisch-katholischen Kirchenlehre, die aus den von ihr verdammten
Seelen durch das Medium heraus bricht!
So weit eine mögliche Deutung. Doch selbst wenn man voraussetzt, es würde sich
gar nicht um Seelen handeln, sondern "nur" um Persönlichkeitsanteile
Annelieses, die im Kampf mit den Exorzisten liegen, dann wäre das im Ergebnis nicht viel anders. Auch hier ist es verständlich,
dass diese Anteile Annelieses nicht in die "Verdammnis" wollen. Sie wollen als Teil der Persönlichkeit erkannt werden,
so dass ein gesunder Mensch entscheiden kann: Lebe ich das aus, was sich in mir an Gefühlen und Vorstellungen auftut?
Oder gestehe ich es mir ehrlich ein, gebe dem aber nicht nach, sondern bearbeite die aus meiner Sicht negativen Ursachen dafür?
Oder finde ich einen goldenen Mittelweg?
Bzw. beginne ich allmählich aufzuarbeiten, was mir eventuell andere einst angetan haben?
Doch bis zu dieser Fragestellung ist es bei Anneliese Michel
gar nicht mehr gekommen. Die "Dämonen" hatten sie in ihren letzten Monaten
schon zu sehr im Griff.
Vor allem der "Dämon" mit dem Namen Judas war beteiligt. Und auch er hat verständlicherweise kein
Interesse an der Hölle:
"Wo soll ich denn
hinfahren?"
"In die Hölle!"
"Nein!"
"Da gehörst du
hin!"
"Nein ... nein ...
nein ... nein!"
"In die Hölle
gehörst du! Nur weil du´s verdient hast, bist du dort. Du wolltest ja nicht
dienen!"
(Goodman, S. 170)
Neben Judas gibt es – wie bereits berichtet – v. a. den
"Dämon" mit dem Namen Luzifer. Pater Arnold Renz wiederholt den exorzistischen Befehl unzählige Male.
Dann heißt es bei der Buchautorin Felicitas Goodman:
"Pater Renz wendet sich an die Heiligste Dreifaltigkeit, an Jesus, an die
allerseligste Jungfrau Maria, den Erzengel Michael
–
es nützt nichts. Der
Dämon muss sich fast erbrechen und dennoch sagt er immer wieder: ´Nein!` Nach drei weiteren
exorzistischen Befehlen, er solle ausfahren und nie wiederkommen, scheint er endlich im Rückzug begriffen:
´Ich bin verdammt ... weil ich nicht
... weil ich Gott nicht dienen wollte ... ich wollte selber herrschen
... obwohl
ich nur Geschöpf war.`
Dann wehrt er sich wieder und fügt hinzu: ´Ich geh nit!`
Wie Hagel prasseln ihm die vielen Befehle des Priesters auf den Buckel, aber er
gibt sich nicht geschlagen. Er würgt furchtbar, mit übermenschlicher Kraft,
viermal hintereinander. Einige seiner Schreie ertönen doppelt, so als habe
er zwei Mäuler.
´Du wolltest dich dem Himmel nicht unterwerfen, nun musst du in die Hölle!`
–
´Nein ... nein ... nein ... nein!`"
(Goodman, S. 171)
Die "Dämonen" wehren sich auf solche Weise erfolgreich gegen die Versuche der kirchlichen Amtsträger, sie in eine ewige Verdammnis
zu verbannen.
Wenn man solches liest und sich bewusst macht, dass all dies
eben nicht nur auf die "Dämonen", sondern auch auf die junge Studentin "niederprasselt", dass
sie,
die Studentin,
sich erbrechen muss und vieles mehr – wundert es da noch, dass sie diese Prozedur
des römisch-katholischen Exorzismus letztlich in völlige Hilflosigkeit und schließlich
mit in den Tod treibt?
Das Schicksal Anneliese Michels kann so zum Zeugnis dafür werden, was das römisch-katholische Dogma von der ewigen Verdammnis bei Menschen anrichten kann, wenn man diese Lehre und ihre allergrässlichsten Folgen tatsächlich Ernst nimmt (siehe dazu auch Der Theologe Nr. 19 – Es gibt keine ewige Verdammnis). Und Anneliese Michel hat diese Lehre Ernst genommen. Es ist eine Lehre, die zu einer völligen Vergiftung der Seele führen kann, zu nicht endenden Schuldgefühlen und unaufhebbarer Angst. Und damit können Gläubige lebenslang beherrscht und in Abhängigkeit gehalten werden, weil sie nicht wagen, etwas zu tun, was vielleicht dem Innersten ihrer Seele entspricht, was jedoch nach römisch-katholischem Glauben in die angeblich ewige Hölle führt.
Johannes Daniel Breit, der römisch-katholische "Parochus Klingenbergiensis" im Heimatort von Anneliese Michel. Bei Aussteigern, Abweichlern und "beharrlichen" Zweiflern kennt die Kirche keine Gnade ...
Anneliese Michel will ja eine
besonders gute und folgsame Katholikin sein. Deshalb trifft es sie besonders hart.
Gerade empfindsame und sensible
Gläubige sind für seelische Einflussnahmen besonders empfänglich. Dadurch werden sie jedoch zwangsläufig krank
– ekklesiogene, d. h. kirchenbedingte Neurose heißt der Fachausdruck. Denn die Vorstellung einer Verworfenheit in
alle Ewigkeit sowie die Vorstellung nie endender grausamer Schmerzen und Qualen
widerstrebt fundamental der Sehnsucht
jedes Menschen nach Glück und nach einem Gott der Liebe, der keines Seiner Kinder auf ewig verdammt.
Demgegenüber verweigert der Gott der
katholischen Kirche seine Barmherzigkeit selbst dann, wenn eine "verdammte"
Seele nach
katholischer Vorstellung im Jenseits ihre Vergehen bitter bereut und sich
von Herzen danach sehnt, alles wieder gutzumachen, was sie an Negativem
verursacht hat. "Das hätte sie eben machen sollen, solange sie noch als
Mensch auf der Erde war", so sinngemäß die kirchliche Antwort, wenn das
Urteil zuvor auf "Verdammnis"
gelautet hat. Jetzt gebe es nur noch
allergrausamste Dauerfolter ohne die geringste Aussicht einer Linderung.
Wenn man sich das nur einmal ansatzweise vorzustellen versucht ... Was
für ein "Gott"!
Was Anneliese Michel betrifft, kann man diesen ihren Glauben und seine
Auswirkungen wie folgt zusammenfassen:
Aus Angst vor der ewigen
Verdammnis wagt sie nichts zu fühlen, zu denken oder zu tun, was sie ihrer
Meinung nach in Gefahr bringen könnte, dort zu enden. Und die Bedingungen
der Kirche können knallhart sein (siehe z. B.
Der Theologe Nr. 18). Gleichzeitig glaubt sie daran, dass
Verfluchungen oder Verwünschungen ihr etwas anhaben können, und sie öffnet ihr
Bewusstsein zusätzlich für diese weiteren Ängste anstatt ihnen die Stirn zu bieten.
So fühlt sie sich auch von daher ziemlich nahe an dem angeblich endgültigen grässlichen
Abgrund, so wie in die römisch-katholische Kirche lehrt.
Nun ist sie aber auch eine natürlich denkende und empfindende und zudem
intelligente und anmutige junge Frau mit einem großen positiven charakterlichen
Potenzial. Nur kann sie aber nicht beides zugleich leben. Die beiden Bereiche
geraten immer wieder in Spannung und Widerspruch zueinander. Und auch bei
realen Fehlern und "Sünden",
die sie – wie alle Menschen – bei sich erlebt, bieten beide Lebensentwürfe
ganz unterschiedliche Antworten an, um damit umzugehen bzw. etwas an sich zu
verändern.
Anneliese Michel bleibt dabei ihrem römisch-katholischen Glauben
verhaftet, obwohl sich ihre natürlich empfindende Seele mit Macht dagegen
wehrt. Die junge Frau wird von diesem Konflikt schließlich zerrissen und auf diese Weise
auch zum Spielball dunkler Kräfte.
Der Exorzismus ist dabei der Versuch des einen Bereichs
(der ja auch ein geistiges Energiefeld darstellt), den immer verworreneren
Konfliktherd mit magischer Gewalt zu vernichten. Die obersten Instanzen der
Kirche (angeblicher "Heiland",
angeblich Maria und Josef, Kirchenheilige usw.) schlagen sich in Annelieses
Inneren dabei mit den "niedersten" Instanzen (angeblich Luzifer, Judas, Kain usw.)
herum, bis die junge Frau unter entsetzlichen Qualen daran stirbt.
Und auch
dafür konstruiert der Katholizismus noch eine scheinheilige Erklärung, mit
der die "Kirchenschafe"
weiter im Pferch gehalten werden sollen, in diesem Fall
eine angebliche
"Sühnebesessenheit",
was weiter unten noch etwas ausgeführt wird.
Hätte Anneliese Michel
nicht an das römisch-katholische Dogma von der ewigen Verdammnis geglaubt,
wäre sie mit hoher Wahrscheinlichkeit frei geworden. So aber ist
sie zu einem Opfer der Kirche und deren Lehre der ewigen Verdammnis
geworden.
Dabei ist diese Lehre nicht von Anfang an
Glaubensgut der Kirche gewesen. Bis ins 6. Jahrhundert war der Glaube an
eine einstige Rückkehr aller gefallenen Wesen zurück zu Gott sogar in der
Kirche noch weit verbreitet. Erst auf dem Konzil von Konstantinopel im Jahr
553 wurde der Glaube an die schlussendliche Rückkehr aller Seelen und
Menschen zu Gott aus der kirchlichen Lehre gestrichen und durch das neue
Dogma von der ewigen Verdammnis ersetzt. Und ausgerechnet die Erfinder
dieser Lehre bieten nun an, allein ihr Glaube könne auch vor ihrer Erfindung
bewahren. So heißt es bereits drohend beim Kirchenlehrer Cyprianus (3.
Jahrhundert): "Extra ecclesia nulla salus = Außerhalb der Kirche gibt es kein Heil",
d. h. keine Rettung.
Diese Lehre wurde vom Laterankonzil im Jahr 1215
bekräftigt und zählt heute zu den "unfehlbaren" Glaubenssätzen der Kirche
(siehe Neuner-Roos, Der Glaube der Kirche, Nr.
375). Also ohne die Kirche nur niemals endende, ewige Höllenqualen?
"Die Teufel und die anderen Dämonen
wurden zwar von Gott ihrer Natur nach gut geschaffen, sie wurden aber durch
sich böse" (4. Konzil im Lateran 1215: DS [Dogmensammlung Denzinger-Schönmetzer] 800) ...
Wegen des unwiderruflichen Charakters ihrer Entscheidung und nicht wegen
eines Versagens des unendlichen göttlichen Erbarmens kann die Sünde der
Engel nicht vergeben werden. "Es gibt für sie nach dem Abfall keine Reue, so
wenig wie für die Menschen nach dem Tode" (Johannes von Damaskus, f. o. 2,
4) ... Die Lehre der Kirche sagt, dass es eine Hölle gibt und dass sie ewig
dauert. Die Seelen derer, die im Stand der Todsünde
[Anmerkung: wozu
z. B. der Abfall vom katholischen Glauben gehört]
sterben, kommen sogleich
nach dem Tod in die Unterwelt, wo sie die Qualen der Hölle erleiden, "das
ewige Feuer". |
Mit dieser tödlichen Drohung, die heute meist subtiler gehandhabt und verbreitet wird, versucht die Kirche bis
in die Gegenwart,
ihre Gläubigen zu disziplinieren, was übrigens auch in verschiedenen Varianten
in evangelischen
Kirchen geschieht. Nicht ins Kalkül passen dabei natürlich solche "Betriebsunfälle" wie bei Anneliese Michel,
die – getreu der kirchlichen Ethik – nicht nur sich selbst, sondern auch
andere Menschen vor der ewigen Hölle retten möchte.
"Ich habe immer gedacht,
ich will auch für die anderen Leute leiden, damit die nicht in die Hölle
kommen, aber dass das so schlimm ist und so grausam, und so furchtbar! ...
dann will man keinen Schritt mehr", bekennt sie gegenüber Pater Arnold Renz
(Goodman, S. 190). Dennoch schreitet sie weiter auf ihre Peiniger zu.
Deshalb
zeigt Anneliese Michels Leiden und Sterben, wenn man so
schlussfolgern will, auch ein gescheitertes Aufbegehren gegenüber dieser Religion
des Todes. Gescheitert letztlich, weil die nach Befreiung Ringende voller Angst an ihren Peinigern
und deren Lehren festhält und diese nicht
zu hinterfragen wagt.
Dabei hätte sie dazu mehrfach Gelegenheit gehabt.
So
ist sie z. B. irritiert, dass sie unter anderem zum Beten gezwungen wird:
"Ich muss
sehr viel beten. Das ist alles so widersprüchlich. Ich mache das schon
freiwillig, aber trotzdem ist manchmal ein Druck dahinter ... Dann wieder
musste ich stundenlang knien und bis nachts um zwölf oder ein Uhr einen
Rosenkranz nach dem anderen beten. Der Papa hat mitgebetet. Das musste ich.
Das war furchtbar! Oh, Pater Arnold, ich habe ein Grauen bekommen, ... dass
ich überhaupt nichts mehr wissen wollte von heiligen Dingen ..."
Schüchtern begründet sie diese zeitweise Abneigung gegen den
römisch-katholischen Glauben damit, dass der Heiland
"zugelassen
hat, dass das so grausam war"
(Goodman, S. 194 f.). Einen weiter
gehenden Widerspruch wagt sie in der Ich-Form jedoch auch hier nicht. Das ist dann
wieder die Sache der
"Dämonen".
Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass diese Zwangshandlungen nicht durch einen
Exorzismus zu
"heilen"
sind, sondern dass dieser den Irrsinn nur
verstärkt.
Besetzung und Umsetzung, d. h. Besessenheit und Umsessenheit von Menschen, scheinen zu allen Zeiten
Realität, und von solchen Phänomenen wird auch aus verschiedenen Kulturkreisen
berichtet.
Doch die dauerhafte Heilung einer solchen Besessenheit kann niemals durch ein Exorzismusritual
erfolgen. Es kommt allenfalls zu einem kurzzeitigen Zurückdrängen dieser Kräfte,
die – lange bevor sie sich auf diese schlimme Weise verselbstständigten –
hätten als Botschaften erkannt und seelisch aufgearbeitet werden müssen.
Genauso wenig erfolgreich wie ein Exorzismus ist
allerdings auch eine Medizin, welche die geistig-seelischen
Vorgänge hinter den körperlichen Symptomen leugnet oder davon nichts wissen
will.
Am hilfreichsten wäre wohl eine rechtzeitig beginnende Psychotherapie, die sich der Hilfe
zur Selbsterkenntnis und einer verantwortbaren Ethik verpflichtet weiß.
Sind
die Besetzungs-Phänomene jedoch schon ausgeprägt und verfestigt, wird
eine mögliche Heilung äußerst schwer. Hierzu bedürfte es
neben der Einsicht des Betroffenen in seine Situation einer humanen Medizin
in Verbindung mit sehr viel therapeutischem Geschick. Dabei bekäme es der Arzt
oder der Therapeut je nachdem entweder mit
dem Betroffenen selbst und seiner nach Befreiung ringenden Seele zu tun oder den ihn bedrängenden
"fremden Mächten".
Der katholische Exorzismus hingegen besteht darin, die angeblichen oder tatsächlichen
Dämonen
mit einem erniedrigenden Wort-Ritual zu attackieren, wodurch man den Ursachen
des Leidens nicht auf die Spur kommt und wodurch sich die Situation des Betroffenen
meist noch weiter verschlimmert.
Wenn die Kirche in Sachen Dämonenaustreibung auf Jesus von Nazareth verweist, so ist das,
bemessen an ihrem Tun, unredlich. Denn Jesus schickte die "bösen Geister" nicht in eine ewige
Verdammnis weil es eine solche bei einem Gott der Liebe, den Jesus lehrte,
und der jedem Verlorenen nachgeht (vgl. die Gleichnisse vom verlorenen
Sohn, Schaf bzw. Groschen), nicht gibt.
Solches steht auch nirgends in der Bibel geschrieben. Das dort in diesem
Zusammenhang manchmal gebrauchte Wort aionios bezeichnet einen
"Äon", eine sehr lange Zeit, aber nicht die Unendlichkeit (vgl. dazu
Der Theologe Nr. 19).
Als Jesus offenbar einmal einen Besessenen heilte, warfen ihm die damaligen Theologen vor, er vollbringe
die Austreibung mit Beelzebub, dem Obersten der "Teufel". Doch dies war nichts anderes als eine
Projektion ihrer eigenen erfolglosen Austreibungspraxis.
Und die heutigen katholischen Theologen
tun das Gleiche wie die damaligen Theologen. Sie sind es, die "den Teufel mit
dem Beelzebub" auszutreiben versuchen, wie es im Sprichwort heißt, also: Das
Teuflische verbirgt sich, indem es vorgibt, den "Teufel" auszutreiben.
Und es stellt sich hier auch die Frage, ob die angeblichen "Teufelsaustreiber"
nicht eher "Teufelseintreiber"
sind (siehe dazu auch unten).
Mit Ritualen und einem unheimlichen
monotonen Gebets-Murmeln versuchen also auch die heutigen Theologen, die Dämonen
auszutreiben. Und der Hilfe suchende Gläubige bleibt dabei meist auf der Strecke.
Im Gegensatz dazu hatte Jesus wohl die oben dargelegten Fähigkeiten, zu der
Wurzel der Besessenheit vorzudringen und auch zu der Lebenssituation der
beteiligten fremden Seelen, womit die Voraussetzung für eine dauerhafte Lösung
der Problematik gegeben war. Denn er wusste dank seiner offenbar ungebrochenen inneren Verbindung zu
Gott bzw. zum Göttlichen in ihm, was beim Betroffenen zugrunde lag und wer ihn warum
"besetzte".
Dass Jesus
einmal "Dämonen" ersatzweise in Schweine geschickt haben soll, die sich
darauf hin in einen See in den Tod gestürzt haben sollen, ist sehr
wahrscheinlich eine antike Exorzismus-Legende mit heidnischem
Tieropfer-Motiv und keine tatsächliche Begebenheit (Matthäus 8, 28 ff.).
Denn Jesus hat auch sonst nie Menschen geholfen, indem er anderen Menschen
oder Tieren schadete. Und selbst in der biblischen Legende wird nicht
ausdrücklich gesagt, dass Jesus die "Dämonen" aktiv in die Tiere umgeleitet
hätte.
Seine Vollmacht bestand demnach darin, dass er die Menschen und Seelen
durchschaute und folglich auch schwierige Situationen richtig einschätzen
und entsprechend handeln konnte.
Anders die kirchlichen Exorzisten, welche zur Verstärkung ihrer Austreibungspraxis auch so genannte Reliquien
benutzen. Auch das hat nicht das Geringste mit Jesus zu tun, sondern
mehr mit dem Voodoo-Kult, wo bei den Exorzismus-Ritualen ebenfalls
zahlreiche Reliquien benutzt werden.
Der
Exorzismus-Forscher Uwe Wolff schreibt: "Am Freitag, dem 21. November,
benutzt Pater Renz einen Splitter vom Kreuze Christi, Reliquien des Vinzenz
von Paul, des im Kampf gegen den Teufel erprobten Pfarrer von Ars, und vor
allen Dingen eine Reliquie von Papst Pius X ..."
(Wolff, S. 235)
Die unmittelbare Folge:
"Anneliese wird durch diese Sitzung so weit aus der Bahn geworfen, dass sie die
kommende schulpraktische Prüfung für die Missio canonica
[die kirchenamtlichen Befähigung zur katholischen Religionslehrerin]
nur unter großen Schwierigkeiten besteht."
Und ihr Freund Peter Himsel muss eingestehen: "Man hat ja gemerkt, wenn man hinkommt, betet den Exorzismus, da wird´s ja
eigentlich schlimmer. Das war ja irgendwie das Tragische daran,
jedenfalls in der letzten Zeit."
(Wolff, S. 243)
Und damit das Ganze nicht ans Tageslicht dringt, muss diese unselige Prozedur
natürlich möglichst im Verborgenen vollzogen werden. Vielleicht ist das auch
ein Grund, warum der Würzburger Bischof Josef Stangl zunächst zögert, die
Erlaubnis zum Exorzismus an Anneliese Michel zu erteilen. "Die gebotene Diskretion
soll auf jeden Fall gewahrt werden – keinerlei Medien dürfen während des Exorzismus zugelassen werden und
weder vor noch nach der Exorzismushandlung dürfen sie darüber öffentlich informieren", heißt es in
dem neuen Exorzismusdekret des Vatikan aus dem Jahre 1999.
Zudem soll im
Vorfeld eines möglichen Exorzismus die Situation intensiver medizinisch und
psychologisch durchleuchtet werden. So beschwichtigt der Jesuit Alfred
Singer im Hinblick auf die aktuellen Anwendungen: "Der Exorzismus ist
Liturgie, ist Gebet für einen kranken Menschen". (Main-Post, 9.7.2007)
Die Männer der Kirche
in Rom werden wissen, warum sie hinsichtlich der Inhalte des Exorzismus derzeit lieber etwas leiser treten,
vor allem in Deutschland.
Denn es wird natürlich nicht nur "gebetet". So wird bei einem Exorzismus den Betroffenen
mitunter auch das Kruzifix mit
dem zu Tode geschundenen Jesus vor die Nase gehalten, so wie
Inquisitoren es in der Vergangenheit den verbrennenden Frauen und Männern auf dem Scheiterhaufen
entgegen streckten. Und so wie
viele Opfer der Kirche noch im Todeskampf standhaft blieben und sich von dem
Kruzifix abwandten, so wehrt sich auch
ein "Dämon" in Anneliese: "Weg mit dem Ding!"
Einer, der die Kirche sehr gut kennt, der ehemalige Dekan der
römisch-katholischen Fakultät der Universität Wien und
Religionswissenschaftler Professor Hubertus Mynarek, weist auf die tiefenpsychologische Bedeutung des Kruzifix in
der Kirche hin, die eine ganz andere ist als die vordergründige Bedeutung, wonach das Kruzifix auf ein
angebliches stellvertretendes Sühneleiden von Christus für die Menschheit hinweisen soll.
Die Kirchen-Oberen,
so Mynarek,
"stellen immerfort den malträtierten, misshandelten, gequälten,
blutüberströmten Leichnam dar. Warum? Weil sie eine Religion des
Todes und nicht des Lebens sind! Da kann der Papst noch hunderte Male von
der Kultur des Lebens sprechen, die die katholische Kirche
versinnbildlichte, und sie der Kultur des Todes entgegen stellen. In
Wirklichkeit ist die Kirche die Kultur des Todes, des gequälten Leichnams,
und glaubt selber nicht an das Leben." (3)
Man könnte den Gedanken des Religionswissenschaftlers noch weiterführen: Mit
dem toten Mann am Kreuz würde unterschwellig und entgegen den
oberflächlichen theologischen Erklärungen etwas ganz anderes symbolisiert.
Nämlich: "Jesus ist tot, wir haben ihn besiegt."
Religionsphänomenologisch
ist das Kruzifix demnach vergleichbar den barbarischen Trophäen archaischer
Kriegsvölker, welche die Köpfe bzw. Skalps ihrer hingerichteten Gegner
triumphierend vor sich hertragen. Besonders drastisch veranschaulicht wird
diese katholische Dauer-Todesdemonstration z. B. durch das Handkruzifix von
Papst Johannes Paul II., an dem er den furchtbar gekrümmten Körper des sterbenden Jesus
demonstrativ vor sich hertrug. Und ein gutes Beispiel ist auch der Sendemast
von Radio Vatikan, an dem ein besonders geschundener Jesus-Körper hängt
(siehe das 2. Foto auf der Seite
www.dw-world.de).
Wer es so sehen möchte, der erkennt darin eine tiefere Botschaft, die
im Gegensatz zur oberflächlich verkündeten Botschaft eines angeblichen
Sühneleidens steht: Die Kirche wäre demnach die Gegenspielerin von Jesus.
Und sie bedient sich nur seines Namens, um ihr eigentliches Wesen zu
verbergen.
Es wäre ähnlich, wie es der große russische Literat Fjodor
Dostojewski (1821-1881) in seinem Werk Die Brüder Karamasov darlegte, als der Kirchenmann, der
Großinquisitor, gegenüber
dem wieder gekommenen Jesus erklärte: "Wir haben deine Tat verbessert."
Und während Jesus nicht
vor dem Versucher niederfiel, hat es die Kirche getan und dafür vom
Versucher als Belohnung die irdische Macht erhalten. "Wir sind schon
seit langer Zeit nicht mehr mit dir im Bunde", so der Großinquisitor, "sondern mit ihm, schon acht Jahrhunderte lang. Acht Jahrhunderte
ist es her, dass wir von ihm das annahmen, was du unwillig
zurückwiesest: Wir haben von ihm Rom empfangen und das Schwert des Kaisers
und haben uns selbst als die Herren der Erde, als ihre einzigen Herren
erklärt."
Und so hat es auch die Kirche zu ihrem "unfehlbaren" Lehrsatz gemacht, dass
sich jeder Mensch und "alle Völker" dem Stuhl Petri, dem Papst unterwerfen
müssen. (Neuner-Roos,
Der Glaube der Kirche, Nr. 368, 430 und 434)
Anneliese Michel wird anfangs unfreiwillig, später bewusst zur Zeugin dieser
machtvollen Todesreligion. Denn als sich
mehr und mehr heraus stellt, dass das katholische Exorzismus-Ritual die
"Dämonen" nicht nur nicht vertreibt, sondern
die grausame Situation verschärft, gräbt sich die junge Studentin noch tiefer in die katholische Kruzifix-Lehre ein und versucht, bestärkt durch die beiden Exorzisten, die katholische Jesusvorstellung
nachzuahmen.
So deutet sie ihre unsäglichen Leiden schließlich als Sühne für andere,
womit sie an die makabren Umstände nach ihrer Geburt anknüpft, als sie
bereits von
ihrer Mutter zum "Sühnopfer" erklärt worden war – damals für die uneheliche Zeugung und Geburt ihrer Halbschwester
Martha. Der "Fluch", den angeblich bei ihrer Geburt eine fremde Frau über
sie ausgesprochen haben soll, erscheint harmlos gegenüber der
fluchartigen Bestimmung, "Sühnopfer" sein zu sollen, die ihr aus den Reihen
der eigenen Familie aufoktroyiert wurde und die sie am Ende ihres Lebens in
ihre eigene religiöse Vorstellungswelt übernimmt.
Diese neue Deutung der unsäglichen magischen Rituale stellt den entscheidenden
Einschnitt bei den
Exorzismus-Sitzungen dar.
Anfangs war sich Anneliese Michel noch sehr
unsicher und voller Zweifel im Hinblick auf die Identität einzelner Stimmen und
den Sinn des ganzen Leidens. Und dabei kalkulierte sie ursprünglich auch mit
ein, dass sie von den monströsen Mächten getäuscht würde. Doch unter dem Druck des dauernden
Misserfolgs bei den "Austreibungsversuchen" kristallisierte sich bei den
Exorzisten auf einmal die neue Deutung heraus, die "Besetzungen" würden nun Gottes Willen
entsprechen,
damit Anneliese Michel auf diese Weise ihr "Sühnopfer" bringen könne.
Und nun beginnt sich der Horror-Kreislauf allmählich zu
schließen. Die letzte Phase ist eingeleitet.
Dabei sind die jenseitigen katholischen "Instanzen" bzw. "Seelen", welche die
"Dämonen" als
Vermittler ihrer Botschaften benutzen, die eigentlichen Inspiratoren dieser
neuen Theorie.
In einer Exorzismus-Sitzung fragt etwa Pater Renz:
"´Und mit dem Büßen, da kann sie Sünden abbüßen für andere?`
Anneliese: ´Ja, ja, ja!`
Renz: ´Damit kann sie Seelen retten, damit kann sie andere Seelen retten?`
... ´Die muss dir
[Luzifer] noch viele Seelen abspenstig machen. Drum dürft ihr sie piesacken?!`
Anneliese: ´Bääh!`
Renz: ´Je mehr ihr sie piesackt, um so mehr Seelen werden gerettet. Stimmt das? Ja?
...`
Anneliese: ´Ja, nein, nein, nein.`"
(Wolff,
S. 223)
Drei Nein bei nur einem Ja könnten eigentlich
auch eine klare Botschaft sein. Doch die Würdenträger hören nur, was sie
hören wollen, nämlich das eine "Ja". Und der Exorzistenpater Arnold Renz will durch solche suggestive Fragen seine
Theorie der Sühnebesessenheit bei Anneliese Michel bestätigt sehen. Und
diese geht notgedrungen darauf ein. Sie sitzt in der Todesfalle und flüchtet
nun immer mehr in die Identifikation mit dem leidenden und sterbenden Jesus,
so wie es die römisch-katholische Lehre für die Kranken und Sterbenden
vorsieht.
So ist
im Katechismus der katholischen Kirche von der "Vereinigung des Kranken mit
dem Leiden Christi" die Rede, und es wird das Sakrament der "Letzten Ölung"
z. B. mit folgenden Worten erklärt:
"Durch die Gnade dieses Sakraments erhält der Kranke die Kraft und die Gabe,
sich mit dem Leiden des Herrn noch inniger zu vereinen. Er wird
gewissermaßen dazu geweiht, durch die Gleichgestaltung mit dem erlösenden
Leiden des Heilands Frucht zu tragen. Das Leiden, Folge der Erbsünde, erhält
einen neuen Sinn; es wird zur Teilnahme am Heilswerk Jesu."
(Nr. 1521)
Leiden, Krankheit und Not sollen demnach bei einem gläubigen Katholiken nicht
mittelbar oder unmittelbar mit eigenem Fehlverhalten in Beziehung stehen,
sondern werden als "Heil" interpretiert. Und von dieser allen kranken Katholiken angebotenen Deutung der
"Gleichgestaltung mit dem erlösenden Leiden
des Heilands" ist es nur noch ein kleiner Schritt zur speziellen katholischen Deutung, dass auch der
einzelne kranke Katholik stellvertretend zur Sühne für die Sünden anderer leiden
könne.
Und mit ihrem Intellekt konstruiert Anneliese Michel
genau eine solche Deutung ihres
Leidens auf die hier dargelegte extrem-katholische Weise. Dadurch versucht sie, den Schlund des Abgrunds
doch irgendwie zu schließen, der sich aufgetan hatte,
und sie reißt ihn doch nur noch ein großes Stück weiter auf.
Dabei fühlt sie sich im Vorfeld ihres Todes
sowohl durch Pater Arnold Renz bestätigt als auch durch eine der vielen Stimmen, die sie
vernommen hat und die sie fälschlicherweise als "Heiland" deutet. Diese Stimme sagt
ihr am 20. Oktober 1975: "Du wirst eine große Heilige werden."
(Wolff, S. 232)
Ein Ursprung des Wahns der "Sühnebesessenheit", nur wenige Meter entfernt von Anneliese Michels Elternhaus in Klingenberg – ein überlebensgroßes Kruzifix mit der Inschrift über dem Balken: "O´ alle, die ihr diesen Weg vorbeigeht, sehet, ob nicht ein Schmerz sei wie mein Schmerz." Kurz vor ihrem qualvollen Tod deutet die junge Studentin ihren Schmerz tatsächlich wie "seinen" Schmerz. Die so genannte Hohkreuzkapelle zählt zu den ältesten katholischen Feldkapellen Frankens.
Ein solches Deutungsmuster entsteht nicht von einem Tag auf den anderen. Anneliese Michel
wollte schon als Jugendliche mehr tun als das, was die Kirche vom einzelnen
Katholiken verlangt (siehe oben). Nun schließt sich am Ende ihres irdischen Lebens der
kirchliche Teufelskreis. Sie wähnt sich gar im Glauben, ähnlich wie angeblich Jesus ihr
Leben als "Sühnopfer" bringen zu sollen [PS: Die Kirche lehrt ja,
dass der Tod von Jesus ein "Sühnopfer" gewesen sein soll, was eine
Vorstellung ist, die aus antiken Götzenkulten stammt; vgl. zum Thema
hier]. Sie möchte ihr
"Sühnopfer" dabei unter anderem für Priester bringen, die das Zölibat brechen –
auch hier wieder die sexuelle Dimension des Geschehens, und wer weiß, ob
hier nicht auch Ereignisse aus der eigenen Biografie oder der anderer
Familienmitglieder eine wichtige Rolle spielen.
Es kann vermutet werden.
Der Exorzismus-Experte Uwe Wolff erklärt dazu:
"Wie ihr himmlischer Bräutigam will sie ein Sühneopfer sein"
(S. 250). Und durch eine solche Verbrämung ihres am Ende
in einer Sackgasse endenden Lebens versucht sie, ihre letzten Lebenswochen
irgendwie zu ertragen. Es ist vergleichbar einer starken Droge, deren
Dosierung auf höchstem Niveau gehalten wird. In den letzten Tagen vor ihrem Tod scheint
Anneliese Michel vollends
in dem Identifikationsversuch mit dem gekreuzigten Jesus aufzugehen.
Uwe Wolff schreibt: "Anneliese ist tief eingetaucht in das Geheimnis ihres
am Kreuz leidenden Bräutigams und zitiert immer wieder dessen Todesworte:
´Bringt mir Wasser!`"
(S. 258)
Angesichts des Ausmaßes ihres Leidens kann man dieser letzten Lebenslüge, die sie von ihrem Exorzisten
Renz übernommen hatte, großes Verständnis entgegenbringen. Eine Lebenslüge bleibt es dennoch, denn
Jesus war eine klare und geradlinige Persönlichkeit und wurde von seinen Gegnern gefoltert und
umgebracht. Anneliese hingegen scheiterte an dem tödlichen Gift ihrer Kirche und an sich selbst.
Auch beinhalten die Todesumstände von Jesus nicht die Aufforderung oder
Einladung zur äußeren Nachahmung.
Etwas völlig anderes ist im Vergleich dazu die schlichte Nachfolge Jesu, indem man
dessen friedvolle Botschaft der Nächsten- und Feindesliebe ohne Dogmen,
Sakramente und Zeremonien beherzigt.
Da diese Nachfolge unbequem ist, können daraus zwar auch
sehr leidvolle Konflikte entstehen. Eine Nachahmung des Leides von Christus oder
eine Identifikation von selbstverschuldetem Leid mit dem Leid von Christus
oder gar eine masochistische Leidenssehnsucht sind demgegenüber
Perversionen der Nachfolge Jesu.
Der bekannte Psychotherapeut Carl Gustav Jung hat
den Unterschied einmal mit den Worten kommentiert: "Christus kann bis
zur Stigmatisierung nachgeahmt werden, ohne dass der Nachahmende auch nur
annähernd dem Vorbild und dessen Sinn nachgefolgt wäre."
Letztlich wird dabei versucht, den einen Irrsinn – das Dogma der ewigen Verdammnis
– durch einen anderen
Irrsinn – die materielle Nachahmung des Leidens Christi (das diesem jedoch
andere zugefügt hatten) – zu überwinden.
Spätestens jetzt ist der Horror nicht mehr zu stoppen. Wurde in der
ersten Phase der Exorzismen versucht, die "Dämonen" auszutreiben, soll jetzt der
"Heiland" umgekehrt wollen, dass die Dämonen in Anneliese drin
bleiben, weil sie auf diese Weise ihr "stellvertretendes Leiden"
bzw. ihr
"Sühneopfer"
angeblich
noch vergrößern könne.
Diese Deutung des Geschehens kann in seiner wahnhaften Zuspitzung nun nicht mehr überboten werden: Jetzt sind es
nämlich die
"Dämonen", die immer häufiger freiwillig "ausfahren"
wollen, doch nun soll es ausgerechnet der
"Heiland"
sein, der dies wegen der gerade beschriebenen Strategieänderung
verhindern möchte. Und eine solche Deutung beinhaltet auch eine Steigerung der Verhöhnung des großen Friedens- und
Weisheitslehrers Jesus von Nazareth.
"Bei
der ist es nicht mehr zum Aushalten. Die hockt den ganzen Tag in der Kirche
... Wir wollen raus, und der da oben lässt uns nicht!" klagen jetzt
neuerdings die "Dämonen" (19.12.1975, zit. nach www.najukorea.de),
und die Exorzisten deuten den "da oben" als "Heiland" bzw. "Gott".
Zudem wollen die Dämonen verständlicherweise auch die "Hölle" verlassen,
doch das wird ihnen nach der grausamen römisch-katholischen Lehre von der
ewigen Verdammnis niemals erlaubt.
"Dann schreien die Stimmen aus der Tiefe in unendlichen Variationen:
´Wir wollen raus, raus, raus, raus! Wir wollen raus, raus, raus, raus!`"
(Wolff, S. 237)
"´Wollt
ihr aus der Hölle raus oder aus Anneliese?`, fragte der Pater. ´Aus beiden`
ist die Antwort."
(Goodman, S. 196)
Doch die
Vertreter der römisch-katholischen Kirche lassen es jetzt nicht mehr zu,
dass ihr Medium nun in letzter Minute womöglich doch noch eine große Chance bekommt, ein
großes Stück frei
zu werden. Sondern sie benutzen jetzt das Medium Anneliese Michel, um
noch möglichst viele
"dämonische"
bzw.
"jenseitige
Anweisungen"
aus ihr heraus zu holen
– und zwar bis zuletzt. Und das immer brutalere Leid und der
rasante körperliche Verfall der jungen Frau wird von nun an von den
Priestermännern mit in ihre Theorie der "Sühnebesessenheit"
eingebunden.
Und von vernünftigen Ärzten, welche das tödliche Ende der Tragödie vielleicht noch hätten stoppen können, wird
die Studentin abgeschirmt und fern gehalten.
Im April 1976 bietet sich für Anneliese Michel
dann eine der letzten Chancen,
noch lebend aus dem Grauen heraus zu kommen.
Dem Exorzisten Ernst Alt
erzählt sie: "Ich hab so furchtbare Angst davor. Ich fürchte mich. Ich
glaube, ich durchsteh das nicht." "Ich habe keine Kräfte mehr, ich will
nicht mehr." (Satan lebt, WDR 2006)
Und der Exorzist gibt
seine Antwort an Anneliese Michel im Interview mit den Worten wieder:
"Fräulein
Anneliese, wenn sie jetzt den Willen Gottes, der sich ja offensichtlich
zeigt bei ihnen, ausschlagen und sie würden später einsehen, was sie
versäumt haben dadurch, wär´ ihnen das Recht?" Damit suggeriert der
Theologe der jungen Frau praktisch ihr Todesurteil. Und unter seinem
Einfluss antwortet sie einmal mehr gehorsam: "Nein, das wär mir nicht recht.
Dann mach ich weiter."
Anneliese Michel erklärt also trotz ihres
körperlichen Verfalls, der Kirche weiterhin als
Medium zur Verfügung zu stehen. Und die Exorzisten versuchen – wie bereits
darauf hingewiesen – nun überhaupt nicht mehr, die "Dämonen" aus dem Medium
auszutreiben, sondern sie bemühen sich stattdessen, diese bei den Sitzungen
extra
herbei zu holen und
auszufragen.
Und obwohl sich die "Dämonen" in den letzten Lebenswochen
Annelieses dann tatsächlich seltener und irgendwann gar nicht mehr melden –
was verständlich ist, denn sie wollen ja schließlich "raus" und vielleicht
haben sie jetzt auch Mitgefühl und Erbarmen mit der jungen Frau –, fährt der
vom Bischof von Würzburg beauftragte Pater Arnold Renz im klerikalen Rausch bis zuletzt mit seinen suggestiven Beschwörungen
erbarmungslos fort.
Und die beiden Exorzisten sind damit von erfolglosen "Teufelsaustreibern" im
wahrsten Sinne des Wortes zu erfolgreicheren "Teufelseintreibern"
geworden.
Als der jungen Frau der Exorzistenpater Alt zwischenzeitlich einmal die "Gnade, Liebe und
Vergebung Gottes" zuspricht, reagiert Anneliese Michel spontan mit den
Worten: "Das war gut! Das war besser als der ganze Exorzismus!" (Wolff, S. 257)
Unmittelbar danach bricht sie jedoch in Verzweiflung aus, da ihr in
einzelnen wachen und geistig klaren Momenten möglicherweise bewusst ist, was
sich hinter dem römisch-katholischen Schein verbirgt und dass sie sich in
eine furchtbare Situation hinein manövriert hat. "Mir macht keiner mehr was vor. Ich weiß
jetzt, wo´s hingeht," so ihre eigenen eindringlichen und
verzweifelten Worte.
Die Falle scheint
zugeschnappt, und es ist nun leider nur noch eine Frage der Zeit, bis die darin
Gefangene vollends zugrunde gegangen ist.
In ihrer Examensarbeit zum Thema "Angstbewältigung" hat sie ihre
Lebenssituation jedoch noch einmal verbrämt dargestellt und offiziell in folgende
Worte gefasst: "Zum Schluss sei noch gesagt, dass es Fälle gibt, wo einer,
obwohl er gebeichtet hat und im Inneren im Frieden mit Gott lebt, von einer
merkwürdigen Angst geplagt wird, einer Leidens- und Todesangst, von dem man
einen Menschen nicht befreien darf. Man kann, wenn das einem Menschen
auferlegt ist, nur schweigend stehen und beten, dass er auch durch diese
Angst hindurch geführt wird. Es gibt das besondere Teilhaben am Kreuz
Christi und seiner Todesangst. Die wichtigste Grundhaltung für das
seelsorgerische und ärztliche Bemühen ist die Ehrfurcht vor dem Geheimnis
der Geschichte eines Menschen mit Gott."
(Wolff, S. 264)
Das sind hehre und monumental klingende Worte. Doch was steckt wirklich dahinter?
Auf diese Weise konstruiert der Intellekt der gehorsamen
Katholikin eine Deutung für ihre Todesängste, bei der sie Gott und Christus
mehr oder weniger mit dafür verantwortlich macht. Und dies ist trotz des Verständnisses, das man
ihrer gedanklichen Konstruktion gegenüber aufbringen
kann, nur eine Variante der Gottesvergiftung.
Und entsprechend schlecht geht es ihr auch dabei. Von einem
"Frieden mit
Gott"
"im Innern"
zeugen nachfolgende Worte jedenfalls nicht, die sie auf ein Manuskript-Papier
für eben diese Examensarbeit geschrieben hat. Das sind die ehrlichen Worte,
tief aus ihrer Seele, im Unterschied zu den katholisch-korrekten Worten in
ihrer Examensarbeit von einem angeblichen "Frieden
mit Gott":
"Mut verlässt, das zu sagen, was ich wollte.
Ich bin ein Sünder, das habe ich heute in der Kapelle klar erkannt, auch
wenn ich mir etwas anderes eingebildet habe. Ich hab keinen Mut,
verzweifelt. Ich habe Angst, ... kein Vertrauen, ich stehe am
Scheideweg; entweder Leben oder Tod. Tief verletzt, all die
Jahre durch, (hab mich nicht mehr) gewehrt, jetzt auch nicht. Ich bin
nach der hl. Kommunion verzweifelt, im Geiste u. im Herzen;
eine eiserne Kette hält mein Herz umklammert. Angst, Entsetzen.
Mein Geist ist gelähmt, wird er freier(?) – gleich steigt
Verzweiflung hoch;
das schlimmste ist, dass ich keine Wahl mehr habe, das sehe ich manchmal
blitzartig klar. Hoffnungslosigkeit sitzt an der Wurzel, wo das Leben
ist, sie ist ein Zustand geworden. Stolz unsäglicher gibt mich nicht
mehr frei. Wenn ich rede, redet mein Herz nicht mit. Ich hab
Angst, dass man an mir verzweifelt. Lähmung ... gefesselt;
es wird von Tag zu Tag schlimmer, wenn nicht ein Damm gebaut wird." (zit.
nach Goodman, S. 106)
Dies ist ein letzter Hilferuf, bei dem jedes Wort sitzt.
Doch wer hätte den Damm denn bauen sollen?
Sie selbst schafft es nicht und verrät auch den Grund dafür: "Ich hab keinen Mut".
Das klingt wie eine Schlussabrechnung über ihr eigenes Leben. Denn sie hatte
auch in all den Jahren zuvor nie den Mut, sich von dem frei zu machen, was
sie in die Krankheit und in den Tod trieb. Anneliese Michel
ruft stattdessen immer wieder nach dem Bischof. Und Bischof Josef Stangl wird
auch im
Detail über die Situation informiert, doch er schweigt
(siehe unten). Und Pater Renz hält sich währenddessen weiter unbeirrt am römisch-katholischen
Exorzismus-Ritual fest. Und er quält die immer wehrlosere junge Frau auch
dann mit seinen Beschwörungsformeln, wenn bzw. obwohl sich gar keine "Dämonen" bemerkbar machen. Denn die Studentin
könne ja bei diesen Torturen wenigstens weiter für andere Menschen sühnen,
so die Beschwichtigung bzw. Lebenslüge der Exorzisten und der in diesem
Sinne Gläubigen.
Durch
diese Theorie sind
nun auch die beiden Kirchenmänner zu gnadenlosen "Besessenen" geworden, welche die ihnen
Anbefohlene immer weiter in Richtung Tod treiben.
Uwe Wolff schreibt:
"Unterdessen setzt Pater Renz in Klingenberg sein Werk fort, obwohl
Anneliese immer wieder klagt: ´Ich kann nicht mehr!`" (Wolff, S. 262)
Beim letzten Exorzismus am 30. Juni 1976, nur wenige Stunden vor ihrem
Tod, ist Anneliese Michel bereits völlig abgemagert. Sie hat eine
Lungenentzündung und hohes Fieber. Trotzdem quält sie sich noch einmal – auf
"Befehl" der "Dämonen" bzw. in selbstmörderischem Wahn – mit zwanghaften und
schnellen Kniebeugen. Ihre Eltern stützen sie dabei. "Bitte um
Lossprechung", stöhnt sie Pater Renz zu. Sie bittet nun wirklich ein
allerletztes Mal darum. Denn es ist bereits der Todeskampf.
Anneliese Michel ist damit bis zuletzt diesem katholischen Gott verhaftet
geblieben, der
"in Klingenberg mal richtig auf den Putz gehauen hat",
wie es der kirchliche Exorzismus-Beauftragte Adolf Rodewyk in Worte
gefasst hatte.
Doch Anneliese Michel
wird diese "Gottesvergiftung", deren Opfer sie letztlich geworden ist, nicht
als Lehrerin an Kinder im römisch-katholischen Religionsunterricht weiter
geben. Viereinhalb Wochen, nachdem sie ihre Examensarbeit an der Würzburger
Universität eingereicht hat, ist sie tot. Als sie sich am Abend des 30. Juni
1976 nach dem 67. Exorzismus schlafen legen will, bittet sie ihre Mutter
Anna Michel, bei ihr zu bleiben: "Mutter bleib da,
ich habe Angst." Das sind ihre letzten Worte. Schließlich löst
ihr Vater ihre Mutter ab "und beobachtete, wie sich Anneliese von einer
Seite zur anderen warf und sehr lange schrie" (Goodman, S. 218).
Irgendwann nach Mitternacht hört sie auf zu schreien und schläft.
Als es dann Morgen ist, liegt sie in ihrem Bett und ist tot.
Das Grab Anneliese Michels in Klingenberg. Zahlreiche katholische Pilger verehren sie dort wie eine Selige oder Heilige.
Weil Anneliese Michel selbst zuletzt ihr Leiden und Sterben als Sühneopfer verstanden hat, ist es nicht
verwunderlich, dass interessierte Kreise aus ihrer Geschichte eine Heiligenerzählung machen wollen.
Ein solches Deutungsmuster hält die katholische Kirche in der Tat für viele, die an ihrer
Lehre zerbrochen sind, bereit.
"Ich hatte einfach den Eindruck, sie haben ihr das Leben genommen.
Die erste
Reaktion, als ich von ihrem Tod erfahren hab, war, sie haben sie
umgebracht", sagt die ehemalige Kommilitonin Mechthild Westiner aus dem Studentenwohnheim in
Würzburg (Satan lebt, WDR 2006). Und: "Dieses religiöse Treiben geht
einfach weiter, und es gibt niemanden mehr, der von ihr auch berichtet, wie
sie eigentlich gewesen ist." Die ehemalige Mitstudentin kennt Anneliese
Michel nämlich auch ganz anders.
Doch im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses
steht zu Beginn des 21. Jahrhunderts erneut der Exorzismus, welcher derzeit einen
großen Aufschwung erfährt – mit allen seinen Seitentrieben und verqueren
Vorstellungen und unzähligen Varianten konfusen "religiösen Treibens". Die
Kommilitonin sagte: "Sie haben sie umgebracht."
Und worin besteht das "religiöse Treiben" nach dem Tod von Anneliese Michel?
Etliche ihrer Verehrer wünschen zunächst ihre Seligsprechung und stricken unter
anderem an der Legende, ihr Körper verwese nicht.
Eine Nonne aus einem Allgäuer Karmeliterkloster berichtet von einer "Erscheinung" Annelieses.
Demnach hätte die Seele von Anneliese Michel der Nonne aus dem "Himmel"
folgende Botschaft mitgeteilt: "Mein Tod war ein Sühnetod für die Rettung
und Umkehr meines deutschen Volkes" (Wolff, S. 23). Zum Zeichen der
Macht "Gottes" sei ihr Leichnam unverwest, und "man solle den Sarg am
Samstag, dem 25. Februar 1978, öffnen".
Aus diesem Grund werden nun Annelieses Michels sterbliche Überreste tatsächlich am 25. Februar 1978 auf
amtliche Anordnung und im Beisein ihres Vaters Josef Michel hin ausgegraben und überprüft. Dabei
zeigt sich, dass die Verwesung sogar weiter fortgeschritten ist als üblich, weil so das
Bestattungsunternehmen Kraus aus dem nahen Aschaffenburg bzw. der Bestatter
Emil Schweibert und der Klingenberger Bürgermeister Walter Riermaier
die Frau zum Todeszeitpunkt nur noch Haut und Knochen war.
Die Exhumierung
hat gläubige Katholiken allerdings nicht davon abgehalten, weiterhin
folgende Verschwörungstheorie zu verbreiten: Der Leichnam wäre tatsächlich
unverwest gewesen (wie übrigens auch der Leichnam Marias nach offizieller
römisch-katholischer Lehre
bis zu ihrer leiblichen Auferstehung unverwest im Grab gelegen haben soll;
siehe dazu Neuner-Roos, Der Glaube der Kirche,
Nr. 483 und Nr. 485), weswegen die Augenzeugen die Zulassung weiterer
Zeugen angeblich zu verhindern suchten. Vor allem der Sachverhalt, dass der
Exorzisten-Pater Arnold Renz nicht zu den Leichenresten vorgelassen wurde,
nährt diese Theorie bis heute. Doch selbst wenn man Pater Renz oder andere fanatische
Anhänger dieser Theorie mit als weitere Zeugen der Verwesung hinzu gebeten
hätte, wären wohl anschließend andere aufgetreten, die den Sachverhalt doch bestritten
hätten. So klammern sich Gläubige bis heute auch an das Gerücht,
einer der damaligen Bestatter hätte später Anneliese Michels
Mutter aufgesucht und ihr gebeichtet, dass deren Leichnam nach der
Exhumierung unverwest gewesen sei. Die Aschaffenburger Staatsanwaltschaft
hätte ihn jedoch "gezwungen, die Unwahrheit zu sagen". Nachprüfbar
ist freilich nichts, da dieser Bestatter ausgerechnet kurz darauf verstorben sei.
Doch Anneliese Michels Körper ist schon in den letzten Monaten vor ihrem Tod
zunehmend verfallen, und sie hat diesen Prozess durch Selbstgeißelungen
(z. B. Blutergüsse oder Selbstverletzungen an den Körperstellen, an denen Jesus am
Kreuz festgenagelt war) und Nahrungsverweigerung beschleunigt, so dass man
auch von einem indirekten Selbstmord auf Raten sprechen könnte. Auch diese Verhaltensweise kann als Ausfluss des zwangsneurotischen Systems der katholischen Kirche
verstanden werden, in dem nicht selten gilt:
Wer sich selbst niedermacht, wer sich geißelt, kommt dadurch Gott näher. Ein nicht eingestandenes Aufbegehren
gegen die krankmachende Lehre der Kirche oder gegen einzelne ihrer seelisch
kranken Lehrer würde sich dann selbstzerstörerisch gegen die eigene Person
richten anstatt gegen die Verursacher. Dies geschieht vor allem dann, wenn
sich kirchliche Indoktrination, verbunden mit Angst und
Schuldgefühlen, in der eigenen Seele als übermächtig erweist. Die Selbstzerstörung nimmt
dann ihren Lauf, und der Exorzismus
kann diesen Prozess in schlimmer Weise verstärken bzw. er trägt zu seiner
Vollendung bei wie bei Anneliese
Michel. Da ein bewusster Selbstmord für einen gläubigen Katholiken aber
einmal mehr die ewige Verdammnis nach sich ziehen würde und deshalb nicht in
Frage kommt, können Gewalteinwirkungen von anderen oder "Befehle"
von "Dämonen" hier zu makabren Erfüllungsgehilfen der eigenen
Selbstzerstörung werden.
Daran ändert sich auch nichts, wenn man als zeitlich letzte
Todesursache eine zu hohe ärztliche Dosierung eines krampflösenden
Medikaments annimmt, worauf man natürlich spekulieren kann und womit das katholische Umfeld von Anneliese
Michel sowohl die amtlich ermittelten als auch die tiefer liegenden Todesursachen ausblenden möchte. Der
Obduktionsbericht der Gerichtsmedizin schließt jedoch
ausdrücklich aus, dass die junge Frau Michel an Medikamenten gestorben ist. Weil sich
jedoch die katholischen Befürworter des Exorzismus an
Anneliese Michel bis heute vehement an diese These klammern, soll zum
Abschluss noch einmal etwas ausführlicher darauf eingegangen werden.
Zur allgemeinen Information: Jeder Obduktionsbericht enthält neben
einer "unmittelbaren Todesursache" die "vorangegangenen Ursachen", z. B. "Krankheiten, welche die unmittelbare Todesursache herbeigeführt haben" sowie
andere "wesentliche Krankheiten".
Nun spielt in dem gerichtsmedizinischen Bericht eine Medikamentendosierung
aber überhaupt keine Rolle. Als Todesursache sind "Abmagerung", "Lungenentzündung" und
"extreme körperliche Beanspruchung während der letzten
Lebenstage" angegeben. Es heißt, ihre Verfassung "lasse sich am
ehesten vergleichen mit der getöteter Lagerinsassen im Zweiten Weltkrieg" (S. 14).
Und im Gerichtsurteil heißt es auf Seite 40 sogar ausdrücklich:
"Jede andere Todesursache ist ausgeschlossen" (zitiert bei Goodman, S. 295).
In der öffentlichen Berichtserstattung ist in diesem Sinne manchmal auch
"Unterernährung" zu lesen. (z. B. Main-Echo, 5.4.2014)
Im Gegensatz dazu beharrt die Autorin und Anthropologie-Professorin
Felicitas D. Goodman (2) auf ihrer These, dass Anneliese
Michel durch das anti-epileptische Mittel Tegretal "umgebracht" worden sei (das
ihre roten Blutkörperchen geschädigt habe), wobei sie auch durch
Entzugserscheinungen, nachdem sie nicht mehr richtig schlucken konnte,
erheblich geschwächt gewesen sei.
Doch
bereits bei Felicitas D. Goodmans Versuch, dies seriös darzulegen, kommen einem
unvoreingenommenen Leser erhebliche Zweifel. So muss auch die Professorin z. B. zugeben, dass
Anneliese Michel Ende 1973 nach der medikamentösen Umstellung auf Tegretal
sich "einige Zeit sehr wohl" fühlte.
Und gar aus dem Ruder laufen die
Deutungen der Autorin, wenn sie z. B. den großen Exorzismus vom 31.10.1975 mit den
Worten beschreibt: "Die große Austreibungsszene wurde zu einem gigantischen
Kampf zwischen der jugendlichen Kraft von Annelieses Gehirn und der Wirkung
des Medikaments" (S. 291). Eine kraftvolle Jugendliche kämpfte
demnach gegen
ein schlimmes Medikament.
Obwohl ein unpassendes Medikament natürlich
grundsätzlich ein bestehendes Chaos noch vergrößern kann, spürt man hier
sehr deutlich den Beginn der Legendenbildung. Und diese wirkt sich auch auf andere
Teile des Buches von Frau Goodman aus, z. B. bei der beschönigenden
Darstellung des katholischen Milieus, in dem Anneliese Michel aufgewachsen
ist oder durch Verschweigen von Äußerungen von Anneliese Michel, die nicht
so gut zu diesem Milieu passen.
Eine weitere Studienfreundin Anneliese Michels aus der Würzburger Zeit drückt ihre
Wut über die Verbrämung und Beschönigung der kirchlichen Schuld mit
drastischen Worten aus, indem sie sagt, die Studie der Anthropologin
Felicitas D. Goodman sei "keine wissenschaftliche Arbeit", sondern ein "Schund-Roman"
und Anneliese Michel werde darin "missbraucht". (Satan lebt, WDR 2006;
vgl. dazu eine andere Stellungnahme oben)
Doch selbst wenn man annimmt, dass der
Obduktionsbericht der Gerichtsmedizin falsch oder unvollständig sei und die
Nebenwirkungen eines Medikaments als "ursächlich" oder "mit-ursächlich" für den Tod ergänzt werden müssten – was würde sich dadurch an
den in dieser Studie dargelegten Zusammenhängen ändern und an den
Einwirkungen des religiösen Milieus? Es würde sich nichts ändern.
Denn es geht nicht nur um den zeitlichen Schlusspunkt der furchtbaren Ereignisse,
sondern um die gesamte Tragödie, die lange vor der Einnahme von Tegretal und von anderen Medikamenten begonnen hatte.
Zudem: Mediziner und dabei vor allem die als sehr penibel bekannten
Gerichtsmediziner, die in der Regel alles Denkbare untersuchen und jedem Mikrogramm eines
Stoffes Bedeutung beimessen, ziehen diese Theorie nicht einmal in Erwägung.
Es deutet also nahezu alles darauf hin, dass es hier von Seiten von
Exorzismus-Befürwortern darum geht, einen nichtkirchlichen
Sündenbock zu finden (hier einen Arzt) bzw. ein – im wahrsten Sinne des Wortes –
"Totschlag"-Argument,
um von den tatsächlichen Mordverdächtigen abzulenken (siehe
oben). Damit wir versucht, die Aufarbeitung der ganzen Last von Schuld und Verstrickungen abzublocken
bzw. sie wird dem zuletzt behandelnden Arzt zugeschoben oder auch
seinen Vorgängern, wenn man die anderen Medikamente ebenfalls mit
heranzieht.
Es formt sich dann etwa folgende zusammenfassende Sichtweise,
die einer Legendenbildung die Wege bereitet:
Eine engagierte junge Katholikin wäre
ohne eigenes Verschulden
von Dämonen besetzt worden, um dadurch die sexuellen "Sünden" ihrer Umgebung und
einiges mehr sühnen zu können. Anschließend hätte sie durch den großen
Exorzismus des Rituale Romanum der römisch-katholischen Kirche wieder von diesen
Dämonen befreit werden können. Leider hätten aber ungläubige Ärzte dies verhindert,
indem sie ihr zerstörerische Drogen einflößten, die ihre Widerstandskraft
gegenüber den Dämonen geschwächt bzw. gebrochen haben, so dass der heilsame Exorzismus sein Ziel nicht
erreichen konnte. Schließlich wäre sie durch ein solches Medikament sogar,
wenn auch unabsichtlich,
umgebracht worden.
So oder so ähnlich würden viele gläubige Katholiken die Geschichte gerne
deuten, und wer das
tut, bezeugt einfach nur, was er gerne glauben möchte. Und wenn Anneliese
Michel in einigen Jahren oder Jahrzehnten deswegen "selig" oder gar "heilig" gesprochen wird,
nachdem sich genügend Geldgeber für eine solche Prozedur im Vatikan gefunden
haben, braucht das
auch niemanden mehr zu wundern. Einen Gefallen täte man damit aber am
allerwenigsten Anneliese Michel selbst.
Dennoch offenbart das Schicksal der Pädagogik-Studentin auch ein Versagen
der Schulmedizin.
Anneliese Michels Eltern und sie selbst hatten
nämlich auf diesem Gebiet zunächst kaum etwas unversucht gelassen,
um zu einer Heilung oder Besserung zu kommen. Doch Nervenärzte, Psychiater
und medizinische Experten aller in diesem Zusammenhang denkbaren
Fachrichtungen bissen sich an der jungen Studentin aus Klingenberg genauso
die Zähne aus wie später die katholischen Exorzisten (vgl. dazu
einige Hinweise zur Epilepsie). Die ärztlichen
Verordnungen, Therapien und Medikamentendosierungen führten zwar immerhin zu
zwischenzeitlichen Besserungen (vgl. demgegenüber die Aussage von Anneliese
Michels Freund über die Wirkung des Exorzismus: "Man hat ja
gemerkt, wenn man hinkommt, betet den Exorzismus, da wird´s ja eigentlich
schlimmer", S. 243), aber nicht zu einer dauerhaften. Dies ist aber
bei der hier dargelegten seelischen
bzw. "ekklesiogenen" bzw. kirchlichen Krankheitsgeschichte auch kein Wunder.
Dieser Zusammenhang wurde offenbar von manchen Medizinern nicht oder zu wenig
berücksichtigt oder völlig unterschätzt.
Im Unterschied dazu sind den
Medizinern Gefahren und mögliche Nebenwirkungen einzelner Medikamente bekannt,
und kein Arzt kann einfach "auf Teufel drauf los" verordnen. So ist es auch
selbstverständlich, dass man nicht ausschließen kann, dass
ein Medikament im Einzelfall das Chaos bei der ausgemergelten Studentin noch vergrößerte, da schließlich eine Vielzahl
unterschiedlicher Kräfte, Interessen und Inhaltsstoffe von Medikamenten auf sie
einwirkte. Und es kommt ja auch sonst häufig
vor, dass man eine eventuell falsche Medizin für ein Leiden verantwortlich
machen will. In diesem Fall soll damit aber wohl bewusst oder unbewusst verhindert werden, dass
man den wahren Ursachen für das Leiden und den Tod der jungen Frau auf den Grund kommt.
Und hier
bieten sich Mediziner als Sündenböcke geradezu an, und so ist es fast
zwangsläufig, dass es auch in diesem Fall passierte.
Doch eines sollte in
diesem Zusammenhang klar gestellt werden, bei aller berechtigten Kritik an der
Psychiatrie oder der Schulmedizin: Unter der Obhut von Ärzten wäre Anneliese
Michel wohl kaum wie "ein Lagerinsasse im 2. Weltkrieg" abgemagert,
und sie wäre am Leben geblieben. Unter der Obhut der Beauftragten der Kirche ist
ihr Körper jedoch extrem verfallen, was schließlich mit ihrem Tod endete.
Man stelle sich die öffentliche Reaktion vor, wenn unter der
Betreuung durch irgendeine andere Institution in unserer Gesellschaft
solches
geschehen wäre. Sie wäre noch um einiges heftiger ausgefallen.
Zusammenfassend kann man sagen: Fast jedes Medikament hat eine erwünschte
positive Wirkung und eine oder mehrere unerwünschte Nebenwirkungen, und das wird
bei den Medikamenten, die Anneliese Michel einnahm, nicht anders gewesen sein. Die erwünschte Wirkung wird
dabei zur Dämpfung mancher Ausnahmesituation beigetragen haben. Doch selbst
hilfreiche bzw. beruhigende Medikamente können nichts ausrichten, wenn der Wahn, der
letztlich in die
Katastrophe führte, parallel dazu auf die Spitze getrieben wird.
Natürlich gibt es heute auch Menschen, die bekennen, dass ihnen
ein römisch-katholischer Exorzismus geholfen habe, um von ihren "Dämonen" frei
zu werden.
Hier kann zunächst bezweifelt werden, ob dies dauerhaft anhält.
Und weiter handelt es sich hierbei offenbar ausnahmslos um Zeitgenossen, die
sich wieder in das römisch-katholische Glaubenssystem integrieren ließen,
was die innerlich gespaltene Seele der ja schon als Kind hochintelligenten Anneliese Michel im Grunde ihres Wesens
und mit ihrer Gefühls- und Empfindungswelt aber nicht mehr konnte. Deshalb ändern diese einzelnen Stellungnahmen gläubiger Katholiken auch
nichts an den Schlussfolgerungen dieser Studie.
Diese deckt sich auch mit
dem Ergebnis eines weiteren wissenschaftlichen Untersuchungsberichts.
Auch dieser macht den katholischen Exorzismus nach dem Rituale Romanum für die ausbleibende
Genesung von Anneliese Michel entscheidend mitverantwortlich. Der
Bericht von Johannes Mischo und Prof. Dr. Ulrich J. Niemann S. J., einem Jesuiten, ist unter dem Titel Die Besessenheit der Anneliese Michel in
interdisziplinärer Sicht in der Zeitschrift für Parapsychologie und
Grenzgebiete der Psychologie Nr. 25, 1983 erschienen.
Darin heißt es auf
Seite 186: "Besessenheit und Großer Exorzismus gemäß dem Rituale
Romanum von 1614 (in Vollmacht von Papst Pius XII. 1954 neu angeordnet und
erweitert, Anm. der Verfasserin) sind geeignet, die nach dem heutigen Stand
medizinischer, psychiatrischer und psychologischer Erkenntnis als
wahrscheinlich anzunehmenden Krankheiten und Krankheitsursachen zu
verdecken, zu verstärken und zu perpetuieren und damit eine mögliche Heilung
zu erschweren oder gar auszuschließen." (zitiert bei
Goodman, S. 342) (13)
Anneliese Michel hat also nicht den Teufel besiegt, wie die an ihrem Grab Rosenkranz betenden Pilger
glauben – sie wurde eher das Opfer einer "Teufelsreligion". Und diese weist
u. a. beim
Exorzismus eine große Nähe zum Voodoo-Kult auf.
Der ehemalige katholische Theologieprofessor und Religionswissenschaftler
Hubertus Mynarek schreibt hierzu grundsätzlich: "Das Opfer spielt
in der katholischen Religion fast dieselbe Rolle wie in der Voodoo-Religion.
Es muss Blut fließen und es muss ein Opfer sein" (Voodoo auf katholisch,
a.a.O.
(3),
S. 40). Und es gibt noch zahlreiche
weitere Parallelen. Neben den in beiden Kulten verwendeten Reliquien, wie
oben schon dargelegt, betet man auch im Exorzismus des Voodoo-Kultes zu
Maria. Oder der Priester verwendet eine Fetisch-Flasche mit geweihtem Wasser
ähnlich dem katholischen Weihwasser. Und auch beim Voodoo führen geweihte
"Mittler", die in Kontakt zur Geisterwelt stehen oder stehen sollen – ähnlich den katholischen Priestern – den
Exorzismus durch. Dabei verwenden sie ritualisierte Wiederholungsgebete
vergleichbar den katholischen Rosenkränzen oder anderen katholischen
Exorzismus-Formeln.
Juristisch wird der Tod Anneliese Michels am 21. April 1978 abgeschlossen.
Die Eltern Anna und Josef Michel, die auf ihre Weise ebenfalls Opfer ihrer Kirche sind, und
die von ihrem Bischof Josef Stangl beauftragten Exorzisten Arnold Renz und
Ernst Alt
werden wegen "fahrlässiger Tötung" und "unterlassener Hilfeleistung" von der
ersten großen Strafkammer des Landgerichts Aschaffenburg zu
Freiheitsstrafen von je sechs Monaten verurteilt, die auf je drei Jahre zur
Bewährung ausgesetzt werden. Der verantwortliche Bischof und mit ihm die
römisch-katholische Kirche als Institution kommen jedoch völlig
ungeschoren davon. Hier stellt sich die Frage, wie ihnen das in der für ihr Ansehen und ihre
Machtstellung nicht ungefährlichen Situation gelungen ist. Man wählte dabei
einen schnellen und effektiven Weg, die plumpe Lüge.
Durch seinen
Sprecher lässt der Bischof von Würzburg nämlich kurz nach dem Tod Anneliese
Michels verlauten: "Wir haben von allem nichts gewusst! ... Uns wurde der
Fall erst nach dem Tode des Mädchens bekannt. Ich habe niemanden die
Genehmigung zu den Exorzismus-Gebeten erteilt." (Welt am
Sonntag, 25.7.1976)
Tatsächlich hatte Bischof Stangl aber in seinem offiziellen Brief an Pater
Arnold Renz vom 16. September 1975 geschrieben: "Hiermit beauftrage ich nach
reiflicher Überlegung und guter Information H. H. P.
Renz, Salvatorianer, Superior in Rück-Schippach, bei Fräulein Anna Lieser [= Deckname für
Anneliese Michel ("Anna Lieser" als Verfremdung von "Anneliese") aus Gründen der weitmöglichsten Geheimhaltung]
im Sinne von CIC can. 1151 § 1 zu verfahren. Mein Gebet gilt seit
längerer Zeit diesem Anliegen.
Möge Gott uns helfen! Ich danke aufrichtig für diesen Einsatz.
Mit herzlichen Segenswünschen; gez. Josef
Bischof von
Würzburg" (nach Kaspar Bullinger, Anneliese Michel und die
Aussagen der Dämonen, zit. bei
www.anneliese-michel.de.ms; auch bei Wolff,
S. 21; (4)). Und aufgrund der eindeutigen Beweislage wird dies mittlerweile auch
offiziell zugegeben. So heißt es unmissverständlich in einer offiziellen Presseerklärung der
Deutschen Bischofskonferenz vom 15. November 2005, kurz vor dem Kinostart von
Der
Exorzismus von Emily Rose:
"Pfarrer Alt ersuchte im Sommer 1975 um die Erlaubnis zum Großen
Exorzismus. Der damalige Bischof von Würzburg Josef Stangl erteilte diese
nach Vorlage eines Gutachtens des Jesuiten P. Adolf Rodewyk, und P. Arnold
Renz erhielt die Erlaubnis zur Durchführung." Im Jahr 1976 log man jedoch noch:
"Wir haben von allem nichts gewusst" (siehe oben).
Foto rechts:
Denkmal von Bischof Josef Stangl im Würzburger Dom.
Seine linke Hand erhebt er dabei wie zum Schwur.
Dies ist insofern sogar von krimineller Dreistigkeit, da auf diese Weise
ein mögliches Ermittlungsverfahren und eine eventuelle Bestrafung des
Bischofs von vorne herein vereitelt wurde. Und tatsächlich haben die
Exorzisten den Bischof immer wieder bis ins Detail über den Zustand von
Anneliese Michel und die Wirkungen des Exorzismus informiert. Ein
Beispiel dafür ist der Brief von Pfarrer Ernst Alt vom 24. Juni 1976, eine Woche vor
dem Tod der Studentin:
"Anneliese ist bis zu einem Skelett abgemagert".
"Anneliese
sagte öfters ´Ich kann nicht mehr`".
"Mit dem Kopf ging sie durch die Scheibe der Korridortür."
"Mit den Zähnen hat sie ein Loch in die Wand gebissen, so dass ein Teil der
Vorderzähne abbrach. Immer wieder biss sie sich selbst in den Arm."
"Es ist uns nicht gelungen, den Teufel wieder zum Reden zu bringen. Mir
scheint es bewiesen zu sein, dass es sich hier um den typischen Fall einer
Sühnebesessenheit handelt."
"Zur Zeit wird sie meistens gefesselt auf der Couch an den Händen und Füßen.
Das hat den Vorteil, dass sie sich nicht wesentlich verletzen kann."
Sie "hat sich hin und her geworfen", "das
Gesicht zerschlagen, die Nase blutig".
"Anneliese richtet sich so zu, dass ihre beide Augen so aussehen, als ob man
sie mit Fäusten rot, blau und schwarz geschlagen hätte." (Satan lebt, WDR 2006)
Das also und noch weit mehr wusste der Bischof, der gegenüber dem
Staatsanwalt "von allem nichts gewusst" haben wollte.
Ein Besuch von Bischof Josef Stangl war schließlich die allerletzte und einzige
Hoffnung, an die sich die sterbenskranke junge Frau noch klammerte. Und auch
ihre Familie, alle ihre Freunde und die Exorzisten hofften immer wieder auf
den Bischof. Doch Josef Stangl saß den Exorzismus der Anneliese Michel bis
zum bitteren Ende aus und lässt dann dreist verlauten: "Wir haben von allem nichts gewusst."
So könnte man dem Bischof hier symbolisch die Worte aus dem 1. Buch Mose
in der Bibel zusprechen, die lauten: "Kain, wo ist dein Bruder? Wo ist deine Schwester?"
Vielleicht ahnte der Bischof schon das tödliche Ende seiner
Anordnung und organisiert bereits vorab den Versuch einer
kirchenpolitischen "Schadensbegrenzung".
Denkbar ist zwar auch, dass Drahtzieher im Hintergrund ihm einige Briefe
und Hilferufe vorenthalten haben. Dass er aber von nichts gewusst haben will,
ist auf jeden Fall eine nachgewiesene Lüge, denn er schrieb ja am 16.9.1975 anlässlich der
Genehmigung des Exorzismus an Pater Renz: "Mein Gebet gilt seit längerer
Zeit diesem Anliegen".
Schließlich versuchte man von Seiten der römisch-katholischen Kirche
auch, den aufgrund der Ereignisse irritierten Katholiken Sand in die Augen
zu streuen, als es um die genauen Vorgänge geht, die zur Genehmigung des Exorzismus führten. Anneliese Michel wäre ja gar nicht
"besessen"
gewesen, sondern nur seelisch krank, und die Exorzisten einschließlich des
katholischen Chef-Dämonologen und kirchlich weltweit anerkannten Experten,
Pater Rodewyk, hätten mit ihren Diagnosen eben geirrt.
Wieder glaubt man als Außenstehender fast, seinen Augen und Ohren
nicht mehr trauen zu können. Betonen doch die Kirchenführer sonst bei jeder
passenden Gelegenheit die Existenz von Teufel und Dämonen und die
Möglichkeit ihrer Austreibung. Und stimmt doch der Sachverhalt bei
Anneliese Michel in Klingenberg ganz mit den allgemeinen Darlegungen der
römisch-katholischen Kirche zu diesem Thema überein.
Doch das Bistum Würzburg distanziert sich schon bald
nach dem Tod Anneliese Michels von
den Exorzismus-Sitzungen, und die Deutsche Bischofskonferenz zieht in diesem Sinne nach. Man setzt
eine Kommission zur "Untersuchung" der Vorgänge
ein, die dann zu dem Ergebnis kommt, dass bei Anneliese Michel "keine Besessenheit vorgelegen habe" (Rheinischer Merkur Nr. 15, 14.4.1978, zitiert
bei Goodman, S. 322 (5)) – eine
an Verlogenheit und Heuchelei nicht mehr zu überbietende
Stellungnahme. (zur weiteren Tätigkeit der Kommission siehe (14))
Wohlgemerkt: In ähnlichen Fällen ohne tödlichem Ausgang sind nach katholischer Lehre die Dämonen echt.
Geht die Sache schief wie in Klingenberg, sind die Dämonen im Nachhinein eben nicht echt gewesen,
und einige "Bauernopfer" müssen den Kopf hinhalten.
Anneliese Michel wird
auf diese Weise nach ihrem Tod noch ein weiteres Mal ein Opfer der
trickreichen Kirchenführung jetzt zusammen mit ihren Eltern
und den kirchlichen Helfern. Anna und Josef Michel, Ernst Alt und Arnold Renz – sie alle werden am
21. April 1978 vom Landgericht Aschaffenburg verurteilt.
Obwohl sie ihrer Kirche treu ergeben waren und nur das taten, was die
Kirchenleitung ihnen auftrug, riet und erlaubte, werden sie von den
Kirchenführern auf dem Altar der Justiz und der öffentlichen Meinung (die
z. B. die unterlassene medizinische Hilfeleistung in der Endphase der
Exorzismus-Sitzungen zurecht massiv anklagt) geopfert,
während die geistig Verantwortlichen und Auftraggeber im Hintergrund,
gleichzeitig die "Garanten" der kirchlichen Exorzismus-Lehre, einmal mehr unbehelligt bleiben. Die
Agierenden und Betroffenen im Vordergrund werden demgegenüber fallen
gelassen,
denn die "Heiligkeit" der Kirche soll ja bekanntlich so wenig wie möglich "behindert" werden (vgl. Katholischer Katechismus, Nr. 829).
Und hier
ist die Kirche auch im Einzelfall brutal: "Kein Wort des Trostes kommt aus
Würzburg, kein Schuldbekenntnis, kein Eingeständnis, die Situation zumindest
falsch beurteilt zu haben, nicht einmal Solidarität in der Trauer", schreibt
Uwe Wolff (S. 33).
Doch geht es hier nicht nur um eine weitere kriminelle oder
zumindest moralisch-sittliche Verfehlung der
Kirchenoberen. Deren Verhalten hat hier auch unmittelbare Folgen für die Rechtssprechung. Denn
im Strafverfahren gegen die Eltern von Anneliese Michel und die
beiden Exorzisten hätte es berücksichtigt werden müssen, wenn sich Bischof Josef Stangl und die
römisch-katholische Amtskirche zu ihrer
tatsächlichen Verantwortung bekannt hätten. Auch hätte die
Staatsanwaltschaft wohl ein Ermittlungsverfahren gegenüber Bischof Josef
Stangl einleiten müssen.
So aber lässt die Kirche entgegen
den Tatsachen mitteilen, Exorzisten und Eltern hätten sich nach römisch-katholischer
Lehre grundsätzlich falsch verhalten. (6) Dahinter steckt eine
in der Kirchengeschichte vielfach erprobte trickreiche strategische Manöverleistung, die
man mit den Worten zusammenfassen kann: Die Kirche steht immer auf allen
Seiten. Und im Konfliktfall steht sie immer auf der Seite, die der Zeitgeist gerade
erfordert, um den kirchlichen Einflussbereich auf die Gesellschaft und die
Seelen der Menschen erhalten und vergrößern zu können. (7)
Und Bischof Josef Stangl widmet sich bald auch wieder "Höherem". So weiht er z. B. am
28. Mai 1977 den späteren Papst Benedikt XVI., Joseph Ratzinger, zum
Erzbischof von München und Freising.
Doch wenigstens Anneliese Michels gute Bekannte, die Katholikin
und Organisatorin der Wallfahrten nach San Damiano, Thea Hein (12), nimmt das
Verhalten der römisch-katholischen Amtskirche nicht duldsam hin. So
verweigert sie z. B. eine Hausdurchsuchung, wodurch die Vertreter der Kirchenführung
in den Besitz von Tonbändern Annelieses kommen wollten. Weiterhin bringt sie
die Lüge von Bischof Josef Stangl in einen Zusammenhang mit
seinem weiteren Schicksal: "Da habe ich gesagt: ´Gebt acht, das bricht
dem Bischof das Genick!` Und genau ein Jahr danach war er tot. Er hat
ja den Verstand verloren; das werden Sie ja wissen," so Thea Hein, die
Nachbarin
Annelieses (Wolff, S. 21), und der Autor Uwe Wolff entlehnt aus
ihrer Stellungnahme seinen Buchtitel.
Was ist mit Bischof Josef Stangl kurz darauf passiert? Das Gehirn des Bischofs wird
seit 1978 "nicht mehr richtig durchblutet", so die medizinische Umschreibung des
Leidens. "Und der Tod der beiden Päpste Paul VI. und Johannes Paul I. im
August und September 1978 setzen dem Bischof zusätzlich zu", glaubt der
Pressedienst des Ordinariats Würzburg. (POW, 24.3.2004)
Schließlich glauben die beiden Nonnen Gottwalda Fahrmeier
[+ 1.6.1997] und Alberadis Schüßler [*1926]
am Morgen des 8. April 1979:
"Heute wird Bischof Josef in das himmlische Jerusalem einziehen" (Main-Post, 7.4.2004). Gegen
Mittag ist er dann tot.
Drei Tage später, am 11. April 1979, kommt der ihm vertraute
spätere Papst Benedikt XVI., Erzbischof Joseph Ratzinger, der
von Stangl 1977 zum Erzbischof von München und Freising geweiht worden war,
eigens nach Würzburg.
Erzbischof Ratzinger würdigt
Bischof Stangl im Requiem im Würzburger Dom nun als "großen Seelsorger, der
sein Bistum durch das Beispiel seines Glaubens und seine überzeugende Güte
gelenkt hatte" (Main-Post,
6.9.2006). Er war der 86. Bischof von Würzburg. Josef Stangl wurde am
12.8.1907 geboren (weswegen die Kirche im Jahr 2007 ein
Stangl-Jahr feierte), und er "residierte"
als Bischof vom
12.9.1957 bis zum 8.1.1979. Zum Vergleich: Anneliese Michel lebte vom
21.9.1952 bis zum 1.6.1976. Beide Lebensläufe sind also schicksalhaft
verwoben.
Das Stangl-Grab im Würzburger Dom – Hat sich der
Würzburger Bischof mit
Joseph Ratzinger über den Exorzismus an Anneliese Michel beraten?
Die Rolle von Joseph Ratzinger bei den Exorzismus-Sitzungen an Anneliese
Michel ist dabei bis heute ungeklärt. Der einstige
Theologie-Professor könnte z. B.
zu den Beratern von Josef Stangl gehört haben.
"Ratzinger hat Stangl persönlich hoch
geschätzt", so die Würzburger Main-Post (6.9.2006) mit einem gewissen
Stolz, und sie schreibt über eine "tiefe Beziehung" der beiden Würdenträger
zueinander. Auch von daher ist es sehr unwahrscheinlich, wenn der spätere
Papst (der schon damals als Experte für alle kirchlich wesentlichen Themen
galt) von den Exorzismus-Sitzungen ebenfalls "nichts gewusst"
hätte, so wie es der Sprecher von Josef Stangl entgegen der Wahrheit von
seinem Bischof behauptete.
Die offizielle Distanzierung der damaligen Kirchenleitung und der Kommission der Deutschen
Katholischen Bischofskonferenz von Anneliese Michels Eltern und dem kirchenamtlich
beauftragten Exorzisten Renz und seinem Kollegen Alt hat dabei aber nicht nur die
hier dargelegten moralischen und juristischen Dimensionen, sondern eine noch
tiefere existenzielle. Denn ein solches kirchenamtliches Handeln kann in einem gläubigen Katholiken auch Seelenängste
auslösen, die wohl nur der wirklich erahnen kann, der selbst dieses Milieu
erfahren hat.
"Der sei ausgeschlossen", heißt es bis heute in zahlreichen
kirchlichen Lehrdokumenten gegenüber in Einzelfällen Andersdenkenden oder
Zweiflern, und damit verbunden ist nach angeblich
unfehlbarer Kirchenlehre die wiederum angebliche ewige Verdammnis (vgl. dazu
Der Theologe Nr. 68).
Mit einer kirchenamtlichen Distanzierung
schließt man den Gläubigen zwar noch nicht aus. Man rückt ihn aber
gefährlich nahe an den Abgrund heran, vor dem jeder gläubige Katholik bis
ins Mark Angst haben soll und vor dem auch Anneliese Michel zeitlebens in
unfassbarer panischer Angst lebte, von der sie sich nicht befreien konnte. "Ich habe Angst", das waren
dann ja auch ihre letzten Worte. Sie hatte immer Angst.
Doch kein Opfer der Kirche muss ein Opfer bleiben. Und für jeden Menschen,
der die
Wurzeln dafür findet, warum er zum Opfer geworden ist, kann sich ein neuer Weg zum Leben auftun im Diesseits und,
wer daran glauben möchte, warum nicht auch im Jenseits?
Das ist auch die gute Hoffnung für Anneliese Michel.
Und ohne dass sie es
plante oder wusste, hat die Aufarbeitung ihres Lebens schon heute dazu
beigetragen, dass unzählige Menschen die höllischen Abgründe der kirchlichen Lehre
besser erkennen und verstehen können. Ihr Leiden und Sterben ist nicht
vergeblich gewesen.
(1) Uwe Wolff: Das bricht dem Bischof das Kreuz – Die letzte Teufelsaustreibung in Deutschland, TB rororo, Reinbek 1999. Der Autor (geboren 1955 in Münster) wohnt in Bad Salzdetfurth und war Fachleiter für Evangelische Religionslehre am Studienseminar in Hildesheim. Im Jahr 2006 erschien die Neuauflage seines Buches unter dem Titel Der Teufel ist in mir – Der Fall Anneliese Michel, die letzte Teufelsaustreibung in Deutschland, München 2006. Von einer "letzten Teufelsaustreibung" kann allerdings nicht die Rede sein, siehe hier. Im Jahr 2020 trat er aus der evangelischen Kirche aus und die römisch-katholische Kirche ein und ist Privatdozent an der Universität Hildesheim.
(2) Felicitas D. Goodman: Anneliese Michel und ihre Dämonen, Christiana-Verlag, Stein am Rhein/Schweiz, 3. Auflage, 1993; Felicitas Goodman (1914-2005) standen alle 42 Tonbandprotokolle der Exorzismussitzungen zur Verfügung. Die Anthropologin lebte zuletzt in Cuyamungue/New Mexico/USA.
(3) Voodoo auf
Katholisch, Freie Christen für den Christus der Bergpredigt, Marktheidenfeld
2004; im Internet als PDF-Datei siehe
hier.
Als Druckschrift gratis erhältlich über den "Theologen".
(4) Nach der 3. Auflage des CIC (Codex Iuris Canonici) von
1983 handelt es sich mittlerweile um Can. 1172 § 1: "Niemand kann rechtmäßig
Exorzismen über Besessene aussprechen, wenn er nicht vom Ortsordinarius eine
besondere und ausdrückliche Erlaubnis erhalten hat."
(5) Da der Artikel im
Rheinischen
Merkur zu
Prozessbeginn 1978 erschien, kann der Beschluss der Kommission nicht 1979
erfolgt sein, wie Frau Goodman auf S. 321 schreibt. Oder die Jahreszahl der
Quellenangabe ist fehlerhaft. Für eine Rückmeldung zu
den exakten Datumsangaben bin ich dankbar. Der Verfasser.
(6) Der Haupt-Exorzist, der Salvatorianerpater Arnold Renz,
starb am Pfingstsamstag, den 17.5.1986, "unbemerkt von der Öffentlichkeit"
(Goodman,
S. 305). 30 Jahre später werden gegen ihn von einer Frau
Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs erhoben.
Pater Ernst
Alt konnte später "unter dem Schutz des Erzbischofs Josef Stimpfle" in
Augsburg untertauchen. Im Jahr 1994 sprach er mit dem Autor Uwe Wolff
nur telefonisch, nicht persönlich, da Wolff ihm mitteilte, dass er nicht
katholisch sei. "Die persönliche Begegnung", so Wolff,
"scheute er deshalb mit der Begründung: ´Der Exorzist muss sich rein
halten`"
(Wolff, S. 268 f.).
Noch in jüngerer Zeit [2011] war er
offenbar als Exorzist tätig. So schrieb uns Frau Klara H. aus Nürnberg im
Jahr 2008 von
einer römisch-katholischen Säuglingstaufe, bei der Pfarrer Ernst Alt auf
Latein exorzistische Formeln über dem wehrlosen Kind murmelte (nach
kirchlicher Lehre ist bereits der Säugling mit der Erbsünde "befleckt" und
der "Teufel" müsse auch aus ihm "ausgetrieben" werden).
Im Jahr 2016 wird bei ihm auch wegen des Vorwurfs
sexuellen Missbrauchs ermittelt.
Von Anneliese Michels Vater Josef Michel
(* 1917 in Klingenberg) ist bekannt, dass er 1983 in den
Ruhestand ging und die Firma an die "nächste Generation" übergeben hat. Er
richtete auf eigenem Grund auch eine Privat-Kapelle für seine Tochter Anneliese
ein und ist offenbar um das Jahr 2000 verstorben, ebenso nach dem Vater die Mutter Anna Michel, geb.
Fürg (* 1920 in Leiblfing; + 16.6.2012 in Klingenberg im Alter von 91
Jahren). Die Erben, die Geschwister von Anneliese Michel, haben nach dem Tod der Mutter die Privat-Kapelle
dauerhaft geschlossen.
(7) Anmerkung am Rande: Auf ähnliche Weise
ist es der Kirche auch gelungen, z. B. mit zahlreichen Diktaturen im Bunde zu sein
(z. B. 1976-1983 mit der Militärjunta in
Argentinien) und nach deren
Fall sofort auf Seiten der neuen Machthaber zu stehen. Entweder indem man
zum richtigen Zeitpunkt einfach die Seiten wechselte. Oder indem man
auf allen Seiten seine Leute hatte und hat. Und je nach den Erfordernissen des
Zeitgeistes werden die einen hochgehoben und die anderen lässt man bedeckt
oder umgekehrt.
(8) Pfarrer Valentin
Fleischmann war von 1552-1575 der Priester der römisch-katholischen
Kirchengemeinde in Ettleben bei
Schweinfurt. Er galt als sehr gewalttätig und hat u. a. einen Mann in seinem
Pfarrhaus erschlagen. Und einer Frau fügte er durch Schläge schwere
Verletzungen zu. Bei vier Kindern ist seine außereheliche Vaterschaft
unbestritten. Der katholische Priester soll
einer der "Dämonen" gewesen sein, die durch Anneliese Michel gesprochen
haben. So z. B. am 24.10.1975, als "Fleischmann" durch Anneliese Michel von den Priestern die Einhaltung des
Zölibats forderte. Wörtlich: "Es darf kein
Priester heiraten.
Er ist Priester auf ewig. Und mit den
Ordensleuten ist es nicht anders. Sie müssen ihrem Beruf treu bleiben."
Nach einer anderen Anmerkung hätte er zudem "in seinem Pfarrhaus
ein Mädchen umgebracht, nachdem er es verführt hatte"
(Dr. Harald
Wiesendanger in "Das Große Buch vom Geistigen Heilen", zit. nach Wendezeit
Nr. 2/2006). Vielleicht liegt hier aber eine Verwechslung mit dem Mord
des Priesters an dem Mann
vor.
(9) Der WDR-Film Satan lebt – Die Rückkehr des Exorzismus von Helge Cramer wurde erstmals am 27.3.2006 in der ARD gezeigt (wdr.de, 2007/0709).
(10) Ein Hintergrund der Ereignisse von Klingenberg ist
die innerkirchliche Auseinandersetzung zwischen den "Reformern", die sich
vom 2. Vatikanischen Konzil (1962-1965) ermuntert sehen und den
"Traditionalisten", welche Reformen der Kirche beargwöhnen. Das
religiöse Umfeld von Anneliese Michel und ihrer Exorzisten wird den
"Traditionalisten" zugerechnet. So sind z. B. die Marienerscheinungen in San
Damiano bzw. Assisi in der Toskana, an denen auch Anneliese Michel mehrmals
teilnahm, bis heute kirchenoffiziell nicht "bestätigt". Sie sind jedoch fest
in der katholischen Volksfrömmigkeit verwurzelt. Der damalige Würzburger
Bischof Josef Stangl wird hingegen zu den "Reformern" gezählt. Praktisch
überschneiden und ergänzen sich jedoch beide Flügel. Dies gilt auch für den Exorzismus
an Anneliese Michel. So handelten die beiden Exorzisten Renz und Alt ganz
offiziell im kirchenamtlichen Auftrag und mit dem offiziell dafür
vorgesehenen Rituale Romanum. Und die Kritik an diesem Exorzismus sowie
seiner Vorgeschichte und seinen Folgen trifft nicht nur einen Flügel der
Kirche, sondern die römisch-katholische Kirche und ihre Dogmen in ihrer Substanz.
(11) Zwei Fotos von Anneliese
Michel früher einsehbar unter
blogultura.com –
Weitere Hinweise zum
Thema ab ca. 2008:
Das
Hamburger Abendblatt und
Die Welt berichteten am
20.5.2008 von Teufelsaustreibungen in Deutschland. Dabei wurden bei Exorzismen im Erzbistum Paderborn eigens ein erfahrener "Priester aus Bayern" eingesetzt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass in diesem Zusammenhang auch Pfarrer Ernst Alt weiterhin tätig ist, einer der beiden Exorzisten von Anneliese Michel, der nach Zeugenaussagen bei einer Säuglingstaufe einen Exorzismus auf Lateinisch durchführte.
Mindestens ein Exorzist für jede
Diözese Mindestens ein Exorzist für jede DiözeseWeiteren Presseberichten zufolge stand 2008 die Berufung eines Exorzisten für jede römisch-katholische Diözese unmittelbar bevor. Papst Benedikt XVI. wollte zu diesem Zweck 3000 neue Exorzisten berufen (siehe z.B. derwesten.de, 12.3.2008). Das dies tatsächlich geschehen ist, bestätigt Ägidius Engel, Sprecher des Erzbistums Paderborn im Jahr 2014 (Focus Nr. 2/2014). Ihre Tätigkeiten seien im "erzbischöflichen Geheimarchiv" dokumentiert.
Die
Zeitung Bild veröffentlichte am 21.5.2008 schließlich das
Protokoll eines Exorzismus an der 22-jährigen Heike H. in
einem Kloster bei Ingolstadt. Vermeintlich liberaler deutscher Katholizismus hält sich zurück
Entwicklung in Deutschland – Im PM-Magazin
Nr. 2/2009 wird berichtet, dass
der liberale deutsche
Katholizismus
– mit verursacht durch das Desaster um Anneliese Michel – nur noch sehr
selten einen Exorzismus durchführt. "Pro Jahr melden sich etwa 50
Menschen, die glauben besessen zu sein", sagt Markus Roentgen vom
"Arbeitskreis Exorzismus" des Erzbistums Köln. Und: Allen wurde
mitgeteilt, "dass ein Exorzismus für sie nicht infrage kommt". Und beim
"Münchner Kreis" von katholischen Ärzten, Priestern und Psychologen gab
es im Jahr 2008 350 Anfragen nach Exorzismen – doch nur fünf Mal seien
diese Leute mit exorzistischen "Heilgebeten" behandelt worden.
Dazu der
Pallotinerpater Jörg Müller (Autor des Buches Verwünscht, verhext,
verrückt oder was?): "Die meisten Menschen, die sich an uns
wenden, sind psychisch krank. Sie fühlen sich fremdgesteuert, sehen
Schatten, fühlen sich berührt." Die Teufelseintreiber
Und der
römisch-katholische Exorzismus, der außerhalb Deutschlands weiterhin
zehntausendfach angewandt wird und dessen Anwendung derzeit weiter sprunghaft zunimmt
(vor allem in Südeuropa und in der Dritten Welt), richtet dabei kurz-
bzw. langfristig auch noch mehr Schaden an als ohnehin schon
erkennbar ist. Der Grund dafür sind die damit verbundenen destruktiven
Glaubensvorstellungen, z.B.
die katholischen Höllenlehren oder eine
katholische Bewertung von "Gut" oder "Böse", die nicht mit den
Wertvorstellungen der Hilfesuchenden übereinstimmt, die sich z. B. am
"gesunden Menschenverstand" orientieren (siehe oben
unsere Studie). Kritiker bezeichnen im Volksmund deshalb katholische Exorzisten
manchmal ja auch als "Teufelseintreiber". Doppelzüngigkeit und Scheinheiligkeit
Die Zeitschrift
Focus Nr. 2/2014 vom 4.1.2014 bestätigt diese Entwicklung, wobei
Scheinheiligkeit und Doppelzüngigkeit noch zugenommen haben, um die
gegensätzlichen Extreme im Katholizismus zu übertünchen. Doch auch so
mancher als "liberal" geltende kircheninterne Experte wie
Jörg Müller sagt heute, in manchen Fälle
helfe nur der "Ex" = "der große Exorzismus". Dabei testet er zuvor
die Hilfesuchenden. "Er stellt zwei Schüsseln Wasser auf den Tisch. Dann
will er von ihnen wissen, in welcher das Weihwasser sei." Brüllt oder
zuckt der Notleidende bei der falschen Schüssel, gelte er offenbar als
"Lügner", der eine Besessenheit nur vortäusche. Was für ein Kriterium! Einfallspforten der BeeinflussungDer mögliche Einfluss von jenseitigen Seelen lässt sich also weder durch ein "weichgespültes" katholisches Beratungsgespräch (vom Vatikan noch geduldeter liberaler deutscher Katholizismus) noch durch einen Exorzismus abschütteln (klassischer Katholizismus, Katholizismus in Südeuropa und in der Dritten Welt, Papst, Vatikan). Sondern dies wäre, wenn, dann nur durch strengste Selbstdisziplin einschließlich Gedankendisziplin möglich, um "Einfallspforten" der Beeinflussung (die sich im Extremfall eben bis zu einer Besetzung ausweiten könne) Zug um Zug zu schließen (siehe dazu die ausführlichen Überlegungen in unsere Studie oben). Solche "Einfallspforten" wären beispielsweise massive Schwachpunkte in der Persönlichkeitsentwicklung, über die der Hilfesuchende immer wieder in Extremzustände "abkippt". Doch ob der Betroffene dazu noch ganz oder wenigstens teilweise in der Lage ist? Oder ist die Persönlichkeit schon gespalten, was dann z. B. zu der Diagnose "Schizophrenie" führt? Wenn der Hilfesuchende die Zügel seines Lebens überwiegend nicht mehr selbst in die Hand nehmen kann, besteht nach Expertenberichten nur die Möglichkeit, ihn dann medikamentös ruhig zu stellen. Sprunghafte Zunahmen beim Exorzismus in Südeuropa
2013/2014 –
Katholische Kirche forciert Exorzisten-Ausbildung
– Der Erzbischof
von Madrid, Antonio Maria Rouco Varela, spricht von einem "noch nie
vorgekommenen Zuwachs" dämonischer Besessenheiten in unserer Zeit
(Frankfurter Allgemeine, 24.2.2014). Derzeit lässt er acht Priester
zu katholischen Exorzisten ausbilden. Nach Kardinal Rouco sei durch die
katholische Taufe das Katholische zwar zum
Teil "unserer DNS"
geworden, also des genetischen Erbguts, was jedoch nicht ausreichend vor
dem Teufel schütze. Im Namen von Papst Bergoglio, der auch sehr viel vom
Teufel spricht, "intensiviert die Kirche vor allem im Süden Europas die
Ausbildung von Teufelsaustreibern. Die Diözese Mailand ließ jetzt sieben
Priester zu Exorzisten ausbilden. In Neapel sind es drei. Aus Sardinien
haben gerade drei Priester ihren Kurs abgeschlossen" (FAZ, 24.2.2014).
Auch Anneliese Michel ist mehrfach nach Italien gefahren, um am Kult um
den "heilig" gesprochenen Pater Pio zu huldigen.
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Das Thema "Exorzismus" sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Als Beispiel der Artikel in Bild vom 9.2.2008 über die US-amerikanische Sängerin Britney Spears - um den Artikel zu lesen, bitte auf das Bild mit dem Artikel klicken
Auch die Zeitung die aktuelle berichtete am 22.2.2008 über die Sorge
der Mutter der Sängerin Britney Spears – um den
Artikel zu lesen, bitte auf das Bild rechts klicken) |
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